Unter blühenden Mangobäumen


Klassiker, 2008

26 Seiten

Elisabeth von Heyking (Autor:in)


Leseprobe


Unter blühenden Mangobäumen

Als die Mangobäume blühten, wandelte die fremde nordische Königin durch die alten Gärten. Schwarzäugige Dienerinnen folgten ihr langsamen Schrittes auf den schattigen Wegen. Schleppend und weich waren die Bewegungen dieser Töchter der Tropen.

An den grünen, trägen Wassern, die in Marmorbecken schlummern, schritt die Königin vorüber. Vorüber an den Reihen grauer, verwitterter Vasen, in denen, an hohen Stengeln, Tigerlilien die weißen, schwarzgefleckten Kelche öffnen. Wildes tropisches Gerank schlang sich um moosbewachsene Postamente, zog sich liebkosend empor an den steinernen Gliedern alter Göttergebilde, hielt eilende Nymphengestalt mit grünen Fesseln gefangen, warf keck um die Stirn des Fauns einen Kranz tiefvioletter Glocken. - Des späten Nachmittags Glut lag über den Garten gebreitet. Unter dem dichten Gezweig der Mangobäume brütete die Hitze, reifend des Kaffees Zwillingskörner in den kleinen, rötlichen Kapseln. Nicht der leiseste Hauch bewegte die duftbeladenen Lüfte, regungslos hingen die blanken Blätter. Stille überall. Nur die allerkleinsten der buntgefiederten Kolibris schossen surrend umher, wie Saphir und Smaragd schimmerten sie im grellen Sonnenglanze, tauchten dann unter in die geheimnisvoll lockende Tiefe des Dickichts, schlüpften wonnetrunken in den purpurnen Schoß der flammenden Ibiskus. Doch die Königin achtete nicht der Blumen, die ihr am Wege erblühten, schaute nicht auf zum lichtdurchflimmerten Himmel, nicht zu den Blätterkronen und den bräunlichen Dolden, die die ragenden Palmenstämme tragen. In sich gekehrt war ihr Blick, sah nur die Welt eigenster Wünsche und Sorgen.

Von fernem, nordischem Heimatsgestade war sie mit dem König gekommen, gerufen, über dies heiße, wogenumschäumte Eiland zu herrschen. Kalt und streng war der Königin Antlitz, doch in ihr loderten Kampfeslust und Schaffensdrang gleich flackernden Flammen, und dies neue Reich sah sie an als ein ihr geschenktes Feld, daran sich zu betätigen heiliger Ruf sei. Zu herben Tugenden, die rauheren Himmelsstrichen entstammen, wollte sie die neuen sorglosen Untertanen erziehen, bis ein ganzes Volk das Gepräge ihrer eigenen Willensstärke trüge, und sich die träge, stumpfe Masse in die Gesetze und Sitten fügte, die ihr selbst alter Glaube und graue Überlieferung als heilig lehrten. Während andere Nordländer in der tropischen Glut ermatteten, an den leichten Freuden des Daseins die stählerne Kraft vergeudeten und fremdes Siechtum entnervend sich durch ihre Adern schlich, war es, als ob die südliche Sonne in der Königin Herz an jedem neuen Morgen neue Feuer des Wollens entfache. Jeder einzelne Nerv in ihr schien zu erzittern, gespannt bis zu äußerstem Vermögen, als sollten ihre Kräfte sich ins Unendliche steigern, um auszureichen, wo die eines Andern versagten. Und diese Überreiztheit des Tatendranges war auch eine Form der verzehrenden Krankheit, die die Nordländer befällt, wenn sie, im ungleichen Kampfe gegen die geistlähmende tropische Sonne, eigenes Wesen behaupten wollen.

Noch nicht lange weilten der König und die Königin in ihrem neuen Reiche, doch schon waren Unzufriedenheit und Haß gegen die fremde Herrschaft erwacht, und es mehrte sich täglich die Kunde von Aufständen, die an verschiedenen Punkten der Insel ausgebrochen seien. Aus benachbarten freien Ländern, die alles königliche Regiment haßten, erhielten die Aufrührer schon heimliche Unterstützung, und es hieß, daß ihnen von dort bald offen Hilfe geleistet werden würde.

Eben jetzt saß der König in der Versammlung der Alten, zu beraten, was zu tun sei, um die dem neuen Throne drohende Gefahr abzuwenden. Stürmisch hatte die Königin verlangt, an dem Rate teilzunehmen, doch dies widersprach zu sehr den alten Gebräuchen des Landes, in dem die Frauen abgeschlossen ihr Dasein verträumten. Solche Sitten abzuändern, würde eine ihrer ersten Sorgen sein, dachte die Königin unwillig, während sie, umgeben von ihren Dienerinnen, in dem Garten harrte, daß der König käme, ihr zu verkünden, was beschlossen worden. Und sie beneidete ihn, daß er handeln konnte, während sie die eigene feurige Seele nur in der unbeachtetsten aller Künste, dem tatenlosen Warten, üben durfte.

Schwüler und beklemmender noch als sonst dünkte es die Königin heute in der Stille des alten Gartens, und gefolgt von den schwarzäugigen Mädchen, trat sie auf einen freien Altan am Ende der Allee blühender Mangobäume, zu sehen, ob dort vielleicht etwas frischere Luft wehe.

Von hier aus bot sich ein weiter Ausblick, und man gewahrte, daß der Garten, von Mauern gestützt, am Abhang eines Abgrundes lag. Jäh senkten sich die Felsen hinab in die Tiefe, doch das Dräuende der Lage war verhüllt durch zahllose Blumen, die in daseinsfroher Üppigkeit zwischen dem Gestein wucherten. Ganze Schleier weißer Sternenblüten hatte duftender Jasmin über die Klippen der schaurigen Schlucht gebreitet, und gleich blaßlila Schatten lagen Klematis an die Bergwände geschmiegt. Unter diesem Gewebe tropischer Ranken mit ihren vielfarbigen leuchtenden Blumen verschwanden die zackigen Spitzen und unheimlichen Klüfte, gleich furchtbarer Wahrheit hinter einem Netze süß betörender Lügen.

Von der Höhe des Altans schaute die Königin hinab in die Schlucht. Und weiter schweifte ihr Blick über das helle Grün wogender Zuckerrohrfelder tief unten in der Ebene und verlor sich im bläulichen Dunste, der den fernen Ozean verbarg. Das überreiche Naturleben um sie her, dies gedankenlose Keimen und Wuchern, wo immer nur sich ein Fleckchen Erde fand, um Wurzel zu fassen, diese Blüten, die aus totem Geäst noch Nahrung sogen oder an langen Fäden in der schwülen Luft hingen das alles empfand die Königin als ihrem Wesen heute ganz besonders fremd, und sie wehrte sich dagegen wie gegen etwas Feindliches, nicht wollend, daß der gefährliche Zauber dieser daseinstrunkenen Welt, der in tausend süßen Düften schmeichelnd zu ihr aufstieg, ihren Sinn betöre. Sie floh davor in das kühle Reich der eigenen Erwägungen. Absichtlich die Augen gegen die innerste Natur des Landes verschließend, sann sie grübelnd nach, wie des Königs Macht wohl zu befestigen wäre, auf daß sie beide ihre Bestimmung erfüllen könnten, mit ehernem nordischen Willen dies Volk zu höheren Zielen zu leiten.

Etwas abseits lehnten unter den blühenden Mangobäumen die schwarzäugigen Dienerinnen. Aus dem keimüberfüllten Boden schienen sie aufzusteigen wie die Pflanzen, seltsamen Blumen gleich, die sich zu bewegen vermöchten. Abhold waren sie allem Grübeln über der Menschen Bestimmung und Ziele, dehnten lässig die geschmeidigen Glieder, sahen, wie die ganze übervolle, lebenwollende Natur um sie her, Erfüllung des Geschickes nur in der ewig erneuernden Liebe. Anderes Sehnen kannten sie nicht.

Zuweilen schauten die Mädchen scheu nach der fremden Frau aus dem Norden, doch als sie gewahrten, daß diese, wie es oft geschah, sich in tiefes Sinnen verloren, begannen sie untereinander leise zu flüstern. Uralte Sagen des Landes erzählten sie sich, und alle handelten sie von der Liebe und von dem Tode.

An der Königin Ohr drangen die Laute, aber sie achtete ihrer anfänglich nicht und empfand den Klang der süßen, jugendlichen Stimmen nur wie eine leise wiegende Begleitung zu der stürmenden Melodie eigener Herzenstöne. Doch einige Worte, die sie deutlicher vernahm, drangen bis zu ihrem Bewußtsein, hielten die eilenden Gedanken gefangen. Sie lauschte und fragte dann: »Was redet Ihr, Mädchen?«

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Unter blühenden Mangobäumen
Autor
Jahr
2008
Seiten
26
Katalognummer
V119603
ISBN (eBook)
9783640226436
ISBN (Buch)
9783640227716
Dateigröße
812 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Unter, Mangobäumen
Arbeit zitieren
Elisabeth von Heyking (Autor:in), 2008, Unter blühenden Mangobäumen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119603

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