Das Dreischrittmodell Erwin Panofskys im Kontext der gegenwärtigen Philosophie des Bildes


Hausarbeit, 2008

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.Der Begriff der Ikone

3.Sinn und Deutung in der bildenden Kunst – Erwin Panofsky
3.1 Erwin Panofsky
3.2 Der Begriff der Ikonographie
3.3 Der Begriff der Ikonologie
3.4 Panofskys Dreischrittmethode

4.Kritik am Ansatz Panofskys

5.Die Hauptströmungen der gegenwärtigen Philosophie des Bildes nach13Lambert Wiesing

6.Die Verortung Erwin Panofskys Dreischrittmethode in den Hauptströmungen der gegenwärtigen Philosophie des Bildes nach Lambert Wiesing

7.Fazit

8.Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Bildbeschreibung ist ein Handwerk, das von jedem Menschen erlernt werden kann. Bildbeschreibung ist keine natürlich gegebene Fähigkeit, sondern ein komplexer Prozess, der bis zur Kunstfertigkeit gesteigert werden kann. Dabei ist die Bildbe schreibung kein Selbstzweck, sondern ein Schritt auf dem Weg zur Bildinterpretation.

Der Kunsthistoriker und Begründer der Ikonologie, Erwin Panofsky (1892-1968), widmete bereits 1932 einen vielbeachteten und noch immer aktuellen Aufsatz dem »Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst«“ (Müller, 2003: S. 33)

Folgt man der Auffassung Marion Müllers1 und sieht in der Bildbeschreibung einen komple-xen Prozess, gar eine Kunstfertigkeit, so wird deutlich, warum es im Kontext der Bildfor-schung und Kunstgeschichte einen methodologisch intendierten Diskurs gibt. Nimmt man sich dieser Logik an (vgl. Zitat Müller) und geht davon aus, dass nicht nur das Bild selbst in einem künstlerischen Prozess geschaffen wurde, sondern auch die Interpretation des selbigen einem ähnlichen künstlerischen Schaffensprozess unterliegt, bleibt zu konstatieren, dass die „Richtigkeit“ der Bildinterpretation sehr diskussionswürdig ist.

Denn Kunstprodukte zeigen sich seit je her als höchst streitbare Objekte, ähnliches gilt folg-lich für die Sphäre der Interpretation von Kunst, wenn man sie selbst zu einer Form der Kunst erhebt.

Diese Annahme wird eindrucksvoll durch die Fülle an themenbezogener Literatur bestätigt, die sich verschiedenster philosophischer Ansätze bedient und auch eigene wissenschaftliche Lager bildet. Der Kunsthistoriker Lambert Wiesing schreibt hierzu:

„Über das genus proximum des Bildes gehen die Meinungen in der gegenwärtigen Philosophie des Bildes deutlich auseinander. Zumindest lassen sich als etablierte Richtungen ein anthropologischer, semiotischer und wahrnehmungstheoretischer Ansatz innerhalb der Bildphilosophie differenzieren.“ (Wiesing, 2005: S. 17)

So findet teilweise unabhängig vom eigentlichen Objektbezug, eine reine Auseinandersetzung mit der Methode der Bildbetrachtung statt. Wissenschaftler wie Edmund Husserl, Jean-Paul Sartre, Maurice Merleau Ponty, Vilém Flusser, Aby Warburg, Max Imdahl oder auch Erwin Panofsky2 seien hier genannt. Eben all jene, die sich theoretisch und wissenschaftlich mit dem Gegenstand des Bildes und dessen Perzeption beschäftigt haben.

Die Fülle verschiedener Ansätze und Theorien, die oftmals auch interdisziplinäre Betrach-tungsweisen aufzeigen machen dieses Forschungsfeld interessant. Sicher scheint es unter die-sen Umständen ein hehres Ziel, sich der einzelnen Theorien und Vorstellungen anzunehmen und diese wissenschaftlich zu beleuchten. Die vorliegende Arbeit jedoch kann in ihrem Um-fange dies unmöglich leisten. Denn selbst im größeren Rahmen könnte die dezidierte Ausei-nandersetzung der einzelnen Themenbereiche der Kunstgeschichte nicht ohne methodische Einschränkungen erfolgen. Grundsätzlich soll es in der vorliegenden Arbeit um die theoreti-sche Aspekte zur Betrachtung von Bildern3 gehen, im speziellen Fall um die Ansätze von Erwin Panofsky und Lambert Wiesing. Daher soll im Folgenden der Begriff der Ikone näher beleuchtet werden, dessen verschiedene Bedeutungen, Formen und Verwendungen. Mithilfe dieser theoretischen Grundlage sollen im Anschluss sowohl Panofskys als auch Wiesings An-sätze zur Bildbetrachtung näher beleuchtet werden und in einem letzten Schritt zusammenge-führt werden

2. Der Begriff der Ikone

Etymologisch betrachtet bedeutet der aus dem Griechischen stammende Begriff Ikone in ers-ter Linie „Bild“ oder „Abbild.“ Diese allgemein gehaltene Übersetzung oder Definition zeigt schon die Reichweite und Auslegungshorizonte des Begriffes. Deutlich spezifischer fallen die meisten Begriffserklärungen in Lexika aus, hier wird die Ikone beispielsweise als Kultbild oder geweihtes Tafelbild der orthodoxen Kirche angesehen, die thematisch streng an biblische Überlieferungen gebunden sind (vgl. Meyers, 2001: S. 397).

In der Kunst- und Wissenschaftsterminologie findet der Begriff der „Ikone“ verschiedenste Anwendungen und vor allem sprachliche Umformungen. Max Imdahl prägte beispielsweise den Begriff der Ikonik und bezeichnete damit ein Verfahren deskriptiven Bildverstehens, das das aktbewusste „sehende Sehen“ und gegebenenfalls das „wieder erkennende Sehen“ glei-chermaßen zu seiner Grundlage macht (vgl. Spanke 2003: S. 64). Charles Sander Peirce nann-te umgekehrt in seiner zeichentypologischen Semiotik „icon“ ein Zeichen, das aufgrund von augenscheinlichenen Ähnlichkeiten mit dem Abzubildenden für dieses als Zeichen steht (vgl. ebd.). Aufgrund dieser Annahme geht die Semiotik in diesem Fall von einem messbaren Iko-nozitätsgrad aus. „Die Ikonozität, also die Eigenschaft eines Bildes, „Ikone“ beziehungsweise icon zu sein, bestehe demnach gerade in der anschaulichen „Naturtreue“, deren Ideal das e-phemere Spiegelbild ist“ (Spanke. 2003: S. 65).

Auch Erwin Panofsky generiert die Grundlagen seiner „Deutung der bildenden Kunst“ aus dem Ursprungsbegriff der Ikone. Davon abgeleitet prägt Panofsky die Begriffe der Iko-nographie und der Ikonologie, die jene zentralen Sphären seiner Bildbetrachtung darstellen. Daneben sei der Begriff des Ikonoklasmus zu nennen, welcher die Zerstörung heiliger Bilder oder Denkmäler der eigenen Religion umreist. Dieser so genannte Bildersturm fand bei-spielsweise in Deutschland im Zuge der Reformation des 16 Jahrhunderts statt. In enger Ver-bindung steht hier der Begriff der Ikonophobie, der Bilderangst, die sowohl in Wissenschaft, als auch in der Religion wieder zu finden ist. Als Beispiel wäre hier die jüdische Religion zu nennen, die bekanntermaßen als ikonoklastisch („bilderfeindlich“) gilt.

Schon in diesem kurzen Abriss zeigt sich die tiefe und Vielfalt, die der Begriff der Ikone und dessen Abwandlungen mit sich bringt. Es wäre unmöglich eine allgemeine Definition des Begriffes zu finden, der ein schier unbegrenztes Repertoire an Deutungsmöglichkeiten bereit-hält. Setzt man sich allerdings mit dem Begriff kunsthistorisch auseinander, so muss die an-gewandte Begrifflichkeit der Ikone für den jeweiligen Kontext neu definiert werden. Für den folgenden Teil ist die Abgrenzung des Begriffes essentiell. Hier sollen die theoretischen An-sätze Erwin Panofskys dezidiert beleuchtet werden.

3. Sinn und Deutung in der bildenden Kunst – Erwin Panofsky

3.1 Erwin Panofsky

Der 1892 in Hannover geborene Erwin Panofsky gilt als einer der bedeutensten Kunsthistori-ker unserer Zeit. Einer seiner Weggefährten, William Heckscher konstatierte: “Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass fast jede einzelne seiner Veröffentlichungen die Entwicklungen, ja, oft genug die Richtung seiner Disziplin, der Kunstgeschichte beeinflusste.“ (Heckscher) Panofsky lehrte ab 1927 als Professor an der Universität Hamburg und lässt sich dem wissen-schaftlichen Kreis um den berühmten Kunsthistoriker Aby Warburg4 zuzuordnen. Gemeinsam mit seinen Kollegen Fritz Saxl, Ernst Cassirer und dem Namensgeber der Aby Warburg grün-dete Panofsky die kunsthistorische Schule Hamburg.

Ähnlich wie andere Gelehrte musste auch Panofsky vor der Repression des nationalsozialisti-schen Regimes fliehen und emigrierte in die USA. Dort lehrte er an der New York University und später am Institute for Advanced Studies in Princeton (New Jersey).

3.2 Der Begriff der Ikonographie

„Die Geschichte der Ikonographie als Lehre von den Bildgehalten reicht mindestens bis ins 18. Jahrhundert zu dem Altertumsforscher Johann Joachim Winckelmann (1717- 1768) zurück. Im 19. Jahrhundert fand die Ikonographie als Hilfswissenschaft für die Sammlungs- und Archivarbeit in Museen Anwendung, bevor die Methode zu Anfang des 20. Jahrhunderts von Aby Warburg weiterentwickelt wurde.“

(Müller 2003: S. 249)

Die revolutionäre Neuerung des Begriffes der Ikonographie im 20. Jahrhundert, der besonders durch die Warburger Schule geprägt wurde, bestand in der fundamentalen Erweiterung des Bildbegriffes (vgl. ebd.).

„Bilder wurden zu Quellen für vergangene Realität. Damit war der erste Schritt getan, die Kulturwissenschaft und die Ikonographie als ihre Methode zu einer, wenn auch noch stark historisch motivierten, so aber dennoch zu einer Wirklichkeitswissenschaft zu machen“ (Mül-ler 2003: S. 249).

Auch wenn das eingangs stehende Zitat zeigt, dass der Begriff der Ikonographie eine lange Geschichte hat und in verschiedenen Auslegungen Verwendung fand, so wird die Terminolo-gie des Begriffes im Folgenden nur in der Interpretationsart der Warburger Schule, im spe-zielleren nach Erwin Panofsky, verstanden. Peter Burke schreibt hierzu, dass die kunstge-schichtlichen Begriffe der Ikonographie und Ikonologie in den zwanziger und dreißiger Jah-ren geprägt wurden. Im Genaueren habe es sich um eine Art Wiederbelebung der Begriffe gehandelt (vgl. Burke 2003: S. 69)

Wie im Teil 2. (Ikone) bereits kurz beleuchtet wurde, sind die Begriffe der Ikonographie und Ikonologie aus heutiger Sicht im entscheidenden Maße auf wissenschaftliche Erkenntnisse Erwin Panofskys zurückzuführen:

„Die Ikonographie ist der Zweig der Kunstgeschichte, der sich mit dem Sujet (Bildgegens-tand) oder der Bedeutung von Kunstwerken im Gegensatz zu seiner Form beschäftigt“ (Pa-nofsky 2000: S. 36).

3.3 Der Begriff der Ikonologie

Ähnlich wie die Ikonographie, ist der Begriff der Ikonologie nicht auf einen Neologismus Panofskys zurückzuführen, auch wenn er heute in engem Zusammenhang mit dem Kunsthis-toriker steht. Schon 1593 veröffentlichte Cesare Ripas sein berühmtes Renaissance Handbuch mit dem Namen >>Iconologica<<. Später wurde der Begriff explizit von Aby Warburg aufge-griffen, in seinem berühmten Vortrag von 1912 über >>Italienische Kunst und Internazionale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrera<< verwendetet er den Begriff der Ikonologie wie folgt (vgl. Müller 2003: S. 257)

„Ich hoffe, durch die Methode meines Erklärungsversuches [...] gezeigt zu haben, dass eine ikonologische Analyse, die sich durch grenzpolizeiliche Befangenheit weder davon abschrecken lässt, Antike, Mittelalter und Neuzeit als zusammen-hängende Epoche anzusehen, noch davon, die Werke freiester und angewandtester Kunst als gleichberechtigte Dokumente des Ausdrucks zu befragen, dass diese Methode, indem sie sorgfältig sich um die Aufhellung einer einzelnen Dunkelheit bemüht, die großen allgemeinen Entwicklungsvorgänge in ihrem Zusammenhang beleuchtet“ (Warburg 1912/1922/1992, S.185. In Müller 2003: S.257)

Der dem Warburg Kreis angehörende Kunsthistoriker William Heckscher berichtete, Aby Warburg habe den Begriff gar schon 1907 erstmalig verwandt, allerdings ausschließlich in adjektivischer Benutzung. Die eigentliche Wortschöpfung der Ikonologie schreibt Heckscher dem französischen Historiker Emile Mâle zu und datiert die erstmalige Verwendung auf 1927.

Auch in diesem Fall ist es methodische wichtig, die exakte Wortherkunft zu analysieren und nicht dem Trugschluss zu verfallen, der Begriff der Ikonologie trete erstmals in Werken Pa-nofskys in Erscheinung. Trotz allem kann man festhalten, dass auch hier der Kunsthistoriker Erwin Panofsky entscheidenden Einfluss hatte, die methodologische Feinarbeit leistete und den Begriff der Ikonographie in seinem 1932 erschienen Buch entscheidend prägte (vgl. Mül-ler 2003: S. 257). Daher sei die folgende Verwendung des Begriffes eng an die Vorstellung Panofskys angelehnt.

3.4 Panofskys Dreischrittmethode

Panofskys grundsätzliches Konzept zur Bildbetrachtung basiert auf einem Drei-Ebenen-Modell, welches die drei Phasen der Bildbetrachtung, respektive Interpretationen umfasst:

[...]


1 Dr. Marion G. Müller is Professor of Mass Communication (School of Humanities and Social Sciences; Inte­grated Social Sciences) at the Jacobs University Bremen

2 Die Aufzählung zeigt nur einige willkürlich ausgewählte Vertreter die in der kunsthistorischen Literatur zu finden sind und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

3 Wohlwissend, dass der Begriff „Bild“ in der Wissenschaft in verschiedenen Kontexten genannt wird und daher auch höchst unterschiedlich betrachtet werden kann. Für den vorliegenden Fall ist es allerdings nicht notwendig an dieser Stelle eine Einschränkung vorzunehmen, sodass der Begriff des „Bildes“ hier wie im umgangsprachli-chen Gebrauch verwendet werden kann.

4 „Der Warburg-Kreis war auch nach Warburgs Tod 1929, und vor allem in der britischen und amerikanischen Emigration, eine einflussreiche Denkschule, die jedoch nach ihrer indirekten Rückkehr nach Deutschland über die Schriften der Exilforscher nicht mehr die transdisziplinäre Wirkung der Vorkriegsjahre erzielte.“ (Müller 2003: S. 250)

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Details

Titel
Das Dreischrittmodell Erwin Panofskys im Kontext der gegenwärtigen Philosophie des Bildes
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Medien, Kommunikation und Sport Dept. Medien- und Kommunikationswissenschaften)
Veranstaltung
Medientheorie. Bilder lesen
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V125282
ISBN (eBook)
9783640300594
ISBN (Buch)
9783640305421
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erwin Panofsky
Arbeit zitieren
Felix Till (Autor:in), 2008, Das Dreischrittmodell Erwin Panofskys im Kontext der gegenwärtigen Philosophie des Bildes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125282

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