Finanzmathematik - Die Berechnung des fairen europäischen Call– und Put–Preises anhand des Black–Scholes–Merton–Modells


Fachbuch, 2008

66 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

VORWORT

1. EINFÜHRUNG
1.1. Thema
1.2. Börsenhandel und Over–the–Counter–Handel
1.3. Optionen Positionen
1.4. Forwards und Futures Stetige Verzinsung
1.5. Händlertypen

2. EIGENSCHAFTEN VON AKTIENOPTIONEN
2.1. Beweggründe zum Kauf einer Option
2.2. Bestimmungsfaktoren
2.3. Wertober– und Wertuntergrenzen Wertobergrenzen Wertuntergrenzen
2.4. Put–Call–Parität

3. WIENER–PROZESSE, ITÔS LEMMA UND GEOMETRISCHE BROWNSCHE BEWEGUNG
3.1. Stochastische Prozesse Markov–Prozess
3.2. Wiener–Prozesse Allgemeiner Wiener–Prozess
3.3. Itôs Lemma Herleitung des Lemmas von Itô
3.4. Der Prozess für Aktienpreise als geometrische Brownsche Bewegung

4. BLACK–SCHOLES–MERTON–MODELL
4.1. Hypothesen
4.2. Black–Scholes–Merton–Differentialgleichung
4.3. Der faire Call– und Put–Preis Berücksichtigung von Dividenden
4.4. Volatilität

5. SENSITIVITÄTEN VON OPTIONSPREISEN
Delta – Die Sensitivität des Optionspreises auf Preisveränderungen des Basiswerts
Gamma – Die Sensitivität des Deltawerts in Abhängigkeit vom Preis des Basiswerts
Theta – Die Variation des Optionspreises bei sich verändernder Laufzeit
Vega – Die Sensitivität des Optionspreises in Abhängigkeit der Standardabweichung
Rho – Die Sensitivität des Optionspreises in Abhängigkeit vom risikolosen Zinssatz

6. STRATEGIE AN DER BÖRSE

7. KRITIKPUNKTE DES BLACK–SCHOLES–MERTON–MODELLS UND EIN BEISPIEL EINES GROSSEN VERLUSTES BEI EINEM DERIVATGESCHÄFT

ANHANG

Literaturverzeichnis

Skripten aus dem Internet

Internetquellen

Der Anlagezyklus: Zwischen Angst und Gier

Kumulierte Normalverteilungsfunktion

Monte–Carlo–Methode

Vorwort

Ob Bulle oder Bär – Ihr Geld wird mehr!*

Ein Slogan, der oftmals von Banken, Hedgefonds–Managern, Finanzberatern, Brokern und diversen anderen Finanzfachleuten in der Werbung gebraucht wird, doch es stellt sich die Frage, ob dieser Spruch wirklich zutreffend sei.

Selbstverständlich könnte man behaupten, dass bei einer risikolosen Anlage das Geld, mit einem bestimmten Zinssatz verzinst, immer mehr wird, aber der Spruch bezieht sich nicht etwa auf ein Sparbuch, sondern auf das „Börsengeschehen“.

Der „primitive Anleger“ würde argumentieren, er werde bei seiner gekauften Aktie nur dann profitieren, wenn der „Bulle los sei“, falls also der Aktienkurs im Betrachtungs– zeitraum steige. Diese Annahme ist allzu trivial! Warum sind dermaßen viele Leute in dem Bereich tätig – um eine einzige Variante zu untersuchen?

Ich wende mich daher den Derivaten zu, unter anderem zählen zu diesen Optionen, um die es in meinem Fachbuch geht. Es gibt zwei grundsätzliche Arten von Optionen, eine Kaufoption (Call) und eine Verkaufsoption (Put). Mit Hilfe eines Calls und eines Puts (abhängig von der Position, d.h. ob Käufer oder Verkäufer) ist man nun in der Lage unzählige Strategien zu konstruieren, die sich bestimmte Verläufe von einem Aktienkurs erhoffen (Aktienpreis fällt, bleibt gleich, steigt, schwankt etc.). Durch Optionen kann man innerhalb kurzer Zeit viel Geld erwirtschaften – vollkommen egal, welches „Tier“ die Börse dominiert, unter der Voraussetzung, dass man auf die richtige Option gesetzt hat – beispielsweise ist es (mehr oder weniger leicht) möglich aus einem anfänglichen Kapital von 2500 € innerhalb eines Jahres 23750 € Gewinn zu realisieren. Wie das funktioniert, werde ich mitunter zeigen.

Ein derart ertragreiches Finanzinstrument bekommt man leider nicht geschenkt. Für den Erwerb eines Calls oder eines Puts bezahlt man eine Prämie. Das Ziel meiner Arbeit ist die faire Berechnung dieses Optionspreises anhand des Black–Scholes–Merton–Modells.

Zuerst ist es aber notwendig grundlegende Begriffe zu wissen, die wichtigsten Auszahlungs– und Gewinnprofile zu kennen, Eigenschaften von Aktienoptionen zu untersuchen und mathematische Grundlagen des Modells (Wiener–Prozesse, Itôs Lemma, geometrische Brownsche Bewegung, …) zu verstehen. Nach dem Hauptkapitel „Black–Scholes–Merton–Modell“ möchte ich eine Sensitivitätsanalyse ausarbeiten und anschließend eine Strategie anhand einer österreichischen Aktiengesellschaft mit meinen konstruierten Programmen in Mathematica und Excel zeigen. Abschließend ist es mir ein Anliegen Kritikpunkte des Modells darzulegen und auch die große Verlustgefahr bei einem Derivatgeschäft aufzuzeigen. Für Verluste gibt es nahezu immer aktuelle Fälle (derzeit die „Causa BAWAG“ und die „Causa Société Générale“). Ich weise außerdem auf meinen Anhang hin, der über das Thema hinausreichende Analysen enthält.

Zum Schluss soll jeder individuell urteilen, ob der Slogan „Ob Bulle oder Bär – Ihr Geld wird mehr“ bloß ein schwachsinniger Werbespruch ist oder doch im Hinblick auf ein Derivatgeschäft einen wahren Kern besitzt.

Ich setze grundlegende mathematische Kenntnisse voraus und werde jene nicht eigens erläutern (Wahrscheinlichkeits-, Infinitesimalrechnung, …).

Warum entschloss ich mich zum Schreiben dieser Arbeit und weshalb entschied ich mich für dieses Thema? Ersteres lässt sich rasch beantworten: Die Mathematik ist schon seit langer Zeit eine meiner ganz großen Leidenschaften. Mit einem Mathematikbuch irgendwo und irgendwann zu sitzen und dieses genauestens zu studieren, oft bis in die frühen Morgenstunden, wenn ich nach einer aufwendigen Herleitung mit vollständigem Beweis nicht einschlafen kann, zählt für mich zu den schönsten Dingen im Leben. Nun kam mir die Idee in den Sinn etwas zu Papier zu bringen, das es vielleicht auch schafft einen interessierten Leser bis in die frühen Morgenstunden zu fesseln.

Folgende Tätigkeit war für die Themenwahl maßgeblich: Ich absolvierte im Juli 2007 ein Praktikum als „Trainee“ bei der Deutschen Bank in Zürich am „Trading Floor“. Die Schlagworte Hektik, Nervosität, aber vor allem Präzision beziehungsweise Perfektion beschreiben annährend die dortige Atmosphäre am „Desk“. Ich bin sehr stolz behaupten zu dürfen, dass ich mit meinen jungen Jahren Derivatgeschäfte schon hautnah in der Praxis erlebt habe. Zu verdanken habe ich dies den Finanzspezialisten Karim Shakarchi und Klemens Karner, die mir mit zahlreichen Erläuterungen stets zur Seite standen.

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich außerdem bei meinem Betreuer Hans Stummer, der mich zu jeder Tages– und Nachtzeit mit Anregungen und Ratschlägen unterstützte und bei meinem ehemaligen Deutschprofessor Friedrich Gaigg, der mich bei Einzelheiten zur sprachlichen Gestaltung beriet.

Bad Goisern, im Februar 2008 Stefan M. Pomberger

1. Einführung

Über nachfolgende Themen sollte man nach Vorstellung des einleitenden Kapitels einen Überblick gewonnen haben:

- Verständnis für den Handel an der Börse (bezogen auf die Derivatbörse) und für den Over–the–Counter–Handel
- Grundkenntnisse über Optionen
- Kurze Darstellung von Forwards und Futures
- Verschiedene Händlertypen

1.1. Thema

Wie man bereits dem Vorwort entnimmt, geht es in meinem Fachbuch um Derivate.

Definition (1): „Ein Derivat kann definiert werden als Finanzinstrument, dessen Wert von den Werten anderer grundlegender Variablen abhängt (d.h. aus ihnen abgeleitet wird).“[1]

Die Underlyings (= die zugrunde liegenden Variablen) können dabei Aktien, Wechselkurse, Indizes, Schweinebäuche, Orangensäfte, Gold etc. sein. Derivatkontrakte sind als „Lieferverträge“ zu interpretieren, die sich auf die Underlyings beziehen, die aber auch an weitere Bedingungen geknüpft sein dürfen.[2]

Alle wichtigen Varianten nun vorzustellen würde den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen, deshalb bin ich gezwungen meine Arbeit auf einzelne wichtige Themen einzuschränken. Zum Leidwesen aller Orangensäfte–Genießer werde ich als Underlying wegen der gewaltigen Popularität nur Aktien in Betrachtung ziehen und mich bei den „Lieferverträgen“ auf Optionen spezialisieren. Dennoch ist es mir ein Anliegen Forwards und Futures kurz vorzustellen, da anhand von ihnen interessante Relationen hergestellt werden können.

1.2. Börsenhandel und Over–the–Counter–Handel

Definition (2): Eine Börse ist ein organisierter Markt, zum Zweck der zeitlichen, örtlichen und auch bereits virtuellen Konzentration[3] des Handels (hervorgerufen durch Angebot und Nachfrage), für Wertpapiere, Devisen, bestimmte Waren oder ihre Derivate.[4]

„Eine Derivatbörse ist ein Marktplatz, auf dem Marktteilnehmer standardisierte Kontrakte handeln, deren Bedingungen die jeweilige Börse bestimmt.“[5]

Während festgelegter Handelszeiten werden an der Börse laufend Kurse fixiert, die sich aus den bei den Börsenmaklern vorliegenden Kauf– und Verkaufsaufträgen (Orders) ergeben.

Durch die zeitliche und örtliche (virtuelle) Konzentration des Handels von fungiblen Gütern unter beaufsichtigter Preisbildung erreicht man eine Steigerung der Effizienz und der Marktliquidität, gesteigerte Transparenz, eine Verringerung der Transaktionskosten und einen notwendigen Schutz vor Manipulationen. Die Kontrolle haben Handelsüberwachungs-stellen der jeweiligen Börse inne (Compliance).

Das Pendant zum Börsenhandel ist der Over–the–Counter–Handel (OTC–Handel). Man beachte, dass dies kein potentieller Schwarzmarkt ist, sondern ein außerbörslicher Handel direkt zwischen den Intermediären, die finanzielle Transaktionen tätigen, welche nicht über die Börse abgewickelt werden. Die Händler treffen einander nicht persönlich, sie sind per Computer und Telefon in einem gemeinsamen Netzwerk verbunden. Der OTC–Handel ist zweifelsohne eine bedeutende Alternative zum Handel an der Börse und weist mittlerweile ein größeres Handelsvolumen auf als der börsennotierte Handel.

Diverse Geschäfte werden in der Regel zwischen zwei Finanzinstituten oder zwischen einem Finanzinstitut und einem seiner Firmenkunden abgeschlossen. Oftmals treten Finanz-institute als „Market Maker“ für häufig verkaufte bzw. gekaufte Papiere auf. Das bedeutet, dass sie immer bereit sind einerseits ein Kaufangebot (Bid–Preis: Preis, zu dem das Finanzinstitut zu kaufen bereit ist), andererseits ein Verkaufsangebot (Offer–Preis: Preis, zu dem das Finanzinstitut verkaufen will) zu stellen.

Der Vorteil des OTC–Handels ist offensichtlich: Man kann mit dem Counterpart (der Gegen-partei bzw. dem Gegenüber) verschiedenste Kontraktbedingungen vereinbaren, die an der Börse nicht gehandelt werden. So stehen beispielsweise am Derivatmarkt der Börse ausschließlich standardisierte Positionen zum Handel zur Verfügung. Dem OTC–Markt steht jedoch als Nachteil ein Kreditrisiko entgegen, d. h. es besteht durchaus eine Wahrscheinlich-keit, dass ein Kontrakt von einer Seite nicht erfüllt werden kann. Dieses Risiko ist an der Börse aufgrund eines Margin (Einschuss)–Kontos erheblich geringer.

1.3. Optionen

Wie ich bereits im Vorwort erwähnte, gibt es zwei Arten von Optionen, nämlich die Kaufoption (Call) und die Verkaufsoption (Put). Bevor[6] ich diese definiere gilt es festzuhalten, dass man zwischen europäischen (European Way) und amerikanischen (American Way) Optionen differenziert. Der Unterschied beruht nicht auf geographischen Gegebenheiten, sondern hängt mit dem im Kontrakt festgelegten Verfalldatum zusammen. Eine amerikanische Option kann bis zum Verfalldatum jederzeit ausgeübt werden, eine europäische Option nur am Verfalltag selbst. Der guten Ordnung halber sei die Variante exotische Option erwähnt, die mehrere Ausübungszeitpunkte besitzt oder sonstige Zusatzparameter wie zum Beispiel Barrieren hat.

In meiner Abhandlung werde ich nur mehr von europäischen Optionen sprechen, weil das Black–Scholes–Merton–Modell ausschließlich zur Berechnung des europäischen Call– und Put–Preises herangezogen werden kann. Freilich wäre es auch interessant amerikanische Optionen zu analysieren, aber es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen auch noch das Binomialmodell oder andere Methoden vorzustellen. Das Problem zum Kalkulieren amerikanischer Optionen liegt eigentlich „bloß“ in der Dividendenzahlung (Dividende: Barauszahlung an den Inhaber einer Aktie). Die vorzeitige Ausübung vor dem Verfalltag eines American Way Calls auf eine dividendenlose Aktie ist nie optimal, da man das benötigte Geld zum Kauf der Aktie zum Basispreis während der Restlaufzeit noch zum risikolosen Zinssatz anlegen kann. Deshalb ist ein American Call auf eine dividendenlose Aktie wie ein European Call zu behandeln und anhand des Black–Scholes–Merton–Modells zu berechnen. Dies funktioniert jedoch bei einem American Call auf eine Aktie mit Dividendenausschüttung(en) logischerweise nicht. Dasselbe Argument verwendet man bei einem American Put auf eine dividendenlose Aktie, bei dem eine vorzeitige Realisation sinnvoll ist (das Modell ist für diese Variante unbrauchbar), für einen American Put auf eine Aktie mit Dividende ist es schlau die Option nicht vorzeitig auszuüben (das Modell kann angewendet werden). Nun bedarf es aber zweier Definitionen.

Definition (3): Eine Kaufoption (Call) gibt ihrem Besitzer das Recht, das Underlying zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, zu einem heute schon vereinbarten Kurs, dem Ausübungspreis, zu kaufen.[7]

Definition (4): Eine Verkaufsoption (Put) gibt ihrem Besitzer das Recht, das Underlying zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, zu einem heute schon vereinbarten Kurs, dem Ausübungspreis, zu verkaufen. 7

Üblicherweise werden auch die Begriffe Basispreis bzw. Strike–Preis anstatt Ausübungspreis gebraucht. Bei börsengehandelten Aktienoptionen stellt ein Kontrakt in der Regel die Vereinbarung dar 10, 50 oder 100 Anteile zu kaufen beziehungsweise zu verkaufen, dies je nach Usance der Börse.

Positionen

Die nächste Erläuterung führt zu folgender wichtigen Frage:

Wie viele Typen von Marktteilnehmern in Optionsmärkten gibt es?

- Käufer von Calls (Long Call)
- Verkäufer von Calls (Short Call)
- Käufer von Puts (Long Put)
- Verkäufer von Puts (Short Put)

Beim Käufer (Besitzer) einer Option liegt in der Sprache der Finanzmärkte eine Long–Position vor, als Verkäufer klassifiziert man die Inhaber der Short–Position, dies kann auch als „eine Option schreiben“ bezeichnet werden.

Jeder Optionskontrakt hat also zwei Seiten: Anleger mit der Long–Position und Anleger mit der Short–Position.

Das Wort „Recht“ in der Definition (3) & (4) will ich hier nochmals hervorheben. Ein Käufer einer Option erwirbt das Recht, das Underlying …, hat aber nicht die Pflicht!

„Von diesem Recht wird genau dann Gebrauch gemacht, d.h. die Option wird dann ausgeübt, wenn sie ‚in–the–money’ liegt, d.h. wenn die Ausübung einen Gewinn abwirft:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wenn die Option ‚at–’ oder ‚out–of–the–money’ liegt, dann wird sie einfach nicht ausgeübt“ und verfällt.[8]

Der Optionsverkäufer erhält im Voraus eine Prämie (= Preis der Option, Optionspreis), hat aber eventuell später Verbindlichkeiten. Nun ist der „Nagel auf den Kopf getroffen“, denn genau um diesen Preis geht es in meiner Arbeit. Wie hoch ist die Prämie zu wählen, damit sie fair ist? Die Frage gehört sogar zuerst anders formuliert: Wann ist eine Prämie fair berechnet?

Wir haben genau dann einen fairen Preis, wenn zu Beginn des Kontrakts keine Seite, also weder Käufer, noch Verkäufer der Option, einen Vorteil hat. Sonst könnte man durch geschickte Arbitragestrategien einen risikolosen Gewinn erzielen und das darf nicht sein. Während des Zeitraums „rutschen“ die Positionen selbstverständlich mit sich änderndem Aktienkurs auf die Gewinn– bzw. Verlustseite. Spannend ist die zu beobachtende Symmetrie: Der Gewinn oder Verlust des Verkäufers ist dem des Optionskäufers entgegengesetzt.

Als Arbitrage bezeichnet man einen risikolosen Profit beim Handel mit Finanzgütern. Ein Beispiel: „Eine Aktie werde in New York und Frankfurt gehandelt. Es sei der Kurs in New York 100 Dollar, der Kurs in Frankfurt 93 Euro, der Wechselkurs 0,94 Euro pro Dollar.“[9] Folgende mögliche Arbitragestrategie: Ich kaufe 1000 Aktien in Frankfurt, verkaufe diese in New York und wechsle Dollar in Euro. Ohne Berücksichtigung von Transaktionskosten beträgt der risikolose Profit: Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten€.

Aufgrund der Transparenz des Marktgeschehens kann eine derartige Arbitrage nur für sehr kurze Zeit möglich sein. Es wirken nämlich Angebot und Nachfrage: Das Bewusstsein der Arbitragemöglichkeit führt zu gesteigerter Nachfrage in Frankfurt, daher zur Anhebung des Frankfurter Kurses und erhöhter Aktienabgabe in New York, was den Kurs senkt.

Die Antwort auf die Frage „Wie hoch ist die Prämie zu wählen, damit sie fair ist?“ wird das Ziel dieses Fachbuches sein. Anhand des Black–Scholes–Merton–Modells kann man die faire Prämie für europäische Optionen berechnen. Das Modell ist ein von Fischer Black, Myron Scholes und Robert Merton entwickeltes Bewertungsverfahren, es gilt als ein Meilenstein der Finanzwirtschaft und brachte Scholes und Merton (Black starb inzwischen) 1997 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ein.

Die Idee ist folgende: Wenn zwei Positionen (Long und Short) beim Verfall denselben Wert aufweisen, muss auch ihr heutiger Wert genau gleich sein. Wäre dies nicht der Fall, dann gäbe es Arbitragemöglichkeiten: Man könnte die „unterbewertete“ Position kaufen, die „überbewertete“ verkaufen, und die Differenz wäre ein risikoloser Gewinn, da sich der Wert der beiden Seiten bei Verfall neutralisiert, was heißen soll, dass durch die Transaktion keine zukünftige Verpflichtung entsteht.

Grundlegend für das Verständnis von Optionen ist, die Positionen durch ihre Auszahlungen (Payoffs) an den Anleger bei Fälligkeit zu charakterisieren. Die Kosten der Option (Prämie, mögliche Transaktionskosten) gehen in diese Analyse nicht mit ein.

Payoff–Diagramme ohne Optionsprämie: [10]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* E: Erwartung von der Option, d.h. man erwartet vom Aktienkurs, dass er sich nach oben bzw. unten (siehe Pfeil) bewegt um einen Gewinn realisieren zu können.

K: Ausübungspreis, ST: Kurs der Aktie bei Fälligkeit;

ad Long Call: Call wird ausgeübt, falls ST > K und nicht ausgeübt, falls ST ≤ K. (Bemerkung: Es ist nicht förderlich den Call auszuüben, falls ST = K, da je nach Vereinbarung Transaktionskosten auftreten können)

Erklärung max(ST – K, 0):

Die Funktion max bedeutet, man nehme das Maximum aus entweder

(1) ST – K, falls ST > K (Ausübung → führt zu einem Gewinn!); Grund für ST – K: Kontraktinhaber kann ein Gut, das den Wert ST besitzt, zum Preis K kaufen.

oder (2) 0, falls ST ≤ K (keine Ausübung)

ad Short Call: Wegen der oben beschriebenen Symmetrie muss die Auszahlung an den Inhaber der Short–Position entgegengesetzt zur Long–Position sein.

– max(ST – K, 0) = min(K – ST, 0)

Wie es für den „Short“ üblich ist, hat dieser nun die Verpflichtung im Falle einer Ausübung und verliert K – ST oder steigt im besten Fall (keine Ausübung) mit 0 aus. (Ich möchte noch einmal betonen, dass die Prämie bei dieser Analyse noch nicht einbezogen wurde! Selbstverständlich kann der Inhaber der Short–Position auch gewinnen, nämlich, wenn das Geschäft gut geht, die Prämie.)

ad Long Put: Der Put wird ausgeübt, falls ST < K und nicht ausgeübt, falls ST ≥ K. (Es gilt dieselbe Bemerkung für den Put wie oben)

ad Short Put: – max(K – ST, 0) = min(ST – K, 0)

Falls der Aktienkurs zum Fälligkeitszeitpunkt niedriger ist als der Ausübungspreis, verliert er durch die Ausübung ST – K oder steigt im anderen Fall mit 0 aus.

Die obigen Grafiken sind zwar wichtig, speziell die Auszahlungen [z.B. max(ST – K, 0) für einen Long Call] haben enorme Bedeutung für die Herleitung der Bewertungsformeln nach Black, Scholes und Merton, aber die oben stehenden Payoffs repräsentieren noch nicht die endgültige Position im Portfolio, d.h. es muss nun noch die Prämie (Preis der Option) berücksichtigt werden.

Payoff–Diagramme mit Optionsprämie = Gewinnprofil (Erwartung von der Option wie oben!):[11]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

c: Call–Preis, p: Put–Preis;

1.4. Forwards und Futures

Definition (5): Der Future– oder Forward–Kontrakt ist ein verbindlicher Vertrag (Pflicht!), der beide Vertragsparteien dazu verpflichtet, eine bestimmte Anzahl oder Menge eines Underlyings zu einem heute festgesetzten Kurs, dem Forward– oder Future–Preis, an einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, zu kaufen bzw. zu verkaufen. Dabei wird der Forward– oder Future–Preis so berechnet, dass das Eingehen der Kauf– bzw. Verkaufs–Verpflichtung zum heutigen Zeitpunkt kostenlos ist.[13][12]

Die Bezahlung des Underlyings erfolgt in der Regel erst bei dessen Lieferung und nicht bei Vertragsabschluss. Futures und Forwards haben zwar dieselbe Definition, jedoch unterscheiden sie sich in einigen Punkten. Die wichtigsten Differenzierungsmerkmale möchte ich an dieser Stelle nennen.

Futures werden an der Börse gehandelt, sind standardisiert, haben meistens einen Lieferzeitraum über mehrere Tage und weisen aufgrund der Einschuss–Konten eigentlich kein Kreditrisiko auf (→ Börsenhandel). Forwards stellen private Verträge zweier Parteien dar, sind nicht standardisiert, es steht gewöhnlich ein spezifizierter Liefertag fest und sie haben ein gewisses Kreditrisiko (→ OTC–Handel).

Payoff–Diagramme: [14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* E: Erwartung vom Future oder Forward, d.h. man erwartet vom Aktienkurs, dass er sich nach oben bzw. unten (siehe Pfeil) bewegt um einen Gewinn realisieren zu können.

F: Forward– oder Future–Preis

In den meisten Fällen kann der Future–Preis eines Kontrakts mit einem bestimmten Lieferdatum als identisch zum Forward–Preis eines Kontraktes mit dem gleichen Lieferdatum angesehen werden. Die beiden Preise sind in der Theorie exakt gleich, wenn die Zinssätze gänzlich vorhersagbar sind. Folglich betrachte ich ausschließlich Futures.

Zur Veranschaulichung: Eine Orangensaftfirma will sich gegen ein Steigen des Orangenpreises in drei Monaten absichern. Sie nimmt daher die Long–Position in einem Future ein und kauft Orangen nach drei Monaten von der Short–Position um den berechneten Future–Preis. Liegt der Orangenpreis zum Fälligkeitszeitpunkt über dem Future–Preis, dann erzielt die Firma einen Gewinn, ansonsten erleidet sie einen Verlust.

Wie berechnet man nun den Future–Preis?

Bevor ich diese Frage beantworten kann, ist folgender Einschub nötig:

Stetige Verzinsung

Die stetige Verzinsung ist ein Sonderfall der unterjährigen Verzinsung mit Zinseszinsen, bei der die Anzahl der Zinsperioden gegen unendlich strebt. Der Zeitraum der einzelnen Zinsperiode geht demnach gegen 0.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Zinssätze werde ich immer mit stetiger Verzinsung messen, da man diese Verzinsungsart in sehr vielen finanzmathematischen Modellen annimmt; so zum Beispiel bei der Berechnung des fairen europäischen Call– und Put–Preises anhand des Black–Scholes–Merton–Modells oder generell bei der Bewertung von Derivaten.

Nun aber zurück zur Frage: Wie berechnet man den Future–Preis?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es dürfen nun aber keine Arbitragemöglichkeiten existieren, da auch der Future–Preis fair sein muss. Der Future–Preis ist so anzupassen, dass der Wert zum heutigen Zeitpunkt gerade Null beträgt – der Vertrag sollte bei t = 0 tatsächlich wertlos sein. Im Gegensatz zu Optionen kann man sich hier eine ganz einfache Strategie überlegen: Mein Counterpart kauft von mir einen Future auf die eben betrachtete Aktie mit Fälligkeit in sechs Monaten. Ich bin nun verpflichtet, zum Fälligkeitszeitpunkt die Aktie an meinen „Gegenspieler“ zu einem Preis F auszuliefern. Um dies jedoch garantieren zu können, kaufe ich die Aktie um 50 € heute und finanziere sie durch einen Kredit in der Höhe von 50 €. Nach sechs Monaten verkaufe ich dem Gegenüber die Aktie zum Future–Preis. Wähle ich den Preis so, dass mit diesem der Betrag in der Höhe von Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten€ zurückgezahlt werden kann, so ist es möglich die Verpflichtung ohne Gewinn oder Verlust zu erfüllen. → Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Future–Preis hängt also lediglich vom risikolosen Zinssatz r ab und nicht vom Underlying!

1.5. Händlertypen

Es werden drei wesentliche Händlertypen unterschieden:[15]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassung Kapitel 1

„Die Berechnung des fairen europäischen Call– und Put–Preises anhand des Black–Scholes–Merton–Modells“ – folgende Komponenten möchte ich nach dieser Einführung hieraus nochmals explizieren:

- Mit dem Kauf eines Calls bzw. eines Puts erwirbt man das Recht das Underlying zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt (→ Zeitpunkt: europäische Option), dem Fälligkeitszeitpunkt, zu einem heute schon vereinbarten Kurs, dem Ausübungspreis, zu kaufen bzw. zu verkaufen.
- Für den Erwerb einer Option muss also ein bestimmter Betrag bezahlt werden: Dieser heißt Optionspreis (Call– bzw. Put–Preis). Wichtig ist dabei, dass der Optionspreis fair, also ohne Existenz von Arbitragemöglichkeiten, berechnet wurde.
- Das Black–Scholes–Merton–Modell ist ein Bewertungsverfahren für die Berechnung des fairen europäischen Call– und Put–Preises.
- Das Modell konnte sich bald als „Standard“ in der Optionspreisbildung etablieren. Frühere Methoden zur Optionsbewertung fanden keinen Anklang, weil sie von schwer bis teilweise unbestimmbaren Parametern abhingen, wie beispielsweise dem erwarteten Aktienpreis bei Fälligkeit der Option. Die Determinanten (→ Kapitel „Eigenschaften von Aktienoptionen“, Bestimmungsfaktoren) für den Preis der Option sind im Black–Scholes–Merton–Modell bis auf eine Ausnahme alle real auf dem Markt beobachtbar. Allein die zukünftige Volatilität[16] des Aktienkurses ist nicht exakt bestimmbar, kann aber relativ „trivial“, zum Beispiel mittels historischer Daten (Historische Volatilität) oder deduziert aus den Marktpreisen von Optionen (Implizite Volatilität), objektiv geschätzt werden.[17]

Nachdem nun ein grundlegender Überblick geschaffen wurde, ist es erforderlich die maßgeblichen Eigenschaften von Aktienoptionen darzulegen.

2. Eigenschaften von Aktienoptionen

Folgende Leitfragen stehen in diesem Abschnitt im Fokus und helfen ein besseres Verständnis für Aktienoptionen zu entwickeln:

- Was motiviert zum Kauf einer Option?
- Welche Faktoren beeinflussen den Optionspreis?
- Kann man Wertober– und Wertuntergrenzen von Optionen klar definieren?
- Gibt es eine Beziehung zwischen Call und Put?

[...]


* Bulle steht an der Börse für steigende Kurse, während der Bär fallende Kurse repräsentiert.

[1] Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. Wirtschaft, München: Pearson Studium 62006, S. 24.

[2] siehe: Fulmek, Markus: Seminar Finanzmathematik. Bewertung derivativer Finanzinstrumente, online im Internet: URL: http://www.mat.univie.ac.at/~mfulmek/documents/ss03/skriptum2003.pdf [Stand: 2007-09-11, 23:00], Wien: 2003, S. 31.

[3] vergleiche: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. a.a.O., S. 25.

[4] vergleiche folgende Werke:

Wikipedia: Börse, OTC-Handel, online im Internet: URL: http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%B6rse, http://de.wikipedia.org/wiki/Over-the-counter [Stand: 2007-09-18, 18:15].

BWCLUB: Börse, online im Internet: URL: http://www.bwclub.de/lexikon/b/boerse.htm [Stand: 2007-09-18, 18:00].

[5] Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. a.a.O., S. 24.

[6] vergleiche folgende Werke:

Irle, Albrecht: Finanzmathematik. Die Bewertung von Derivaten, Wiesbaden: Teubner 22003, S. 10 f.

Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. a.a.O., S. 228 ff.

Kremer, Jürgen: Einführung in die Diskrete Finanzmathematik. Heidelberg: Springer 2006, S. 8 f.

Zimmermann, Heinz: Preisbildung und Risikoanalyse von Aktienoptionen. Schweizerisches Institut für Außenwirtschafts-, Struktur- und Regionalforschung an der Hochschule St. Gallen, Grüsch: Rüegger 1988, S. 27.

[7] vergleiche: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. a.a.O., S. 228.

[8] Zimmermann, Heinz: Preisbildung und Risikoanalyse von Aktienoptionen. a.a.O., S. 13 f.

[9] Irle, Albrecht: Finanzmathematik. a.a.O., S. 11.

[10] vergleiche: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. a.a.O., S. 232.

[11] vergleiche: Zimmermann, Heinz: Preisbildung und Risikoanalyse von Aktienoptionen. a.a.O., S. 19.

[12] vergleiche folgende Werke:

Kremer, Jürgen: Einführung in die Diskrete Finanzmathematik. a.a.O., S. 11 f.

Uszczapowski, Igor: Optionen und Futures verstehen. Grundlagen und neuere Entwicklungen, München: Deutscher Taschenbuch Verlag 52005, S. 341-344.

Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. a.a.O., S. 138 f, 161.

[13] vergleiche folgende Werke:

Müller-Möhl, Ernst: Optionen und Futures. Grundlagen und Strategien für das Termingeschäft in der Schweiz, Deutschland und Österreich, Stuttgart: Schäffer-Poeschel 31995, S. 29.

Kremer, Jürgen: Einführung in die Diskrete Finanzmathematik. a.a.O., S. 10.

[14] vergleiche: Zimmermann, Heinz: Preisbildung und Risikoanalyse von Aktienoptionen. a.a.O., S. 19.

[15] vergleiche: Hull, John C.: Optionen, Futures und andere Derivate. a.a.O., S. 40.

[16] Volatilität ist salopp gesagt das Maß für die Schwankung des Aktienkurses; sie definiert sich aus der Standardabweichung der Renditen über ein Jahr und ist als Maß für das Risiko zu interpretieren.

[17] vergleiche: Dörner, Jan-Hendrik: Black-Scholes Interactive, online im Internet: URL: http://www.wiwi.uni-frankfurt.de/~doerner/kap1.pdf [Stand: 2007-11-01, 22:00].

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Finanzmathematik - Die Berechnung des fairen europäischen Call– und Put–Preises anhand des Black–Scholes–Merton–Modells
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2008
Seiten
66
Katalognummer
V124734
ISBN (eBook)
9783640298549
ISBN (Buch)
9783640303717
Dateigröße
2751 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Nach der Absolvierung meines Praktikums in den Sommerferien 2007 bei der Deutschen Bank in Zürich am "Derivative Desk", entschloss ich mich, ein wissenschaftliches Fachbuch zu schreiben, das die Berechnung des europäischen Optionspreises anhand des Black-Scholes-Merton-Modells von Grund auf erläutern und praxisrelevante Informationen zum Themenkomplex Optionen vermitteln soll.
Schlagworte
FINANZMATHEMATIK, Berechnung, Call–, Put–Preises, Black–Scholes–Merton–Modells, Call, Put, Preis, Black Scholes, faire Preis, fairer Preis, Option, Derivat, Aktie, Aktienkursbewegung, europäische Option, Monte Carlo, Monte Carlo Simulation, quantitative finance, Stock, Equity, Derivatives, fair value
Arbeit zitieren
Stefan Mathias Pomberger (Autor:in), 2008, Finanzmathematik - Die Berechnung des fairen europäischen Call– und Put–Preises anhand des Black–Scholes–Merton–Modells, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/124734

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