Neuere Ansätze zur Bewertung von IV-Investitionen unter besonderer Berücksichtigung der Primärdaten


Diplomarbeit, 2005

97 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Ausgangssituation
2.1 Besonderheiten und Rechtfertigung von Reinvestitionen
2.2 Begriffsverwendung und -abgrenzung
2.3 Daten und Kennzahlen
2.4 Verbindung zum IV-Controlling
2.5 Schätzen und Risiko
2.6 Investitionstypen
2.7 Verschiedene Bewertungsmethoden

3 Die Balanced Scorecard
3.1 Die ursprüngliche Balanced Scorecard
3.1.1 Aufbau und Konzeption
3.1.2 Bewertung des BSC-Konzeptes
3.1.3 Ein einfaches Beispiel
3.2 Eignung für die Problemstellung
3.3 Die modifizierte Balanced Scorecard
3.3.1 Formulierungsprinzipien
3.3.2 Perspektiven
3.3.3 Zielformulierungen
3.3.4 Kennzahlen und ihre Primärdaten
3.3.5 Weitere Bewertungsbestandteile und Qualität von Software
3.3.6 Ursache-Wirkungsketten und ihre Fundierung
3.4 Zwischenfazit

4 Realoptionen
4.1 Grundlagen
4.2 Eignung für die Problemstellung
4.3 Anwendung bei Reinvestitionen
4.3.1 Bewertung mit der Black-Scholes-Formel
4.3.2 Primärdaten für Realoptionen
4.4 Zwischenfazit

5 Verknüpfung beider Bewertungsansätze

6 Prototypisches Rechenmodell
6.1 Allgemeine Hinweise
6.2 Unterschiede zwischen Schätzung und Nachrechnung

7 Fazit

A Function Points

B Ökonometrisches Mehrgleichungsmodell

C Brown’sche Bewegung bei Realoptionen

D Suchstrategie

Literaturverzeichnis

Symbol Verzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die Bewertung von Investitionen im Bereich der Informationsverarbeitung (IV) stellt besondere Herausforderungen an die Evaluationssysteme. Insbesondere sind hier die Schwierigkeiten der Messung von Nutzen und Kosten von IV-Projekten auf der einen Seite und langfristige strategische Auswirkungen durch neue IV-Projekte auf der an­deren Seite zu nennen. Die klassischen, an finanziellen Größen orientierten Bewer­tungsmethoden wie z. B. Kapitalwert oder Amortisationsdauerkriterium erfassen diese Aspekte nicht hinreichend [MiMe04; MDT99; TFMOO].

Es werden in der vorliegenden Arbeit zwei neuere Bewertungsansätze vorgestellt: Zunächst wird auf die Balanced Scorecard eingegangen. Es handelt sich hierbei um ein Konzept, welches die strategischen Ziele mit operativen Messgrößen verbin­det [KaNo92], Das erste Ziel dieser Arbeit besteht darin, eine Balanced Scorecard für einen IV-Bereich zu entwickeln bzw. vorhandene zu prüfen und ggf. zu modifizieren. Hierzu gehören die einzelnen Sichten auf die IV, die Zielformulierungen in letzteren, die Wahl von geeigneten Kennzahlen als Indikatoren für die jeweiligen Ziele und die Bestimmung der Ursache-Wirkungsketten zwischen einzelnen Kennzahlen und Sichten.

Der zweite Ansatz, der in der vorliegenden Arbeit beschrieben wird, ist die Bewer­tung mit Hilfe von Realoptionsmodellen. Dieses Instrument zielt auf eine Bewertung zukünftiger Potenziale ab, die durch heutige Investitionen in bestimmte IV-Projekte dem Unternehmen zugänglich gemacht werden [Dos91; KiSa02], Das zweite Ziel ist, ein geeignetes Realoptionsmodell zu wählen und zu diskutieren.

Für beide Konzepte sind unabhängig voneinander Basisdaten notwendig, die in das Bewertungsschema eingehen bzw. für eine Nachrechnung zwingend erforderlich sind. Bei der Balanced Scorecard handelt es sich um aggregierte Daten in Form von Kenn­zahlen - wie z. B. Zuverlässigkeit des Systems - und deren Verknüpfung. Der Ansatz mit Realoptionen benötigt einzelne Werte, die für die Berechnung des Wertes der Option bzw. des Investitionsobjektes verwendet werden. Ein Beispiel ist hier die so genannte „Informationsgewinnungsrate“ [SchOl]. Ein weiteres Ziel ist daher zu klären, inwieweit bei beiden Ansätzen Basisdaten verfügbar sind bzw. welche An­forderungen an diese Daten gestellt werden müssen.

Das letzte Ziel besteht darin, eine Kombination beider Ansätze in einem Bewer­tungssystem zu finden, um die Vorteile sowohl der Balanced Scorecard als auch des Realoptionsansatzes miteinander zu verbinden.

Die Arbeit gliedert sich wie folgt:

Zu Beginn wird im folgenden zweiten Abschnitt begründet, warum Investitionen im IV-Bereich neue Bewertungsansätze gegenüber den klassischen erforderlich machen. Es wird kurz darauf eingegangen, warum traditionelle Bewertungsmethoden kein befriedigendes Beurteilungsinstrument darstellen.

Der dritte Abschnitt behandelt die Balanced Scorecard als Bewertungsinstrument für rV-Investitionen. Hierin werden die Grundkonzeption sowie notwendige Modifika­tionen geschildert. Im Zuge der Diskussion über die Basisdaten werden die Probleme einer geeigneten Wahl von Kennzahlen, deren Datenbeschaffung und Fundierung der Ursache-Wirkungsketten untersucht.

Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit dem Bewertungsansatz für Realoptionen. Es werden hier die zu Grunde liegenden Annahmen, die Bewertungsidee mit ihren formalen Bestandteilen und die Beschaffung erforderlicher Größen betrachtet.

Der fünfte Abschnitt behandelt die Kombination beider Ansätze. Hierbei wird ein Bewertungssystem geschaffen, welches die Vorzüge beider Ansätze verbindet und gleichzeitig die Anforderungen an das Datenmaterial berücksichtigt. Für dieses Be­wertungssystem wird anschließend ein prototypisches Rechenmodell erstellt, um bei­spielhaft eine ex-ante Bewertung und eine Nachrechnung ex-post vornehmen zu kön­nen.

Den Abschluss der Arbeit bildet die Zusammenfassung der Ergebnisse.

2 Ausgangssituation

Der folgende Abschnitt geht auf die Bewertungsproblematik bei Reinvestitionen ein und nimmt notwendige Begriffsbestimmungen vor. Weiterhin werden die Verbindun­gen und Abgrenzungen zum IV-Controlling aufgezeigt und kurz andere Bewertungs­methoden klassifiziert und auf geführt.

2.1 Besonderheiten und Rechtfertigung von IV-Investitionen

„Investieren ist die Kernfunktion jedes Wirtschaftens. Eine Investition ist eine Aus­zahlung, deren Verwertung Einzahlungen erwarten lässt, die die Auszahlungen mög­lichst deutlich übersteigen“ [Ada97, S. 1].

Aus diesem Verständnis des Investitionsbegriffs lassen sich aus unternehmerischer Sicht zwei Aspekte heraussteilen. Erstens ist es notwendig, Investitionen durchzu­führen und zweitens müssen sie, um das wirtschaftliche Fortbestehen zu gewährleis­ten, dahingehend beurteilt werden, ob das zukünftige Ergebnis[1] den Mitteleinsatz[2] rechtfertigt. Dies entspricht der Auffassung, dass ein Investitionsprojekt wertstei­gernd sein soll und somit dem erwerbswirtschaftlichen Prinzip genügt.

Diese allgemeingültigen Aussagen sind auch für Investitionen im Bereich der In­formationsverarbeitung anzuwenden. Es werden allerdings für den Begriff des Er­gebnisses die allgemeinen Begriffe Nutzen und für Mitteleinsatz Kosten verwen­det [DobOO][3].

Im Zusammenhang mit der IV ist es daher ebenso wie in allen anderen Bereichen notwendig, die Investitionsvorhaben zu beurteilen. [Dos91] fasst dies in folgender Feststellung zusammen: „Man muss sich immer fragen, ob die Investition gerechtfer­tigt ist.“

Dieser Beurteilungszwang ist insbesondere auf folgende Gründe zurückzuführen:

1. Investitionen in die IV konkurrieren zusammen mit Investitionsprojekten aus anderen Unternehmungsbereichen um die knappen (finanziellen) Mittel bzw. personellen Ressourcen, die der Unternehmung zur Verfügung stehen [KaDiOl].

2. Die Informationsverarbeitung durchdringt heutige Unternehmen immer stär­ker [Dob95]. In einigen Branchen stellt die IV sogar einen integralen Bestand­teil der Unternehmung dar und ist untrennbar mit der Unternehmung verbun­den [HoRiOl][4].

Aufbauend auf dieser These bietet die IV auf der einen Seite die Chance, sich Wettbewerbs vorteile gegenüber der Konkurrenz zu sichern. In diesem Zusam­menhang wird die IV von [TewOO] als „strategische Waffe“ bezeichnet. Auf der anderen Seite stellt das Treffen von Fehlentscheidungen im Bereich der IV ein hohes Risiko dar [Dob95], da die Tragweite der Entscheidung von einem kleinen Bereich der Unternehmung bis hin zur Gesamtunternehmung reichen kann.

Nach einer Studie von [HoGr91, S. 6-8] benutzen trotz dieser Argumente für die Notwendigkeit von Investitionsbewertungen nur 16 % der Manager strenge Regeln für die Bewertung von IV-Investitionen. Der Rest der Befragten rechtfertigen die Investitionen mit Aussagen wie z. B.: „IV bringt uns einen Wettbewerbsvorteil“ oder „Unser Unternehmen funktioniert nicht ohne IV“ . Diese Aussagen mögen zwar zutreffend sein, allerdings stellen sie aufgrund mangelnder Operationalisierbarkeit weder eine befriedigende noch eine transparente Bewertung bzw. Rechtfertigung der Investitionen dar. Diese qualitativen Aspekte müssen in das Bewertungssystem in­tegriert werden.

[Fit98] hat in Bezug auf IV-Projekte festgestellt, dass Kosten signifikant unterschätzt werden und gleichzeitig nur darauf vertraut wird, zukünftigen Nutzen zu generie­ren. Folglich besteht die Gefahr, dass finanzielle Mittel durch nicht sinnvolle oder suboptimale IV-Investitionen verschwendet werden.

In diesem Zusammenhang wurde von Robert Solow das Stichwort Produktivitätspa- radoxorŕ[5] geprägt. Es besagt, dass in keiner Statistik ein signifikanter Zusammen­hang zwischen Investitionsvolumen in IV-Projekte und Produktivität bzw. Über­schüssen zu erkennen ist [MDT99]. [Bry93] stellt eine Reihe von Studien zum Pro­duktivitätsparadoxon zusammen, die zu keinem einheitlichen Ergebnis kommen. Einige Autoren finden eine positive Korrelation zwischen IV-Ausgaben und Pro­duktivität andere jedoch negative und weitere keinen signifikanten Zusammenhang. Die Gründe für diese verschiedenen Ergebnisse fallen z. T. mit denen zusammen, die für die von [Fit98] und [HoGr91] geschilderte mangelnde Transparenz bei IV- Investitionsentscheidungen verantwortlich sind. Die Gründe lauten unter anderem[6] nach [Bry93] :

1. Unverlässliche Datenbasis:

Die Studien verwenden unzulängliches Datenmaterial. Dieser Aspekt kann ebenfalls ein Grund sein, warum bei IV-Investitionsbewertungen keine strik­ten Verfahren angewendet werden, da die verlässliche Datenbasis fehlt, auf die eine Entscheidung gestützt werden kann. Folglich ist bei der Gestaltung eines Bewertungssystems immer die Verfügbarkeit verlässlicher Daten zu berück­sichtigen.

2. Vernachlässigung der zeitlichen Komponente: [Bry93] argumentiert, dass z. B. neue Software erst von den Anwendern erlernt werden muss und sich so erst verzögert in verbesserter Produktivität bemerk­bar macht.

Die Diskussion, inwieweit die zeitliche Komponente bei der Investitionsbewer­tung eine Rolle spielt, findet weiter unten statt.

3. Missmanagement:

Weiterhin führt [Bry93] Missmanagement als Grund für fehlende Produkti­vitätszuwächse trotz erhöhter IV-Ausgaben an. Missmanagement soll nach [Bry93] bedeuten, dass nicht im Sinne der Gesamtunternehmung entschieden wird. Im Zuge von IV-Investitionsentscheidungen können solche Fehlentschei­dungen nur dadurch gemindert werden, dass Manipulationsspielräume bzw. Fehleinschätzungen reduziert werden. Dafür muss ein für alle Beteiligten (Ent­wickler, Management, IV-Benutzer und ggf. Eigner sowie weitere so genann­te „stakeholder“) transparentes und nachvollziehbares Bewertungsinstrument geschaffen werden. Nur durch ein derartiges Bewertungsinstrument wird ge­genseitige Kontrolle möglich. Zum Beispiel kann ein Manager behaupten, dass ein IV-Investitionsprojekt vorteilhaft ist, da es die Mitarbeiterzufriedenheit steigert. Sofern die Mitarbeiter die Bewertung ihrer Zufriedenheit durch den Manager und diese Auswirkungen auf die Bewertung des IV-Projektes nach­vollziehen können, sind sie in der Lage, gegebenenfalls korrigierend einzugrei­fen.

Es ist hier bereits ersichtlich, dass diese drei Punkte zusammenhängend betrachtet werden müssen. Transparenz in der Bewertung kann nur geschaffen werden, wenn das Bewertungsinstrument sowohl auf verlässlichen Daten beruht als auch die zeit­liche Komponente berücksichtigt.

Um die zeitliche Komponente einzubeziehen, müssen bei der Bewertung von IV-In- vestitionen sowohl strategische als auch operative Kriterien herangezogen werden. Es muss also nicht nur die Frage nach der Effizienz (to do the things right) in der Bewertung gestellt werden, sondern auch die Frage nach der Effektivität (to do the right things).

Die strategische Komponente - die Effektivität - bedeutet im Zuge von IV-Invest i- tionen, dass die langfristig wichtigen Investitionen getätigt werden müssen [KuSpOO]. Hingegen bezieht sich die Effizienz auf operative Aspekte. Letztere sind im Allge­meinen die Erfüllung der Funktionalität, Einhaltung von zeitlichen und finanziellen Budgets sowie von Qualitätsvorgaben [KütOO] und im Speziellen die operative Wirt­schaftlichkeit, die von [KarOO, S. 39] als das Verhältnis von Leistungen zu Kosten definiert wird.

Die von [HoGr91] und [Fit98] geschilderte mangelnde Transparenz bei IV-Investi­tionsentscheidungen und die unbefriedigenden Bewertungsmethoden sowie die mög­lichen negativen Folgen liegen unter anderem in den Schwierigkeiten der strategi­schen Bewertung begründet. Zum einen ist der strategische Nutzen einer IV-Investi- tion schwer zu bewerten und zum anderen führen falsche strategische Einschätzungen zu einer Verschwendung von Ressourcen durch die Investition, da letztere nicht in die strategische Gesamtkonzeption passt bzw. langfristig nicht zu Nutzenzuwächsen führt. Neben der Gefahr des Überinvestierens kann aber auch ein Unterinvestiti­onsproblem auftreten: Langfristig wichtige Projekte werden nicht durchgeführt, weil zu restriktive operative Wirtschaftlichkeitsanalysen ihre Umsetzung verhindern [Ho- RiOl].

Verlässliches Datenmaterial ist eine unabdingbare Voraussetzung, um systematische Fehler bei der Bewertung und damit Fehlentscheidungen auszuschließen. Allerdings sind z. B. langfristige Potenziale, die durch eine IV-Investition der Unternehmung erschlossen werden, schwierig verlässlich abzuschätzen.

Daher können die Anforderungen an das Bewertungssystem für IV-Investitionen wie folgt zusammengefasst werden: Es sollen operative und strategische Ziele in Einklang gebracht werden. Das heißt, dass das Bewertungssystem operative Ziele mit strategi­schen Chancen kombinieren soll und somit die operative Wirtschaftlichkeit als auch die strategische Ausrichtung gewährleistet.

Weitere Voraussetzungen sind die Transparenz der Bewertung, um Fehlentschei­dungen zu reduzieren und Akzeptanz zu steigern, und eine verlässliche Datenbasis. So soll sichergestellt werden, dass IV-Investitionsentscheidungen nicht mehr intuitiv oder wegen des „blinden Vertrauens“ [Fit98] in zukünftigen Nutzen getroffen werden.

2.2 Begriffsverwendung und -abgrenzung

In der Literatur stehen viele verschiedene Bezeichnung für den Bereich, der für in­formationstechnische Aspekte verantwortlich ist. In der deutschsprachigen Literatur findet sich vor allem der Begriff Informationsverarbeitung (IV), teilweise tauchen auch die Begriffe Informationstechnologie (IT) und Datenverarbeitung (DV) auf. Die englischsprachige Literatur verwendet insbesondere die Begriffe Information Systems (IS) und Information Technology (IT).

In dieser Arbeit wird im Weiteren keine Unterscheidung zwischen diesen Bezeich­nungen getroffen. Sie werden alle synonym verwendet, wobei hauptsächlich Infor­mationsverarbeitung bzw. ihre Abkürzung IV benutzt wird.

In Abschnitt 2.1 tauchte schon der Begriff des Nutzens einer IV-Investition auf. Wie ist nun dieser Begriff zu sehen, wenn er simultan mit dem Begriff Kosten verwendet wird?

Traditioneller Weise versteht man unter Kosten den bewerteten, sachzielbezogenen Güterverbrauch einer Periode [EwWa03, S. 64], Korrespondierend werden Leistun­gen als bewertete sachzielbezogene Gütererstellung einer Periode aufgefasst [Ew- Wa03, S. 64], Die damit einhergehende Kosten-/Leistungsrechnung ist grundsätzlich für kurzfristige Entscheidungen konzipiert worden [EwWa03, S. 276]. Daher wird für langfristig wirkende Investitionen eine andere Begriffsverständnis benötigt. Für diese investitionstheoretischen Ansätze werden Kosten bzw. Leistungen als Verringerung bzw. Erhöhung der die mehrperiodigen monetären Konsequenzen einer Aktion (In­vestition) widerspiegelnden Repräsentanzgröße[7] verstanden [EwWa03, S. 42], Diese erweiterte Begriffsauffassung wird in der vorliegenden Arbeit in Bezug auf Kosten verwendet.

Der Begriff Nutzen hingegen ist weiter gefasst als der Begriff der Leistung. Insbeson­dere sollen hier auch strategische Vorteile und qualitative Größen mit hinzugezählt werden [KarOO, S. 39-41], die in dieser Form nicht in Leistungen enthalten sind[8]. Nut­zen fasst also monetäre Leistung und nicht-monetäre Aspekte zusammen [KaDiOl]. Diese Verwendung des Nutzenbegriffs ist notwendig, da eine rein finanzielle Sicht­weise des Investitionsvorhaben bei vielen Projekten nicht erschöpfend ist [KaDiOl]. Als Beispiel sind hier Investitionen, die die Systemstabilität verbessern und dadurch Arger des Benutzer über Ausfälle reduzieren und somit Arbeitsunzufriedenheit min­dern, zu nennen. Alternative Beispiele sind Investitionen, die Wettbewerbs vorteile gegenüber Konkurrenten schaffen.

Nutzen wird also als der Beitrag des Investitionsvorhabens zur Erreichung der Un­ternehmensziele definiert [KaDiOl].

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird ein Investitionsvorhaben in der IV als IV- Projekt bezeichnet. Ein Projekt ist nach DIN 69901 ein Vorhaben, das im Wesentli­chen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, wie z. B. Zielvorgaben oder zeitliche, finanzielle, personelle und andere Abgrenzun­gen, Abgrenzungen gegenüber anderen Vorhaben oder durch eine projektspezifische Organisation [DIN89]. Ein solches IV-Projekt kann daher viele mögliche Ausprä­gungen haben, wie z. B.: Entwicklung von Anwendungssystemen, Einführung neuer Betriebssysteme oder Officeanwendungen, Releasewechsel oder Beschaffung neuer Hardware. Allgemein stellt [Küt03, S. 8] fest, dass Projekte üblicherweise nach fes­ten Regeln - so genannten Vorgehensmodellen - durchgeführt werden.

2.3 Daten und Kennzahlen

Die Begriffe Daten bzw. Basisdaten und Kennzahlen spielen im weiteren Verlauf der Arbeit eine zentrale Rolle. Dies erfordert konkrete Definitionen, Anforderungsbe­schreibungen, Beschaffungsmöglichkeiten und Verknüpfungen.

Daten:

Daten sind zum Zweck der Verarbeitung zusammengefasste Zeichen, die aufgrund bekannter oder unterstellter Abmachungen (Kontext) Informationen (d. h. Angaben über Sachverhalte und Vorgänge) darstellen [GabOl; Krc03, S. 14].

Als Quellen für Daten in einem Betrieb werden die betriebliche Buchhaltung, manu­elle Aufschreibungen [SpiOO] und das so genannte System-Accounting [Krü96, S. 22] genannt. Das Accounting erfasst die Anzahl der Ausführungen, die zeitliche Dau­er, die Inanspruchnahme von Systemkomponenten und die verbundenen Ereignisse, die auf der Ausführung eines Programms beruhen. Weiterhin können Daten auch in Form von Befragungen generiert werden.

Basisdaten oder der synonyme Begriff Primärdaten sind Daten, die direkt aus sol­chen Erfassungen gewonnen werden, und im Gegensatz zu abgeleiteten Daten noch nicht berechnet, miteinander verknüpft oder verdichtet worden sind [Spi89, S. 122],

Kennzahlen:

Kennzahlen stellen einen betrieblichen Sachverhalt in komprimierter und aussagefä­higer Form dar [Rud93]. Im vorliegenden Fall soll die Kennzahl einerseits als Indi­kator für ein Ziel innerhalb der Balanced Scorecard fungieren, anderseits fallen auch die Größen, die in die Berechnung des Optionswertes einer Investition eingehen, un­ter den Begriff der Kennzahl.

Es lässt sich sagen, dass Primärdaten erhoben werden und anschließend aus dieser Datenbasis nach bestimmten Vorschriften Daten selektiert, konvertiert (z. B. in ein bestimmtes Datenformat), bereinigt (z. B. um Saisoneffekte), verdichtet und ver­rechnet werden, um die Kennzahlen zu bilden. Die Daten sind also die Grundlage der Kennzahlen. Daher müssen die Anforderungen an Kennzahlen immer mit den daraus resultierenden Anforderungen an die Daten betrachtet werden. Die Bedin­gungen an Kennzahlen nach [Küt03, S. 42] werden unten aufgeführt und um die Anforderungen an Daten ergänzt:

1. Zweckerfüllung:

Die Kennzahl muss wirklich das ausdrücken, wofür sie als Indikator gilt.

- Dies stellt unmittelbar zwei Anforderungen an die Daten:
- Relevanz: Wenn mehrere Daten zur Verfügung stehen, muss selektiert werden, welche für die Kennzahl relevant sind.
- Verfügbarkeit: Werden überhaupt Daten erhoben, die eine adäquate Basis für diese Kennzahl darstellen?

2. Zuverlässigkeit und Richtigkeit:

Nur durch Erfüllung dieser beiden Kriterien ist eine fundierte Entscheidung aufgrund der Kennzahlen möglich.

- Für die Daten muss daher gelten, dass sie ...
- ... richtig erfasst werden.
- ... verlässlich zur Verfügung stehen, d. h. ordnungsgemäß gespeichert wur­den.

3. Aktualität:

Der Zeitunterschied zwischen Messung und Auswertung sollte möglichst mini­mal sein.

- Dies impliziert zwei Anforderungen:
- Die Daten müssen ebenfalls zeitnah gepflegt werden.
- Es muss technisch möglich sein, die Daten zeitnah dem Bewertungssystem zu verschaffen.

4. Wirtschaftlichkeit:

Der Nutzen, den die Kennzahl durch ihren Erkenntnisgewinn bringt, muss die Kosten ihrer Erstellung (insb. der Datenbeschaffung) übersteigen.

5. Einfachheit und Nachvollziehbarkeit:

Für die Beteiligten muss nachvollziehbar sein, was die Kennzahl ausdrückt und welche Daten die Grundlage bilden.

6. [Krü96, S. 32] formuliert noch die Anforderung der Objektivität. Dies bedingt insbesondere Kontinuität über die Zeit hinweg. Dies bedeutet, dass sich Re­geln nach denen Kennzahlen bestimmt, welche Daten verwendet und wie diese Daten ermittelt werden nicht ändern. Objektivität im Sinne von Intersubjek­tivität bei allen Beteiligten lässt sich bei Befragungen nicht einhalten, so dass nur die Charakteristika, wie z. B. Grundgesamtheit oder Stil der Fragen sich über die Zeit nicht ändern sollten.

Es nun zu klären, in welchen Bereich der Unternehmung das Sammeln der Daten und die Aufbereitung in Kennzahlen fällt.

2.4 Verbindung zum IV-Controlling

Es bedarf zunächst folgender Klarstellung: IV-Controlling ist das Controlling des IV-Bereichs und nicht Controlling mit Hilfe von IV bzw. IV-Werkzeugen.

Der Controllerverein[9] führt in seinem Selbstverständnis über das Controlling auf, dass der Controller für Strategie-, Ergebnis-, Finanz- und Prozesstransparenz sorgt [IGC02], Wenn dieses Selbstverständnis auf den Investitionsprozess der IV übertra­gen wird, dann lässt sich folgern, dass dem IV-Controlling die Transparenzverant­wortung obliegt [Kar94, S. 5]. Das heißt, dass Controlling nicht unmittelbar für die Entscheidung für oder gegen ein Investitionsprojekt verantwortlich ist, sondern für die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung, also für die Rechtfertigung der Investition. In anderen Worten ausgedrückt bedeutet dies, dass die Gestaltung eines transpa­renten Bewertungssystems in den Bereich des IV-Controlling fällt. [Küt03, S. 59] formuliert, dass mit der Nachvollziehbarkeit (der Investitionsentscheidung) für alle Beteiligten dem Transparenzgebot des Controlling genüge getan ist.

Weiter führt der Controllerverein auf, dass eine der zentralen Controllingaufga­ben die Informationsversorgung darstellt. Das Controlling muss also das Manage­ment mit den erforderlichen Informationen zur zielgerichteten Entscheidung versor­gen [IGC02], Dazu zählen die Datenbasis mit den relevanten Informationen, aber auch Verarbeitungsregeln und Aufbereitung der Informationen. Dabei handelt es sich um die Bereitstellung eines adäquaten Bewertungssystems, mit dem das Inves­titionsvorhaben beurteilt werden kann.

Eine zielgerichtete Entscheidung im hier diskutierten Zusammenhang bedeutet, dass durch die Investition in die IV der Nutzen der Gesamtunternehmung steigen muss. Dies erfordert wiederum die Berücksichtigung von Effizienz und Effektivität.

Durch den Anspruch einer Ausrichtung auf das gesamtunternehmerische Ziel hin ist es notwendig, dass die Investitionen im IV-Bereich stets im Zusammenhang mit der Gesamtunternehmung gesehen werden. Dies fällt unter die Koordinationsfunktion des Controlling [Kar94, S. 5]. Dazu zählt die Koordination zwischen dem IV-Bereich, der betroffenen Fachabteilung und der Gesamtunternehmung. Es muss gegenseitig vermittelt werden, was technisch möglich und nötig aber gleichzeitig, was betriebs­wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Auffassung über notwendige Technik wird sehr stark personenabhängig sein. Der Person, die nach technischer Perfektion strebt, muss die Beachtung von wirtschaftlichen Zielen verdeutlicht werden. Genauso muss dem Beteiligten, der skeptisch gegenüber neuer Technik ist, die Notwendigkeit von IV- Investitionen aus technischer Sicht erklärt werden. Hier hat das IV-Controlling eine Vermit t lerfunkt ion.

Weiterhin fällt die Nachrechnung der Investition in der betrieblichen Praxis oft in den Aufgabenkreis des Controllers wegen seiner neutralen Stellung gegenüber der IV-Abteilung | Hör98, S. 5151.

2.5 Schätzen und Risiko

IV-Projekte werden wie andere Investitionsvorhaben auch ex-ante bewertet. Vor der Durchführung wird ermittelt, ob der erwartete Nutzen die Kosten des Projektes übersteigt. Nutzen und Kosten sind jedoch nicht exakt bekannt, sondern müssen geschätzt werden.

Eine solche Schätzung bildet im Rahmen eines Vorgehensmodells[10] den letzten Teil der Vorstudie |Spi89, S. 43|. Es müssen also die Ziele, das Benutzermodell, die Be­nutzerwünsche und die technische Wünsche bereits formuliert worden sein.

Nach der Durchführung des Projektes muss eine Nachrechnung erfolgen, um Ler­nen zu gewährleisten: Wie gut war die Schätzung? Mit dieser Sichtweise geht ein Problem einher: Wenn die Werte ex-ante von denen ex-post abweichen, kann dies auf eine schlechte Schätzung hindeuten, aber auch auf Unwirtschaftlichkeiten in der Durchführung. Das Schema der Rückkopplung ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Rückkopplung als Folgt? der Nachrechnung von Investitionen

Dit? Verfahren des Schätzens mit anschließender Nachrechnung ist nach |Ebt?99| mit Risiken verbunden:

1. Die Schätzungen basieren auf vergangenheitsbezogenen Daten, dit? dit? aktuelle Situation nicht adäquat abbilden.
2. Die Bedingungen, unter denen dit? Schätzung vorgonommen wurde, stimmt nicht mehr mit denen zum Zeitpunkt der Nachrechnung überein.
3. Es existiert in jeder Prognose eine subjektive Komponente. Dies führt selbst bei relativ einfachen Methoden wie dem Function-Point-Verfahren zu Unge­nauigkeiten von über 30 %.
4. Die Daten sowohl der Schätzung als auch der Nachrechnung müssen zu einem erheblichen Anteil manuell in Datenbanksysteme eingegeben werden. Hierin liegt ebenfalls eine hohe Fehlerquelle.

Bei der Bewertung eines IV-Projektes muss man sich dieser Risiken bewusst sein und versuchen, solche Risiken möglichst gering zu halten. Es darf z. B. keine Anreize zu mutwilliger Manipulation geben und es muss versucht werden, zukünftige Effekte zu berücksichtigen.

Da die Schätzung stets mit Unsicherheit behaftet ist, gibt es nach [Tri97, S. 52-58] verschiedene Möglichkeiten, die Schätzung zu untermauern:

- Sensitivitätsanalyse: Es wird ein so genanntes Basis-Szenario aufgestellt, in dem jeweils nur eine Variable verändert wird, um ihren Einfluss zu bestimmen. So erhält man die Variablen, die kritisch für die Bewertung sind.

- Simulation: Aufbauend auf der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Hauptein­flussfaktoren bspw. für zukünftige Cash Flows werden mehrfach Datensätze erzeugt. Dieses Verfahren soll ermöglichen, dass eine Wahrscheinlichkeitsver­teilung für die Unsicherheit behafteten Cash Flows bestimmt wird, um mit Erwartungswerten Weiterarbeiten zu können.

-s Entscheidungsbäume: Sie sollen helfen, dass Problem zu strukturieren und somit zu dekomponieren, so dass aus der schwierigen Gesamtschätzung einfa­chere Teilschätzungen entstehen.

Im späteren Verlauf der Arbeit wird an gegebener Stelle auf die mögliche Anwendung dieser Methoden hingewiesen.

2.6 Investitionstypen

Bevor über die Bewertung von Investitionen gesprochen wird, muss eine Unterschei­dung zweier verschiedener Investitionstypen getroffen werden. In der betriebswirt­schaftlichen Literatur existieren zwar noch weitere Klassifizierungen von Investitio­nen [Ada97, S. 4-6], jedoch wird hier auf die Unterscheidung nach [BaFr99] in zwei verschiedene Investitionstypen fokussiert. Diese Unterscheidung zieht unmittelbare Folgen für das Bewertungsinstrument nach sich:

1. Muss-Investitionen:

Muss-Investitionen sind Investitionen, die bei Nichtdurchführung die Ausfüh­rung des laufenden Betriebes gefährden, also einen Totalausfall der Produktion nach sich ziehen. Zum Beispiel: Ersatz einer für den Betrieb zwangsweise er­forderlichen Hardwarekomponente.

2. Kann-Investitionen:

Bei Kann-Investitionen besteht auch die Möglichkeit der Nichtdurchführung der Investitionen.

Der wichtige Unterschied der beiden Investitionstypen liegt in der vorhandenen bzw. unzulässigen Alternative der Nichtdurchführung des Investitionsvorhabens. Dies hat Auswirkungen auf das Bewertungssystem.

Im Fall der Bewertung bspw. anhand des Kapitalwertes gilt ein Projekt mit positi­vem Kapital wert als vorteilhaft. Bei der Betrachtung einer Muss-Investition taucht ein Problem in Bezug auf die Operationalisierbarkeit auf. Auf der einen Seite ver­ursacht die Investition Kosten und auf der anderen Seite sorgt sie für die Aufrecht­erhaltung des betrieblichen Ablaufes. Diese Aufrechterhaltung könnte als unendlich großer Nutzen für die Unternehmung gesehen werden. Dies lässt sich jedoch schwer in (mathematischen) Bewertungsverfahren operationalisieren. Entweder sind bei Ein­beziehung eines unendlichen Nutzens alle Muss-Investitionen vorteilhaft oder bei Vernachlässigung gar keine. Trotzdem sind Bewertungsverfahren notwendig, wenn verschiedene Investitionsalternativen zur Verfügung stehen, die allesamt den Miss­stand beheben können. Dann ist das Ziel der Bewertung, eine Rangfolge der verschie­denen Alternativen zu erstellen. Dazu darf allerdings der unendlich große Nutzen nicht beachtet werden.

Kann-Investitionen müssen dem Kriterium der Vorteilhaftigkeit bspw. im Sinne ei­nes positiven Kapitalwertes genügen. Das heißt, dass das Investitionsprojekt den gesamtunternehmerischen Nutzen steigern soll. Auch hier kann ein Ranking für die Investitionen sinnvoll sein, wenn mehrere Investitionsalternativen dem Kriterium der Vorteilhaftigkeit genügen.

2.7 Verschiedene Bewertungsmethoden

Es existiert eine Vielzahl von Methoden zur Bewertung von Investitionen. Systema­tische Übersichten solcher Methoden für die Bewertung von ^-Investitionen stel­len [BaReOO; WaSp04; Krc03, S. 335] auf.

Klassische Rechenverfahren der Investitionsrechnung sind die Bestimmung des Ka­pitalwertes, des internen Zinsfußes, des Return on Investment (ROI), der Amortisa­tionsdauer usw. Diese Rechenverfahren orientieren sich stets an monetären Größen. Ohne auf eine umfassende Diskussion über Pro und Contra dieser klassischen Ver­fahren eingehen zu wollen, wird bei der Bewertung von monetär greifbaren Größen in dieser Arbeit der Kapital wert verwendet, da er den Zeitwert von Nutzen und Kosten, die gesamte Lebensdauer des Projektes und eine risikobezogene Bewertung berücksichtigen kann [MiMe04]. Dies ist bei den anderen Kriterien nicht zwangswei­se der Fall.

Diese klassischen monetär orientierten Verfahren fallen in die Gruppe eindimensio­naler Verfahren [Krc03, S. 335], die nur finanzielle Effekte verwenden [WaSp04] und diese in einer einzigen Zahl ausdrücken [BaReOO]. Allerdings sind nach der Begriffs­auffassung von Nutzen auch weitere nicht-monetäre Effekte zu berücksichtigen, so dass [MiMe04; Fit98] eine multidimensionale Bewertung vorschlagen. Multidimen­sionale Methoden stellen die zweite Gruppe von Bewertungsansätzen bei den drei oben aufgeführten Beiträgen dar. [WaSp04] unterscheiden diese noch in Ansätze auf der Basis von Indikatoren oder auf der Basis vieler Kriterien. Bei [Krc03, S. 335] wird diese Gruppe in neuere und klassische Verfahren unterschieden. [BaReOO] trifft keine weitere Unterscheidung in dieser Klasse. Unter der Rubrik der multidimensionalen Verfahren werden folgende von allen Autoren auf geführt:

1. Balanced Scorecard[11]
2. Simple Multi-Attribute Rating Technique (SMART)
3. Informationsökonomischer Ansatz
4. Nutzwertanalyse

Im weiteren Verlauf soll die Balanced Scorecard verwendet werden, da sie gegenüber den anderen Verfahren einige Vorteile besitzt. Im Vergleich zu SMART eignet sich die Balanced Scorecard als Instrument der Nachrechnung der Investition [WaSp04], Sie besitzt keine subjektiven Gewichtungen wie die Nutzwertanalyse oder die infor­mationsökonomischen Ansätze [BaReOO]. Eine umfassende Diskussion über Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren kann in der vorliegenden Arbeit aus Platzgründen nicht vor genommen werden.

[BaReOO] und [WaSp04] führen jeweils noch eine weitere Klasse von Ansätzen auf - zum einen die Meta Approaches und zum anderen die Effect-Locating Approaches. Diese Ansätze werden nicht weiter verfolgt, da sie auf ein Finden verschiedener Ef­fekte der Investition [WaSp04] bzw. eine Festlegung der Kennzahlen [BaReOO] fokus­sieren. Dadurch ergeben sich zwei Nachteile: Sie sind nicht geeignet, eine Rangfolge von Investitionsalternativen festzulegen und verwenden nur qualitative und nicht monetäre Größen. Dies ist im Hinblick auf eine notwendige finanzielle Bewertung der Investitionsalternativen als kritisch anzusehen.

Im Weiteren wird außerdem ein Ansatz zur Bewertung durch Realoptionen vorge­stellt. Dies ist damit zu begründen, dass die oben geschilderten Ansätze sich auf den Bereich von Kosten und Nutzen beziehen. Mittels Realoptionen soll versucht werden, den strategischen Wert einer IV-Investition zu quantifizieren. Zusammenfassend muss noch einmal klargestellt werden, dass durchaus auch ande­re Bewertungsansätze ihre Vorteile aufweisen und hier Beachtung finden könnten. Allerdings würde eine Diskussion aller derzeit diskutierten Ansätze unter der Be­rücksichtigung der Primärdaten den Rahmen der vorliegende Arbeit sprengen.

3 Die Balanced Scorecard

In diesem Abschnitt wird die Balanced Scorecard sowohl in ihrer Grundkonzeption als auch für die Bewertung von IV-Projekten vorgestellt. Dabei liegen die Schwer­punkte auf den Daten, die in das Bewertungssystem einfließen und der Frage nach ihrer Beschaffung, sowie auf der Fundierung der Regeln für die Verknüpfung der Daten.

3.1 Die ursprüngliche Balanced Scorecard

Die Balanced Scorecard geht auf Robert Kaplan und David Norton zurück - [Ka- No92] und [KaNo93]. Sie soll zunächst in ihrer ursprünglichen Konzeption aus diesen Primärquellen ohne Erweiterungen aus zahlreichen weiteren Veröffentlichungen an­derer Autoren vorgestellt werden.

3.1.1 Aufbau und Konzeption

Das Grundprinzip der Balanced Scorecard (BSC) liegt in einer multidimensionalen Sichtweise auf die Unternehmung. Sie beruht auf der Auffassung, dass die Ertrags­kraft einer Unternehmung nicht nur in finanziellen Kennzahlen geschweige denn in einer einzigen Messgröße ausgedrückt werden kann. Daher wird das Unternehmen aus vier verschiedenen Perspektiven betrachtet. In jeder einzelnen Perspektive sind Ziele zu definieren und anschließend geeignete Kennzahlen festzulegen, die als Indi­kator für das jeweilige Ziel stehen.

Der Weg der Ableitung der Kennzahlen aus der Unternehmungsvision lautet nach [KaNo93][12]:

Die Unternehmungsvision (z. B.: Bei unseren Kunden bevorzugter Lieferant und in unserem Bereich Marktführer werden) wird in Strategien zerlegt (z. B.: Kundenzu­friedenheit steigern, Qualität des Personals erhöhen, Eignererwartungen erfüllen), die helfen sollen, diese \flsion zu erreichen. Die Strategien werden den Perspektiven zugeordnet und dort in strategische Ziele[13] unterteilt. Zum Beispiel werden Eigne­rerwartungen der so genannten finanziellen Perspektive zugeordnet und dort in Ziele wie Gewinn steigern und Liquidität sichern untergliedert. Diese Ziele werden dann durch Kennzahlen wie Betriebsergebnis und Cash Flow, die als Indikatoren für das jeweilige Ziel fungieren, gemessen.

Die vier Sichten auf die Unternehmung lauten im einzelnen:

1. Finanzperspektive
2. Kundenperspektive
3. Perspektive der internen Prozesse
4. Lern- und Entwicklungsperspektive

Die vier Perspektiven bilden das Grundgerüst der Balanced Scorecard. Die einzelnen Ziele innerhalb der Perspektiven und die damit einhergehenden Kennzahlen sind un­ternehmungsspezifisch.

Finanzperspektive:

Die Finanzperspektive soll die Frage beantworten, wie die Eigner die Unterneh­mung sehen. Es werden in [KaNo92] exemplarisch für eine Unternehmung drei Zie­le definiert: Überlebensfähigkeit bzw. Liquidität gemessen durch den Cash Flow, Ertragswachstum gemessen am Return on Investment (ROI) und Erfolg gemessen am Betriebsergebnis. Die traditionelle Unternehmungsführung orientiert sich an den Zahlen dieser Perspektive [BeFa02, S. 142],

Kundenperspektive:

Diese Perspektive fokussiert auf die Kundenwünsche bzw. die Markterfordernisse. Ziele können hier z. B. die Erhöhung der Kundenzufriedenheit oder die Erhöhung des Marktanteils sein. Messgrößen stellen hierfür der Anteil der pünktlichen Liefe­rungen oder der relative Marktanteil dar.

Perspektive der internen Prozesse:

Diese Sichtweise ist auf den Wertschöpfungsprozess im Unternehmen gerichtet. Die Reduktion von Durchlaufzeiten gemessen an der Durchlaufzeit eines Auftrages kann hier als Ziel formuliert werden.

Lern- und Entwicklungsperspektive:

Die Frage, die in dieser Perspektive gestellt werden muss, lautet: Wie können zu­künftige Verbesserungen in der Unternehmung vorgenommen werden? Die Unter­nehmung ist durch Umwelt Veränderungen gezwungen, sich neuen Gegebenheiten anzupassen. Der Anteil des Umsatzes mit neuen Produkten am Umsatz der Ge­samtunternehmung [KaNo93], stellt eine Kennzahl in diesem Bereich dar.

Das Aufstellen dieser multidimensionale Sichtweise ermöglicht die Verknüpfung zu­kunftsgerichteter und vergangenheitsbasierter Kennzahlen. Die Finanzperspektive ist mit ihren Kennzahlen rückwärtig orientiert, während die anderen Sichten insbe­sondere die Lern- und Entwicklungsperspektive zukunftsgerichtet sind.

Die Perspektiven sind in einer Struktur angeordnet, die einen sachlogischen Zusam­menhang zwischen ihnen herstellt. Dies wird über so genannte Ursache-Wirkungsket­ten zwischen den einzelnen Perspektiven als auch zwischen den einzelnen Kennzah­len abgebildet. Die Wirkungsrichtung hat einen vor gezeichneten Weg: Die Lern- und Entwicklungsperspektive wirkt auf die Kundenperspektive und die Perspektive der internen Prozesse, die ebenfalls auf die Kundenperspektive und die Finanzperspek­tive wirkt. Ferner wirkt die Kundenperspektive auf die Finanzperspektive [Küt03, S. 68]. Letztere stellt somit die oberste Zielsetzung dar [BeFa02, S. 143]. Dieser Zu­sammenhang wird in Abbildung 2 gezeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der Realität sind diese Ursache-Wirkungszusammenhängc nicht so einfach und klar zu beschreiben. Es gibt auch Wirkungen zwischen Kennzahlen in einzelnen Perspektiven und wieder Rückwirkungen auf andere Perspektiven. |Küt03, S. 68| behauptet, dass in ihrer Tendenz die getroffenen Aussagen über die Wirkungsrich­tungen als richtig einzuschätzen sind.

Durch diese Ursache-Wirkungsketten wird erst die Verbindung von zukunftsgerich­teten Zahlen und vergangenheitsorientierten Werten und damit die Verbindung von strategischen und operativen Aspekten geschaffen.

Die oberste Zielsetzung ist - wie gesagt - die Finanzperspektive. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass ...

1. ... potenzielle Investoren sich immer noch hauptsächlich an finanziellen Kenn­zahlen orientieren.

2. ... Ziele in diesem Bereich wie z. B. Liquidität für den Fortbestand der Unter­nehmung essentiell sind.

3. ... das Ziel der Unternehmung monetär orientiert ist |KaNo93|. Das heißt, dass der Zweck der Unternehmung darin besteht, Gewinn zu erwirtschaften.

Die Balanced Scorecard stellt ein Instrument der mehrdimensionalen Unterneh­mungssteuerung dar |BcFa02, S. 1411. Der Steuerungsaspekt kann über die Ziel­vorgabe für einzelne Kennzahlen und Maßnahmenkataloge zur zielgerichteten Be­einflussung der Kennzahlen in die Scorecard einfließen. Hierbei ist anzumorkon, dass die Kennzahlen durch die jeweils beteiligten Mitarbeiter beeinflussbar sein müssen. Des Weiteren soll die BSC simultan einen schnellen und gleichzeitig umfassenden Überblick über das Unternehmen geben |KaNo92|. Dies erzwingt eine Fokussierung auf eine beschränkte Anzahl von Perspektiven und auf die wichtigsten Kennzah­len |KaNo92|.

Die Erstellung einer Balanced Scorecard ist ein Prozess, der viel Kommunikation im Unternehmen zwischen allen Beteiligten erfordert. Daher ist ein zentraler Kri­tikpunkt an diesem Konzept der hohe Zeitaufwand, der mit der Implementierung verbunden ist [JLMM04]. Der zeitaufwändige Kommunikationsprozess ist notwen­dig, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit unter allen Beteiligten zu schaffen und dadurch schlussendlich auch die Akzeptanz der BSC zu gewährleisten [KaNo93].

3.1.2 Bewertung des BSC-Konzeptes

Hier werden die AA)r- und Nachteile der Balanced Scorecard gegenüb er gestellt. Es soll verdeutlicht werden, dass es sich bei der BSC nicht um ein Allheilmittel zur Strategieumsetzung handelt, sie sich jedoch als Bindeglied zwischen Strategie und operativen Größen eignet [BeFa02, S. 143].

Vorteile:

Die AUrteile sind - wie im vorangegangen Abschnitt aufgeführt - von den Entwicklern der Balanced Scorecard in den Quellen bei der Konzeption integriert dargestellt wor­den. Die positiven Aspekte werden wie folgt kurz zusammengefasst[14]. Die AUrteile liegen darin, dass die Balanced Scorecard ...

1. ... strategische und operative Zielsetzungen verbindet. Dies wird durch das Übertragen der Strategie in operative Kennzahlen gewährleistet.

2. ... sowohl vergangenheits- als auch zukunftsbezogene Aspekte berücksichtigt.

3. ... für jede Unternehmung an seine Bedürfnisse angepasst werden kann.

4. ... durch Involvieren aller Beteiligten und Kommunikation zwischen ihnen ein nachvollziehbares, transparentes und akzeptiertes Instrument zur Steuerung schafft.

5. ... AAürkungszusammenhänge berücksichtigt.

6. ... sowohl Kennzahlen berücksichtigt, die unternehmungsextern relevant sind, als auch solche, die intern benötigt werden.

7. ... einen schnellen und gleichzeitig umfassenden Überblick über das Unterneh­men gibt. Dies wird durch eine Fokussierung auf eine beschränkte Auswahl von relevanten Kennzahlen erreicht. Somit stellt die BSC eine Alöglichkeit dar, die komplexe Gesamtvision in greifbare Unterziele zu dekomponieren und das Problem der Strategieumsetzung zu sequenzieren [JLA4A404], Allgemein hält [AValOl] fest, dass ein Entscheidungskomplex segmentiert und strukturiert wird.

Nachteile:

Einige Nachteile des Konzeptes sind:

1. Das Konzept ist indikatorbasiert [WaSp04], d. h., dass für die jeweilige Ziel­setzung in einer Perspektive ein Indikator in Form einer Kennzahl festgelegt wird, der dieses Ziel misst. Dies bringt unmittelbar zwei Probleme mit sich:

- Die Kennzahl muss wirklich das Ziel messbar machen, also quantifizieren. Die kritische Frage ist, ob durch die Kennzahl wirklich das Ziel ausge­drückt wird [Küt03, S. 42], Dies ist insbesondere bei qualitativen Zielen schwierig.

- Eine Kennzahl besteht aus einer Zusammenführung von Basisdaten. Wo­her bekommt man diese Basisdaten? Es bedarf einer Prüfung, ob diese Basisdaten überhaupt zur Verfügung stehen und ob der Datenbeschaf­fungsaufwand zu rechtfertigen ist [Küt03, S. 52],

2. Es müssen die Wirkungszusammenhänge fundiert werden. Es genügt hier nicht, diese Zusammenhänge nur über Gespräche - wie von [KaNo92] vorgeschlagen - zwischen den Beteiligten zu klären. Wie schon angesprochen, ist die grundsätz­liche Wirkungsrichtung aus Abbildung 2 zwar richtig, allerdings werden z. T. gegensätzliche Effekte nicht berücksichtigt. Außerdem sind nicht nur Korre­lationen festzustellen, sondern konkrete funktionale Zusammenhänge festzule­gen.

3. Auch wenn als Anforderung die Kommunikation zwischen allen Beteiligten for­muliert wird, heißt das noch nicht, dass alle Beteiligten das endgültige Ergebnis - nämlich die BSC - als Bewertungsinstrument akzeptieren.

4. Die Frage nach einer sinnvollen Anzahl von Kennzahlen wird nicht beant­wortet. Wie viele Kennzahlen sind für einen umfassenden Überblick mindes­tens erforderlich und wie viele sind höchstens sinnvoll, um, noch einen schnelle Überblick zu gewährleisten?

5. Die Erstellung einer Balanced Scorecard ist ein aufwändiger und zeitintensiver Prozess [JLMM04] und daher mit hohen Einführungskosten verbunden.

Symbiose:

Es handelt sich bei der BSC grundsätzlich um ein sinnvolles Konzept, um strategi­sche und operative Aspekte in einem multidimensionalen Rahmen zu verbinden. Die Wahl der Kennzahlen, die Beschaffung der notwendigen Basisdaten für diese Kenn­zahlen und die Verknüpfung der Kennzahlen über die Ursache-Wirkungsketten sind jedoch die kritisch zu sehenden Seiten des Konzeptes.

3.1.3 Ein einfaches Beispiel

Die Balanced Scorecard soll hier anhand eines stark vereinfachten Beispiel in Anleh­nung an [KaNo97, S. 28-30] verdeutlicht werden. Es dient nur zur Veranschaulichung und erhebt keinen Anspruch auf die vollständige Darstellung einer Unternehmung. Es werden die vier Perspektiven herangezogen und jeweils mit einem Ziel und ei­ner korrespondierenden Kennzahl als Indikator vorgestellt, die über sachlogische Ursache-Wirkungsketten miteinander verknüpft werden. Die Probleme bzw. Nach­teile aus Abschnitt 3.1.2 werden vernachlässigt.

Das oberste Ziel der Unternehmung soll die Gewinnmaximierung sein. Dieses Ober­ziel wird in die einzelnen strategischen Ziele unterteilt, die jeweils in Kennzahlen ausgedrückt und den Perspektiven zugeordnet werden. Die Perspektiven, Ziele und Kennzahlen sind in Tabelle 1 zu finden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Einfaches Beispiel einer Balanced Scorecard

Diese verschiedenen Ziele bzw. die als Indikator fungierenden Kennzahlen sollen in folgendem Ursache-Wirkungszusammenhang stehen:

Durch die Schulungen der Mitarbeiter erhöht sich ihre Kompetenz und sie wissen, welche kritischen Vorgänge die Prozessdurchlaufzeit beeinflussen und sie entwickeln Ideen, die die Durchlaufzeiten verringern können. Durch qualifizierte Mitarbeiter wird das Unternehmen also innovativer.

Geringere Prozessdurchlaufzeiten bzw. schnellere Auftragsbearbeitung sollen hier zwei Effekte haben. Erstens wird der Anteil an pünktlichen Lieferungen erhöht, da es nun einfacher ist, die sich selbst oder durch den Kunden auferlegten Zeitvorga­ben für die Auftragsbearbeitung zu erreichen (z. B. wenn der Kunde bis 12.00 Uhr bestellt, verspricht das Unternehmen am nächsten Tag zu liefern). Zweitens werden die Kosten für Lagerhaltung sinken, da hier Kapazitäten abgebaut werden können. Die Kundenzufriedenheit, die sich an der relativen Lieferpünktlichkeit orientiert, wird steigen und somit wird auch die Kundentreue zunehmen und schließlich werden über steigende Verkäufe auch die Erlöse zunehmen. Die Zielgröße der Unternehmung - der Gewinn - wird demnach auch steigen.

In Abbildung 3 wird der Zusammenhang der Ursache-Wirkungsketten für das vor­liegende Beispiel verdeutlicht. Es sind die vier Perspektiven mit den jeweiligen Zielen und Indikatoren dargestellt. Die Pfeile symbolisieren die Ursache-Wirkungsketten. Die Rechenzeichen an den Pfeilen zeigen die Korrelationen zwischen den Zielen bzw. Kennzahlen auf. Ein Pluszeichen steht für eine positive Korrelation und ein Mi­nuszeichen für eine negative Korrelation. Deshalb wird die Auswirkung von einer Verringerung der Prozessdurchlaufzeit auf die Kosten mit einem Minuszeichen ver­sehen.

3.2 Eignung für die Problemstellung

Die Balanced Scorecard ist in ihrer Grundkonzeption ein Managementsystem zur Strategieumsetzung [BeFa02, S. 141]. Es handelt sich um ein Steuerungsinstrument. Viele Beiträge (vgl. z. B. [TewOO; BaStOl]) übertragen dieses Konzept auf den IV- Bereich einer Unternehmung, um diesen Bereich mit Hilfe der BSC steuern zu können

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Abbildung 3: Darstellung der Ursache-Wirkungsketten anhand des einfachen Bei­spiels und eine Anknüpfung der Unternehmungsstrategie mit der IV-Strategie herzustel­len. Das mit dieser Arbeit verfolgte Ziel ist allerdings nicht, den IV-Bereich einer Organisation zu steuern, sondern ein Bewertungssystem für IV-Projekte zu schaffen. Die BSC ist grundsätzlich ebenfalls in der Lage, Projekte zu evaluieren [KaNo93]. Hierzu werden insbesondere die Steuerungsmechanismen vernachlässigt, d. h., dass nur Perspektiven, Kennzahlen (Indikatoren) und Ursache-Wirkungsprinzipien be­achtet werden. Bewertungssysteme für IV-Projekte in Form eines BSC-Konzeptes finden sich z. B. in [MiMe04] und [JLMM04].

Die Frage, die sich unmittelbar anschließt, lautet: Werden die Anforderungen an das Bewertungssystem für IV-Investitionen durch die Balanced Scorecard erfüllt?

Dazu müssen zunächst einmal die Anforderungen an das Bewertungssystem formu­liert werden. Zunächst werden zusammenfassend die Anforderungen dargestellt, die sich zum einen aus den bisherigen Erkenntnissen der Arbeit ergeben und zum ande­ren von anderen Autoren (vgl. z. B. [DobOO; Fit98]) unabhängig vom Konzept der BSC aufgestellt wurden:

1. Nach Abschnitt 2.1 ist die Verbindung von strategischen und operativen Aspek­ten notwendig, um Uber- und Unterinvestitionen zu verhindern.

2. Eine verlässliche Datenbasis, auf denen die Kennzahlen aufbauen, ist zwingend erforderlich.

3. Es ist wichtig, neben den klassischen monetär orientierten Größen nicht-mo­netäre Anteile mit in die Bewertung einfließen zu lassen.

4. Nach der Auffassung des Begriffs Nutzen ist die Berücksichtigung von qualita­tiven und quantitativen Aspekten unentbehrlich. Um das Bewertungssystem praktikabel zu halten, müssen qualitative Aspekte operationalisiert werden. Dieser Teil des Nutzens muss also messbar gemacht werden.

5. Das Bewertungssystem soll multidimensional sein [DobOO; MiMe04; Fit98].

6. Die Bewertung ist unter Berücksichtigung aller Wirkungen der Investition vor­zunehmen [DobOO].

7. Obwohl Management und Entwickler oftmals verschiedene Sprachen sprechen [ZeJo99], muss es sich um ein nachvollziehbares und transparentes Bewertungs­instrument handeln, um zu gewährleisten, dass alle Beteiligten die Bewertun­gen verstehen können. So soll die Akzeptanz des Bewertungssystems erhöht und die Gefahr von Fehleinschätzungen reduziert werden.

8. Bei Investitionsbewertungen handelt es sich um eine ex-ante-Evaluation. Das Bewertungssystem muss aber ebenfalls eine Nachrechnung von Investitionen möglich machen, damit zukünftige Bewertungen durch Lerneffekte verbessert werden können [EdwOl] bzw. noch während der Umsetzung korrigierend ein­gegriffen werden kann.

[...]


[1] Die Definition von [Ada97] fasst das Ergebnis als Einzahlungen auf.

[2] [Ada97] verwendet hierfür die zum Investitionsobjekt gehörende Auszahlung.

[3] Eine genaue Begriffsabgrenzung hierzu wird in Abschnitt 2.2 vorgenommen.

Diese Begriffsverwendung wird in der deutschen Literatur zur IV-Investitionsbewertung durch­gängig benutzt. Vgl. dazu insbesondere [KarOO, S. 39-51] oder [KaDiOl].

[4] [HoRiOl] sehen hierin insbesondere Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf IV basiert wie z. B. Amazon.

[5] Dieser Ausdruck stammt aus einem Artikel von Solow aus der New York Times (Solow, R.: We’d better watch out. In: New York Times, July 12, Book Review, S. 36, 1987.) und wird von [JLMM04] und [Krc03, S. 339] zitiert. Die erste ökonometrische Analyse in einem Artikel einer Fachzeitschrift geht nach [Str97, S. 84] und [Bry93] auf Loveman zurück.

[6] [Bry93] führt noch Umverteilung als Grund auf. Dies bedeutet, dass Produktivität unter den Unternehmungen durch IV-Investitionen nur umverteilt werden, ohne dass sich die Gesamt­produktivität über alle betrachteten Unternehmungen ändert. Im vorliegenden Fall, in dem nur eine Unternehmung betrachtet wird, ist dies nicht relevant.

[7] In diesem Zusammenhang ist eine solche Repräsentanzgröße bspw. der Kapitalwert.

[8] Diese qualitativen Nutzenbestandteile werden von [EwWa03, S. 38] in einer noch weiteren Leistungsdefinition erfasst: „Leistungen sind die [...] positiven Konsequenzen einer Aktion“ .

[9] Der Controllerverein ist ein Zusammenschluss von Controllern, um gegenseitigen Erfahrungs­austausch voranzutreiben [ICV05].

[10] In [SpiS9] wird das Vorgehensmodell OBAS (OBjektorientierter Entwurf Administrativer Systeme) vorgestellt.

[11] [Krc03, S. 335] hat eine Rubrik Kennzahlenmethode. Dies kann z. B. eine Balanced Scorecard sein.

[12] Zu dieser Herangehensweise besteht nach [TewOO] kein einheitliches Vorgehen. Daher wird der Erstellungsprozess, wie er in der Primärquelle angedeutet ist, verfolgt.

[13] [TewOO] merkt an, dass in einigen Quellen der Begriff strategische Ziele gar nicht auftaucht, sondern von so genannten kritischen Erfolgsfaktoren gesprochen wird. Die Unterscheidung wird an folgendem Beispiel verdeutlicht: Der kritische Erfolgsfaktor ist Liquidität, was sich auch als strategisches Ziel Liquidität sichern ausdrücken lässt.

[14] Diese Aufzählung ist nicht erschöpfend. Es können sehr viele weitere Aspekte insbesondere aus [KaNo93] entnommen werden.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Neuere Ansätze zur Bewertung von IV-Investitionen unter besonderer Berücksichtigung der Primärdaten
Hochschule
Universität Bielefeld  (Lehrstuhl für angewandte Informatik / Wirtschaftsinformatik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
97
Katalognummer
V121864
ISBN (eBook)
9783640263226
ISBN (Buch)
9783640263295
Dateigröße
1286 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
IV, IT, DV
Arbeit zitieren
Björn Kehl (Autor:in), 2005, Neuere Ansätze zur Bewertung von IV-Investitionen unter besonderer Berücksichtigung der Primärdaten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121864

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