Selbstentwickelndes Lernen im Sport

Unterschiedliche Lernprinzipien in Schule und Freizeit


Hausarbeit, 2006

13 Seiten, Note: 14


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Die Lebenswelt von Jugendlichen

3) Selbstentwickelndes Lernen oder anleitendes Lehren
3.1) Sport in der Freizeit
3.2) Sport in der Schule

4) Subjektive Erfahrungen im Sportunterricht

Literaturverzeichnis

1) Einleitung

Die sportliche Jugendkultur erlebte in den letzten Jahrzehnten einen deutlichen Wandel. Wo früher der institutionalisierte Vereinssport nahezu alle jugendlichen Sporttreibenden angezogen hat, entscheiden sich heute viele junge Menschen für selbstorganisierte, kreative Sportarten wie z.B. das Skateboarden. Ohne Zweifel sind auch die traditionellen Vereine nach wie vor ein Anziehungspunkt für sehr viele Jugendliche, sie haben aber Konkurrenz bekommen, die sich durch vollkommen andere Ausgestaltungen im Trainingsprozess sowie im Wettbewerb auszeichnen. Diese Unterschiede möchte ich aufzeigen und deren Bedeutung für die Entwicklung von Jugendlichen verdeutlichen. Es stellt sich die Frage, wie sich Jugendliche Selbst- und Welterfahrung aneignen. Hier ist zu überprüfen, wie sich diese Erfahrungen nach den unterschiedlichen Auffassungen von Sport und Bewegung unterscheiden.

Schließlich soll die Bedeutung eines selbstentwickelnden und eigenverantwortlichen Lernens im Schulsport untersucht werden. Welche Vor- und Nachteile ergeben sich aus einem offenen Unterricht, in den die Schüler eigene Ideen einbringen und auch das Ergebnis offen bleibt gegenüber einem Lernen, das unter vorgegebenen Richtlinien und Zielen abläuft?

Zunächst werde ich die „Lebenseinstellung“ der Jugendlichen - ihre Wertvorstellungen und ihre Einstellung gegenüber der Gesellschaft, in der sie leben - beschreiben, um auf dieser Basis die Sport- und Bewegungskultur der Heranwachsenden zu beleuchten.

2) Die Lebenswelt von Jugendlichen

Zunächst möchte ich aus soziologischer Sicht auf die Jugendkultur und die Lebenswelt der Heranwachsenden eingehen, wobei hier nicht die konkreten Lebensumstände gemeint sind, sondern die daraus resultierende Sicht der Welt.

Es ist keine objektiv zu sehende Welt, sondern eine zu interpretierende, durch die Gesellschaft geformte Umwelt, die sich den Jugendlichen als solche verschieden zeigen kann und somit nicht einheitlich ist. Eine zentrale Frage ist auch die Einstellung gegenüber der Gesellschaft, die Bereitschaft zu sozialer Verantwortung und das Engagement für individuelle und allgemeine Ziele.

Die Jugendzeit wird nicht als eindeutig festgelegter Lebensabschnitt definiert. Traditionell wurde sie als eine Übergangsphase von Kindheit zum Erwachsenenalter, (etwa 15. bis 21. Lebensjahr), charakterisiert. Heute wollen viele Kinder möglichst früh als jugendlich gelten, während es für viele Erwachsene als erstrebenswert gilt, jugendlich zu bleiben oder zu wirken. (Wopp 2001, 342) Hierbei spielt der Sport eine große Rolle, weil er einerseits die Chance bietet, körperlich fit und somit auch „jung“ zu bleiben und andererseits, weil sportliche Betätigung in der Jugendkultur eine große Rolle spielt.

Ein Autor der Shell-Studie 1997, einer seit 1953 regelmäßigen erscheinenden Studie über Jugend und Jugendkultur, stellt die These der Entstrukturierung der Jugendphase auf. (Münchheimer 1998)[1] 'Darunter wird als Erscheinungsbild und Entwicklungstrend verstanden, dass die einheitliche kollektive Statuspassage Jugend „in plurale Verlaufsformen und Zeitstrukturen zerfällt“ und sich gleichsam „mehrere 'Jugenden' entwickeln, die sich voneinander so stark unterscheiden, dass sie nicht mehr in einem Modell zusammengefasst werden können.“ ' (Jugend 1997, 12f.)2 Vor allem für Sportlehrer ist es wichtig diese Entwicklung zu verstehen, weil sie sich „im unterschiedlich ausgeprägten Umgang der Heranwachsenden mit Körperbewusstsein und Bewegungskultur“ ausdrückt. (Hinsching 2001, 144) Diese These stimmt knapp zehn Jahre später mit Sicherheit noch, was anhand der unterschiedlichen Sport- und Bewegungskultur verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zu erkennen ist. Während viele Jugendliche sich in Vereinen engagieren und klassische Sportarten ausführen, gibt es vor allem im urbanen Gebiet sehr viele Jugendliche, die sich in selbst organisierten Gruppen treffen und unverbindlich miteinander Sport treiben. Hier sind die Asphaltsportarten zu nennen, aber z.B auch der Breakdance. Diese sehr anspruchsvolle „Tanzart“ erfordert hartes Training für einen athletischen Körper und höchste Körperbeherrschung. Auffallend ist, dass es oft vorwiegend Ausländer sind, die diese Form der sportlichen Betätigung wählen. Viele Jugendliche entscheiden sich aber auch für einen gemischten Weg, indem sie in einem Verein bleiben, aber nebenher auch selbst organisierte Sportarten ausüben.

So stark die Lebenswelten von Jugendlichen differieren mögen, ist es trotzdem möglich, einen Trend hinsichtlich der Wertvorstellungen und der Mentalität der Jugendlichen festzustellen. In den Shell-Studien werden junge Menschen danach gefragt, worauf sie besonders wert legen, was sie am stärksten interessiert und womit sie sich beschäftigen. In der 14. Shell-Studie 2002, in der Jugendliche zwischen 12 und 25 Jahren befragt wurden, ist u.a. ein Trend zur Leistungsbereitschaft und ein starkes Abwägen von Chancen und Risiken zu erkennen. Sicherheit spiele in dem Leben der Jugendlichen eine größer werdende Rolle, weil auch die Angst um einen Arbeitsplatz und die damit verbundene gesellschaftliche Stellung immer stärker ausgeprägt sei. Trotzdem sei die Grundhaltung weniger pessimistisch als in den 80er und 90er Jahren. Eine pragmatische Lebenshaltung, die sich darin zeige, dass die Jugendlichen praktische Probleme in Angriff nehmen, die sie mit persönlichen Chancen verbinden, ist also gepaart mit einem ausgeprägt positiven Denken.

Daraus resultiert auch die Bereitschaft vieler Jugendlicher, sich in und für die Gesellschaft zu engagieren. Hier ist zu erkennen, dass sich dieses Engagement vor allem auf Angelegenheiten bezieht, die die Jugendlichen selber betreffen, aber die Aktivität auch dem sozialen Einsatz für bedürftige Gruppen gewidmet ist. Für solche sozialen Aktivitäten oder Themen, die z.B. den Umweltschutz betreffen, nimmt die Einsatzbereitschaft mit zunehmendem Alter zu, die jugendbezogene Aktivität nimmt ab. Insgesamt sind 35 Prozent aller Jugendlichen regelmäßig gesellschaftlich aktiv, weitere 41 Prozent engagieren sich gelegentlich.

Die Bereitschaft, sich für die eigenen Interessen oder für sozial Schwache einzusetzen, ist weiterhin stark abhängig von der gesellschaftlichen Schicht, aus der die Jugendlichen stammen. Während Studenten mit 44 Prozent regelmäßiger Aktivität den höchsten Wert erreichen, haben Arbeitslose mit 23 Prozent die niedrigste Quote.

Es ist zu erkennen, dass die „Null-Bock-Einstellung“, die vielen Jugendlichen oft noch vorgeworfen wird, für einen großen Teil der Jugendlichen nicht zutrifft.

3) Selbstentwickelndes Lernen oder anleitendes Lehren

Sowohl in der Freizeit als auch im schulischen Sportunterricht stellt sich die Frage, wie Jugendliche mit sportlichen Angeboten umgehen oder an diese herangeführt werden. Auf der einen Seite gibt es eine sich selbst entwickelnde Jungendsportszene, die sich durch gegenseitiges Lernen und Lehren, die gemeinsame Ausgestaltung und ständige Veränderungen auszeichnet. Exemplarisch hierfür möchte ich die Skateboardszene nennen.

Auf der anderen Seite gibt es den institutionalisierten Vereinssport, in dem festgelegte Mechanismen und Methoden vorherrschen. Meist gibt es einen oder mehrere Trainer, die den Sportlern klare Anweisungen geben. Zwar ist auch hier Veränderung möglich, in seiner Ausprägung unterscheidet sich der institutionalisierte Sport von der neuen Sportszene aber grundsätzlich in seinen Methoden.

Im Schulsport stellt sich dem Lehrer die Frage, welcher Lehr- bzw. Lernmethode er den Vorzug gibt.

3.1) Sport in der Freizeit

Wir finden außerhalb der Schule zwei sich stark unterscheidende Sportkulturen vor. Die schon angesprochene Skateboardszene soll als Beispiel für den sich außerhalb der Vereine entwickelnden Sport stehen. Ebenso könnte die BMX-Szene oder abgewandelte Formen von Fuß- und Basketball gesehen werden. Zum größten Teil finden diese Sportarten auf asphaltierten Plätzen in den Städten statt, wo viele Menschen zuschauen können. Es sind vor allem Jungen, die ihr Können dort präsentieren, die „überwiegend dem Selbstverwirklichungsmilieu angehören“. (Schulze 1992, 278)[2] Zwar hat die Eigendarstellung und -inszenierung bei den Asphaltsportarten oft einen größeren Stellenwert als bei traditionellem Sport, was aber die Qualität des Sports oder der Lernmethode nicht beeinträchtigt oder zu beschreiben vermag. Das Lernen vollzieht sich als ein Prozess des Nachmachens und Ausprobierens, des Scheiterns und des Gelingens. Ein von außen monotoner Lernprozess, der durch zahllose Wiederholungen einer Bewegung gekennzeichnet ist, wird für die Jugendlichen interessant und bekommt durch die Motivation erfolgreich zu sein, einen Sinn. (vgl. Meyer / Schönberg / Wopp 2000, 35) Beispielhaft hierfür kann man den Ollie beim Skateboarden nennen, den einfachen Sprung mit dem Board. Für einen Könner ganz simpel, steht ein Anfänger vor einer riesigen Herausforderung. In der Gruppe wird der sich Bewegende motiviert, die Aktion immer und immer wieder zu versuchen, wenn er den Sprung am Ende „stehen“ will. Das Scheitern bei den ersten Versuchen und auch noch nach längerem Training ist hier vorprogrammiert. Es bedeutet jedoch nur ein Scheitern für den Moment. Der sich Bewegende spürt am eigenen Leib das instabile Gleichgewicht, Probleme, das Brett überhaupt zu koordinieren. Hier können Tipps von anderen helfen, den oft schmerzvollen Trainingsprozess muss man aber allein bestreiten. Diese eigenen Erfahrungen dienen dazu, wirklich zu verstehen, wie sich die Bewegung vollzieht und wo die Schwierigkeiten liegen. Es gibt keine allgemeingültige Lösung, um erfolgreich zu sein, es bedarf immer einer individuellen Ausgestaltung des Fahrens. Weiterhin weiß der Skater über die Probleme, die ein Anfänger hat und entwickelt wie von selbst durch ständiges Üben passende Antworten.

Die Selbstdarstellung ist dem Sport also keineswegs abträglich, denn die Motivation, einen Trick zu können, steigt enorm. Ein ganz wichtiger Punkt ist also der Druck, den der Sporttreibende fühlt, aber auch die Unterstützung der anderen aus der Jugendclique. Gerade beim Skateboarden erhält der Anfänger, der auf eine Gruppe von Könnern trifft, viel Unterstützung. Jeder weiß über die anfänglichen Schwierigkeiten auf dem Brett, die instabile Lage und jeder hat individuelle Tipps parat, die gerne weitervermittelt werden. Diese Praxis verbindet die Sporttreibenden nicht nur untereinander, sie trägt auch dazu bei, dass Methodenkompetenzen vermittelt und erarbeitet werden. Diese Erarbeitung erfolgt nicht aus einem Zwang heraus, sondern ist Ergebnis eigener Interessen. Ein jeder zeichnet sich nicht nur durch sein Talent beim Skaten aus, das Verhalten in der Gruppe, wie man z.B. mit Neulingen umgeht, ist ebenfalls sehr wichtig. Es zählt keineswegs nur die perfekte Umsetzung der Tricks, sondern Kreativität und Veränderung des Bekannten sind es, die ein hohes Ansehen verschaffen. (vgl. Meyer / Schönberg / Wopp 2000, 36)

[...]


[1],2 In: Hinsching 2001, 145

[2] In: Meyer / Schönberg / Wopp 2000, 36

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Selbstentwickelndes Lernen im Sport
Untertitel
Unterschiedliche Lernprinzipien in Schule und Freizeit
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für Sportwissenschaft und Motologie)
Veranstaltung
Seminar: Bewegen, Erfahren, Bilden
Note
14
Autor
Jahr
2006
Seiten
13
Katalognummer
V121957
ISBN (eBook)
9783640271214
ISBN (Buch)
9783640271399
Dateigröße
405 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Skateboard, Szene, Lernstrategien, Vereinssport, Freizeitsport
Arbeit zitieren
Reiner Kapinus (Autor:in), 2006, Selbstentwickelndes Lernen im Sport, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121957

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