Kultur- und Tourismusgeographie

Empirie, Marketingstrategien und Konzeptionsentwicklung am Fallbeispiel der Stadt Calw


Fachbuch, 2006

95 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINFÜHRUNG UND ÜBERBLICK ZUM THEMA

2. KULTUR UND KULTURTOURISMUS: GRUNDLAGEN, VORAUSSETZUNGEN UND ENTWICKLUNGEN
2.1 Grundlegende Betrachtungen von Kultur und Kulturtourismus
2.1.1 Definitionsmöglichkeiten von „Kultur“ und „Kulturlandschaft“
2.1.2 Gesellschaftlicher Wertewandel: Entwicklung von Freizeit und Erholungsbedürfnissen
2.1.3 Kulturtourismus und Definitionen
2.1.4 Einordnung des Kulturtourismus in das System des Tourismus
2.2 Trends in Kultur und Tourismus
2.3 Kulturtourismus heute und allgemeine Kundenmerkmale
2.3.1 Haupttrends, Kundenprofile und Zielgruppen
2.3.1.1 Eventtourismus
2.3.1.2 Städtereisen
2.3.1.3 Thementourismus
2.3.1.4 Studienreisen und Bildungsreisen
2.3.2 Spezielle Angebotsformen
2.3.2.1 Museums- und Ausstellungstourismus
2.3.2.2 Industrietourismus
2.3.2.3 Rootstourismus und Militärtourismus
2.3.2.4 Religionstourismus
2.3.2.5 Kunstwelten im Kulturtourismus
2.4 Marketingkonzeptionen und -strategien im Kulturtourismus
2.4.1 Die Situationsanalyse
2.4.2 Die Nachfrage
2.4.3 Die Konkurrenzanalyse
2.4.4 Die Angebotsseite
2.4.5 Marketingkonzeption und Marketingstrategie
2.4.5.1 Leitziele im Kulturtourismus
2.4.5.2 Die Handlungsstrategie
2.4.5.3 Der Handlungsrahmen
2.4.5.4 Erfolgskontrolle
2.5 Das endogene Potenzial einer Region
2.5.1 Akteure und Fördermaßnahmen
2.6 Image und Wahrnehmung von Veranstaltungsorten und die Entwicklung von Reisemotiven und Reiseentscheidungsprozessen
2.6.1 Das Image und seine Entstehung unter besonderer Berücksichtigung des städtischen Struktur- und Veranstaltungsraumes
2.6.2 Psychologie der Wahrnehmung von Images
2.6.3 Reisemotivation und Reiseentscheidung
2.7 Kulturtourismus im Spannungsfeld von Ökonomie, soziokulturellen Bedürfnissen und Ökologie: Positive und negative Auswirkungen

3. FALLBEISPIEL EINER KOMMUNE IM NORDSCHWARZWALD: DIE GROßE KREISSTADT CALW 31
3.1 Rahmensetzende Bedingungen: Naturraum, Standortpotenziale Wirtschaftsstruktur
3.1.1 Naturräumliche Lage und Topographie
3.1.2 Klima am Nordostrand des Schwarzwaldes
3.1.3 Geologische und hydrologische Bedingungen
3.1.4 Böden, Vegetation und Nutzung auf der Schwarzwald- und Gäuseite
3.2 Geschichtliche und kulturräumliche Prägungen der Stadt Calw
3.2.1 Früheste Besiedlung und Siedlungsgründungen
3.2.2 Städtische Entwicklung vom Mittelalter bis in die Neuzeit
3.2.3 Städtische Entwicklung nach 1945
3.2.4 Das Kloster Hirsau und die St. Aureliuskirche: Historisch begründeter kultureller Einfluss auf Stadt und Umland
3.3 Wirtschaftsgeographische Aspekte und der Wirtschaftsstandort Calw
3.3.1 Wirtschaftliche Entwicklungsprozesse: Kultur und Kulturtourismus in der Dienstleistungsgesellschaft
3.3.2 Wirtschaftliche Bedeutung harter und weicher Standortfaktoren
3.3.3 Wirtschaftsentwicklung und Strukturdaten der Stadt Calw
3.3.4 Übergeordnete Planungen
3.4 Zusammenfassung der Standortpotenziale Calws

4. KULTURELLES UND TOURISTISCHES POTENZIAL DER STADT CALW
4.1 Das kulturelle Potenzial
4.1.1 Städtebauliches und kulturlandschaftliches Potenzial
4.1.1.1 Die Kernstadt
4.1.1.2 Hirsau und das Kloster Hirsau
4.1.1.3 Holzbronn, Altburg, Stammheim, Alzenberg, Wimberg und Heumaden
4.1.2 Kulturträger der Stadt und Veranstaltungsorte
4.1.2.1 Der Veranstaltungskalender
4.1.2.2 Kulturelle Angebote in städtischer Trägerschaft
4.1.2.2.1 Das Hermann-Hesse-Museum, weitere städtische Museen, Stiftungen
4.1.2.2.2 Die Musikschule Calw und die Aurelius–Sängerknaben
4.1.2.3 Kulturelle Angebote von Vereinen, Organisationen, Firmen und Privatpersonen
4.2 Das touristische Potenzial
4.2.1 Unterkunfts- und Tagungsmöglichkeiten
4.2.2 Angebote der Stadtinformation
4.2.3 Öffentliche Verkehrsmittel und Einkaufsmöglichkeiten
4.2.4 Dienstleister im Gesundheitsbereich und Erholungseinrichtungen
4.2.5 Gastronomie, typische Calwer Erzeugnisse, Erlebnisgastronomie.

5. EMPIRISCHE FORSCHUNGSMETHODEN ZUR NACHFRAGE KULTURELLER UND KULTURTOURISTISCHER ANGEBOTE
5.1 Untersuchungsziele
5.2 Untersuchungsmethodik und Untersuchungsbedingungen
5.2.1 Qualitative Befragungen, Interviewpartner und Durchführung
5.2.1.1 Das Experteninterview mit schriftlichem Leitfaden
5.2.1.2 Das narrative Interview
5.2.2 Quantitative Befragungen, Interviewpartner und Durchführung
5.2.2.1 Die schriftliche Befragung von Touristen in Beherbergungsbetrieben
5.2.2.2 Die schriftliche Befragung in Museen und bei der „Calwer Kulturnacht“
5.2.2.3 Das Stichprobenauswahlverfahren
5.3 Entwicklung der Schlafgelegenheiten in der Hotellerie, in Ferienwohnungen und Privatunterkünften
5.4 Entwicklung der Besucherzahlen bei Veranstaltungen und in den städtischen Museen

6. ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNGEN
6.1 Ergebnisse der Experteninterviews mit schriftlichem Leitfaden.
6.2 Ergebnisse der narrativen Interviews mit Beherbergungsbetreibern
6.3 Ergebnisse der Umfrage bei Gästen in Beherbergungsbetrieben
6.4 Ergebnisse der Besucherumfrage in Museen
6.5 Ergebnisse der Besucherumfrage bei der „Calwer Kulturnacht“
6.6 Zusammenfassende Bewertung der Nachfrageseite
6.7 Zusammenfassende Bewertung der Angebotsseite
6.7.1 Die Situation in den Beherbergungsbetrieben
6.7.2 Die Situation der kulturellen Einrichtungen

7. ZUKÜNFTIGE KULTURELLE ENTWICKLUNGSPERSPEKTIVEN
7.1 Zukünftige Leitziele
7.2 Handlungsempfehlungen für zukünftige Marketingstrategien
7.3 Handlungsempfehlungen für die zukünftige Angebotsgestaltung
7.3.1 Neue Angebote im Kulturtourismus
7.3.2 Angebotserweiterungen bei klassischen Kulturangeboten
7.3.3 Handlungsempfehlung für moderne Unterhaltungsangebote
7.3.4 Regionalkultur und weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten
7.3.5 Touristische Infrastruktur und Erfolgskontrolle
7.3.6 Verstärkte Kommunikationspolitik

8. FAZIT

9. LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

ANHANG

ANHANG I Gesprächspartner und mündliche Auskünfte

ANHANG II Semantisches Differenzial

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Tourismusarten

Abb. 2: Die Situationsanalyse

Abb. 3: Marketingkonzeption und Umsetzung

Abb. 4: EU-Studie: Reiseentscheidungen 1997-1998

Abb. 5: BRD: Reiseentscheidungen 2005

Abb. 6: Standortfaktoren

Abb. 7: Bevölkerungsentwicklung der Stadt Calw 1990-2004

Abb. 8: Untersuchungsablauf der primärstatistischen Erhebungen

Abb. 9: Berechnung der Stichprobengröße

Abb. 10: Reisegrund und Reisedauer der Gäste gesamt im Vergleich mit der Gruppe der kulturinteressierten Gäste

Abb. 11: Nutzung kultureller Angebote bei den kulturinteressierten Übernachtungsgästen

Abb. 12: Altersstruktur der Gäste gesamt und der kulturinteressierten Gäste

Abb. 13: Die Nutzung kultureller Angebote bei der Gruppe der Museumsbesucher

Abb. 14: Die Nutzung weiterer kultureller Angebote bei den Besuchern der „Calwer Kulturnacht“

TABELLENVERZEICHNIS

Tab. 1: Die Bereiche der Marktfeldstrategie

Tab. 2: Positive und negative Auswirkungen touristischer Nutzung von Kulturgütern

Tab. 3 : Gesprächspartner zum kulturellen und touristischen Angebot

Tab. 4: Entwicklungen im Beherbergungsgewerbe im Zeitraum 2000-2005

Tab. 6: Reisemotive der Gäste gesamt und der kulturorientierten Gäste

KARTE

Karte 1: Schematische Karte der Gemarkung Calw, Zentrum und Ortsteile

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. EINFÜHRUNG UND ÜBERBLICK ZUM THEMA

Kulturgeographische Fragestellungen und Theorien wurden seit Beginn des Massentourismus, einsetzender Globalisierung und dem Übergang von der Moderne zur Postmoderne einer Überprüfung und Neuausrichtung unterzogen. Die aktuellen Forschungsansätze in vielen Humanwissenschaften verändern bisher gültige Paradigmen, weshalb von einem „Cultural Turn“ gesprochen wird. HOPFINGER (2003: 14) definiert diesen Prozess wie folgt: „ Unter cultural turn wird die in vielen Humanwissenschaften beobachtbare Wende hin zu einer stärkeren konzeptionellen Ausrichtung auf Fragen der Kultur und der sich verändernden Bedeutungs- dimensionen fachspezifisch behandelter Erkenntnisobjekte und eingesetzter Forschungsmethoden verstanden.“

Das traditionelle Verständnis von Kultur und für kulturelle Entwicklungen im Sinne von homogenen, fixierten Strukturen innerhalb eines bestimmten Raumes scheint ausgedient zu haben und wird von einem mehr ganzheitlichen, praxisorientiertem und stärker anthropologisch-sozialwissenschaftlich ausgerichteten Verständnis abgelöst. Damit verlieren frühere Erklärungsansätze wie etwa die „Kulturkreislehre“ in der Anthropogeographie an Bedeutung.

Kultur wird nicht mehr als materieller, quasi unveränderbarer Ausdruck kulturellen Schaffens von Gemeinschaften angesehen, welche auch nicht mehr als lokal oder regional eingrenzbare Stätten kultureller Entwicklung aufgefasst werden können. Nach heutiger Auffassung wird Kultur als dynamischer Diffusionsprozess exogener und endogener Faktoren verstanden, dem Anpassungs-, Überprägungserscheinungen und damit der Kulturwandel bereits innewohnen und deren Auswirkungen sich in der Veränderung materiell-geistiger Werte offenbart. Diese Akkulturationsprozesse verlaufen unter den Bedingungen der wirtschaftlichen Globalisierung und angesichts steigender Tourismusraten rasanter als sonst zu erwarten gewesen wäre.

Sie schlagen sich in verändertem Wert-, Konsum- und Freizeitverhalten bei gleichzeitiger Rückbindungstendenz an die eigene Kultur nieder und äußern sich auch in steigender Nachfrage nach Inszenierung, Emotionalisierung oder Fiktionalisierung von kulturellen und touristischen Elementen, die angebotsseitig mit multifunktionalen, emotional aufbereiteten, eventisierten oder gar festivalisierten Angebotsformen beantwortet werden (vgl. HOPFINGER 2003: 14ff).

Dominierten in der Moderne noch homogene, funktionale Strukturen, am besten in der Architektur nachzuvollziehen, und fordistische Massenproduktion, so stehen in der heute als postmodern bezeichneten Ära postfordistische Produktionsstrukturen und die Rekombination bisheriger Ideen und Elemente im Vordergrund. Dies lässt sich etwa im derzeitigen „Retrotrend“ oder in architektonischen „Stilcollagen“ beobachten. Weitere gesellschaftliche Veränderungen werden mit Pluralisierung und

Fragmentierung beschrieben. Als Träger wie Vermittler von Kultur spielen hierbei die Entwicklungen bei den elektronischen Medien und in der Technik insgesamt eine zunehmend größere Rolle.

Die Entwicklung neuer Angebotsformen dürfte auch in der zunehmenden Markt- sättigung seit den 1960er Jahren begründet liegen, die eine Verschiebung vom Verkäufer- zum Käufermarkt mit sich brachte. Viele Anbieter waren gezwungen ihre Konzeptionen an internationale Bedingungen anzupassen, was schlussendlich eine Ökonomisierung kultureller Elemente zur Folge hatte.

Diese Veränderungsprozesse werden heute unter wissenschaftlich-interdisziplinärer Zusammenarbeit u.a. in ihren geographischen, sozioökonomischen, soziodemo- graphischen, soziologisch-kulturellen oder psychologischen Auswirkungen erforscht. So schuf etwa die kulturwissenschaftliche Neuausrichtung der Tourismusgeographie in der Diskussion um die soziokulturellen Aspekte eines „nachhaltigen Tourismus“ eine Forschungsrichtung, die sich mit Fragen der Akkulturation auseinandersetzt.

Der Bereich des Kulturtourismus mit seinen weit gefächerten Fragestellungen, der vom Bereich der klassischen über völlig neuartige Kulturformen bis hin zur heutigen Ökonomisierung von Kulturgütern viele Aspekte einbezieht, wird u.a. von WEISSENBORN (1997), DREYER (1996) und BECKER/STEINECKE (1993) thematisiert. Ihre Ansätze und die vieler weiterer Autoren, die sich mit dem Themen- bereich Kultur und Kulturtourismus beschäftigt haben, bilden die gedankliche Aus- gangsposition für Kapitel zwei. Hier wird zunächst ein Überblick zu Grundlagen, Definitionsmöglichkeiten, Analysemethoden und Umsetzungsinstrumenten der Kulturgeographie gegeben.

Kultur- und tourismusgeographische Potenziale, empirische Möglichkeiten sowie die gängigen Marketinginstrumente werden am Fallbeispiel der Stadt Calw, einem Mittelzentrum am Rande des Nordschwarzwaldes, erörtert.

Gebietsspezifische Rahmenbedingungen, sowohl den Naturraum als auch den Wirtschaftsraum betreffend, sind Thema des dritten Teils.

Kulturelle und touristische Aspekte, die Art ihrer Ausprägung, Umfang und Gestaltung des Angebots werden in Kapitel vier besprochen.

Die Nachfrage nach kulturellen und touristischen Angeboten wurde durch Primär- daten aus qualitativen wie quantitativen empirischen Untersuchungen und über Sekundärdaten ermittelt. Die hierzu eingesetzte Methodik und der Ablauf der Unter- suchungen werden in Teil fünf detailliert beschrieben.

Anzumerken ist, dass die vorgestellten empirischen Möglichkeiten einen Ausschnitt aus der Gesamtheit aller nutzbaren Forschungsmöglichkeiten darstellen. Der Methodeneinsatz sollte dem Projekt angemessen sein.

Es empfiehlt sich generell, den Untersuchungsrahmen weit zu stecken, um zu verlässlichen Aussagen und Einschätzungen zu gelangen.

In Kapitel sechs werden die Auswertungsergebnisse der ermittelten Daten zusammen- fassend dargestellt und mit Sekundärdaten des Statistischen Landesamtes Baden- Württemberg verglichen. Die Angebots- und Nachfragesituation wird in Form einer kurzen Situationsanalyse erläutert.

Handlungsempfehlungen für zukünftige kulturelle Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt Calw werden in Teil sieben, vorgestellt. Die Arbeit schließt mit einem Fazit ab.

Ziele der vorliegenden Arbeit sind, zu zeigen, wie Trends und Entwicklungspotenziale in Kultur und Tourismus durch Methoden der empirischen Sozialforschung erfasst werden können und Marketingstrategien herausgearbeitet werden können, die eine, unter Beachtung der Nachhaltigkeit, ökonomische und gewinnorientierte Umsetzung kultureller und touristischer Potenziale klein- und mittelzentraler Standorte ermöglichen.

2. KULTUR UND KULTURTOURISMUS: GRUNDLAGEN, VORAUSSETZUNGEN UND ENTWICKLUNGEN

2.1 Grundlegende Betrachtungen von Kultur und Kulturtourismus

Die vielfältigen Entwicklungen und Trends heutiger kultureller und kulturtouristischer Angebote werden in Kapitel 2.1 auch unter dem Aspekt der vorangegangenen gesellschaftspolitischen Entwicklungen betrachtet, welche als Initiatoren der heutigen Entwicklungen und Angebotsvielfalt angesehen werden können.

2.1.1 Definitionsmöglichkeiten von „Kultur“ und „Kulturlandschaft“

Für den Begriff „Kultur“ gibt es eine Vielzahl an Definitionsmöglichkeiten (BECKER 1993: 8). Grundsätzlich kann Kultur (lat. colere: pflegen) als die Gesamtheit der geistigen, wirtschaftlichen, sozialen und künstlerischen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft in deren Lebensumfeld betrachtet werden. DREYER (1996: 42) versteht unter Kultur das, „was aus der Entwicklung, Pflege und Veredlung menschlicher Fähigkeiten entstanden ist und was für eine menschliche Gemeinschaft in einer bestimmten Region typisch ist.“ Kultur ist als ein auf mehreren Ebenen ablaufender und durch die gesellschaftliche Dynamik gesteuerter Prozess zu sehen. Kultur und Kulturlandschaft werden so zum Spiegel der Gesellschaft und ihrer Zeit.

Das Wirken des Menschen greift in den Naturraum ein und verändert ihn. Diese Auswirkungen schaffen für sich genommen noch keine Kulturlandschaft. Von einer Kulturlandschaft kann dann gesprochen werden, wenn außer dem, den Naturraum verändernden, sozioökonomischem Wirken einer Gesellschaft Bedürfnisse nach geistigen, ästhetischen, symbolhaften Elementen in sichtbare Werke umgesetzt werden und diese dem Raum und seiner Bevölkerung eine spezielle Aussagekraft und Ausstrahlung verleihen (vgl. auch BURGGRAAFF 1996: 10-12).

Je nach Ausprägung und Nutzungsart kultureller Elemente wird in Hoch- und Alltags- Kultur unterschieden, wobei Elemente der Hochkultur dem urbanen Siedlungsraum und den klassischen Künsten zugeordnet werden, Elemente der Alltagskultur den heutigen und historischen Lebensweisen der Bevölkerung (LINDSTÄDT 1994: 48ff). Häufig wird in diesem Zusammenhang von Kulturerbe gesprochen, worunter ererbte Gegenstände materieller Art wie Gebäude und deren Baustile sowie immaterielle Erbschaften etwa in Form von Sitten und Bräuchen zu verstehen sind (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2003: 16).

Im Kontext dieser Arbeit ist Kultur einzuengen auf die bildenden (Architektur, Malerei u.a.) und darstellenden (Film, Theater, Tanz, Musik) Künste, Literatur, auf die regionalen Ausprägungen kultureller Elemente sowie den Nutzungsmöglichkeiten durch die Gesellschaft.

2.1.2 Gesellschaftlicher Wertewandel:

Entwicklung von Freizeit und Erholungsbedürfnissen

Noch in der Mitte des 19. Jh. waren Arbeitszeiten von 14 bis 16 Stunden die Regel. Frei verfügbare Zeit war knapp, Erholung diente in erster Linie der Regeneration der Arbeitskraft. Erst 1918/1919 kam der Durchbruch mit Einführung des Acht-Stunden- Tages und mit tariflich geregeltem jährlichem Erholungsurlaub (OPASCHOWSKI 1988: 29ff, 1997: 27ff). Arbeitsfreie Wochenenden und Urlaubstage (bezahlter Urlaub erst ab den 1930er Jahren) ermöglichten den Arbeitnehmern nun Ausflüge und

„Sommerfrischen“, ein Privileg, welches bislang dem Adel oder der Oberschicht vorbehalten war. Mit wachsender Freizeit konnte so außer der Erholung von der Arbeit auch das Bedürfnis nach Abwechslung und Ortswechsel gestillt werden. Der touristische Zuwachs bewirkte den Ausbau des Beherbergungswesens. Die bis dato innerorts bestehenden Herbergen wurden durch Wanderhütten, Gasthöfe und Hotels auch außerhalb der Ortschaften ergänzt (BENTHIEN 1997: 17ff).

1970 schließlich waren die Bedingungen für die Fünf-Tage-Woche mit 42 Stunden Arbeitszeit/Woche geschaffen. Seither hat sich die wöchentlichen Arbeitszeit weiter verkürzt, sie liegt im Jahr 2006 bei 37,5-40 Stunden/Woche, die Zahl der Urlaubstage blieb seit 1970 mit durchschnittlich 30 Tagen/Jahr annähernd konstant. Der Wert von Freizeit und der Wert der Erwerbsarbeit standen zunehmend auf gleicher Ebene. Abgesehen von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, die vielen Arbeitnehmern „Zwangsfreizeit“ in Form von Arbeitslosigkeit bescherte, wandelte sich Freizeit mit dem Ziel, Erholung passiv zu genießen, zur aktiv gestalteten Freizeit, in der passive Erholungsformen wiederum nur noch einen Teil des Ganzen bilden. Aktive Freizeitgestaltung und Erholung setzt sich heute u.a. aus gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Engagements im persönlichen Umfeld wie weit außerhalb des persönlichen Umfeldes zusammen. Wesentlich geworden ist die sinnerfüllte Ausgestaltung der zur Verfügung stehenden Zeit und die Entwicklung weiterer Fähigkeiten wie etwa durch private oder berufliche Weiterbildung. Lebensalter, Gruppenzugehörigkeit, Bildung und Finanzstatus sind für die Wahl der Aktivitäten ebenso entscheidend wie die passende Angebotsstruktur der Freizeitindustrie.

NAHRSTEDT (1996: 5) greift Gedanken des Freizeitforschers Opaschowski auf, die eine „Verfreizeitung“ von Kultur ansprechen, bei welcher Kultur in massentouris- tischen Spektakeln unterzugehen drohe, und stellt die Frage, ob es nicht viel mehr um

„Kultivierung von Freizeit und Tourismus“ gehen könnte. Einen Kontrapunkt zu massentouristischen Veranstaltungen setzen hierbei einige Sparten des Kultur- tourismus, die qualitativ hochwertige und für kleinere Gruppen konzipierte Veranstal- tungen anbieten. Das Freizeitbudget ermöglicht zumindest die verstärkte Wahr- nehmung solcher Angebote. Besuche kultureller Veranstaltungen und Kulturreisen sind Anreize freie Zeit sinnvoll und kultiviert zu gestalten.

Viele touristische Angebote mussten, mitbedingt durch die demographische Entwick- lung in den letzten Jahrzehnten, umgestaltet oder völlig neu kreiert werden: Die Zahlen von Eheschließungen und Geburten gehen seit Mitte der 1960er Jahre zurück, die Gruppe der Familien mit Kindern wird kleiner. Zuwächse sind bei den Singles und bei den Senioren zu verzeichnen (STATISTISCHES LANDESAMT BADEN- WÜRTTEMBERG 2006: Eheschließungen, Lebendgeborene u. Gestorbene; durchschnittl. Heiratsalter; Bevölk.entwicklung n. Altersgruppen).

Bei der Gruppe der Singles, vorwiegend im Alter zwischen 20 und 35 Jahren, spielen bei der Freizeitgestaltung neben Erholungs-, Bildungs- und Kulturinteressen vor allem Kontakt- und Geselligkeitswünsche, Unabhängigkeit und Abenteuerlust eine große Rolle. Besonders reisefreudig sind dabei junge, im urbanen Umfeld lebende Menschen mit höherer Bildung und gutem Einkommen (OPASCHOWSKI 1988: 64ff).

Andere Motive leiten Erwachsene ab ungefähr 50 Jahren. Erwachsene Kinder, bessere Gesundheit, hohe Mobilität, vorzeitiger Ruhestand oder Altersteilzeitmodelle mit finanzieller Absicherung schaffen für diese Gruppe ein Höchstmaß an Freizeit und damit die Möglichkeit neue Interessen zu entwickeln. Nach OPASCHOWSKI (1997: 158) ist vor allem die „Generation 50 plus“ an Kultur und Bildung interessiert, sie ist sport- und gesundheitsorientiert, lebenslustig, genussfähig, konsumfreudig und hat sich als Wirtschaftsfaktor für Kultur und Tourismus erwiesen.

2.1.3 Kulturtourismus und Definitionen

Grundsätzlich neu sind die Bestrebungen nach kulturellem Erleben und kultureller Bildung nicht. Reisen und Veranstaltungen kunst- und kulturgeschichtlicher Art lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Erst mit der Änderung der Arbeitszeiten zu Beginn des 20. Jh. war es breiten Bevölkerungsschichten möglich, am Tourismus und vermehrt an kulturellen Veranstaltungen zu partizipieren.

Kulturtourismus ist dagegen eine sehr junge Tourismussparte, die Kultur erstmalig mit Tourismus verbindet. Der Begriff „Kulturtourismus“, bzw. "Cultural Tourism" im internationalen Bereich, etablierte sich laut NAHRSTEDT (1996: 5f) Ende der 1980er Jahre und wird erstmalig 1992 zum Tagungsthema von Tourismusveranstaltungen.

Jede auf Kultur ausgerichtete Reise ist dem Kulturtourismus zuzurechnen, anderer- seits sind kulturelle Elemente auch in vielen anderen Reisearten enthalten, sodass die Übergänge teilweise fließend erscheinen. Die Möglichkeiten, die im Kulturtourismus geboten werden können, werden von BECKER (1993: 8) definitorisch wie folgt eingegrenzt: "Der Kulturtourismus nutzt Bauten, Relikte und Bräuche in der Landschaft, in Orten und Gebäuden, um dem Besucher die Kultur-, Sozial und Wirtschaftsentwicklung des jeweiligen Gebietes durch Pauschalangebote, Führungen, Besichtigungsmöglichkeiten und spezielles Informationsmaterial nahe zu bringen. Auch kulturelle Veranstaltungen dienen häufig dem Kulturtourismus."

Eine andere Definition von Kulturtourismus nach IRISH TOURIST BOARD (1988: 3) betont in erster Linie die kulturellen Ausprägungen einer Reiseregion, in zweiter Linie die regionale Eigenart: "Cultural tourism is travel undertaken with the intention, wholly or partly, of increasing one`s appreciation of europe`s cultural resources. A cultural resource is any place, structure, artifact or event, the experience of which increases a visitor`s appreciation of the origins, manners, tastes and customs of the host region."

Kultur soll sich dem bildungsorientierten Besucher gebietsspezifisch und authentisch präsentieren, sodass dieser in die Lage versetzt wird, die kulturelle Eigenart der Region, der Orte und der Bewohner und die historischen Bezüge wahrzunehmen.

Konzeptionen müssen daher so gestaltet werden, dass die Kulturgüter nicht einem vorzeitigen Verschleiß anheim fallen und für Bildung, Erholung und als Zeitzeugen möglichst lange zur Verfügung stehen.

2.1.4 Einordnung des Kulturtourismus in das System des Tourismus

Tourismus bzw. Fremdenverkehr kann nach KASPAR (1991: 18) als „Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus der Reise und dem Aufenthalt von Personen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher und dauernder Wohn- noch Arbeitsort ist “ betrachtet werden.

Tourismus umfasst nicht nur den Urlaubs-, Erholungs- oder Städtetourismus, sondern auch den überörtlichen Geschäftsreise-, Ausflugs-, Freizeit- oder Besucherverkehr und nimmt wirtschaftlich wie kulturell Einfluss auf die besuchte Destination.

Um die Interessen der Tourismuspolitik und der -wirtschaft nach außen besser ver- treten zu können, entstanden staatliche und private Träger und Organisationen, deren Aufgabenfelder in der Tourismuspolitik und dem Tourismusmarketing liegen.

Neben den internationalen Trägern der Tourismuspolitik (EU-KOMMISSION Ref. D.3, WTO, FITEC u.a.) etablierten sich in der Bundesrepublik Deutschland staatliche Organisationen. Träger sind u.a. Ministerien von Bund (Tourismuszentrale des DZT, 90% Bund) und Ländern, Kommunal- und Kreisverwaltungen. Auf Bundesebene ist die Tourismuszentrale des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) tätig, auf Landes- ebene agieren die Landesfremdenverkehrsverbände (LFV). Zudem bestehen Misch- formen auf regionaler und kommunaler Ebene u.a. als Fremdenverkehrsverband oder – verein, als Werbegemeinschaft für touristische Routen oder auch als Stadtmarketing- GmbH. Betriebe wie Reisebüros, die IHK, der DEHOGA, Busunter- nehmen, Reiseveranstalter, Zimmervermittlungen oder lokale Fremdenverkehrsvereine zählen zu den Privatträgern (FREYER 1995: 279ff).

In Baden-Württemberg ist der Tourismus-Verband Baden-Württemberg e.V. (TVBW) die touristische Dachorganisation und Interessenvertretung gegenüber Regierung und Verwaltung. Mitglieder sind u.a. regionale Tourismusverbände, der Heilbäder- verband Baden-Württemberg e.V., der DEHOGA Baden-Württemberg e.V, der Landesverband der Campingplatzunternehmer in Baden-Württemberg e.V. oder Wanderorganisationen. Für Marketing und Geschäftsführung ist die Tourismus- Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW) zuständig (WIRTSCHAFTS- MINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG 2006).

Die heute verfolgten Ziele im Tourismus sind ökonomischer, sozialer, ökologischer, kultureller und politischer Natur. Derzeitiges Leitbild ist der „umwelt- und sozialver- trägliche Tourismus“ oder der „sanfte Tourismus“. Organisationen und Anbieter sind bestrebt, ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Touristen, den wirt- schaftlichen und kulturellen Interessen der Bewohner der Zielgebiete, den Erforder- nissen der Natur- und Kulturraumpflege sowie den ökonomischen Interessen der Anbieter zu wahren, um den touristischen Standort nachhaltig zu sichern.

Als Reaktion auf den verschärften Wettbewerb und das Kundenverhalten schaffen die Anbieter ständig neue Angebote an Reisekategorien. Eine von vielen gebräuchlichen Reisekategorisierungsmöglichkeiten ist die nach KASPAR (1991: 40), der je nach Reisemotiv in Erholungs-, Kur-, Sport-, Abenteuer-, Verwandten-, Bildungs- und Geschäftstourismus differenziert (Abb. 1). Die Kategorien lassen sich u.a. um Kultur- oder Umwelttourismus erweitern und etwa nach Preis, Qualität oder Marktsegmenten differenzieren. Beispiele hierfür sind die oft günstig gestalteten Angeboten für den Massentourismus, die preislich wie qualitativ unterschiedlich gestalteten Individual- reisen oder Marktsegmente für unterschiedliche Alters- bzw. Zielgruppen, wie sie z.B. in Spezialangeboten für Jugendliche, Singles, Familien oder Senioren bestehen.

Weiterhin existieren zeitliche Unterteilungen etwa in Kurzurlaub oder Wochenend- tourismus und räumliche Unterteilungen in Nah- und Fernerholung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Tourismusarten. Eigene Darstellung in Anlehnung an KASPAR (1991: 40)

Tourismus besitzt andererseits auch Kultur schaffende Dimensionen. KRAMER (1993: 56) grenzt dies wie folgt ein: “Tourismus ist aktiver und passiver Teil des Kulturprozesses. In, mit und durch Tourismus entfalten die Menschen ihre Kultur“.

Mit einher gehen landschaftliche Veränderungen und Veränderungen sozioöko- nomischer und –kultureller Natur. Neben den wirtschaftlichen Auswirkungen ergeben sich soziokulturelle Veränderungen, die die tradierten Wertvorstellungen, Sitten und Bräuche verändern, da sich diese mit neuem Gedanken- und Kulturgut mischen.

Als recht junges Mitglied der Tourismusbranche schafft Kulturtourismus wie kaum ein anderer touristischer Zweig eine Ausrichtung auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und spricht dadurch oftmals sehr persönliche Bedürfnisse der Kunden an. Reisen und Besuche von Veranstaltungen dienen zumeist der persönlichen Weiter- bildung und dem Kennenlernen anderer Kulturen und Lebensweisen. Unter Kultur wird dabei das gesamte Spektrum von modernen Eventveranstaltungen bis hin zu kulturhistorischen Angeboten verstanden, kurzum Angebote, die die meisten Alters- klassen der Bevölkerung anzusprechen vermögen, die integraler Bestandteil der Gesellschaft sind und einen echten Beitrag zur Erholung vom Alltag leisten.

Abseits des Massentourismus hatte der Bereich des Kulturtourismus in den letzten Jahren eine der größten Zuwachsraten aufzuweisen.

2.2 Trends in Kultur und Tourismus

Veränderungen gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, ausgelöst durch wirtschaftliche, politische oder soziale Prozesse, beschleunigen den Wertewandel und die Etablierung eines neuen Zeitgeistes innerhalb der Gesellschaft, wodurch langfristig wirksame Megatrends und kurzlebigere Trends ausgelöst werden. Sie sind symptomatisch für spezifische Entwicklungen einer Gesellschaft und wirken sich bis in die kleinste Einheit einer Gemeinschaft aus.

Auch die Bereiche Kultur und Tourismus unterliegen diesen Trends. Die Anbieter müssen mitziehen, wollen sie nicht die Verbindungen zu Kunden und Geschäfts- partnern verlieren. Derzeitig vorherrschende allgemeine Megatrends wie Hightech, Kommunikationsbeschleunigung durch das Internet, Globalisierung, Individuali- sierung, die Entwicklung der aktiven Senioren, veränderte Familien- und Beziehungs- strukturen, der gleichzeitige Konsum von Luxus- und Discountgütern, Aktionismus und hohe Mobilität versus Ruhebedürfnis und Heimatverbundenheit hinterlassen auch im Kulturtourismus ihre Spuren. Sehr heterogene Kundenwünsche wollen erfüllt werden (vgl. BENTHIEN 1997: 157), was das Kundenverhalten und die bislang in der Literatur postulierten Reisetypen schwer einschätzbar macht und zum Begriff des „hybriden“ Kunden führte (vgl. KREISEL 2003: 77f; HALLERBACH 2003: 171ff). Um sich in diesem Umfeld behaupten zu können, müssen neue Veranstaltungs- arten kreiert, finanziert, gemanagt werden und sich vom Bisherigen klar abheben. Folglich werden Angebote bspw. festivalisiert, Themen multimedial aufbereitet (z.B. Videoclipeinlagen) und eine möglichst professionelle Gästebetreuung eingeführt.

In einigen Kultursparten wie etwa bei den traditionellen und beliebten Stadtfesten wird Kultur zum Initiator gesellschaftlicher Beziehungen. Psychosoziale Funktionen von Kultur stehen hier an erster Stelle im Gegensatz zum klassischen Kulturtourismus, dessen Konsumenten in erster Linie kulturelle Bildung suchen.

Die vielfältigen Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung der Konsumenten spiegeln sich in den Trends und der Art der touristischen Angebote wieder. Nach einer Repräsentativbefragung des B.A.T-Freizeit-Forschungsinstituts im Jahr 1988 (vgl. OPASCHOWSKI 1989: 152ff) entwickelten sich bereits damals folgende Trends, die bis heute, wenn auch weniger frequentiert als noch vor einigen Jahren, anhalten:

- Trend zu hochwertigen Reiseangeboten:

Die größere Reiseerfahrung führt zu einer sorgfältigeren Auswahl der Reiseziele und zur intensiveren Qualitätsprüfung der vorhandenen Angebote vor Ort.

- Trend zum Urlaub in möglichst natürlichen Landschaften:

Dem Erholungssuchenden sind intakte Natur- und Kulturlandschaft wichtig, devastierte und verbaute Regionen meidet er.

- Trend zu spontaneren und individuelleren Reiseentscheidungen:

Formen des Individualtourismus gewinnen an Bedeutung. Sie befriedigen persönliche Bedürfnisse besser als der einmal jährlich „genossene“ Urlaub in überlaufenen Touristenorten mit hohen Lärmpegeln, überlastetem Personal und weiteren unangenehmen Auswirkungen des Massentourismus. Zudem ist die wachsende Gruppe der reisefreudigen „Generation 60 plus“ wesentlich aktiver und mobiler und verlangt nach neuen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Konzepten.

- Trend zu kürzeren und häufigeren Reisen im Jahr:

Auslandsreisen vor allem in südliche Regionen werden weiter zunehmen und an erster Stelle stehen. Nur noch jeder fünfte Reisende verbringt seinen Urlaub im eigenen Land, wobei das Inland für den Kurz- oder Zweiturlaub genutzt wird. Dieser Trend konnte sich aufgrund der Zunahme von Freizeit und Mobilität fortentwickeln. Er hat sich allerdings durch die wirtschaftlichen Einbrüche der letzten Jahre dahin- gehend entwickelt, dass teure Erholungsformen für immer kürzer werdende Zeit- räume genutzt werden, da viele Kunden aus Ersparnisgründen ihre Ansprüche an Qualität, Klima, Ruhe oder gastronomische Genüsse zurückschrauben müssen.

Mittlerweile kann von einem neuen Trend zum Preis-Leistungsverhältnis-Urlaub gesprochen werden. Schauten im Jahr 1999 noch 57% der Deutschen auf das Preis- Leistungsverhältnis, waren es 2005 bereits 68%. Insbesondere für viele Ostdeutsche ist der Urlaub zur Geldfrage geworden. Sie achten deutlich mehr (44%) als West- deutsche (37%) auf eine „preiswerte“ Unterkunft (B.A.T.-FREIZEITFORSCHUNGS- INSTITUT 2005). Sind auch diese Möglichkeiten verwehrt, findet Urlaub und Erholung eben im häuslichen und lokalen Umfeld statt.

In dieser momentanen Entwicklung liegt zumindest die Chance zur Weiterent- wicklung der Angebotsformen in den Städten und Regionen.

2.3 Kulturtourismus heute und allgemeine Kundenmerkmale

Die kunst- und kulturgeschichtlichen Reisen privilegierter Einzelner oder kleiner Gruppen, wie sie seit der Antike existierten, haben mit den heutigen Angeboten im Kulturbereich nur noch die kulturell-geistige Erlebnisdimension und das Reisen gemeinsam. Die Teilnehmerzahlen am Kulturtourismus sind seit Beginn der 1990er Jahre stark angestiegen. Der Bedarf an entsprechend konzipierten Veranstaltungen initiierte eine Angebotsvielfalt, die auch außergewöhnliche bis avantgardistische Kulturangebote zum Zuge kommen lässt. Zu den prägenden Elementen im Kultur- tourismus zählen Kulturlandschaftselemente, Ästhetik, der historische Bezug, Kultur- veranstaltungen und die Vermittlung von Bildung (vgl. BENTHIEN 1997: 96f).

Allgemein können heute für Kulturtouristen folgende Merkmale festgehalten werden: Das Hauptinteresse der Teilnehmer an kulturellen und kulturtouristischen Veranstal- tungen liegt in der geistig-kulturellen Erholung. Weitere Reisemotive sind Freude am Entdecken, Lernen und das Knüpfen gesellschaftlicher Kontakte.

Die soziodemographischen Merkmale dieser Touristengruppe wurden in einer Markt- analyse der EUROPÄISCHEN KOMMISSION (2003: 13) ermittelt. Ergebnisse der Erhebung waren, dass die Kunden ein überdurchschnittliches Einkommen und eine sehr gute Allgemeinbildung aufwiesen. Sie waren i.d.R. zwischen 45 und 64 Jahren alt, reiseerfahren, qualitätsbewusst und aufgeschlossen für Umwelt- und soziale Fragen. Ausgeprägte Ortspräferenzen bestanden eher untergeordnet. Paare waren häufiger vertreten als Singles, es bestand keine spezielle Bindung an Winter- oder Sommersaison. Individuell geplante Reisen wurden bevorzugt, zudem wurde häufiger für kurze Zeit, bis zu sieben Tagen, und dafür mehrfach im Jahr verreist.

In den nächsten Kapiteln werden die am häufigsten nachgefragten Angebotsformen für Kulturinteressierte und die bislang hierzu empirisch ermittelten Kundenmerkmale vorgestellt.

2.3.1 Haupttrends, Kundenprofile und Zielgruppen

Die vier derzeitigen Haupttrends sind der Eventtourismus, der Städtetourismus, der Thementourismus sowie Bildungs- und Studienreisen. Sie unterscheiden sich in der Konzeptionierung, der Veranstaltungsdauer, dem nachfragenden Publikum, den Kosten sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Konsumentenseite und den Aus- wirkungen auf Stadt und Umland. Zusätzlich haben sich kleine, spezialisierte Markt- segmente (s. Kap. 2.3.2) entwickelt, die für Städte und Regionen dann interessant sind, wenn sie dem Angebot und der Nachfrage entsprechende Spezifika aufweisen und Schwerpunkte im kulturellen Bereich setzen können.

2.3.1.1 Eventtourismus

Events sind nach FREYER (1996: 211ff) Ereignisse (Mini- und Media-Events) oder Großereignisse (Mega-Events, „Special Events“) mit speziell konzipiertem Programm. Hierzu zählen Musik-, Kunst-, Literatur- und Theaterfestivals, Künstlertourneen, Opernbälle, religiöse Großveranstaltungen, Präsentation von Tradition und Brauchtum, Jubiläen, Stadtfeste, Kongresse, Jahrestagungen oder Nobelpreisverleihungen. Zu den technischen Kunstevents zählen Laser-Shows oder Video-Kunst. Veranstalter sind i.d.R. Kommunen, Firmen, Vereine, Kirchen oder Privatleute. Sehr große Veranstaltungen mit 100 000 Besuchern und mehr - bei einem Mega-Event wird schon einmal die Millionengrenze erreicht - werden stets von den Medien begleitet, die daraus ihr Medien-Event mit Life-Berichterstattungen kreieren.

Historische oder andere Bezüge zu einem Veranstaltungsort sind nicht unbedingt vorhanden. Insbesondere bei Mega-Events entscheidet die städtische bzw. kulturelle Infrastruktur wie etwa das Vorhandensein von Freilichtbühnen oder Konzertsälen über den Veranstaltungsort. Merkmale dieser Veranstaltungen sind also Einmaligkeit, Seltenheit und Kurzfristigkeit. Mini- und Media-Events wie Stadtfeste oder Weihnachtsmärkte besitzen nicht die Bedeutung und Reichweite von Mega-Events und entsprechen nicht mehr der Forderung nach Einmaligkeit, sind aber für regionale und lokale Veranstalter auf Grund längerer Laufzeiten, Wiederholbarkeit und der vorhandenen Infrastruktur leichter durchzuführen. Zielgruppe ist hier die lokale und regionale Bevölkerung, wobei der Tagesausflugsverkehr dominiert und die Zahl der Übernachtungen entsprechend gering ausfällt.

In jedem Fall gilt: Je außergewöhnlicher die Veranstaltung, desto höher die Attraktivität und Reichweite. Die erlebnis- und kommunikationsorientieren Besucher unterschiedlicher Alters- und Einkommensklassen nehmen dafür teilweise weite Anfahrtswege und hohe Preise in Kauf, sei es bei individuell geplanten Reisen für Übernachtungen und Eintrittskarten, bei Pauschalreisen oder auch bei damit im Zusammenhang gebuchten Städtereisen. Anhand der Besucher-, Übernachtungs- und Umsatzzahlen sowie der Reichweite erschließt sich die kulturelle Bedeutung eines Events. Positive Effekte für den Veranstaltungsort ergeben sich durch die Steigerung des Bekanntheitsgrades und der Attraktivität mit Auswirkungen auf Image und sozioökonomische Situation der Bevölkerung.

2.3.1.2 Städtereisen

Schwerpunkte sind Stadt- und Regionsgeschichte, das Leben in der Stadt, auf den Dörfern und Höfen, Besichtigungen von Sehenswürdigkeiten, Führungen, Besuche von Festen, Festivals, Events, Theater-, Konzert-, Literaturveranstaltungen, Museen und Märkten, das Kennenlernen der einheimischen Gastronomie, der Herstellungs- weisen orts- oder regionstypischer Produkte sowie Probe und Erwerb derselben.

Auch zeitlich befristete, saisonal ausgerichtete Kulturangebote mit entsprechender fachlicher Anleitung u.v.a.m. sind Anziehungsfaktoren für Städtereisende.

Ausschlaggebend ist die Attraktivität der Stadt: Das Stadtbild, der Mix an gut gepflegter Altbausubstanz und modernen Bauten, eine interessante Stadtgeschichte, ein interessantes Kulturangebot, angenehme Unterkunftsmöglichkeiten und Service, die Gastronomie, Gastlichkeit und die gewachsene Kulturlandschaft rund um die Stadt. Veranstaltungskalender und Broschüren sollten auf diese Faktoren entsprechend eingehen, um Stadt und Umland entsprechend lebendig darzustellen.

Bei geführten Reisen werden von qualifizierten Reiseleitern Organisationstalent und sehr gute Orts- und Regionskenntnisse erwartet. Städtereisende sind i.d.R. Gäste mit kurzer Aufenthaltsdauer, also Tages- oder Wochenendbesucher. In der Altersgruppe bis 29 und ab 50 Jahren besteht das größte Interesse an Städtereisen. Altersstruktur, hohes Bildungsniveau und überdurchschnittliche Einkommen machen Städte- reisende zur gefragten touristischen Zielgruppe (vgl. WEBER 1996: 51ff). Das Angebot wird in Form von Pauschalangeboten, teilorganisierten Reisen, im Rahmen von Privatbesuchen und auch während Geschäftsreisen, Tagungen und Messen genutzt.

2.3.1.3 Thementourismus

Dieses in sich geschlossene kulturelle Angebot präsentiert einen bestimmten Themenbereich der darstellenden oder bildenden Künste oder der Literatur für die Dauer einer bestimmten Zeitspanne. Im Vordergrund stehen berühmte Menschen einer Region und ihre Werke, aber auch traditionelle Handwerksformen oder Lebensstile. In der Regel wird ein Motto ausgegeben wie etwa das Hesse–Jahr in Calw 2002 oder das derzeitige Mozart-Jahr. Anlässe sind Geburts- oder Jahrestage von Persönlichkeiten. Die Veranstaltungen bieten meist Ausstellungen und Vorträge zu historischen Personen, ihrem Leben und Werk, zu historischen Handwerksformen und früheren Lebensweisen, Diskussionsforen und ein Beiprogramm, wie Musik und Literatur der betreffenden Epoche. Traditionelle Handwerke werden meist mittels kleiner Gewerbezweige vorgestellt. Leben und Brauchtum von Volksstämmen kann damit verknüpft werden, allerdings auch separat als Thema ausgegeben werden.

Außer der Möglichkeit Veranstaltungen individuell zu besuchen werden auch Seminare vor Ort, Bildungsreisen mit Reiseleitung oder Pauschalangebote offeriert. Zielgruppe ist i.d.R. der kultur- und bildungsorientierte Besucher ab ca. 40 Jahren mit überdurchschnittlicher Bildung und höherem Einkommen (SCHWARK 1996: 117ff). Die Themen sprechen auch das interessierte Fachpublikum an. Eigens für Vorträge und Vorführungen geladene Fachleute unterstreichen die Hochwertigkeit des Ange- bots, was sich positiv auf Image und Bekanntheitsgrad eines Veranstaltungsortes auswirkt. Für die Veranstalter ergeben sich besondere fachliche und konzeptionelle Anforderungen. Ungefähr ein Jahr vor Veranstaltungsbeginn müssen Werbemaß- nahmen und Presseveranstaltungen eingeleitet werden (LINDSTÄDT 1994: 98).

Zum Thementourismus lassen sich auch die Themenstraßen oder Kulturrouten rechnen, die individuell oder als geführte Reise erkundet werden können. Sie stellen die Markenzeichen einer Region vor. Bei der individuell organisierten Fahrt bewegt sich der Besucher an Hand eines didaktisch aufbereiteten, schriftlichen Führers mit Karte entlang einer ausgeschilderten Route, auf der etwa Kulturdenkmale und -güter oder die besonderen Erholungsmöglichkeiten einer Region vorgestellt und deren Bedeutung erläutert werden. Auf diese Weise nimmt der Besucher auch weniger bekannte Kulturobjekte und Orte sowie die Region als Ganzes wahr und kann eine Beziehung zur besuchten Gegend aufbauen (LINDSTÄDT 1994: 96ff).

2.3.1.4 Studienreisen und Bildungsreisen

Hier liegen die Schwerpunkte auf Erlebnissen und der Wissensvermittlung in den Bereichen Kultur, Gesellschaft, Literatur, Kunst, Kunstgeschichte, Musik, der historischen Gewerbe und religiösen Themen. Die Wissensvermittlung erfolgt in Kleingruppen mit 20 bis 25 Personen, die von einem entsprechend fachlich und pädagogisch qualifizierten Reiseleiter betreut werden.

GÜNTER (1991: 39) sprach 1991 von einem stark wachsenden Marktsegment und einem interessanten Spezialmarkt der Reisebranche. Der Vorläufer ist die im 19. Jh. aufgekommene, durch das Gedankengut der deutschen Klassik beeinflusste Bildungsreise des höheren Bürgertums. Ab den 1920er Jahren etablierte sich der Bildungstourismus als geistig wie materiell hochwertige Reiseform. Der Begriff wurde dann ab den 1950er Jahren zunehmend vom Begriff Studienreise abgelöst.

Unter einer Studienreise war ursprünglich eine wissenschaftliche Forschungsreise des 18. Jh. zu verstehen. Die Vermischung der Begriffe impliziert, dass Elemente aus beiden Bereichen vereint wurden. In den 1970er Jahren wurden zusätzlich Umweltthemen und soziale Fragen thematisiert (ders. 1993: 355ff).

Die meist teuren, hochwertigen Bildungs- und Studienreisen, gebucht als Pauschal- reisen mit festem Programm und ausgewählten Themen, ziehen eine Klientel mit sehr gutem Einkommen und hohem Bildungsniveau an. Die Kunden, in der Mehrzahl Singles, sind zwischen 40 und 49 Jahre alt und nicht an eine Saison gebunden. Die Reisedauer liegt zwischen zwei Tagen und zwei Wochen mit Trend zu Kurzreisen.

Veranstalter für Studienreisen sind z. B. die Studiosus-Reisen in München (DIETSCH 1996: 71ff). Auch Busunternehmen und Volkshochschulen bieten Studienreisen an, zudem bestehen Angebote für Schüler in Form von Sprach- und Studienreisen.

2.3.2 Spezielle Angebotsformen

2.3.2.1 Museums- und Ausstellungstourismus

Um über eine Stadt, eine Region und ihre Akteure möglichst schnell und komprimiert Wissen und Erfahrungen zu sammeln eignet sich der Museums- oder Ausstellungs- besuch. Am beliebtesten sind Heimat- und Volkskundemuseen, gefolgt von Kunst-, Schloss- und Burgmuseen. Für zeitlich begrenzte Ausstellungen bzw. Sonderaus- stellungen müssen zusätzlich Werbemaßnahmen ergriffen werden, zudem sollten auch Fachpublikum und Interessenten geladen werden, um die Attraktivität des Angebots entsprechend zu erhöhen. Kulturelle Inhalte sollten über Broschüren und qualifizierte Führungen lebendig vermittelt werden (BECKER/HÖCKLIN 1996: 299ff).

Einige Museen sind dazu übergegangen, die vorgestellten Inhalte in erleb- und er- tastbarer Form vorzustellen. So wird bspw. die Funktion alter technischer Appara- turen demonstriert oder der Besucher kann an einigen Experimentiertischen be- stimmte Prozesse selbst nachvollziehen. Diese Museen eignen sich daher vor allem für Schüler, Auszubildende und für ein praxisbezogenes Publikum. Durch dieses sog.

„Hands-on-Prinzip“ wird auch die zum präsentierten musealen Objekt gehörende damalige Umwelt besser nachvollziehbar (vgl. LINDSTÄDT 1994: 94).

2.3.2.2 Industrietourismus

Das Angebot der Firmen und Industrieeigner bezieht sich auf die Präsentation alter und in Betrieb befindlicher Industriebauten und –anlagen wie dies bei den Firmen Saarstahl GmbH und Villeroy & Boch im Saarland praktiziert wird.

Thematisiert werden geschichtliche Elemente von Werden und Vergehen einer Industrie- oder Wirtschaftskultur, die Industriearchitektur und deren Nutzungsmög- lichkeiten. Hierzu werden fachdidaktisch aufbereitete Betriebsführungen und Werbe- verkäufe angeboten. Vorteile entstehen den Veranstaltern direkt durch Werbeeffekte und Imageverbesserungen, indirekt profitieren Stadt und Umland vom Bekanntheits- grad der Veranstaltungen (vgl. WEISSENBORN 1997: 125ff).

Das Angebot eignet sich insbesondere für Schulklassen, Auszubildende, Studenten und für Arbeitnehmer im Rahmen der Fort- und Weiterbildung. Stillgelegte Industrie- werke dienen meist als Museen. Stadtführungen und Ausgabe von Jahresthemen zu speziellen historischen und modernen Produktionsformen ergänzen das Angebot.

Ein besonderer Nebeneffekt ergibt sich bei manchen stillgelegten und umgenutzten Industriebauten auf Grund ihrer günstigen Akustik. Teilbereiche der tagsüber als

Museum zur Verfügung stehenden Altindustrieanlage werden abends als Konzertsaal für moderne musikalische Events oder als Diskothek genutzt. Das außer- gewöhnliche Ambiente steht für ein Kontrasterlebnis zum Alltag und für Erlebniskonsum und spricht überwiegend junges Publikum an.

2.3.2.3 Rootstourismus und Militärtourismus

Der häufig mit Krieg und Vertreibung in Zusammenhang stehende Rootstourismus bezeichnet die Suche der Reisenden nach ihren familiären Wurzeln und die Erkundung der sozioökonomischen und -kulturellen Umwelt ihrer Vorfahren. Zielgebiete sind Städte und Regionen der Vorfahren. Zum Interessentenkreis zählen meist Heimatvertriebene, ehemalige Flüchtlinge, Auswanderer und deren Familien.

Die DZT entwickelte z.B. eigens für Amerikaner eine Konzeption, die diesen anbot, auf den Spuren ihrer deutschen Vorfahren zu wandeln, sie also zu ihren Wurzeln (engl.: roots) zurückführen sollte (vgl. WEISSENBORN 1997: 135f; Maier 1996: 29ff). Auch die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 hat deutlich gemacht, dass Nachholbedarf auf beiden Seiten besteht. Die damals intensiv ein- setzende Reisetätigkeit trägt bis in heutige Zeit zur Aufarbeitung der Vergangenheit, zum Abbau von Vorurteilen und zu einem neuen Verständnis für einander bei.

Angebote des Militärtourismus (WEISSENBORN 1997: 136f) thematisieren u.a. die Auswirkungen von Krieg und Gefangenschaft. Sie leisten dadurch ihren Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung und zur Völkerverständigung.

2.3.2.4 Religionstourismus

Diese kleine Sparte des Kulturtourismus kommt der Nachfrage nach Veran- staltungen, die sich mit Religionen und den Formen der Glaubensausübung beschäf- tigen, nach. Zielgruppen sind Menschen, die an Pilgerreisen oder an religiösen Festen teilnehmen, religiöse Kultstätten besichtigen wollen oder Tagungen und Kongresse besuchen möchten. Diese Touristen reisen i.d.R. in kleinen Gruppen oder mit der Familie mit heute gängigen Verkehrsmitteln, Singles sind unterrepräsentiert. Laut WEISSENBORN (1997: 134) unternehmen weniger als 5% eine Pilgerreise zu Fuß, wie sie von den Pilgerreisen nach Santiago de Compostela entlang der „Europäischen Kulturstraße“ bekannt sind. Die Reise verläuft über verschiedene Stationen und über einem Zeitraum von mehreren Jahren. Die Teilnehmer sind vor- wiegend zwischen 45 und 65 Jahre alt und zeichnen sich durch religiöse Motivation, kulturelles Interesse und hohe Mobilität aus. Da die Veranstaltungen große Ausmaße annehmen können, ist eine touristische Infrastruktur vor Ort und eine Organisationsstruktur erforderlich. Planung, Organisation und Durchführung obliegen zumeist Pfarreien, Diözesen, Jugendorganisationen oder Reiseunternehmen.

2.3.2.5 Kunstwelten im Kulturtourismus

Einrichtungen wie Themenparks (z.B. Europa-Park Rust), Multiplex-Kinos oder Musical-Center sprechen vor allem erlebnisorientierte Menschen an. In diesen Mixed- Use-Centern können außergewöhnliche kulturelle Angebote mit der Nutzung weiterer, vielfältiger Einzelangebote kombiniert werden (STEINECKE 2003: 125ff). Die Angebotspalette ist je nach den Schwerpunkten der Mixed-Use-Center unterschiedlich. Multifunktionalität und erlebnis- und konsumorientierte Ausrichtung des gesamten Centers erhöhen die Attraktivität der jeweiligen Einzelangebote.

Beispiel hierfür ist das SI-Erlebnis-Centrum Stuttgart mit der Stella-Musical AG. Das Angebot im Mixed-Use-Center besteht aus außergewöhnlichen und exklusiven Musical-Aufführungen (sog. Sit-Down-Productions), die hier die stärksten Anreize für Musikliebhaber und erlebnisorientierte Gäste bilden, und Angeboten der Gastro- nomie, Hotellerie und des Einzelhandels. Die 1993 von ROTHÄRMEL (1996: 248f) ermittelten soziodemographischen Daten für die Stella - Shows der Stella Musical AG zeigen, dass die Musicalangebote meist von Kunden im Alter von 18 bis 35 Jahren frequentiert werden. Sie sind i.d.R. Angestellte mit sehr gutem Einkommen und höherem Bildungsgrad. Positive ökonomische Effekte ergeben sich für die Gastro- nomie, Hotellerie und den Einzelhandel in den Centern. Zudem kann mit positiven Auswirkungen auf Bekanntheitsgrad und Image auf die Stadt gerechnet werden.

2.4 Marketingkonzeptionen und -strategien im Kulturtourismus

Der aus der Betriebswirtschaft übernommene Begriff „Marketing“ stellt nach LINDSTÄDT (1994: 58) eine Betriebs- bzw. Organisationskonzeption dar, die alle Aktivitäten eines Leistungsträgers auf die Erfordernisse des Marktes ausrichtet und versucht, Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten zu realisieren.

Heutige Konzeptionen und Vermarktungsstrategien unterscheiden sich im Aufbau grundlegend von früheren. Durch die zunehmende Marktsättigung seit den 1960er Jahren erfolgte eine Verschiebung vom Verkäufer- zum Käufermarkt, die es er- forderlich machte, Angebote nach der Art der Nachfrage beim Kunden zu entwickeln. Das eingesetzte betriebliche Marketing zeichnet sich durch systematische Planung, Produktinnovationen, Entscheidung und Kontrolle aus und wird heute auch in der Tourismusbranche eingesetzt. Ziele der Gewinnmaximierung und der Sicherung von Wettbewerbsvorteilen werden mittlerweile durch nachhaltige Planungsziele ergänzt.

Bei öffentlichen Trägern wie Fremdenverkehrsverbänden, Kultur- und Tourismus- ämtern liegen die Schwerpunkte in der Kommunikations- und Informationspolitik, der Koordination der einzelnen Anbieter und bei der Förderung der touristischen Infrastruktur. Diese Träger arbeiten nicht gewinnorientiert und können personell wie finanziell nicht auf größere Ressourcen wie privatwirtschaftliche Betriebe zurückgreifen. Die Marketingkonzeptionen sind daher in Teilbereichen anders ge- artet. Konzeptionelle Ziele sind, Stadt und Region im Wettbewerb günstig zu positionieren (ders. 1994: 59), Besucher für die Destination einzunehmen und eine Stärkung der lokalen und regionalen Wirtschaft zu erreichen.

Um die Strategien besser umsetzen zu können, gehen zunehmend mehr Kommunen bzw. Destinationen dazu über, sich, analog den Vorbildern aus der Privatwirtschaft, eine Unternehmensphilosophie zu eigen zu machen, die sie nach außen als unver- wechselbare, geschlossene Einheit mit klar definierten Zielen präsentiert. Unternehmensverhalten, -kommunikation und –erscheinungsbild (Corporate Behaviour, Corporate Communications, Corporate Design) werden innerhalb des sog. Corporate Identity-Konzepts festgelegt. Wie DREYER (1996: 158) ausführt, ist dieses Konzept im touristischen Bereich der Destinationen meist auf das Corporate Design reduziert. Logos, Schrifttypen, Farbgestaltung bei den Werbemedien oder Beschil- derung werden zu einem von mehreren Kennzeichen der Destination.

2.4.1 Die Situationsanalyse

Um eine betriebliche Marketingkonzeption zu erstellen wird vorab i.d.R. eine Situationsanalyse erstellt. Hierauf bauen die unternehmerischen Leitziele, die Handlungsstrategie, der Handlungsrahmen sowie die Erfolgskontrolle auf.

Im Rahmen dieser Situationsanalyse (Abb. 2) werden naturräumliche, sozio- ökonomische, politische, kulturelle, infrastrukturelle und ökologische Potenziale sowie die administrativen Vorgaben und die betriebseigenen Potenziale wie Angebotsstrukturen, Budget, Zeit oder personelle Ressourcen überprüft.

Außerdem werden eine quantitative und qualitative Nachfrageanalyse sowie eine Konkurrenzanalyse durchgeführt (LINDSTÄDT 1994: 60ff). Angebot, Nachfrage und Konkurrenz stehen in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Die Situationsanalyse. Eigene Darstellung in Anlehnung an LINDSTÄDT (1994: 60)

Aus den Ergebnissen der Situationsanalyse heraus ergibt sich das Stärke-Schwächen- Profil eines Anbieters. Unter Einbezug zukünftiger Chancen und Risiken kann das Stärken-Schwächen-Profil als SWOT-Analyse (engl.: Strength, Weakness, Opportunities, Threats) dargestellt werden.

Die Stärken bringen die Potenziale eines Betriebes bzw. einer Destination im Ver- gleich zu seinen Wettbewerbern zum Ausdruck. Hier wird nach der Kernkompetenz bzw. einem Alleinstellungsmerkmal und den betrieblichen Ressourcen gefragt.

Die Schwächen zeigen Mängel im Vergleich zu den Wettbewerbern auf und zeigen, was besser gemacht werden muss. In diesem Zusammenhang müssen auch die bisherigen Konzeptionen und Handlungsstrategien und die Art der Erfolgskontrolle bewertet werden. Chancen fragen nach den positiven Entwicklungsmöglichkeiten, die sich einem Betrieb bieten. Im Bereich von Kultur und Tourismus spielen insbesondere neue Trends, aber bspw. auch neue wirtschaftliche und politische Möglichkeiten eine große Rolle. Die Risiken gehen auf die Begleitumstände und Folgen dieser Entwicklungen ein und machen für bestimmte Bereiche neue und, was für Kultur und Tourismus wichtig ist, nachhaltig orientierte Konzeptionen erforderlich.

Was unter Nachhaltigkeit im Tourismus zu verstehen ist, hat die EUROPÄISCHE KOMMISSION (2003: 7) folgendermaßen zusammengefasst: “Mit der Entwicklung des nachhaltigen Tourismus werden die Anforderungen des Touristen von heute und der Gastregion erfüllt und Möglichkeiten für die Zukunft geschützt und gestärkt. Er soll zu einem Umgang mit all diesen Ressourcen führen, und zwar dergestalt, dass wirtschaftliche, soziale und ästhetische Anforderungen erfüllt und die kulturelle Integrität, wesentliche ökologische Prozesse, die Artenvielfalt und lebensunter- stützende Systeme erhalten werden.“

Die Kultur- und Tourismuspolitik der Betriebe und Institutionen ist so auszurichten, dass vorhandene Ressourcen vor zu großen Belastungen geschützt werden und vorab die Tragekapazität, die sich aus sozioökonomischen, -kulturellen, naturräumlichen und psychologischen Belastungsgrenzen ergibt, definiert wird. Hierzu erforderliche Erhebungen bewerten Verkehrs- und Besucheraufkommen, die Motive der Besucher, die Besucherzufriedenheit, Anzahl, Frequentierung und Art der Angebote der Kulturstätten und die Anzahl der Touristen im Verhältnis zur Einwohnerzahl.

Aussagen zum Image und zur Attraktivität einer Destination werden im Rahmen der Nachfrageanalyse gemacht und fließen in das Stärken-Schwächen-Profil ein. Über Situations- und SWOT-Analyse wird eruiert, ob bisherige Marketingkonzeptionen weiterverfolgt oder neue Konzeptionen mit anderen Schwerpunkten entwickelt werden müssen (vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION 2003: 42ff).

2.4.2 Die Nachfrage

Die Nachfrage gestaltet sich zunächst konjunktur-, trend- und saisonabhängig, weshalb sich schon alleine daraus große Schwankungen ergeben können.

Maßgeblichen Anteil an der Nachfrage haben die Preis-Leistungspolitik und die Ausgestaltung der Produktpalette der jeweiligen Betriebe und Institutionen.

Der Kundenkreis setzt sich aus Touristen, Einheimischen, öffentlichen Institutionen wie Fremdenverkehrsvereinen oder Reiseveranstaltern, -büros, Hotels, Firmen u.a. zusammen. Dessen Nachfragevolumen und Präferenzen für touristische Angebote lassen sich quantitativ und qualitativ erfassen:

Aus dem Besucheraufkommen einer touristischen Destination wird das künftige Gästepotenzial abgeleitet. Übernachtungszahlen und Auslastung der Schlafgelegen- heiten werden quantitativ ermittelt und mit Sekundärdaten der Statistischen Landes- ämter, der Fremdenverkehrsämter oder von Marktforschungsinstituten verglichen.

Die i.d.R. mittels Fragebogen durchgeführten, ergänzenden qualitativen Erhebungen beinhalten Fragen nach Quellgebiet, Aufenthaltsdauer, den Verkehrsmitteln für die Anreise, Aktivitäten und Geldausgaben vor Ort, soziodemographischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Haushaltsgröße, Beruf, Ausbildung und Ein- kommen und zum Image der Destination. Zur weiteren Nachfragesegmentierung können Fragen nach Freizeitpräferenzen und Urlaubserwartungen herangezogen werden. Aus diesen Gruppen sind die kulturtouristischen Zielgruppen zu eruieren. Besuche aus anderen Motiven, die mit kulturellem Erleben verknüpft werden, führen bei Erhebungen zu Unschärfen, sie unterstreichen allerdings die Notwendigkeit eines kombinierten Angebots (LINDSTÄDT 1994: 62ff).

2.4.3 Die Konkurrenzanalyse

Primär bestimmender Konkurrenzfaktor im Tourismus ist der Naturraum und seine Ausstattung. Im Wettbewerb der Regionen und Destinationen mit vergleichbaren natur- und kulturräumlichen Potenzialen spielen daher die Faktoren Erreichbarkeit, Image und die touristische Infrastruktur eine dominante Rolle.

Im Sinne eines Stärken-Schwächen-Profils werden aus Primär- und Sekundärquellen lokale und regionale Potenziale, Image, Angebots- und Nachfragestrukturen, Marketingstrategien und Preispolitik der Konkurrenz ergründet und mit dem ein- getretenen Erfolg und den Folgen für den Natur- und Kulturraum verglichen.

Hieraus lassen sich die touristische Schwerpunktsetzung der Konkurrenz im Bereich der Angebote, der Marktanteil am Nachfrageaufkommen für den Kulturtourismus und die zukünftigen Chancen und Risiken der Konzeption ableiten. Informationen hierzu können direkt, über sog. Primärquellen, auf Messen, Tagungen oder durch Gespräche mit Mitarbeitern der konkurrierenden Unternehmen gewonnen werden. Sekundärquellen sind Statistiken, Broschüren, Zeitschriften oder Geschäftsberichte Abgeschätzt werden sollte auch die mögliche Reaktion der Konkurrenz auf die eigene Marketingoffensive (ders. 1994: 65ff).

2.4.4 Die Angebotsseite

Hier muss unterschieden werden nach ursprünglichem Angebot, welches sich auf die naturräumlichen, soziokulturellen und allgemeinen infrastrukturellen Standortfaktoren bezieht sowie nach abgeleitetem Angebot, das sich auf die darauf aufbauende touristische Infrastruktur und die letztlich mögliche Angebotsgestaltung bezieht. Zum abgeleiteten Angebot zählen etwa Beherbergungsbetriebe, Transportmittel für Touristen, Park-, Sport- und Kuranlagen, Reisemittler und die dazugehörigen Leistungspakete (KASPAR 1991: 64ff). Die vor Ort gegebenen Möglichkeiten und die entwickelten Angebote gilt es auf Umfang, Aktualität und Qualität hin zu überprüfen. Die einzelnen Anbieter sollten auch ihre innerbetrieblichen Strukturen und die entwickelten Konzeptionen einer Analyse unterziehen.

Anzahl, Formen und Leistungsspektrum kultureller und touristischer Angebote variieren je nach Anbieter stark. Der Fokus ist hier zudem noch auf das Angebots- spektrum der Kultur- und Tourismusämter zu richten. Sie erstellen häufig eigene Angebote wie etwa Pauschalangebote, die mit weiteren Serviceleistungen verbunden werden. Sie organisieren und managen auch kulturelle Veranstaltungen. Wichtig scheint, dass die Angebote authentisch gestaltet sind und je nach Ausgestaltung didaktisch aufbereitet werden (z.B. Stadt-, Museumsführungen). Kombinations- angebote sollten erstellt werden und kulturtouristische Angebote sollten mit anderen touristischen Angeboten verbunden werden können (LINDSTÄDT 1994: 25ff). Pauschalangebote sollten regional Typisches bieten um als Kombinationsprodukte mit Preis-Leistungsvorteil stärkeres Interesse zu wecken. Angebotskataloge müssen Unterkunfts-, Versorgungs- und Transportmöglichkeiten und medizinische Dienst- leistungen vorstellen. Tourismusinformationsstellen sollten Auskunft zum Veran- staltungskalender geben können, einen Ticketservice für Veranstaltungen sowie Informationsmaterial für Erkundungstouren, Stadtführungen, Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie, aktuellen Events privater Veranstalter bereitstellen. Gut ausgestattete Touristeninformationen haben Serviceketten etabliert, die dem Gast bereits vor der Anreise Informationsmaterial zu Bus- und Bahnverbindungen, Hotelzubringern, kulturellen Veranstaltungen, Gastronomie und Unterkunft zukommen lassen. Sie halten zudem ein Angebot an regional typischen Souvenirs vor. Nach der Abreise schließt sich diese Servicekette mit einem Anschreiben, über welches gleichzeitig die Zufriedenheit des Gastes mit dem genutzten Angebot erfragt werden kann.

Wichtig ist auch ein Angebot an turnusmäßig wiederkehrenden kulturellen Veranstaltungen. Diese kulturellen Angebote sollten für Touristen wie das einheimische Publikum konzipiert sein.

2.4.5 Marketingkonzeption und Marketingstrategie

Das Ergebnis einer Situationsanalyse führt zum Aufbau einer neuen Marketing- konzeption, somit zur Definition neuer Leitziele und Handlungsstrategien, welche die Ziele konkretisieren. Die Umsetzungsweise wird in einem Handlungsrahmen detailliert benannt. Der Umsetzung schließt sich eine Erfolgskontrolle an (Abb. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Marketingkonzeption und Umsetzung

2.4.5.1 Leitziele im Kulturtourismus

Die Leitziele sind in Abhängigkeit von öffentlicher Institution oder privatwirt- schaftlichem Unternehmen unterschiedlich gewichtet und ausgestaltet.

Die Schwerpunkte im Kulturtourismus liegen hierbei im Bereich der Angebots- und Kommunikationspolitik.

In Anlehnung an LINDSTÄDT (1994: 74) können für den Kulturtourismus folgende Leitziele definiert werden:

- Ökonomische Ziele:

Kultur und Kulturtourismus sind als Wirtschaftsfaktoren zu entwickeln, einkommensstarke Zielgruppen sind zu gewinnen. Entwickelt werden sollten Kurz- zeit- und Wochenendtourismus sowie neue Erholungs- und Erlebnismöglichkeiten.

- Kommunikative und soziokulturelle Ziele:

Ziel muss eine Verbesserung von Image, Bekanntheitsgrad und Kundenzufriedenheit sein. Ziel sollte auch eine verstärkte Kundenbindung sowie die Identifikation der lokalen und regionalen Akteure mit den Aufgaben im Kultursektor und Einbindung in den Planungsprozess sein.

- Ökologische Ziele liegen im Ressourcenschutz und in der Lenkung von

Besucherströmen.

2.4.5.2 Die Handlungsstrategie

In diesem strategischen Teil des Marketingkonzeptionierungsprozesses wird die Ausgestaltung der Leitziele festgelegt. Er gliedert sich in Marktfeld-, Timing-, Marktstimulierungs- und Marktarealstrategie (ders. 1994: 75ff).

- Die Marktfeldstrategie (Tab.1) legt die sog. Produkt/Markt-Kombinationen fest und stellt fest, für welche bestehenden Produkte eine Strategie der Marktdurch- dringung oder der Marktentwicklung angestrebt wird. Weiterhin werden Produktentwicklung sowie Diversifikation neuer Produkte festgelegt.

Im Kulturtourismus trägt insbesondere die horizontale Diversifikation zur Erschließung neuer Zielgruppen bei.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Die Bereiche der Marktfeldstrategie. Darstellung in Anlehnung an LINDSTÄDT 1994: 75ff

- Mit der Timing-Strategie wird der günstigste Zeitpunkt festgelegt, ab welchem die Produkte auf den Markt kommen. Der Zeitpunkt ist im kulturellen und touristischen Bereich stark saisonabhängig.
- Die Marktstimulierungsstrategie gliedert sich in die Präferenzstrategie, bei welcher

über den Qualitätswettbewerb Präferenzen aufgebaut werden, und in die Preis- Mengen-Strategie, die über den Preiswettbewerb Preisvorteile aufbaut.

Die Präferenzstrategie wird von öffentlichen Institutionen verfolgt, die sich dadurch im regionalen Wettbewerb positiv von der Konkurrenz abheben und profilieren können.

- Festlegung der Marktarealstrategie sowie Größe und Erweiterungsmöglichkeiten des Marktbereiches auf Grund der Nachfrageanalyse, der Gästestruktur und der Herkunftsgebiete.

Des Weiteren sind auf der Ebene der Handlungsstrategie die Errichtung von Kompetenzteams, die Koordination mit anderen Tourismus- und Kulturträger- organisationen und eine abgestimmte gemeinsame Geschäftspolitik auf lokaler und regionaler Ebene sowie die Gewinnung der Mitarbeit lokaler Akteure wichtig.

Notwendig sind zudem Strategien zur Qualitätssicherung einschließlich Qualifizierungsmaßnahmen für das Personal und zur Erfolgskontrolle. Hierfür sollten Qualitätsstandards entwickelt werden (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2003: 62).

Kulturelle und touristische Handlungsstrategien sind bezüglich der Angebotsentwick- lung und -vermarktung stark budgetabhängig, d.h. es bedarf einer Finanzierungs- strategie. Für die angestrebte Angebotsvielfalt gilt es mögliche zusätzliche Geld- quellen in Form von Sponsoren oder Mäzenen zu erschließen. Hierbei spielt nach FREYER (1995: 261ff) das Sponsoring eine zunehmend größere Rolle. Finanzielle und materielle Zuwendungen von Betrieben und Einzelpersonen auf der Basis von Gegenleistungen in Form von Werbung ermöglichen kommunalen Einrichtungen ebenso wie Künstlern, Vereinen oder sozialen Einrichtungen Attraktionen und Veranstaltungen anzubieten, die sonst kaum finanzierbar wären.

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Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Kultur- und Tourismusgeographie
Untertitel
Empirie, Marketingstrategien und Konzeptionsentwicklung am Fallbeispiel der Stadt Calw
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Geographisches Institut der Universität Tübingen)
Veranstaltung
Diplomarbeit, Kurzfassung
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
95
Katalognummer
V123507
ISBN (eBook)
9783640281275
ISBN (Buch)
9783640284238
Dateigröße
1749 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kultur- und Tourismusgeographie: Regionale Geographie (physisch geographische Grundlagen, wirtschaftsgeographische Rahmenbedingungen, Region Nordschwarzwald)
Schlagworte
Kulturgeographie, Regionalgeographie, Tourismus, Empirie, Marketing, Marktforschung, Standortfaktoren, Fördermittel, Kulturförderung, Statistik, Kulturgeschichte, Naturraum, Wirtschaftsraum, Freizeit, Sponsoring, Situationsanalyse, Kulturtourismus, Stadtentwicklung, Eventtourismus, Museumstourismus, Städtetourismus, Thementourismus, Industrietourismus, Rootstourismus, Nah- und Fernerholung, Tourismusregion Nordschwarzwald, Kulturlandschaft, Calw und Hirsau und Aureliuskirche, Umfragen und Interviews, Evaluierung, Musik- und Theaterveranstaltungen, Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord, Fachwerkstraße, Bäderstraße, Luftkurort, Hermann Hesse
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Dagmar Götz (Autor:in), 2006, Kultur- und Tourismusgeographie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123507

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Titel: Kultur- und Tourismusgeographie



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