Ringen und Raufen im Schulsport


Masterarbeit, 2008

98 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Definition von Ringen und Raufen

2 Benachbarte Sportarten von Ringen und Raufen
2.1 Darstellung der Kampfsportart Ringen
2.2 Darstellung der Kampfsportart Judo

3 Elternumfrage über Ringen und Raufen
3.1 Methodik, Form und Gütekriterien der Befragung
3.2 Auswahl der Befragten und Durchführung der Umfrage
3.3 Teil I der Umfrage- Allgemeine Aspekte zum Ringen und Raufen
3.3.1 Zusammenfassung des allgemeinen Teils der Umfrage
3.4 Teil II der Umfrage- Schulbezogener Aspekt von Ringen und Raufen

4 „Ringen und Raufen“ im niedersächsischen Kerncurriculum

5 Didaktische Dimension von Ringen und Raufen
5.1 Didaktisch- methodische Grundlinien
5.1.1 Darstellung und Kritik der sechs Kategorien von Ringen und Raufen nach W. Beudels und W. Anders
5.1.1.1 Bewegungsfreude aufbauen
5.1.1.2 Körperkontakt aufnehmen
5.1.1.3 Vertrauen entwickeln
5.1.1.4 Ringen und Raufen anbahnen und entwickeln
5.1.1.5 Ringen und Raufen erproben und verfeinern
5.1.1.6 Ringen und Raufen genießen und ausleben
5.1.2 Konzeptionelles Vorgehen zur Umsetzung von Ringen und Raufen im Sportunterricht
5.1.2.1 Spielformen ohne direkten Körperkontakt
5.1.2.2 Spielformen mit leichtem Körperkontakt
5.1.2.3 Spielformen mit direktem Körperkontakt
5.1.2.4 Phase der Entspannung und abschließende Reflexion
5.1.3 Retrospektive Gegenüberstellung eines gehaltenen Unterrichts Hinblick auf die Ausführungen zum konzeptionellen Vorgehen
5.2 Der koedukative Aspekt
5.3 Die Verhaltensregeln beim Ringen und Raufen
5.4 Psychologischer Blickpunkt im Rahmen der Gewaltprävention
5.4.1 Situation und Bedingungen von Gewalt an Schulen
5.4.2 Ringen und Raufen im Rahmen der Gewaltprävention

6 Die physiologischen Aspekte von Ringen und Raufen
6.1 Konditionelle Fähigkeiten beim Ringen und Raufen
6.2 Darstellung relevanter koordinativer Fähigkeiten und ihre Bewegungsmerkmale im Ringen und Raufen
6.2.1 Kopplungsfähigkeit
6.2.2 Differenzierungsfähigkeit
6.2.3 Gleichgewichtsfähigkeit
6.2.4 Orientierungsfähigkeit
6.2.5 Reaktionsfähigkeit
6.2.6 Umstellungsfähigkeit

7 Innere und äußere Voraussetzungen für Ringen und Raufen im Schulsport
7.1 Personelle Voraussetzungen als innere Bedingung
7.2 Regeln beim Ringen und Raufen als innere Bedingung
7.3 Angemessene Kleidung beim Ringen und Raufen als äußere Bedingung
7.4 Beachtung der Hygiene beim Ringen und Raufen als äußere Bedingung
7.5 Boden, Matten und räumliche Aspekte als äußere Bedingung

8 Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

0 Einleitung

„Tatort Schule. Zwei Achtklässler prügeln nach einem Streit auf einen neunjährigen Schüler ein. Einer hält ihn fest, der andere tritt mit den Füßen gegen seinen Oberkörper. Danach schlagen sie seinen Kopf mehrmals gegen einen Baumstamm“ (http://www.sueddeutsche.de/muenchen/artikel/377/151000/, 11.05.2008).

Im Jahr 2003 gab es an deutschen Schulen 93.295 Unfälle durch Raufen (Bundesverband der Unfallkassen, 2005, S. 9). Die Verletzungen reichten von einfachen Schürfwunden bis hin zu schweren Frakturen. Die Institution Schule stellt eigentlich einen Lernort dar, der ein gewaltfreies Miteinander voraussetzt. Auch wenn die Zahl der Raufunfälle insgesamt leicht rückläufig ist, existiert auf deutschen Schulhöfen ein faktisches Gewaltpotenzial.

Da erscheint es irritierend, dass „Ringen und Raufen“ seit Jahren ein fester Bestandteil des Kerncurriculums ist.

Angesichts der oben genannten Fakten stellt sich die Frage, ob und inwieweit dieses Bewegungsangebot überhaupt in das Kerncurriculum passt.

Wie begründet sich die Daseinsberechtigung von „Ringen und Raufen“ im Schulsport?

Die vorliegende Arbeit wird unter anderem dieser Frage nachgehen.

Zuvor werden allgemeine Definitionen aufgestellt, die zur weiteren Betrachtung notwendig sind. In diesem Zusammenhang werden einige ausgewählte Kampfsportarten aufgezeigt, bei denen das „Ringen und Raufen“ eine starke inhaltliche Anlehnung finden.

Im Rahmen dieser Ausarbeitung wird eine Befragung von Eltern vorgestellt. Sie ist in einen allgemeinen und in einen schulbezogenen Teil untergliedert.

Der allgemeine Teil soll generelle Meinungen über dieses Bewegungsangebot wiedergeben. Im schulbezogenen Teil zielen die Fragen auf „Ringen und Raufen“ im schulischen Kontext ab. Das aus der Umfrage gewonnene Meinungsbild wird im weiteren Verlauf der Masterarbeit aufgegriffen.

Im vierten Kapitel wird die Positionierung dieses Bewegungsangebots im Kerncurriculum beschrieben. Hier werden die Inhalte des Erfahrungs- und Lernfeldes Kämpfen abgehandelt, in dem „Ringen und Raufen“ eingeordnet worden ist.

Weiterer Bestandteil dieser Arbeit ist eine Umfrage zu diesem Thema. Dazu wurden 103 Elternteile über ihre Ansichten und Kenntnisse zu diesem Bewegungsangebot befragt. Die Ergebnisse dieser empirischen Erhebung werden in den weiteren Ausführungen aufgegriffen.

Dabei nehmen die didaktischen Dimensionen von „Ringen und Raufen“ einen hohen Stellenwert in dieser Masterarbeit ein. In diesem Zusammenhang werden auch meine persönlichen Erfahrungswerte als Übungsleiter einer Judo- und Karategruppe einfließen.

Im Rahmen der methodisch- didaktischen Überlegungen wird das Modell der sechs Kategorien von Beudels und Anders vorgestellt und einer kritischen Betrachtung unterzogen.

In diesem Zusammenhang werde ich ein eigenes zusammengestelltes Konzept zur dieses Bewegungsangebots an Schulen vorstellen.

Ein vorangegangener Unterrichtsversuch zum „Ringen und Raufen“ wird im Hinblick diese Konzeption einer kritischen Betrachtung unterzogen. In einer reflexiven Auswertung ziehe ich Rückschlüsse auf die vorher abgehandelten theoretischen Konzepte zu diesem Bewegungsangebot.

Weiter wird der koedukative Aspekt behandelt. Hierzu werden die bestehenden Rollenbilder von Jungen und Mädchen analysiert und die Konsequenzen für den Sportunterricht aufgezeigt. Dabei werden Möglichkeiten im „Ringen und Raufen“ dargestellt, einen koedukativen Unterricht zu fördern.

In Anlehnung an die klassischen Kampfsportarten gibt es für dieses Bewegungsangebot spezifische Regeln, um ein faires und exploratives Miteinander zu ermöglichen. Ein eigenes Kapitel wird die Wichtigkeit von Verhaltensregeln beim „Ringen und Raufen“ abhandeln.

Sie sind die Grundlage für einen achtsamen Umgang Dieser Aspekt wird auch im Hinblick der Gewaltprävention dargestellt. Hierzu werden Bedingungen von Gewalt an Schulen und die Chancen von „Ringen und Raufen“ abgehandelt.

Die Masterarbeit wird weiter die physiologischen Aspekte dieses Bewegungsangebots ausarbeiten. Dazu wurde werden die konditionellen und koordinativen Fähigkeiten und ihre Bewegungsmerkmale im „Ringen und Raufen“ ausführlich beschrieben.

Um überhaupt positive Erlebnisse beim Kämpfen zu ermöglichen, sind bestimmte innere und äußere Bedingungen bei der Umsetzung zu beachten. Ein eigenes Kapitel wird sich mit den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen, der erforderlichen Ausbildung des Lehrerpersonals, den Räumlichkeiten sowie mit den benötigten Materialien befassen.

In der Schlussbetrachtung werde ich neben einem Fazit einen Ausblick über die weiteren Entwicklungen des Ringens und Raufens in der Zukunft geben.

Um einer formalsprachlichen Verwirrung vorzubeugen, ist in dieser Arbeit, wenn von Schülern bzw. Lehrers gesprochen wird, sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint.

1 Definition von Ringen und Raufen

Eine allgemeingültige Definition zum „Ringen und Raufen“ gibt es nicht, da es sich hierbei nicht um eine Sportart mit einem festgelegten Ziel und einem Regelwerk handelt.

Die Begriffsdefinitionen in der Literatur reichen von der bewegungstechnischen Hinführung zu Kampfsportarten (vgl. Jung, 1988, S. 11) bis hin zu spielerischen, regelgeleiteten Kampfformen, die das Potenzial haben, Schüler zu einem lustvollen Bewegen anzuleiten, ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern und ihre sozialen Kompetenzen fördern (vgl. Busch, 2002, S. 7).

Beudels und Anders verstehen unter „Ringen und Raufen“ ein triebhaftes, friedfertig gemeintes und gleichzeitig kämpferisches Miteinander, in welchem die die Partner regelbetont und verantwortungsvoll miteinander agieren (vgl. Beudels, 2002, S.13 ff).

Dieses Bewegungsangebot stellt also keine eigene Kampfsportart dar, sondern ist vielmehr das lebendige Ausleben von gewissen Urtrieben in einer spielerischen Form.

Die Automatisierung und die korrekte Beherrschung von bestimmten Techniken spielen hier keine wesentliche Rolle.

„Ringen und Raufen“ findet eine Anlehnung an klassische Kampfsportarten.

Es beinhaltet Kampfformen, zu denen etablierte Kampfsportarten wie Judo, Karate und Ringen ebenso zählen wie volkstümliche Kampfspiele, in denen gerangelt, gebalgt, geschoben, gegriffen und gedrückt wird.

Das komplexe Regelwerk wurde im Gegensatz zum Judo bewusst auf ein Minimum heruntergefahren, um das Ausüben so einfach wie möglich zu gestalten. Die Kinder verinnerlichen die wenigen Regeln schnell. Gerade in den Grundschulklassen müssen die Grundregeln (z.B. der Partner darf nicht verletzt werden) schnell von den Schülern aufgenommen und akzeptiert werden können. Vordergründig dienen Regeln beim „Ringen und Raufen“ der Vorbeugung vor Verletzungen und der Gewährleistung der Sicherheit.

Beudels und Anders (2002, S. 14) reduzieren das Regelwerk auf einen Satz:

„Es ist alles erlaubt, was nicht weh tut“.

Olivier sieht im „Ringen und Raufen“ sieben wesentliche Handlungsmuster, die in Angriff und Abwehr unterteilt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.1 Die sieben Handlungsmuster

Ein weiterer Unterschied zu klassischen Kampfsportarten besteht darin, dass beim

„Ringen und Raufen“ Jungen und Mädchen zusammenarbeiten. Dabei muss erwähnt werden, dass in der Grundschule physische Unterscheide bei den Geschlechtern noch kaum vorhanden sind. Der koedukative Aspekt wird in Kapitel 5.2 ausführlich behandelt.

Insgesamt besitzt dieses Bewegungsangebot keinen festgelegten Bewegungsbereich, sondern dient eher als Orientierungshilfe, um Spiele und Übungen für den Sportunterricht in Abhängigkeit vom jeweiligen Erziehungshintergrund des Lehrers und zu den intendierten Lernzielen auswählen zu können.

„Ringen und Raufen“ stellt eine Form des körperlichen Zweikampfs dar, der unter spielerischen, fairen und freudbetonten Aspekten abläuft.

2 Benachbarte Sportarten in Anlehnung an Ringen und Raufen

Wie bereits erwähnt besitzt „Ringen und Raufen“ zahlreiche Anlehnungen an klassische Kampfsportarten. Im Folgenden werden die prägnantesten vorgestellt.

2.1 Darstellung der Kampfsportart Ringen

Diese Sportart stellt eine sehr alte Form des Kämpfens dar und ist seit 1896 eine olympische Disziplin (vgl. Gerr, 1982, S. 10). Ohne Hilfsmittel kämpfen Mann gegen Mann bzw. Frau gegen Frau. Auf einer gepolsterten Matte wird mit Körpergriffen versucht, den Gegner zu Boden zu bringen und ihn zu fixieren (vgl. ebd., S. 11). Im griechisch- römischen Stil bzw. klassischen Ringkampf sind nur Griffe bis zur Gürtellinie erlaubt und der Einsatz von Beinen ist verboten. Im Freistil hingegen sind Griffe am ganzen Körper erlaubt und es darf auch mit den Beinen angegriffen werden. Tritte, Schläge und Würgen sind nicht zugelassen. Die Kampfzeit beträgt drei Runden a drei Minuten. Zwischen den Runden pausieren die Ringer für jeweils eine Minute. Gestartet wird aus dem Stand, wobei jeder Kämpfer versucht, den Gegner durch Griffe (z.B. Hebel- oder Schleudergriffe) zu Fall zu bringen und ihn dort mindestens zwei Sekunden lang festzuhalten. Es kommt zum Bodenkampf, wenn ein Athlet seinen Gegner zu Boden wirft. Ziel des Kampfes ist ein Schultersieg, d.h. beide Schultern liegen auf der Matte auf. Wird dieser nicht erreicht, werden die angewandten Griffe mit technischen Gutpunkten bewertet, wobei es zu einem Punktsieg kommen kann. Bleiben beide Ringer ohne einen technischen Punkt, werden beide mit Verwarnungen belastet (vgl. Brockhaus, 1980, S. 502).

In Japan hat sich eine eigene Form des Ringens entwickelt. Im so genannten Sumo- Ringen wird versucht, den Gegner durch Drücken, Schieben und Schubsen aus einem Kreis zu drängen (vgl. Richert, 1998, S. 1). Im Sumo- Ringen gibt es im Gegensatz zum Ringen keine Bodenkämpfe (ebd.).

2.2 Darstellung der Kampfsportart Judo

Diese Art des Zweikampfs stammt aus Japan und wurde vom japanischen Schwertadel entwickelt (vgl. Dolin, 1999, S. 320 f). Gekämpft wird auf einer Kämpffläche von 8 x 8m, die mit Matten ausgelegt ist (vgl. Sehr, 2007, S. 40). Die Judoka (Judokämpfer) tragen einen Anzug, der aus weißer reißfester Baumwolle besteht. Anhand des farbigen Gürtels ist der Rang des Athleten zu erkennen. Wettkämpfer werden nach Alter und Gewicht eingeteilt.

Beim Judo geht es darum, den Gegner durch Drücken oder Ziehen aus dem Gleichgewicht zu bringen (vgl. Dolin, 1999, S. 320). Dazu verwenden sie Wurf- und Grifftechniken. Schläge, Tritte und Stöße sind nicht erlaubt. Eine Begegnung ist gewonnen, wenn ein Kämpfer auf den Rücken oder seitlich zu Boden geworfen wird. Dabei müssen die Schulter und das Gesäß die Matte berühren. Würfe aus der Bodenlage erzielen eine halbe Wertung (Waza- Ari). Einen halben Punkt gibt es für Haltegriffe, aus denen sich der Gegner innerhalb von 25 Sekunden nicht befreien kann, der Gegner aufgibt oder wenn der Erfolg einer Technik offensichtlich ist. Zwei halbe Wertungen ergeben einen Punkt (Ippon) und entscheiden den Sieg (ebd.).

3 Elternumfrage über Ringen und Raufen

Die folgend dargestellte empirische Erhebung über das „Ringen und Raufen“ im Schulsport wurde im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt.

Dazu wurden Fragebögen an die Eltern herausgegeben, um verschiedene Meinungsbilder zum „Ringen und Raufen“ zu erfahren.

Die Fragen beziehen sich unter anderem auf koedukative, pädagogische wie curriculare Aspekte sowie auf „Ringen und Raufen“ im Rahmen der Gewaltprävention (s. Anhang 11.1).

Der Fragebogen ist in einen allgemeinen und in einen schulbezogenen Teil gegliedert.

3.1 Methodik, Form und Gütekriterien der Befragung

Der Einsatz eines persönlichen Einzelinterviews wäre möglich gewesen, jedoch ist diese Form der Befragung sehr zeitaufwendig. Außerdem wäre eine persönliche Beeinflussung durch meine Anwesenheit nicht auszuschließen.

Es wurde daher ein Fragebogen entwickelt (s. Anhang).

Neben dem Fragebogen wurde ein Anschreiben an die Eltern mitgegeben, was sie über den Zweck und Vorgehensweise informieren soll (s. Anhang).

Um eine zügige Bearbeitung gewährleisten zu können, wurden geschlossene Fragen verwendet. Außerdem erleichtert es die Auswertung. Diese lassen drei Kategorien als Antwortmöglichkeiten zu: „ja“, „nein“ und „keine Ahnung“. Bei Fragen, die Faktenwissen abrufen wie z.B. „Wissen Sie, dass „Ringen und Raufen“ ein Bestandteil des Sportunterrichts ist?“ (vgl. Anhang 10.1) fällt die Kategorie „Keine Ahnung“ weg.

Die Antworten mussten angekreuzt werden. Dadurch wurden Schwierigkeiten hinsichtlich Grammatik und Rechtschreibung bei freien Antworten umgangen.

Der Bogen wurde anonym ausgefüllt. Die Eltern brauchten daher keine Rückschlüsse auf ihre Person fürchten und konnten die Fragen weitestgehend unbefangen beantworten. Lediglich die Klassenstufe musste aus organisatorischen Gründen angegeben werden.

An deutschen Schulen befindet sich eine nicht zu unterschätzende Zahl an Kindern mit Migrationshintergrund. Insgesamt gibt es in Deutschland 15,1 Millionen Menschen mit einem Migrationshintergrund (www.destatis.de/jetspeed/ portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bevoelkerung/Auslaendisc heBevoelkerung/Tabellen/Content50/EinbuergerungStaatsangehoerigkeit,templateI d=renderPrint.psml, Zugriff am 07.05.2008).

Ihre Zahl ist in den letzten Jahren weiter gestiegen und stellt einen Anteil von 18,4% an der deutschen Gesamtbevölkerung dar (ebd.).

Die größte Einwanderergruppe stellen die türkisch sprechenden Personen dar. Aus dem Personenkreis der Immigranten stammen 14,2% aus der Türkei (ebd.).

Nicht alle eingewanderten Eltern sprechen ausreichend deutsch und können den Fragebogen verstehen.

Um aber auch ihre Meinung zu erfahren, wurden die Fragebögen noch in türkischer Fassung herausgegeben.

Der Fragebogen beinhaltet zehn Fragen zum Thema „Ringen und Raufen“ im Schulsport und gliedert sich in einem allgemeinen und in einen schulbezogenen Teil.

Die Fragen wurden bewusst einfach verfasst, damit auch bildungsfernere Eltern den Bogen problemlos ausfüllen konnten. So wurde beispielsweise statt des Begriffs „Kerncurriculum“ (s. Frage II.2 im Anhang) das Wort „Sportunterricht“ verwendet. Darüber hinaus wurde darauf geachtet, dass der Fragebogen keine einseitig wertenden Fragen beinhaltet.

Um den Gütekriterien einer sozialwissenschaftlichen Messung gerecht zu werden, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

1. Objektivität
2. Reliabilität
3. Validität.

Zu 1.: Objektivität

Objektivität liegt vor, wenn die Messergebnisse möglichst unabhängig vom Untersucher sind (vgl. Ingenkamp/ Lissmann, 2005, S. 51).

Die Bögen wurden mit einem informierenden Anschreiben (s. Anhang 10.2) über die Kinder an die Eltern weitergereicht. Dadurch konnte seitens des Untersuchers kein Einfluss auf die Eltern genommen werden. Den Kindern wurde lediglich aufgetragen, den Bogen bei den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten abzugeben und zur nächsten Unterrichtsstunde ausgefüllt wieder mitzubringen. Es gab keine steuernden Anmerkungen durch den Untersucher. Mögliche intersubjektive Einflüsse waren ausgeschaltet.

Die Durchführungsobjektivität verlangt, dass alle Personen den gleichen Bedingungen und Anforderungen unter gleichen Bedingungen unterzogen werden (ebd., S. 52). Alle Eltern haben denselben Auftrag erhalten.

Die Interpretationsobjektivität ist gesichert, wenn mehrere Beurteiler das gleiche Auswertungsergebnis gleich interpretieren. Je unterschiedlicher die gegebenen Informationen und je zahlreicher sie sind, desto schwieriger ist es, sie objektiv zu interpretieren (ebd., S. 53). So können persönliche Einstellungen in die Bewertung einfließen. Hinsichtlich der Struktur der Fragen ist dies eher unproblematisch, da sie in einen sinnvollen Zusammenhang eingeordnet werden können. Sachfremde subjektive Einflüsse liegen nicht vor.

Hinsichtlich der Auswertungsobjektivität ist anzumerken, dass gleiches Verhalten eine gleiche Bewertung erfahren muss (ebd., S. 53).

Durch das Ankreuzen sind Fehlinterpretationen durch den Untersucher auszuschließen. Bei dieser Form der Fragenstellung sind Differenzen zwischen verschiedenen Auswertern praktisch ausgeschaltet (ebd.).

Die Umfrage ist somit objektiv. Objektivität ist die Voraussetzung für die Zuverlässigkeit und die Gültigkeit einer Messung (ebd., S. 54).

Zu 2.: Reliabilität

Die Reliabilität stellt den Grad der der Sicherheit oder Genauigkeit dar, mit dem ein bestimmtes Merkmal gemessen werden kann (ebd., S. 54).

Eine wiederholte Durchführung des Fragebogens würde zu gleichen Ergebnissen führen. Die Errechnung eines Messfehlers ist im Rahmen des Fragebogens entbehrlich, da zufallsbedingte Unterschiede bei verschiedenen Durchführungen nicht als echte Verhaltensänderungen der Eltern aufzufassen sind. Bei dieser Umfrage geht es nicht um die Bestimmung eines „wahren Leistungswertes“ (ebd., S. 56) und ist daher zu vernachlässigen. Es wurden ausschließlich die Eltern von schulpflichtigen Kindern befragt. Der Fragebogen misst also exakt das Merkmal, dass er messen soll. Ohnehin können nur objektive Verfahren reliabel bzw. zuverlässig sein. Die Reliabilität ist gegeben und stellt die Grundlage für die Validität dar.

Zu 3.: Validität

Hier wird bestimmt, ob das Verfahren bzw. die Umfrage auch tatsächlich das misst, was es messen vorgibt und nicht irgendetwas anderes (ebd., S. 57).

Der Fragebogen zielt auf die persönliche Meinung zum Thema „„Ringen und Raufen“ im Schulsport“ ab und stellt das Kriterium der inhaltlichen Ausrichtung der Fragen dar. Subjektive Äußerungen sind schwer zu überprüfen, da es hier keine Vorgaben gibt. Sie können wissenschaftlich schwer überprüft werden. Ohnehin kann Verfahren allgemeine Gültigkeit besitzen, sondern immer nur spezifische sowie empirisch nachgewiesene Gültigkeit (ebd., S. 57). Der Fragebogen ist somit valide bzw. in seiner Aussage gültig, da er verständliche und eindeutige Fragestellungen beinhaltet.

In einem Vorlauf- Test wurden fünf Fragebögen ausgegeben.

Darunter wurden auch Fragebögen an zwei türkisch sprechende Personen ausgegeben. Alle Fragen wurden sinngemäß aufgefasst und ordnungsgemäß bearbeitet. Beim Ausfüllen gab es nach Auskunft der Befragten keine Schwierigkeiten. Der Bogen hat den Vorlauftest bestanden und konnte nun großflächig zum Einsatz kommen.

3.2 Auswahl der Befragten und Durchführung der Umfrage

Der Fragebogen richtet sich an Elternteile, deren Kinder die Grund-, Haupt- oder Realschule besuchen.

Die Umfrage wurde im Zeitraum vom 07.05.2008 bis zum 23.05.2008 durchgeführt und fand im Hildesheimer Stadtgebiet statt.

Mit Unterstützung der jeweiligen Klassenlehrer wurde die Umfrage an der Don Bosco- Schule, Grundschule Himmelsthür und an der Grundschule Moritzberg ausgeführt: An der Befragung nahmen Eltern teil, deren Kinder die Klassenstufe 2 bis 9 besuchen. Die Bögen wurden über die Klassenlehrer über die Schüler an die Eltern verteilt. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden diese Lehrer in dieser Arbeit nicht namentlich erwähnt. Es nahmen sechs Klassen teil.

Die Rücklaufquote der ausgeteilten Fragebögen lag bei ca. 89%. So gaben insgesamt 103 Eltern einen vollständig ausgefüllten Fragebogen ab, die im Folgenden ausgewertet wurden.

3.3 Teil I der Umfrage- Allgemeine Aspekte zum Ringen und Raufen

Frage 1: „Mögen Sie Ringen?“

Etwa zwei Drittel der Befragten hat eine positive Meinung über das Ringen (68,94%). Obwohl Ringen eine sehr alte Form des kultivierten Kämpfens darstellt, ist sie vielen fremd. Diese Sportart ist zwar sehr bekannt, dennoch wissen viele Menschen nicht, was sich konkret dahinter verbirgt. So stehen 27,18% dem Ringen skeptisch gegenüber und kreuzten „Nein“ an.

Dabei ist anzumerken, dass es keine Sportart gibt, die allen gefällt.

Abb.1 I.1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Gründe hierfür sind ebenso so persönlich wie vielfältig. 4% der Befragten enthielten sich.

Frage 2: „Betreibt Ihr Kind einen Kampfsport im Verein?“

Abb.2 I.2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lediglich 5 Kinder (4,85%) üben einen Kampfsport in einem Verein aus. Auch wenn viele Kampfsportarten wie Judo und Ringen seit Jahren eine olympische Disziplin darstellen, sind sie doch eher exotisch. Die Mehrzahl der vereinsorganisierten Schüler betreibt Fußball, Schwimmen oder Turnen. Im Rahmen der Unterrichtsplanung ist dieses Faktum zu berücksichtigen. Die meisten Schüler kennen kein kultiviertes Kämpfen und müssen daher mit Bedacht an die Inhalte herangeführt werden.

Die Planung des Unterrichts muss dem gerecht werden. Schüler, die bereits Erfahrungen im Kampfsport besitzen, können zu Demonstrationszwecken oder als Assistent Verantwortung übernehmen (s. Kapitel 8.1). Ansonsten stellen sie eine Minderheit gegenüber den übrigen dar.

Frage 3: „Fördert „Ringen und Raufen“ die Gewalt unter den Kindern?“

Abb.3 I3

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hinsichtlich der Antwortmöglichkeiten zeigt sich

hier ein gemischtes Bild. Fast die Hälfte der Befragten sieht in diesem Bewegungsangebot eine potenzielle Gefahr und schreibt diesem Bewegungsangebot einen schlechten Einfluss auf ihre Kinder zu. 17,48% sind sich unschlüssig. Nur 35,92% verneinen eine gewaltfördernde Wirkung. Hier herrscht Aufklärungsbedarf. Denn vorab sei zu erwähnen, dass „Ringen und Raufen“ einen respektvollen Umgang miteinander schult, in dem es keinen Raum für Gewalt gegen andere Kinder gibt. In Anlehnung an eine klassische Kampfsportart wie zum Beispiel Judo wird hier besonderer Wert auf das rücksichtsvolle Verhalten gelegt (s. Kapitel 6.4). Die hohe Prozentzahl lässt sich eher durch Unwissenheit als durch fachliches Wissen erklären. Schließlich kennen viele Eltern nicht die sozialen Inhalte der Kampfsportarten bzw. des „Ringen und Raufens“ und sehen in der körperlichen Auseinandersetzung eine Gefährdung für ihre Kinder.

Frage 4: Verbessert „Ringen und Raufen“ die körperliche Verfassung?

Abb.4 I.4

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Gegensatz zur vorangegangen Frage fällt das Ergebnis hier positiver aus. Die überwältigende Mehrheit von 83,5% spricht diesem Bewegungsangebot eine Förderung der körperlichen Verfassung zu. Nur 4,85% widersprechen dieser Ansicht. Der Großteil der Befragten verbindet mit „Ringen und Raufen“ Bewegung und schließt daher auf eine positive physiologische Wirkung.

Im sechsten Kapitel werden die körperlichen Aspekte hierzu abgehandelt. Dabei werden Ausführungen zu den konditionellen und koordinativen Fähigkeiten gemacht.

Frage 5: Kann „Ringen und Raufen“ zur Selbstverteidigung dienen?

Immerhin 56,13% sehen in diesem Bewegungsangebot Aspekte der Selbstverteidigung verwirklicht. Neben den spielerischen Elementen dient „Ringen und Raufen“ auch der Selbstbehauptung, die als Vorstufe zur Selbstverteidigung gilt. Lediglich 5,83% sprechen „Ringen und Raufen“ keine Wirkung im Rahmen der Selbstverteidigung zu. 37,86% kreuzten „Keine Ahnung“ an. Die hohe Zahl dieser Personengruppe zeigt, dass hier Auf- klärungsbedarf besteht. In der Tat fördert „Ringen und Raufen“ mehr oder weniger unbewusst die Fähigkeiten zur Selbstverteidigung bzw. Selbstbehauptung. Nähere Details sind in Kapitel 5.3 aufgeführt.

Abb.5 I.5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3.1 Zusammenfassung des allgemeinen Teils der Umfrage

Erfreulich ist die Tatsache, dass die Mehrheit der Befragten dem Ringen positiv gegenüber steht. Obwohl die meisten Personen von Ringen bzw. „Ringen und Raufen“ keine konkrete Vorstellung haben, sehen sie viele positive Aspekte in diesem Bewegungsangebot. So sehen knapp 85% der befragten Eltern hier eine Verbesserung der Physiologie. Ebenso hoch wurde „Ringen und Raufen“ im Hinblick auf die Befähigung zur Selbstverteidigung eingeschätzt.

Allerdings sieht knapp die Hälfte der Befragten die Gefahr, dass dieses Bewegungsangebot die Gewalt unter den Kindern verstärkt. Ihm wird eine negative Beeinflussung auf das Verhalten der Kinder zugesprochen. Diese Einschätzung beruht eher auf Halbwissen oder Vorurteilen. „Ringen und Raufen“ wird mit Kämpfen assoziiert, welches ein gewisses Maß an Aggressionen impliziert. Darüber haben 35,92% der befragten Eltern Bedenken.

Die Umfrage besitzt nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Zwar wurden 103 Personen befragt, dennoch ist sie nicht repräsentativ. Sie soll verschiedene Ansichten empirisch wiedergeben. Trotz einer grundsätzlich positiven Meinung existieren einige Vorbehalte. Das Ergebnis soll Anlass geben, auf bestimmte Aspekte dieses Bewegungsangebots näher einzugehen und einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

Der schulbezogene Teil stellt das Kernstück dieser Umfrage dar und wird im nächsten Kapitel vorgestellt.

3.4 Teil II der Umfrage- Schulbezogener Aspekt von Ringen und Raufen

Wie im allgemeinen Teil erhebt der schulbezogene Teil dieser Umfrage keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Dennoch sollen auch hier Meinungen zu „Ringen und Raufen“ im Schulsport dargestellt werden. In den nachfolgenden Kapiteln wird zu jeder Fragestellung vertiefend eingegangen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Ringen und Raufen im Schulsport
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)  (Sportwissenschaft und Sportpaedagogik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
98
Katalognummer
V121299
ISBN (eBook)
9783640255047
ISBN (Buch)
9783640255214
Dateigröße
4728 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kampf, ringen, raufen, judo, schule, schulsport, kerncurriculum, rahmenrichtlinien, gewalt, aggression, praevention, gewaltpraevention, kondition, koordination, paedagogik, kraefte messen, konzepte, koedukation, sumo, psychologie, rangeln, kaempfen
Arbeit zitieren
M.Ed. Mike Muenzebrock (Autor:in), 2008, Ringen und Raufen im Schulsport, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121299

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