Krankenhäuser zwischen Wettbewerb und kommunaler Daseinsvorsorge


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

38 Seiten, Note: 15


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Krankenhäuser als Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge
1. Die gesetzliche Ausgangposition
a) Der Art. 83 Abs. 1 Bayerische Verfassung (BV)
b) Der Art. 57 Bayerische Gemeindeordnung (BayGO)
c) Die Privatisierungsklausel des Art. 61 Abs. 2 Satz 2 BayGO
d) Die Bedeutung des Art. 87 BayGO
e) Das „Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze“ (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG)
2. Die Bedeutung der Grundrechte
a) Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG
b) Die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG als Schutz vor Konkurrenten?
c) Die Bedeutung des Art. 2 Abs. 1 GG

III. Krankenhäuser im Wettbewerb
1. Der Begriff des Wettbewerbs
2. Der Wandel im Krankenhaussektor
3. Die Privatisierung von Krankenhäusern
a) Die verschiedenen Privatisierungsformen
b) Outsourcing im Krankenhauswesen
aa) Die echte Fremdvergabe von Leitungen
bb) Die Gründung einer Servicegesellschaft
cc) Die Gründung einer Servicegesellschaft unter Beteiligung eines privaten Dritten
dd) Das Beispiel eines erfolgreichen privaten Krankenhausbetreibers – Die Rhön-Klinikum AG

IV. Die Bedeutung des Vergaberechts
1. Die Anwendbarkeit auf die formelle Privatisierung
2. Die Anwendbarkeit auf die materielle Privatisierung
3. Die Anwendbarkeit auf die Vertragsprivatisierung
4. Die Anwendbarkeit auf die Integrierte Versorgung

V. Die Bedeutung des Beihilferechts
1. Das Beihilfeverbot des Art. 87 EGV
2. Die Ausnahmevorschrift des Art. 86 EGV
3. Art. 16 EGV als neues Gemeinschaftsstrukturprinzip?

VI. Lösungsvorschläge für den Konflikt zwischen Vorsorge und Wettbewerb; zugleich Würdigung der derzeitigen rechtlichen Situation im Krankenhauswesen

Literaturverzeichnis

Kommentare

Immenga, Ulrich/ Mestmäcker, Ernst-Joachim (Hrsg.) – GWB Kommentar zum Kartellgesetz, 3. Auflage, C.H. Beck Verlag München, 2001.

(Zitiert: Verfasser, in: Immenga/ Mestmäcker, GWB, § Rn. )

Lehrbücher

Braun, Günther/ Güssow, Jan/ Ott, Robert – Prozessorientiertes Krankenhaus, Lösungen für eine Positionierung im Wettbewerb, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart, 2005.

(Zitiert: Verfasser, Prozessorientiertes Krankenhaus, S. )

Dreher, Meinrad – Die Privatisierung der Daseinsvorsorge – Vergabe- und gemeindewirtschaftsrechtliche Grenzen, Leipziger Schriften zum Umwelt- und Planungsrecht, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2001.

(Zitiert: Dreher, Die Privatisierung der Daseinsvorsorge – Vergabe und gemeindewirtschaftliche Grenzen, S. )

Emmerich, Volker – Die kommunalen Versorgungsunternehmen zwischen Wirtschaft und Verwaltung, Athenäum Verlag Frankfurt am Main, 1970.

(Zitiert: Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen zwischen Wirtschaft und Verwaltung, S. )

Emmerich, Volker – Kartellrecht, 9. Auflage, C.H. Beck Verlag München, 2001.

(Zitiert: Emmerich, Kartellrecht, S. )

Forsthoff, Ernst – Lehrbuch des Verwaltungsrechts, erster Band: allgemeiner Teil, 8. Auflage, C.H. Beck Verlag, 1961.

(Zitiert: Forsthoff, S. )

Hellermann, Johannes – Privatisierung und kommunale Selbstverwaltung, Leipziger Schriften zum Umwelt- und Planungsrecht, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 2001.

(Zitiert: Hellermann, Privatisierung und kommunale Selbstverwaltung, S. )

Helmig, Bernd – Ökonomischer Erfolg in öffentlichen Krankenhäusern, Schriften zur öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft, Berliner Wissenschafts-Verlag, 2005.

(Zitiert: Helmig, Ökonomischer Erfolg in öffentlichen Krankenhäusern, S. )

Isensee, Josef/ Kirchhof, Paul (Hrsg.) – Handbuch des Staatrechts, 3. Band, C.F. Müller Verlag München, 1988.

(Zitiert: Verfasser, in: Isensee/ Kirchhof, § Rn. )

Kloepfer, Michael (Hrsg.) – Abfallwirtschaft in Bund und Ländern, Schriften zum Umweltrecht, Band 132, Dunker&Humblot Verlag Berlin, 2003.

(Zitiert: Verfasser, in: Kloepfer, Abfallwirtschaft in Bund und Ländern, S. )

Knemeyer, Franz-Ludwig – Bayerisches Kommunalrecht, 11. Auflage, Richard Boorberg Verlag Stuttgart, 2004.

(Zitiert: Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. )

Löser-Priester, Ingeborg – Privatisierung öffentlicher Krankenhäuser und Partizipation der Beschäftigten – Eine Fallstudie zur Modernisierung des öffentlichen Dienstes, Mabuse Verlag Frankfurt am Main, 2003.

(Zitiert: Löser-Priester, Privatisierung öffentlicher Krankenhäuser und Partizipation der Beschäftigten, S. )

Pielow, Johann-Christian – Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, Mohr Siebeck Verlag Tübingen, 2001.

(Zitiert: Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S. )

Aufsätze

Badura, Peter – wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze, DÖV 1998, S. 818ff.

(Zitiert: Badura, DÖV 1998, S. )

Bitz, Gabriele - Funktion und Funktionsweise öffentlicher Unternehmen im Wandel: zu den jüngsten Entwicklungen im Recht der kommunalen Wirtschaftsunternehmen, NVwZ 2001, S. 380ff.

(Zitiert: Bitz, NVwZ 2001, S. )

Brockmeyer, Hans Bernhard – Outsourcing im Krankenhaus – Quo vadis?, KMA 11/1999, S. 30ff.

(Zitiert: Brockmeyer, KMA 11/1999, S. )

Burgi, Martin – Kommunales Privatisierungsfolgenrecht: Vergabe, Regulierung und Finanzierung, NVwZ 2001, S. 601ff.

(Zitiert: Burgi, NVwZ 2001, S. )

Burgi, Martin – Konkurrentenschutz in der Krankenhausplanung, NZS 2005, S. 169ff.

(Zitiert: Burgi, NZS 2005, S.)

Burgi, Martin – Vergabe von Dienstleistungskonzessionen: Vergabe, Vergabekriterien, Rechtsschutz, NZBau 2005, S. 611ff.

(Zitiert: Burgi, NZBau 2005, S. )

Burgi, Martin/ Brohm, Markus U. – Krankenhausplanung und Kartellvergaberecht, MedR 2005, S. 74ff.

(Zitiert: Burgi/ Brohm, MedR 2005, S. )

Butzer, Hermann – Verfassungsrechtliche Anmerkungen zum GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetz 2004 (GMG), MedR 2004, S. 177ff.

(Zitiert: Butzer, MedR 2004, S. )

Byok, Jan – Die Entwicklung des Vergaberechts seit 2004, NJW 2006, S. 2076ff.

(Zitiert: Byok, NJW 2006, S. )

Diehm, Alexander/ Wunder, Annett – Rechtliche Probleme der Privatisierung eines Universitätsklinikums am Beispiel des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, DÖV 2006, S. 139ff.

(Zitiert: Diehm/ Wunder, DÖV 2006, S. )

Di Fabio, Udo – Privatisierung und Staatsvorbehalt, JZ 1999, S. 584ff.

(Zitiert: Di Fabio, JZ 1999, S. )

Ehlers, Dirk – Rechtsprobleme der Kommunalwirtschaft, DVBl. 1998, S. 497ff.

(Zitiert: Ehlers, DVBl. 1998, S. )

Emmerich, Volker – Die Fiskalgeltung der Grundrecht, namentlich bei erwerbswirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand, JuS 1970, S. 332ff.

(Zitiert: Emmerich, JuS 1970, S. )

Fassbender, Karl-Josef – Rechtsschutz privater Konkurrenten gegen kommunale Wirtschaftsbetätigung, DÖV 2005, S. 89ff.

(Zitiert: Fassbender, DÖV 2005, S. )

Fleckenstein, Martin – Vergaberechtliche Aspekte der Krankenhausprivatisierung, MedR. 2002, S. 510ff.

(Zitiert: Fleckenstein, MedR 2002, S. )

Funk, Friedrich – Das Gesundheitswesen und besonders das Krankenhaus im Spannungsfeld „sozialer“ Politik, Betriebs-Berater 1992, S. 1725ff.

(Zitiert: Funk, BB 1992, S. )

Geiger, Martin – Strategische Bedeutung und Zukunft der öffentlichen Leistungserbringung, BayGTZ 2002, S. 433ff.

(Zitiert: Geiger, BayGTZ 2002, S. )

Hesselmann, Hildegard/ Motz, Thomas – Integrierte Versorgung und Vergaberecht, MedR 2005, S. 498ff.

(Zitiert: Hesselmann/ Motz, MedR 2005, S. )

Hösch, Ulrich – Öffentlicher Zweck und wirtschaftliche Betätigung von Kommunen, DÖV 2000, S. 393ff.

(Zitiert: Hösch, DÖV 2000, S. )

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(Zitiert: Jaeger, NZBau 2001, S. )

Jennert, Carsten – Finanzierung und Wettbewerb in der Daseinsvorsorge nach Altmark Trans, NVwZ 2004, S. 425ff.

(Zitiert: Jennert, NVwZ 2004, S. )

Kämmerer, Axel – Strategien zur Daseinsvorsorge, NVwZ 2004, S. 28ff.

(Zitiert: Kämmerer, NVwZ 2004, S. )

Kersting, Andreas/ Siems, Thomas – Ausschreibungspflicht für staatliche Kooperation?, DVBl. 2005, S. 477ff.

(Zitiert: Kersting/ Siems, DVBl. 2005, S. )

Kingreen, Thorsten – Wettbewerbsrechtliche Aspekte des GKV-Modernisierungsgesetzes, MedR 2004, S. 188ff.

(Zitiert: Kingreen, MedR 2004, S. )

Koenig, Christian/ Haratsch, Andreas, Grundzüge des deutschen und des europäischen Vergaberechts, NJW 2003, S. 2637ff.

(Zitiert: Koenig/ Haratsch, NJW 2003, S. )

Krölls, Albert – Grundrechtliche Schranken der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand, GewArch. 1992, S. 281ff.

(Zitiert: Krölls, GewArch. 1992, S. )

Kühling, Jürgen/ Wachinger, Lorenz – Das Altmark Trans – Urteil des EuGH – Weichenstellung für oder Bremse gegen mehr Wettbewerb im deutschen ÖPNV?, NVwZ 2003, S. 1202ff.

(Zitiert: Kühling/ Wachinger, NVwZ 2003, S. )

K&P Consulting GmbH – Insourcing oder Outsourcing – Alternative Bewirtschaftungsformen der Klinikverpflegung auf dem Prüfstand, KMA 11/1997, S. 70ff.

(Zitiert: K&P Cunsulting GmbH, KMA 11/1997, S. )

Löwer, Wolfgang – Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, DVBl. 1991, S. 132ff.

(Zitiert: Löwer, DVBl. 1991, S. )

Mitterer, Martin – Daseinsvorsorge und Wettbewerb, BayGTZ 2003, S. 81ff.

(Zitiert: Mitterer, BayGTZ 2003, S. )

Pache, Eckhard – Der Staat als Kunde – System und Defizite des neuen deutschen Vergaberechts, DVBl. 2001, S. 1781ff.

(Zitiert: Pache, DVBl. 2001, S. )

Papier, Hans-Jürgen – Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Dienste der kommunalen Daseinsvorsorge aus nationalstaatlicher und europäischer Sicht, BayGTZ 2002, S. 424ff.

(Zitiert: Papier, BayGTZ 2002, S. )

Papier, Hans-Jürgen – Kommunale Daseinsvorsorge im Spannungsfeld zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht, DVBl. 2003, S. 686ff.

(Zitiert: Papier, DVBl. 2003, S. )

Peine, Franz-Joseph – Grenzen der Privatisierung – verwaltungsrechtliche Aspekte, DÖV 1997, S. 353ff.

(Zitiert: Peine, DÖV 1997, S. )

Pielow, Johann-Christian – Öffentlichen Daseinsvorsorge zwischen „Markt“ und „Staat“, JuS 2006, S. 780ff.

(Zitiert: Pielow, JuS 2006, S. )

Pieroth, Bode/ Hartmann, Bernd J. – Grundrechtsschutz gegen wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, DVBl. 2002, S. 421ff.

(Zitiert: Pieroth/ Hartmann, DVBl. 2002, S. )

Pitschas, Rainer – Fallpauschalen im Krankenhaus – Rechtsfragen leistungsbezogener Krankenhausentgelte, NZS 2003, S. 341ff.

(Zitiert: Pitschas, NZS 2003, S. )

Quaas, Michael – aktuelle Fragen des Krankenhausrechts, MedR 2002, S. 273ff.

(Zitiert: Quaas, MedR 2002, S. )

Rinken, Alfred/ Kellmer, Oliver – Kommunale Krankenhäuser als Instrumente sozialstaatlich-kommunaler Daseinsvorsorge im europäischen Verfassungsverbund, Die Verwaltung 39 (2006).

(Zitiert: Rinken/ Kellmer, S. )

Schink, Alexander – Wirtschaftliche Betätigung kommunaler Unternehmen, NVwZ 2002, S. 129ff.

(Zitiert: Schink, NVwZ 2002, S. )

Schink, Alexander – Kommunale Daseinsvorsorge in Europa, DVBl. 2005, S. 861ff.

(Zitiert: Schink, DVBl. 2005, S. )

Schröder, Holger – Die vergaberechtliche Problematik der interkommunalen Zusammenarbeit am Beispiel der Bildung von Zweckverbänden – Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des öffentlichen Auftrags i.S. des §99 GWB, NVwZ 2005, S. 25ff.

(Zitiert: Schröder, NVwZ 2005, S. )

Tettinger, Peter J. – Die rechtliche Ausgestaltung von Public Private Partnership, DÖV 1996, S. 764ff.

(Zitiert: Tettinger, DÖV 1996, S. )

Tettinger, Peter J. – Rechtsschutz gegen kommunale Wettbewerbsteilnahme, NJW 1998, S. 3474f.

(Zitiert: Tettinger, NJW 1998, S. )

Vetter, Andrea – Das Recht der Vergabe öffentlicher Aufträge 1999 und 2000, NVwZ 2001, S. 745ff.

(Zitiert: Vetter, NVwZ 2001, S. )

Vollmöller, Thomas – Rechtsfragen bei der Umsetzung von Disease-Management-Programmen, NZS 2004, S. 63ff.

(Zitiert: Vollmöller, NZS 2004, S. )

Weiß, Wolfgang – Kommunale Energieversorger und EG-Recht: Fordert das EG-Recht die Beseitigung der Beschränkungen für die kommunale Wirtschaft?, DVBl. 2003, S. 564ff.

(Zitiert: Weiß, DVBl. 2003, S. )

Wollenschläger, Michael – Arbeitsrechtliche Fragen bei Privatisierungs- und Outsourcingmaßnahmen in öffentlichen Krankenhäusern, NZA 2005, S. 1081ff.

(Zitiert: Wollenschläger, NZA 2005, S. )

Einleitung

„Gesundheit lässt sich nicht kaufen, aber sehr gut verkaufen.“ Dieses Zitat von Gerhard Kocher, einem österreichischen Ökonom, spiegelt wieder, was derzeit in der deutschen Krankenhauslandschaft das Motto zu sein scheint. Krankenhäuser werden von Privaten aufgekauft um später mit ihnen satte Gewinne zu erzielen.

Dabei gelten die Krankenhäuser seit jeher als gesundheitliche Garantieeinrichtungen. Sie sind neben den privaten Arztpraxen von größter Bedeutung für die Gesundheitssicherung der Bevölkerung und ein essentieller Bestandteil des Gesundheitssystems[1]. In der Industrie­gesellschaft kann der Einzelne nicht mehr selbst für seine individuellen Bedürfnisse Sorge tragen. Dem Staat ist daraus die Aufgabe der Daseinsvorsorge entstanden. Die Krankenhausversorgung ist neben der Lieferung von Gas, Wasser und elektrischer Energie nur ein Erscheinungsbild dieser Aufgabe, deren Sinn darin besteht, ein Zusammenleben in einer modernen Gesellschaft überhaupt erst zu ermöglichen[2].

Die Aufgaben der Daseinsvorsorge durchlaufen in Deutschland derzeit einen tief greifenden Wandlungsprozess. Damit stehen auch die Kommunen und ihre Unternehmen vor einer Zeit der Veränderung. Die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen im Bereich des Gesundheitswesens wird durch die Europäische Union, aber auch durch den nationalen Gesetzgeber zunehmend liberalisiert. Auch die Krankenhäuser, als ein Hauptinstrument der Gesundheitsversorgung, müssen sich zunehmend dem Wettbewerb stellen. Hieraus resultiert ein Konflikt zwischen der Sicherung einer günstigen, flächendeckenden Krankenversorgung und dem Streben nach wirtschaftlichem Erfolg.

Diese Arbeit wird im Folgenden zunächst den Begriff der Daseinsvorsorge und seine gesetzlichen Grundlagen darstellen. Sodann wird der oben genannte Wandel anhand ausgewählter Beispiele dargestellt sowie Möglichkeiten und Risiken einer Wettbewerbsöffnung aufgezeigt. Anschließend wird die Rolle des Vergaberechts im Krankenhaussektor und die Problematik der staatlichen Beihilfe erörtert. Zum Abschluss der Arbeit wird ein Lösungsvorschlag des Konflikts zwischen Daseinsvorsorge und Wettbewerb erarbeitet.

I. Krankenhäuser als Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge

Der Begriff der Daseinsvorsorge geht ursprünglich auf den deutschen Verwaltungsjuristen Ernst Forsthoff[3] zurück. Er prägte ihn in seiner 1938 erschienen Schrift „Die Verwaltung als Leistungsträger“ und entwickelte ihn inhaltlich 1958 in dem Folgewerk „Die Daseinsvorsorge und die Kommunen“ weiter. Nach seiner Definition ist die Daseinsvorsorge ein staatliches Verhalten, mit dem Ziel, dem Bürger diejenigen Güter und Dienstleistungen bereitzustellen, die für ihn sinnvoll und nützlich sind[4]. Somit dienen wirtschaftliche Unternehmen dann der Daseinsvorsorge, wenn sie unmittelbar dem Einzelnen Leistungen und Vorteile gewähren[5].

Die Daseinsvorsorge stellt keine spezifisch deutsche Konzeption dar. In fast allen Staaten der Erde existieren zumindest ähnliche Konzepte. So spricht man beispielsweise in Großbritannien vom „service of general economic interest“ oder in Frankreich vom „service d’interest d’intérêt général“. Auch wenn der Begriff der Daseinsvorsorge, abgesehen von seinem seit jeher hohen Stellenwert in der politischen Diskussion, inzwischen als Rechtsbegriff Eingang in die Gemeindeordnungen[6] der deutschen Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg gefunden hat, so mangelt es doch bis heute an einer allgemein akzeptierten Definition.

Ein Definitionsversuch der bayerischen Staatsregierung stellt darauf ab, dass Daseinsvorsorge auf der einen Seite gemeinwohlorientiert sein muss, das heißt sie muss den Anforderungen an Versorgungssicherheit, flächendeckende Erbringung, gleichberechtigten Zugang aller Bürger und erschwinglichen Preisen gerecht werden. Auf der anderen Seite muss die Erbringung der Leistung gerade durch das Gemeinwesen aber auch notwenig sein (sog. Subsidiaritätsprinzip)[7]. Im Kern geht es somit bei der Daseinsvorsorge darum, Leistungen allen Bürgern gleichmäßig und zu günstigen Bedingungen zukommen zu lassen[8], ohne Rücksicht auf deren Lebensnotwendigkeit[9].

In neuerer Zeit formiert sich eine neue Konzeption der Daseinsvorsorge, bei der sie zwar gewährleistet, jedoch nicht mehr selbst hergestellt wird[10]. Es greift somit die Erkenntnis, dass der Sozialstaat nur das Ergebnis, nicht aber den Weg vorgibt[11]. Dies bedeutet für das agieren des Staates im Bereich des Krankenhauswesens, dass er nicht mehr selbst Träger der Krankenhäuser zu sein braucht, sondern sich vielmehr auf den Bereich der Regulierung und Sicherstellung der privaten Bereitstellung der Dienstleistungen konzentriert (sog. Gewährleistungsverantwortung)[12]. So wird derzeit die stationäre Krankenversorgung durch die Länder, die Kommunen selbst, aber auch durch Private, einschließlich freigemeinnützige Träger, mit dem Ziel erbracht, eine gesicherte Versorgung der Patienten mit stationären ärztlichen und pflegerischen Leistungen herzustellen[13] und damit eine funktionierende Daseinsvorsorge zu gewährleisten.

1. Die gesetzliche Ausgangsposition

Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet das Gemeinwesen, Leistungen, auf die der moderne Mensch lebensnotwendig angewiesen ist, sicherzustellen oder selbst zu erbringen. Dies lässt die Daseinsvorsorge als eine Art Leitmotiv sozialstaatlicher Fürsorge erscheinen. Darüber hinaus liefert die Schutzpflicht für Leben und Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und der staatsaufgabenrechtliche Gehalt der Kompetenzvorschrift des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG die verfassungsrechtliche Basis für das Tätigwerden des Staates. So hat sowohl das Bundesverfassungsgericht[14] als auch der Europäische Gerichtshof[15] die Krankenhauspflege als ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut anerkannt und gleichzeitig den Staat angewiesen, eine bedarfsgerechte Krankenversorgung der Bevölkerung bei sozial tragbaren Krankenhauskosten einzurichten[16].

Die verfassungsrechtliche Verankerung der kommunalen Daseinsvorsorge – auf die ich hier nicht näher eingehen möchte – findet sich in der Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 GG und den korrespondierenden landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen wieder. Hierdurch ist den Gemeinden die sog. Allzuständigkeit, sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung auch im Bereich der Daseinsvorsorge zuerkannt[17]. Daraus folgt, dass die Gemeinden verpflichtet sind sicherzustellen, dass nach einem aufzustellenden Krankenhausplan bedarfsgerechte Krankenhäuser errichtet und betrieben werden. Eine flächendeckende und bürgernahe stationäre Krankenversorgung stellt für die Kommunen somit eine sozialstaatlich besonders wichtige Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) dar[18], bei der die Kommunen in ihrer wirtschaftlichen Betätigung insoweit auch verfassungsrechtlich geschützt sind[19].

Dem wirtschaftlich agierenden Staat setzte der Gesetzgeber, als Reaktion auf die gestiegene private Konkurrenz, jedoch erstmals im § 67 der Deutschen Gemeindeordnung von 1936[20] Grenzen[21]. Danach durften die Gemeinden wirtschaftliche Unternehmen nur errichten oder wesentlich erweitern, wenn ein öffentlicher Zweck das Unternehmen rechtfertigte. Zudem musste das Unternehmen in einem angemessenen Umfang zur Leistungserbringung der Gemeinde stehen und der Zweck nicht besser oder wirtschaftlicher durch einen privaten Wettbewerber erfüllt werden können[22]. Diese Regelung ist im Wesentlichen auch heute noch geltendes Recht in den Gemeindeordnungen der Bundesländer[23].

a) Der Art. 83 Abs. 1 Bayerische Verfassung (BV)

Nach Art. 83 Abs. 1 BV gehört das örtliche Gemeinwesen zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinde. Auch wenn es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine Kompetenzvorschrift sondern lediglich um eine Aufgabenabgrenzungsnorm handelt, so konkretisiert sie dennoch den Begriff der Daseinsvorsorge, indem sie bestimmte Aufgaben nennt, die zur Daseinsvorsorge zählen sollen[24]. Hierzu gehört auch das „örtliche Gesundheitswesen“. Die Gemeinden dürfen sich demnach ihrer Aufgabe zur Absicherung der medizinischen Versorgung nicht gänzlich durch etwaige Privatisierungen erledigen. Dennoch ist auch eine (teilweise) Übertragung der Aufgaben an private Dritte mit Art. 83 Abs. 1 BV vereinbar, zumal die Aufgabe der Gemeinden auch in der Überwachung privater Krankenhausbetreiber gesehen werden kann.

b) Der Art. 57 Bayerische Gemeindeordnung (BayGO)

Nach Art. 57 Abs. 1 Satz 1 BayGO sollen die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis und in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen schaffen und unterhalten, die nach den örtlichen Verhältnissen für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl erforderlich sind. Die Gemeinde hat dabei gemäß Art. 86 BayGO die Wahl, ob sie das Unternehmen als Eigenbetrieb, selbstständiges Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts oder in den Rechtsformen des Privatrechts betreiben will. Darüber hinaus hat die Gemeinde grundsätzlich ein Entschließungsermessen darüber, welche Aufgaben sie wahrnehmen will[25], muss bei einer Wahrnehmung allerdings die Rechte Dritter, insbesondere die Grundrechte beachten[26].

c) Die Privatisierungsklausel des Art. 61 Abs. 2 Satz 2 BayGO

Nach Art. 61 Abs. 2 Satz 2 BayGO soll die Gemeinde dennoch ihre Aufgaben in geeigneten Fällen daraufhin untersuchen, ob und in welchem Umfang diese Aufgaben durch Private mindestens ebenso gut erledigt werden könnten (sog. Privatisierungsklausel[27] ).

d) Die Bedeutung des Art. 87 BayGO

Gemäß Art. 87 Abs. 1 BayGO darf ein Unternehmen im Sinne des Art. 86 BayGO nur dann errichtet werden, wenn ein öffentlicher Zweck dies erfordert und nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Zudem muss die übertragene Aufgabe für die Wahrnehmung außerhalb der allgemeinen Verwaltung geeignet sein und bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden können. Die Subsidiaritätsklausel des Art. 87 BayGO hat folglich den Zweck, die Kommunen vor den Gefahren überdehnter unternehmerischer Tätigkeit zu schützen und die Privatwirtschaft vor einem Wettbewerb durch die öffentliche Hand zu abzusichern[28]. Vereinzelt wird darüber hinaus auch der Schutz des einzelnen privaten Wettbewerbers als Normzweck anerkannt[29]. Für das Krankenhauswesen hat diese Norm derzeit noch geringe Bedeutung. Momentan beschränken sich die Privatkrankenhäuser auf gewinnbringende Sektoren und betreiben eine Art „Rosinenpicken“. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass in Zukunft auch vermehrt direkte Konkurrenz zwischen kommunalen und privaten Krankenhausbetreibern entstehen könnte, so dass Art 87 BayGO größere Bedeutung zukommen würde.

e) Das „Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze“ (Krankenhaus­finanzierungsgesetz – KHG)

Das KHG vom 29. Juni 1972 in der Fassung des Gesetzes vom 23. April 2002[30] stellt die Rechtsgrundlage für die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser dar. Danach müssen die Krankenhäuser durch öffentliche Fördermittel zu den Investitionskosten sowie durch Pflegesätze, die auf die Deckung der laufenden Betriebskosten beschränkt sind, vollständig finanziert werden. Dazu haben die Länder Krankenhauspläne zu erstellen (§ 6 KHG), in welche die benötigten Krankenhäuser aufzunehmen sind (§ 8 Abs. 1 KHG). Die auf Grundlage des § 11 KHG bestimmten Fallpauschalen decken die laufenden Betriebskosten ab, während die Investitionskosten von den Bundesländern allein zu tragen sind. Nur diejenigen Krankenhäuser, die in dem Krankenhausplan der jeweiligen Länder aufgenommen sind, haben einen Anspruch auf staatliche Förderung. Damit hat der positive Feststellungsbescheid im Rahmen der Krankenhausplanung und –zulassung durch die zuständige Landesbehörde nicht nur einen Rechtsanspruch gegen das Land auf öffentliche Förderung zur Folge. Vielmehr hat er auch krankenversicherungsrechtliche Konsequenzen, denn nur die sog. Plankrankenhäuser sind zur Erbringung von Krankenhauspflege mit den entsprechenden Kostenfolgen für die gesetzliche Krankenversicherung zugelassen ( § 108 Nr. 2 SGB V)[31].

Die Länder haben darüber hinaus eigene Krankenhausgesetze erlassen, in denen allgemeine Vorschriften über die Krankenversorgung als öffentliche Aufgabe, über den Krankenhausplan, über die Mitwirkung von Interessenverbänden an den Planungsentscheidungen, sowie über die Organisation und Struktur der Krankenhäuser festgeschrieben sind[32].

[...]


[1] Helmig, Ökonomischer Erfolg in öffentlichen Krankenhäusern, S. 39.

[2] Vgl. Schink, DVBl. 2005, S. 861.

[3] Ernst Forsthoff wurde am 13. August 1902 in Laar geboren und starb am 13. August 1974 in Heidelberg. Er war Professor für öffentliches Recht unter anderem in Freiburg und Heidelberg.

[4] Forsthoff, S. 322.

[5] Forsthoff, S. 323.

[6] So zum Beispiel § 102 Abs. 1 Nr. 3 BadWürttGO; Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO; § 71 Abs. 1 Nr. 4 ThürKO.

[7] Mitterer, BayGTZ 2003, S. 81.

[8] Rüfner, in: Isensee/ Kirchhof, § 80 Rn. 3.

[9] Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen zwischen Wirtschaft und Verwaltung, S. 34; Emmerich, JuS 1970, S. 332 (336).

[10] Vgl. Tettinger, DÖV 1996, S. 764.

[11] Vgl. Peine, DÖV 1997, S. 353.

[12] Vgl. Schink, DVBl. 2005, S. 861 (862).

[13] Burgi, NZS 2005, S. 169 (170).

[14] BVerfGE 80, 1 (24); 82, 209 (230).

[15] EuGH, Urteil vom 12 Juni 2001, Rs. C-368/98.

[16] Pitschas, NZS 2003, S. 341 (343).

[17] Vgl. BVerfGE 59, 216 (226); 79, 127 (143).

[18] Zur Daseinsvorsorge als ein Teil der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG siehe auch Papier, DVBl. 2003, S. 686 (687ff.).

[19] Badura, DÖV 1998, S. 818 (823).

[20] RGBl. I S. 49.

[21] Fassbender, DÖV 2005, S. 89.

[22] Schink, NVwZ 2002, S. 129 (130).

[23] Vgl. z.B. § 102 BadWürttGO; Art. 87 BayGO; § 121 HessGO; § 97 SächsGO; § 71 ThürKO.

[24] Hösch, DÖV 2000, S. 393 (401).

[25] Vgl. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 154.

[26] Krölls, GewArch. 1992, S. 281 (284).

[27] Vgl. Löser-Priester, Privatisierung öffentlicher Krankenhäuser und Partizipation der Beschäftigten, S. 46, 47.

[28] VG Gießen, NVwZ-RR 2005, S. 202.

[29] Schink, NVwZ 2002, S. 129 (138).

[30] DGBl. I S. 1412.

[31] Siehe hierzu: Pitschas, NZS 2003, S. 341 (344); Burgi, NZS 2005, S. 169 (170ff.).

[32] Bsp.: Art. 1 BayKrG „1Ziel dieses Gesetzes ist eine bedarfsgerechte stationäre Versorgung der Bevölkerung im Freistaat Bayern durch ein funktional abgestuftes und effizient strukturiertes Netz einander ergänzender Krankenhäuser freigemeinnütziger, privater und öffentlich-rechtlicher Träger. 2Dies soll auf der Grundlage der Krankenhausplanung durch die Förderung eigenverantwortlich wirtschaftender, leistungsfähiger Krankenhäuser erreicht werden.“

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Details

Titel
Krankenhäuser zwischen Wettbewerb und kommunaler Daseinsvorsorge
Hochschule
Universität Bayreuth  (Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Bayreuth)
Note
15
Autor
Jahr
2007
Seiten
38
Katalognummer
V122743
ISBN (eBook)
9783640279302
ISBN (Buch)
9783640283132
Dateigröße
542 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit wurde im Wintersemester 2006/2006 am Lehrstuhl für Öffentlichtes Recht und Europarecht an der Universität Bayreuth eingereicht und mit 15 Punkten bewertet.
Schlagworte
Krankenhäuser, Wettbewerb, Daseinsvorsorge
Arbeit zitieren
Robert Tischer (Autor:in), 2007, Krankenhäuser zwischen Wettbewerb und kommunaler Daseinsvorsorge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122743

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Titel: Krankenhäuser zwischen Wettbewerb und kommunaler Daseinsvorsorge



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