Welche Rolle spielt der Tod für die eigene Lebensführung?


Referat (Ausarbeitung), 2007

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Der Tod als Instrument der Menschenmanipulierung?

3. Der Tod und das Leben aus christlicher Perspektive
3.1 Der Tod Jesu
3.2 Erlösung und Befreiung durch den Tod Eine letzte Entscheidung im Tod?
3.3 Mitsterben mit Christus im Alltag
3.4 Auferstehungserfahrungen schon in diesem Leben

4. Der Tod und das Leben aus nicht-christlicher Perspektive
4.1 Philosophische Ansätze
4.1.1 Platon
4.1.2 Demokrit und Epikur
4.2. Die philosophische These über ein Leben nach dem Tod und ihre Kritik
4.3 Auswirkungen der philosophischen Lehren über den Tod auf die Lebensführung des Individuums
4.3.1 Nach Platon
4.3.2 Nach Seneca
4.3.3 Nach Kierkegaard
4.4 Die Weltreligionen
4.4.1 Der Islam
4.4.2 Der Buddhismus
4.4.3 Der Hinduismus
4.4.4 Das Judentum

5. Schlusswort

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die äußerste Herausforderung unseres Lebens ist, dass wir Menschen dem Schicksal des Todes und damit der Endlichkeit unseres irdischen Lebens ausgesetzt sind.[1] Seit Gedenken der Menschheit haben Menschen immer wieder versucht, den Tod praktisch und theoretisch zu besiegen, z.B. durch ein „Elixier des Lebens“, dem „ewigen Jungbrunnen“ oder aber auch „durch die Persistenz ihrer Taten“, beispielsweise bei großen Herrschern und / oder Wissenschaftlern, die sich dadurch unauslöschlich in der Weltgeschichte zu verewigen suchten. Dem Menschen ist die „Sehnsucht nach ewigem Leben“ in die Wiege gelegt. Dennoch kann kein Mensch der Gewissheit entkommen, dass er einmal sterben muss. Letztlich bleibt der Tod als etwas in unserem Bewusstsein stehen, „dem wir vom Standpunkt unseres Lebenswillen aus gesehen keinen Sinn abgewinnen können, weil er unsrem Lebens-Sinn widerspricht.“[2]

In dieser Arbeit soll beleuchtet werden, ob und in welcher Weise die Gewissheit des Sterbens Auswirkungen auf die konkrete Lebensgestaltung eines Menschen hat. Dieses soll sowohl aus der christlichen Perspektive als auch aus der nicht-christlichen Perspektive. Vorwiegend wird sich bei der nicht-christlichen Perspektive mit der Philosophie beschäftigt. Nur am Rande wird auf die anderen großen Weltreligionen eingegangen.

2. Der Tod als Instrument der Menschenmanipulierung?

Der Mensch kann nicht darauf verzichten, über das Wie des Lebens nach dem Tod nachzudenken. Dies liegt in der Selbsterfahrung des Menschen begründet, der sein Ich als Geist, Bewusstsein und Materie wahrnimmt und so nicht umhinkommt, über den Verbleib des Ichs nach dem physischen Tod zu reflektieren.[3] Das Denken und Leben der Menschen sind daher unmittelbar vom Bewusstsein des Todes betroffen und zeigen diesbezüglich unterschiedlich starke Auswirkungen. Kann in diesem Zusammenhang der Tod als ein Instrument der Menschenmanipulierung angesehen werden? Lässt sich unser Bewusstsein vom Tod unmittelbar im Alltag erkennen?

Trotz eines seit einiger Zeit neu aufkommenden Interesses am Tod, insbesondere an Erlebnissen im Grenzbereich des Todes und an anderen parapsychologischen Phänomenen, bleibt der eigene Tod ein grausames und ungelöstes Rätsel, das in den letzten Jahrzehnten immer mehr aus dem Bewusstsein der Gesellschaft zurückgedrängt worden ist. Dies liegt in erster Linie an der mangelnden Todeserfahrung.[4] Die Entwicklung der modernen Medizin und die damit erreichte Erhöhung des Sterbealters haben die Situation völlig verändert. Der nach dem Zweiten Weltkrieg aufwachsenden Generation bleibt die Erfahrung, einen Leichnam zu sehen oder gar den Todeskampf eines nahen Angehörigen mitzuerleben, fast völlig erspart.

Andererseits ist gerade in der heutigen Zeit die Konfrontation mit dem Phänomen des Todes unausweichlich. Täglich werden wir aus aller Welt überschüttet mit Meldungen über Tod, Katastrophen und Leid und ständig neuen Bildern von Brutalität und Grausamkeit. Diese ständige Präsenz des Todes in den Medien führt aber nicht unbedingt zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit unseres eigenen Lebens, sondern macht uns im Gegenteil immun gegen Eindrücke, „die wir in dieser Fülle gar nicht verarbeiten können.“[5] Gerade diese Überinformation zwingt uns geradezu zu einer Abstumpfung, so dass gerade die ständige Information über das Sterben das Bewusstsein von der Möglichkeit des eigenen Todes in den Hintergrund gedrängt hat. Dieser Verdrängungsakt verleitet zur „Utopie einer leidfreien Gesellschaft“[6], die einerseits aus der Unfähigkeit zur Verarbeitung eigener wie fremder Leiden, aber auch aus dem wachsenden Verlangen nach Verkürzung sinnlos erscheinender Leiden resultiert.

Eine besondere Stellung diesbezüglich nimmt der moderne Klinikbetrieb ein. Die Tätigkeit in einem Krankenhaus führt zu einer täglichen Begegnung mit Sterben und Tod. Jedoch kann man weder von Ärzten noch vom Pflegepersonal erwarten, dass sie sich damit gewissermaßen identifizieren, sie können nicht mit jedem Patienten „sterben“. Für sie ist eine gewisse therapeutische Distanz und Nüchternheit sogar zwingend notwendig, um einen sachgemäßen Dienst ausführen zu können.

Aus dieser Situation finden sich bei vielen Menschen in der heutigen Zeit immer mehr „Bekundungen einer erstaunlichen Ethik der gelassenen Hinnahme ihrer Endlichkeit“.[7] Hier spiegelt sich jedoch ein sehr oberflächlicher Standpunkt wider, da die Reflektion der eigenen Existenz – zu der auch der Tod gehört – etwas typisch Menschliches ist. Die zunehmende Vernachlässigung des eigenen Todes zeigt darüber hinaus eine allgemeine Hoffnungslosigkeit. Atheismus und die Leugnung eines Lebens nach dem Tod zeigen, wie Todesangst verarbeitet und überwunden und der Tod auch ohne Hoffnung auf ein Leben ‚danach’ scheinbar menschenwürdig bestanden werden kann.

Vom Tod als Instrument der Menschenmanipulierung kann also zunehmend weniger die Rede sein. Auch die Zeit, in der eine vermeintlich christliche Verkündigung den Tod der ‚Gottlosen’ in abschreckender Weise darstellen konnte, ist unwiderruflich vorbei.

Jedoch kann und soll der Tod auch in der heutigen Zeit nicht verharmlost werden. Auch wenn eine ängstliche und verkrampfte Fixierung auf den eigenen Tod – und damit ein durch den Tod manipuliertes Denken und Handeln – meistenteils ausbleibt, lässt sich unsere Endlichkeit nicht vollends aus unserem Bewusstsein ausblenden. Die Antworten, die insbesondere das Christentum auf die Frage nach dem Tod gibt, sind auch heute und in Zukunft noch elementar und wirken sich auf unsere Lebenspraxis aus. Von Seiten des Christentums werden Sterben und Tod nämlich nicht eindeutig als etwas Negatives, Angsteinflößendes bestimmt, sondern als ein Akt menschlicher Vollendung, als ein liebendes Sich-Ausliefern in die Hände Gottes, begriffen. Diese Auslieferung ist jedoch nicht nur auf den Moment des physischen ‚Ablebens’ beschränkt, sondern vollzieht sich vielmehr bereits während des ganzen Lebens. So werden der Tod und das Sterben im Christentum zu einem wesentlichen Moment des Lebensvollzugs, der im Folgenden näher beleuchtet werden soll.[8]

3. Der Tod und das Leben aus christlicher Perspektive

Will man sich die Beziehung von Tod und Lebensvollzug aus christlicher Perspektive vor Augen führen, ist es zunächst notwendig, sich das christliche Verhältnis zum Tod klar zu machen. Dieses lässt sich in zwei entscheidenden Grundzügen kurz beschreiben:

1. Der christliche Glaube ist nicht auf das diesseitige Leben beschränkt. Gott lässt die Menschen nach ihrem physischen Tod nicht im Stich, sondern hält die Lebensgemeinschaft mit den Glaubenden aufrecht.[9]
2. Die Auferstehung Jesu Christi gibt Anlass zur Hoffnung zur Bewältigung des eigenen (physischen) Todes.

Zu beachten ist hierbei, dass sowohl Tod als auch Leben aus neutestamentlicher Perspektive eine doppelte Bedeutung haben. Tod kann das biologische, physische Lebensende, Leben das Dasein vor diesem Tod meinen. Tod kann aber auch den geistigen Tod bezeichnen, also ein Leben des Menschen in der Verweigerung gegenüber Gott, in der Sünde und im Verlust göttlicher Gnade. Die Abkehr von Gott muss demnach als eine Zerstörung der eigenen Lebensmöglichkeit in Ewigkeit betrachtet werden, was in letzter Konsequenz den ewigen Tod bedeutet.[10] Demgegenüber kann Leben auch die neue Daseinsweise des Glaubenden in der Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, unter dem Impuls des im Glaubenden innewohnenden Heiligen Geistes, meinen.

Das christliche Verständnis von Tod und Leben lässt zwingend die Frage aufkommen, ob Christen anders sterben als andere Menschen. Nachdem vorausgehend die christlichen Grundlagen kurz vergegenwärtigt wurden, kann nun die christliche Todesdeutung genauer angegangen werden.

3.1 Der Tod Jesu

Die Frage, was die christliche Todesdeutung leiste, kann den Tod Jesu selbst aber nicht übergehen. Da sich die Hoffnung der Christen konkret auf die Auferstehung Jesu gründet, muss daher zunächst die Frage gestellt werden, wie Jesus selbst seinen Tod verstand und welchen Sinn er ihm zuschrieb.

Der evangelische Systematiker Eberhard Jüngel versteht Jesus als jemanden, der Gottes Nähe den Gottlosen bedingungslos zusagte und das Gebot der Liebe den Lieblosen kompromisslos zur Geltung brachte.[11] Durch diese Zusage musste Jesus mit erbittertem Widerspruch und wohl auch mit einem gewaltsamen Tod rechnen. Jedoch habe Jesus sein Widerfahrnis, sein Leiden und Sterben, nie als ein für andere Menschen bedeutsames Ereignis angekündigt. Ausgehend von einer solchen Interpretation muss jedoch die Frage gestellt werden, ob Jesus selbst die Bedeutung seines eigenen Todes bewusst gewesen ist. Diese Frage muss eindeutig mit einem Ja beantwortet werden. Zahlreiche neutestamentlich bezeugte Aussagen Jesu sprechen dafür, dass Jesus sich seiner eigenen Relevanz bewusst gewesen ist.[12] Eine Antwort auf diese Frage gibt auch Rudolf Pesch, der Jesu Verkündigung als eindeutig an der Heilszusage Gottes orientiert interpretiert.[13] Jesus sei bewusst gewesen, dass sich an der Entscheidung für oder gegen ihn auch die Entscheidung über Heil oder Unheil orientiere. Dementsprechend habe Jesus seinen Tod als einen Sühnetod für diejenigen verstehen und hinnehmen müssen, die ihn verworfen haben. Jesus wusste, dass in seinem Tod das Angebot Gottes an Israel liege, den ‚neuen Bund’ zwischen Gott und seinem Volk zu stiften (vgl. Jer 31, 33ff.). Jedoch darf geschlossen werden, dass Jesus auch für die Menschen außerhalb Israels gestorben ist, da er in seiner Verkündigung des Reiches Gottes niemanden unmittelbar ausschließt, sondern sich an all diejenigen wendet, die sein Wort treu und bedingungslos annehmen wollen.

[...]


[1] Franz Böckle [u.a.], Hrsg. (1983): Im Angesicht des Todes leben (1983). In: Enzyklopädische Bibliothek. Christlicher Glaube in moderner Gesellschaft. Teilband 36. Quellenband 6. Freiburg. S. 7.

[2] Franz Böckle [u.a.], Hrsg.: Im Angesicht des Todes leben. S. 20.

[3] Vgl. Herbert Vorgrimmler (21982): Der Tod im Denken und Leben des Christen. Düsseldorf. S. 141.

[4] Vgl. Franz Böckle (1992): Verantwortlich leben – menschenwürdig sterben. Zürich. S. 35.

[5] Franz Böckle: Verantwortlich leben – menschenwürdig sterben. S. 37.

[6] Ebd.

[7] Herbert Vorgrimmler: Der Tod im Denken und Leben der Christen. S. 37.

[8] Franz-Josef Nocke (2005): Liebe, Tod und Auferstehung. Die Mitte des christlichen Glaubens. München. S. 140.

[9] Vgl. Mk 12, 27: „Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.“

[10] Vgl. Röm 6, 23: „Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.“

[11] Vgl. Eberhard Jüngel (31985): Tod. Gütersloh. Zit. n. Herbert Vorgrimmler: Der Tod im Denken und Leben der Christen. S. 68.

[12] So zum Beispiel in Joh 5, 24: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“

[13] Vgl. Herbert Vorgrimmler: Der Tod im Denken und Leben der Christen. S. 70.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Welche Rolle spielt der Tod für die eigene Lebensführung?
Hochschule
Universität Kassel  (Ev. Theologie / Religionspädagogik)
Veranstaltung
Last minute. Philosophische und theologische Perspektiven auf Sterben und Tod.
Note
1,3
Autoren
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V122104
ISBN (eBook)
9783640266524
ISBN (Buch)
9783640266746
Dateigröße
522 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tod, Leben
Arbeit zitieren
Tino Wiesinger (Autor:in)Dipl.-Geogr. Jan-Patrick Witte (Autor:in), 2007, Welche Rolle spielt der Tod für die eigene Lebensführung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122104

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