Verstehen, Nichtverstehen, Missverstehen - Verstehensprozesse bei verbaler Kommunikation im Rahmen der Relevanztheorie


Diplomarbeit, 2004

80 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Abstract

1 Einleitung: Wie verstehen wir, was wir verstehen?

2 Die Unterscheidung von Verstehensprozessen
2.1 Erfolgreiches Verstehen
2.2 Nicht erfolgreiches Verstehen
2.2.1 Nichtverstehen
2.2.2 Missverstehen und Missverständnisse

3 Verstehensprozesse im Modell
3.1 Der Verstehensprozess aus Sicht des Sprechers
3.2 Der Verstehensprozess aus Sicht des Hörers

4 Zum Verhältnis von Verstehen,MissverstehenundNichtverstehen
4.1 Verstehen und Nicht(s)verstehen: zwei Seiten der gleichen Medaille?
4.2 Missverstehen: Erscheinungsform von Verstehen oder eigenständiges Phänomen?

5 Einordnung der Fragestellung in den aktuellen Forschungsstand
5.1 Die Bedeutung der Sprechakttheorie (SAT) für die Erklärung von Verstehensprozessen
5.2 Die pragmatische Perspektive auf Prozesse des Verstehens
5.3 Verstehensprozesse aus relevanztheoretischer Sicht

6 Die Relevanztheorie (Sperber/Wilson 1986/1995)
6.1 Kommunikation im Modell: Code-Modelle und Inferenz-Modelle
6.1.1 Das semiotische Code-Modell und seine Grenzen
6.1.2 Das Modell ostentativ-inferentieller Kommmunikation .
6.1.2.1 Herbert P. Grice: Konversationsmaximen und Implikaturentheorie
6.1.2.2 Kritik an Grices Ideen
6.2 Die Relevanztheorie (RT)
6.2.1 Die verbale Äußerung als ostentativer Stimulus
6.2.2 Der Begriff der Relevanz
6.2.3 Die Rolle des Kontextes
6.2.4 Das Konzept der mutual manifestness of assumptions
6.2.5 Zusammenfassung am konkreten Beispiel
6.3 Gründe für das Misslingen einer Kommunikation aus Sicht der RT
6.3.1 Einschränkung der Relevanz .
6.3.1.1 Probleme bei der Etablierung eines mutual cognitive environment
6.3.2 Begrenzte Möglichkeiten bei Stimuluswahl und -gestaltung
6.3.2.1 Innere und äußere Zwänge
6.3.2.2 Mangelnde Sprachkompetenz
6.3.2.3 Lärmquellen
6.3.2.4 Negative psycho-physische Umstände

7 Schlussgedanke:

Verstehen: ein gradueller Prozess zwischen Gelingen und Misslingen?

Bibliografie

Verzeichnis der Internetquellen

Anhang: Glossar relevanztheoretischer Termini

"Keiner denkt bei dem Wort gerade und genau das, was der andre, und die noch so kleine Verschiedenheit zittert, wie ein Kreis im Wasser, durch die ganze Sprache fort".

(Humboldt 1836: CC).

"The complete process of understanding is [...] [at its best] characterized by the joke about the two psychoanalysts who meet on the street. One says, 'Good morning'; the other thinks, 'I wonder what he meant by that'."

(Pinker 1994: 230).

Abstract

In the present paper the following questions will be raised and discussed: What do we understand if we understand? How do we understand what we understand? And how do we manage to understand at all? Why do we sometimes fail to understand each other? Should misunderstandings be seen as avoidable exceptions in the process of understanding or are they a common place phenomenon? And who or what is to blame for their occurrence?

That is to say this paper is supposed to deal with the question whether understanding of verbal utterances can be considered as usual case or whether it is more likely for communication to fail. Accordingly it will be tried to answer how successful communication might come into being as well as how the occurrence of non-understanding and misunderstanding(s) could be explained.

This paper is divided into three parts. The first one captures the definitions of understanding, non-understanding and misunderstanding(s) as they are essential notions to the overall paper.

The second part is aimed to giving a focused overview over existing studies in the wide sphere of misunderstanding research.

The third part treats the relation between Grice's ideas and the Relevance-Theoretic-approach to communication.

In 1967 Herbert Paul Grice made an important contribution to modern pragmatics: Based on the observation that an utterance communicates much more information than just its semantic content, he established the fact that human communication is governed by general principles on the assumption of which the hearer is able to recover the implicated content of an utterance. But although Grice's basic ideas are very convincing, he has left many problems open for further elaboration. The Relevance Theory (RT) of Dan Sperber and Deirdre Wilson can be seen as having achieved this task by further developing Grice's basic ideas into a powerful explanatory model of communication and cognition.

After pointing out the impact of Grice's approach on RT, it will be shown how RT emerged out of a critical reassessment of Grice's ideas. As a result it should become clear how it exceeds Grice's rather sketchy model of communication and what benefits the RT-approach is able to provide for linguistic analysis concerning successful understanding of verbal utterances as well as the occurrence of communication failures such as non- and misunderstanding(s).

1 Einleitung: Wie verstehen wir, was wir verstehen?

Wie verstehen wir, was wir verstehen? Diese Frage betrifft das Kernstück von Kommunikation als Prozess der Informationsübertragung zwischen Sprecher (Sender) und Hörer (Empfänger) durch Kommunikationsmittel sprachlicher oder nichtsprachlicher Art.

Oft hört man in der Alltagskonversation Nachfragen unsicherer Sprecher der Art 'Verstehen Sie eigentlich, was ich meine?' oder Äußerungen wie 'Ich verstehe nicht, was Du meinst' von überforderten Zuhörern. Sich gegenseitig nicht zu verstehen oder misszuverstehen bedeutet eine Störung der Kommunikation zwischen den beteiligten Personen, die den Einsatz von Gesprächsreparaturmechanismen notwendig macht.

Erfolgreiches Kommunizieren - d.h., dass der Hörer nicht nur hört, was der Sprecher sagt, sondern auch versteht, was er damit meint (der eine Kommunikationspartner den anderen also versteht) - scheint folglich in der Praxis nicht so einfach zu sein, wie es die Theorie definiert.

Erfolgreiche Kommunikation gelingt oft, obwohl dies eigentlich unwahrscheinlich ist, da Sprecher und Hörer immer individuell unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen: so differieren z. B. linguistische und logische Kompetenz, sowie Welt- und enzyklopädisches Wissen, der Erfahrungshorizont, Ansichten etc. von Kommunikand zu Kommunikand. Aus diesem Grund ist erfolgreiche Kommunikation m.E. als erklärungsbedürftig anzusehen, denn der Erfolg stellt das Wunder dar, nicht der Misserfolg.

Grundsätzlich soll dieser Diplomarbeit die Annahme zugrunde liegen, dass es innerhalb verbaler Kommunikation kein hundertprozentiges Verstehen geben kann.

Für die meisten sprachlichen Handlungen innerhalb natürlicher Kommunikation kann zwar eine weitgehende Übereinstimmung zwischen dem vom Sprecher Gemeinten und dem auf Hörerseite Verstandenen angenommen werden. Wie groß diese Übereinstimmung ist und ob sie total sein kann, entzieht sich m.E. aber jeder sprachwissenschaftlichen Analyse.

Natürlich kann zwischen Menschen der Eindruck entstehen, dass sie einander 'gut verstehen', dass sie die 'gleiche Wellenlänge' haben, und das Ziel dieser Arbeit ist es keineswegs, solche Eindrücke zu relativieren. Es hat sich aber gezeigt, dass Verstehen nicht nachweisbar ist, weil Missverstehen nicht definitiv nachweisbar ist[1].

Warum bzw. auf welche Weise verstehen wir uns (glücklicherweise) trotzdem in der Mehrzahl der Fälle? Welches sind die Mechanismen auf sprachlicher und kognitiv-inferentieller Ebene, die gegenseitiges Verstehen ermöglichen? Welche Ursachen sind für das Auftreten von Missverständnissen verantwortlich?

Diese Fragen zu diskutieren stellt das Ziel der vorliegenden Diplomarbeit dar. Herangezogen werden sollen dabei vor allem die Sprechakttheorie nach John L. Austin (1976) und John R. Searle (1969) sowie die Implikaturen-Theorie von Herbert P. Grice (1967) und die Relevanztheorie von Dan Sperber und Deirdre Wilson (1986/1995).

2 Die Unterscheidung von Verstehensprozessen

Die Auseinandersetzung mit der Thematik des 'Verstehens' - im Sinne von erfolgreichem Kommunizieren - scheint zu Beginn des 21. Jahrhunderts so aktuell wie nie. Meist in Bezug auf die harmonische Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen ist die Problematik um gegenseitiges Verstehen populärwissenschaftlich aufgearbeitet Thema einer Vielzahl sogenannter Ratgeber- und Lebenshilfe-Bücher. Diese Tatsache lässt erkennen, dass Verstehen als Kommunikationsresultat keineswegs eine Selbstverständlichkeit darstellt.

"Zwar sind wir alle im Phänomen des Sprache-Habens uns der Tatsache bewußt, daß wir in der Sprache und mit ihr etwas meinen und etwas verstehen, aber wenn wir eine wissenschaftliche Klärung dessen suchen, was denn 'meinen' heißt, was denn 'verstehen' heißt und was das 'etwas' ist, das gemeint und verstanden wird - dann finden wir [...] ein zwar einheitliches terminologisches Begriffsgefüge, das aber den verschiedenen Aspekten des Phänomens keineswegs gerecht wird"[2].

Zu dieser Einschätzung kam Hörmann 1978. M.E. trifft sie auch heute noch zu; meist als Gegensatzpaar gehandelt, werden die Begriffe Meinen und Verstehen heute so unterschiedlich definiert und gebraucht, wie sie gleichzeitig grundlegend für die Definition von Kommunikation sind.

Auch dieser Arbeit liegt eine bestimmte Auffassung dieser beiden Begriffe zugrunde. Es handelt sich dabei zwar nicht um ein spezielles Verständnis von Kommunikation und ihren konstituierenden Faktoren, sondern durchaus um eine Vorstellung im Sinne gängiger Kommunikationsmodelle. Trotzdem erscheint es im Hinblick auf die Themenstellung der vorliegenden Arbeit notwendig, hauptsächlich den Begriff des Verstehens, wie er im Folgenden angenommen wird, zu diskutieren um ihn schließlich möglichst eindeutig definieren zu können.

Gleich zu Beginn soll deshalb eine Unterscheidung möglicher Verstehensprozesse vorgenommen werden. Dies ist für den Fokus der vorliegenden Arbeit nötig, da alle weiteren Ausführungen auf diesem Grundverständnis basieren werden.

2.1 Erfolgreiches Verstehen

Verbale Kommunikation[3][4] konstituiert sich, wie bereits erwähnt, aus zwei Faktoren: Meinen und Verstehen. Ein Sprecher meint etwas mit einer Äußerung, sein Zuhörer empfängt diese Äußerung und versteht das Gemeinte im Idealfall.

Verstehen stellt dabei m.E. den wesentlicheren Teil dar, da es für das Gelingen eines Kommunikationsprozesses ausschlaggebend ist.

Im Folgenden soll es daher nicht um die Frage gehen, ob ein Sprecher immer etwas meint mit dem, was er sagt; das Vorhandensein einer Sprecherintention wird unterstellt. Vielmehr steht die Frage im Mittelpunkt, wie ein Hörer dieses 'etwas' - das vom Sprecher Gemeinte - verstehen kann.

Verstehen ist die zu leistende Aufgabe des Hörers in einer Gesprächssituation. Es erfolgt nicht automatisch, sondern ist als (inter-)aktiver Prozess dem Risiko ständigen Scheiterns ausgeliefert.

Zentral für die Definition von Verstehen ist das Erschließen der Sprecherintention durch den Hörer. Die Intention ist gleichzusetzen mit dem Gemeinten, also mit dem, was der Sprecher dem Hörer mit Hilfe seiner Äußerung mitteilen möchte. Diese Mitteilung kann reinen Informationscharakter haben oder aber z.B. auch als Handlungsaufforderung an den Hörer formuliert sein[5]. Das Gemeinte ist gewissermaßen die 'Botschaft', die eine Äußerung kommunizieren soll.

Intentionen sind jedem Sprecher individuell zu eigen. Eine Intention zu haben, d.h. etwas meinen, stellt einen Vorgang jenseits der jeweiligen sprachlichen Äußerung dar und ist damit nicht mehr intersubjektiv zugänglich, wodurch sich das Erschließen der tatsächlichen Sprecherintention für den Hörer oft schwierig gestaltet.

Vom Gemeinten gilt es das Gesagte zu unterscheiden. In der Sprechakttheorie (SAT) nach Searle wird darunter der vom Sprecher vollzogene sprachliche Äußerungsakt an sich verstanden, also die lautliche Realisierung von Morphemen, Wörtern und Sätzen in grammatischer Wohlgeformtheit (oder nicht)[6].

Um aus dem Gesagten das Gemeinte erschließen zu können, ist für den Hörer das Erkennen der Sprecherintention nötig.

Zur Veranschaulichung mag das folgende Beispiel dienen:

Beispiel 1[7]: Kontext: Paul darf seinen Bus um 9.32 Uhr nicht

verpassen. Paula weiß das.

Paul fragt: "Wie spät ist es?"

Paula antwortet: "Du hast noch genau drei Minuten Zeit."

Paula konnte Pauls Äußerung erfolgreich, d.h. in seinem Sinne, verstehen, da sie in der Lage war (1) das Gesagte zu decodieren, (2) daraus das Gemeinte zu erschließen und (3) weil sie Pauls Intention kannte, d.h. konkret: Sie wusste, dass Paul nicht erfragen wollte, wieviel Uhr es ist, sondern, dass er wissen wollte, wieviel Zeit ihm noch bleibt bis sein Bus abfährt. Dem enstprechend hat Paula ihre Antwort gestaltet.

Wenn Verstehen also darin besteht, das Gemeinte zu erschließen, kann es m.E. bei verbaler Kommunikation kein hundertprozentiges Verstehen geben. Man kann nie zu 100 Prozent exakt wissen, was ein Gegenüber denkt, meint, fühlt etc. Deshalb wird das Erreichen dieser Höchstmarke von den Kommunizierenden zwar als Idealfall angestrebt und auch unterstellt, tatsächlich erreicht werden kann aber immer nur ein asymptotischer Näherungswert[8]. Zwischen Kommunikationspartnern sind also lediglich Näherungswerte bezüglich der Übereinstimmung von Gemeintem und Verstandenem möglich.

Dieser Gedanke rechtfertigt m.E. folgende Schlussfolgerung: Verstehen stellt eigentlich nicht das zu erwartende Ergebnis verbaler Interaktion dar, sondern eher die wundersame Ausnahme. Viel wahrscheinlicher würde dagegen ein höheres Maß an Missverstehen und Nichtverstehen in verbaler Kommunikation erscheinen.

Von Verstehen als Idealergebnis verbaler Interaktion, gilt es folglich zwei weitere mögliche Resultate abzugrenzen: Nichtverstehen und Missverstehen. Sie werden von den Interaktanten im Normalfall nicht angestrebt, die Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens liegt jedoch - aus den genannten Gründen - m.E. mindestens gleich hoch wie die des Auftretens von gegenseitigem Verstehen - wenn nicht höher.

2.2 Nicht erfolgreiches Verstehen

Der Ausdruck 'nicht erfolgreiches Verstehen' bezeichnet Formen misslungener Kommunikation, wie sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit angenommen werden. 'Nicht erfolgreiches Verstehen' fungiert damit als Überbegriff für Nicht- und Missverstehen (sowie Missverständnisse).

Grundsätzlich gilt: verbale Äußerungen sind niemals eindeutig, sondern immer ambig. Sie vermögen es aufgrund ihrer Code-Basiertheit sowie ihrer zwingenden Kontextgebundenheit niemals, eine Proposition von semantisch eindeutigem Gehalt zu transportieren. Der propositionale Gehalt, den eine verbale Äußerung zu transportieren vermag, wird immer lediglich eine Annäherung an das der Äußerung zugrundeliegende mental repräsentierte Konzept [9] beim Sprecher sein können.

Gründe dafür, warum Verstehensprozesse fehlschlagen können, sind also - vereinfacht gesagt - oftmals Probleme des Hörers bei der Entschlüsselung der semantischen Information, die eine Äußerung im Sinne des Sprechers transportieren soll[10].

Doch nicht nur Probleme bei Disambiguierungs- und Anreicherungsprozessen können zum Misslingen einer Kommunikation führen. Dies kann ebenso durch Schwierigkeiten bei der Identifikation des pragmatischen Gehalts der Äußerung entstehen. So können z.B. Fehler bei der Identifikation des Sprechakttypus' oder auch bei der Herausarbeitung von Implikaturen das erfolgreiche Verstehen einer Äußerung beeinträchtigen.

Inwiefern sich das Misslingen einer Kommunikation letztendlich in Nichtverstehen oder in Missverstehen auf Seiten des Hörers ausdrückt, ist m.E. abhängig von Ausmaß, Zeitpunkt und Dauer der Entschlüsselungsprobleme auf Hörerseite[11].

2.2.1 Nichtverstehen

Sich nicht zu verstehen bezeichnet eine Kommunikationsstörung zwischen Sprecher und Hörer. Der Hörer erkennt diese sofort, da er der Äußerung des Sprechers nicht folgen kann, d.h. keine plausiblen Schlüsse aus dem Gesagten ziehen kann. Auf Nichtverstehen folgt meist eine sofortige Rückfrage von Seiten des Hörers, um die Kommunikationsstörung möglichst auf der Stelle zu beheben.

Ist diese Rückfrage gerichtet, d.h. bezieht sie sich auf bestimmte inhaltliche Aspekte in der Äußerung des Sprechers, so muss sich der Hörer zuvor - zumindest für kurze Zeit - auf eine (womöglich falsche) Interpretationsmöglichkeit festgelegt haben, derer er sich aber nicht sicher sein konnte (weshalb die Rückfrage erfolgt). Ein gewisses Maß an Verstehen muss auf Seiten des Hörers also vorgelegen haben, damit er eine gerichtete Rückfrage stellen kann[12].

Beispiel 2: Paula sagt: "Ich habe Max für morgen zum Abendessen

eingeladen."

Paul antwortet: "In Ordnung. Aber wer ist Max?"

Paul konnte dem Namen 'Max' keinen außersprachlichen Referenten zuordnen; deshalb hat er gerichtet, d.h. konkret bezüglich 'Max' nachgefragt. Den Gehalt der restlichen Aussage, nämlich dass morgen Abend eine Person zu Besuch kommen wird, die 'Max' heißt, deshalb wahrscheinlich männlich ist und mit Paula und ihm gemeinsam essen wird, hat Paul offenbar verstanden. Dies ist m.E. ein Fall von partiellem Nichtverstehen, da Paul ein notwendiger Bestandteil zum Verstehen der gesamten Äußerung fehlt.

Bei komplettem Nichtverstehen ist die Rückfrage gänzlich ungerichtet[13], d.h. sie weist keinerlei Bezug zum Inhalt der Äußerung auf, da der Hörer gar nichts verstanden hat (akustisch oder bezüglich eventueller Sinnzusammenhänge)[14]. Diese Fälle, in denen der Hörer buchstäblich gar nichts versteht, d.h., dass er überhaupt keine sinnergebenden Schlüsse aus der Äußerung des Sprechers ziehen kann - auch keine falschen - könnte man als Nicht s verstehen - im Sinne eines gänzlichen Scheiterns der Kommunikation (complete communicative breakdown[15] ) - bezeichnen, um es vom Phänomen des Nichtverstehens - im Sinne einer teilweise gescheiterten Kommunikation - zu unterscheiden.

Gänzlich ungerichtet wäre z.B. in Bezug auf Beispiel 2 die folgende Rückfrage von Paul: "Wie bitte?? Was meinst Du damit? Ich verstehe kein Wort."

In diesem Fall hätte Paul nicht nur ein Referenzproblem mit 'Max' artikuliert, sondern zu erkennen gegeben, dass er die Bedeutung von Paulas Äußerung als Ganzes nicht erfasst hat.

2.2.2 Missverstehen und Missverständnisse

Missverstehen spiegelt Verstehen vor, d.h. die Kommunikationspartner gehen solange davon aus, dass sie sich verstehen, bis einer ein einzelnes isolierbares Missverständnis erkennt. Missverstehen als solches (als längerer Prozess des Aneinandervorbeiredens) kann nur im Nachhinein erkannt werden. Erst durch die Feststellung eines Missverständnisses kann die Misskommunikation repariert werden. Sprecher und Hörer bemerken nicht, dass Missverstehen vorliegt, da sie - bis zum Erkennen eines konkreten Missverständnisses - von vermeintlichem Verstehen ausgehen. "Ein Mißverständnis ist ein Fall von Mißverstehen, der von mindestens einer oder einem Beteiligten zu irgendeinem Zeitpunkt bemerkt wird"[16].

Fälle von Missverstehen (und speziell Missverständnissen) bleiben als Störungen im Verstehensprozess zwischen Sprecher und Hörer oftmals unerkannt und werden erst im weiteren Gesprächsverlauf deutlich, sobald die Beiträge der Kommunikationspartner so weit auseinanderlaufen, dass sie nicht mehr von einer gemeinsamen Basis, d.h. den gleichen, oder zumindest ähnlichen, Annahmen und Erwartungen, ausgehen (Aneinandervorbeireden). Der Zustand des Missverstehens kann auch bestehen bleiben, wenn die Kommunikationspartner trotzdem weiter davon ausgehen, sich auf einer - wenn auch vermeintlichen - gemeinsamen Ebene zu bewegen.

Missverstehen, das während einer Kommunikation auftritt und nicht bemerkt wird, bleibt als Verstehen im Bewusstsein der Beteiligten. Das ist immer dann der Fall, wenn das 'Funktionieren' der Kommunikation im praktischen Sinn nicht beeinträchtigt ist, wenn sich also die Folgen, die sich in der jeweiligen Perspektive der Beteiligten aus dem Gemeinten und dem Verstandenen ergeben, nicht so stark voneinander unterscheiden, dass sich aufgrund dessen das Missverstehen manifestiert.

Diese Tatsache unterscheidet Missverstehen eindeutig von Nichtverstehen. Nichtverstehen (wie auch Nicht s verstehen) wird von Hörerseite sofort bemerkt, hat eine Rückfrage zur unmittelbaren Folge und kann dadurch eventuell sofort behoben werden.

Missverstehen und Missverständnisse wiederum stehen in einem Hyponomie-Verhältnis zueinander, d.h. in einem Über- / Unterordnungsverhältnis, wobei Missverstehen dem Missverständnis übergeordnet ist. "Jedes Mißverständnis ist ein Fall, in dem sich Mißverstehen manifestiert, aber nicht jedes Mißverstehen manifestiert sich in einem Mißverständnis"[17].

Weiter müssen sich die Gesprächsbeteiligten der kommunikativen Störung, d.h. der Tatsache, dass ein Missverständnis vorliegt, bewusst werden und versuchen, es gemeinsam zu lösen. Dieser Aushandlungsprozess erfordert von den Beteiligten ein hohes Maß an Sensibilität und Fingerspitzengefühl, weil er sich auch auf der Beziehungsebene abspielt.

"Mißverständnisse können zu Situationen führen, in denen die Beteiligten mit der Notwendigkeit sehr viel komplizierterer - auch metasprachlicher - kommunikativer Handlungen konfrontiert werden, als dies aufgrund ihrer Beziehungen normalerweise zu erwarten wäre. [...] Als 'social activity' in dieser Perspektive rückt das Mißverständnis weg vom kommunikativen 'Unfall' und in die Nähe anderer komplexer, face -relevanter Aktivitäten"[18].

Somit sollte ein Missverständnis nicht nur als 'Unfall' innerhalb eines Verstehensprozesses betrachtet werden; es besitzt vielmehr auch einen Eigenwert als komplexer sozialer Vorgang.

3 Verstehensprozesse im Modell

Für das Gelingen einer Kommunikation sind alle Beteiligten gleichermaßen verantwortlich. Es gilt das Grice'sche Prinzip der Kooperation[19], das - weil automatisch wirksam - die Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg einer Kommunikation immer zu einer Sache in beiderseitiger Verantwortung macht.

Mit jedem Sprecherwechsel ändert sich die Rollenverteilung innerhalb eines Gesprächs; die Kommunikationspartner schlüpfen ständig von der Sprecher- in die Rolle des Zuhörers und umgekehrt. Aus diesem Prinzip der Dialogizität ergibt sich in der Konsequenz, dass Kommunizieren (verbal wie nonverbal) grundsätzlich als ein dynamisches und interaktives Konstrukt basierend auf dem Wechsel von Aktion und Reaktion zu begreifen ist[20].

Miteinander zu kommunizieren bedeutet also einen ständigen Aushandlungsprozess zwischen der eigenen Position und der des Gegenübers. Jedes Gespräch ist deshalb durch sogenanntes local management gekennzeichnet, d.h. Sprecher und Hörer befinden sich in einem dauernden Annäherungsprozess, der Schritt für Schritt erfolgt, von Nachfragen geprägt ist und somit ständigen Ratifizierungen unterliegt. Das angestrebte Endziel - gegenseitiges Verstehen - kann aufgrund dessen lediglich asymptotischen Charakter tragen. Unter realen Gesprächsbedingungen gilt deshalb: Fast-Verstehen = Verstehen.

Sprechen und Hören - bzw. Wahrnehmen im allgemeinen - sind nicht als getrennt voneinander ablaufende Einzelprozesse innerhalb eines Gesprächs zu betrachten, sondern als nacheinander geschaltete, sich gegenseitig beeinflussende Einheiten, die in doppelter Weise eng miteinander verknüpft sind: sowohl bezüglich der beteiligten Personen, die aufgrund des ständigen dialogischen Wechsels permanent von der Hörer- in die Sprecherrolle schlüpfen und umgekehrt[21], als auch bezüglich des Gesamtgesprächsgeschehens; jede Äußerung bedingt die ihr nachfolgende(n).

Um einen Einblick in den Prozess des Verstehens gewinnen zu können, ist es m.E. jedoch sinnvoll, dieses Wechselspiel aufzubrechen und eine einzelne Äußerung aus einem Dialoggeschehen herauszugreifen um den vom Hörer zu leistenden Vorgang des Verstehens exemplarisch analysieren zu können.

Durch die Isolierung einer einzelnen Äußerung werden zwar Dynamik und Interaktivität eines Dialoggeschehens außen vor gelassen; eine solche Trennung in Sprecher und Hörer ist m.E. jedoch zum Zweck der Analyse vertretbar und sogar sinnvoll[22].

Die Äußerung sowie die Sprecher- und Hörerrolle werden aufgrund dieser Betrachtungsweise im Folgenden als mehr oder weniger unabhängige Parameter behandelt. Auf diese Weise wird potentiellen Schwierigkeiten, die bei der Analyse eines komplexen Dialoggeschehens entstehen könnten, vorgebeugt. Grundlage der folgenden Überlegungen wird also gewissermaßen immer eine Momentaufnahme aus einem Gesprächsgeschehen sein.

Der Verstehensprozess wird sowohl aus der Sicht des Sprechers als auch aus der Sicht des Hörers beleuchtet werden. Dazu erfolgt eine perspektivische Aufteilung in ein Sprecher- und ein Hörer-Modell, die den Prozess des Verstehens einer Äußerung in seinen möglichen Ausprägungen aus der jeweiligen Sichtweise veranschaulichen sollen. Ausgangspunkt beider Modelle ist jeweils eine in den Raum gestellte Äußerung, im Sinne eines unabhängigen akustischen Reizes.

3.1 Der Verstehensprozess aus Sicht des Sprechers

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 1: Modell des Verstehensprozesses aus Sicht des Sprechers

Die Person in der Rolle des Sprechers stellt sich die Frage: "(Wie) Werde ich von meinem Zuhörer verstanden?".

Da der Prozess des Verstehens Aufgabe desjenigen ist, der sich in der Hörerrolle befindet, hat dieser Prozess als solcher keine Bedeutung für den Sprecher. Seinen Beitrag zum Gelingen der Kommunikation leistet ein Sprecher mit dem Aussprechen der Äußerung. Für ihn ist deshalb nur das Ergebnis dieses Prozesses wichtig, d.h., ob der Hörer die Intention seiner Äußerung erkennt oder nicht.

Aus der Perspektive des Sprechers gestaltet sich der Verstehensprozess m.E. folgendermaßen:

Der Empfänger seiner Äußerung wird diese entweder verstehen, missverstehen oder nicht verstehen. Aus Sprechersicht ist allein ausschlaggebend, ob die Intention seiner Äußerung im Ergebnis vom Hörer vollständig, nur teilweise oder überhaupt nicht erkannt wird; letzteres würde Nichtverstehen bzw. sogar absolutes Nicht s verstehen bedeuten.

Erfolgreiches Verstehen ist gleichzusetzen mit Verstehen im herkömmlichen Sinn, d.h., dass eine Äußerung vom Hörer tatsächlich so aufgefasst wird, wie sie vom Sprecher gemeint war. Fühlt sich ein Sprecher erfolgreich verstanden, so bedeutet dies, dass die Intention seiner Äußerung vom Hörer erkannt wurde und die Kommunikation somit als gelungen zu bezeichnen ist.

Fühlt sich ein Sprecher dagegen nicht erfolgreich verstanden, d.h., dass er seine Äußerung von seinem Gegenüber nicht in seinem Sinne aufgefasst sieht, liegt es in seiner Verantwortung in den Verstehensprozess des Hörers zu intervenieren um ein drohendes Scheitern der Kommunikation zu verhindern.

Die Erkenntnis nicht in seinem Sinne verstanden zu werden, kann sich einem Sprecher also auf unterschiedliche Weise manifestieren: Er kann sich entweder überhaupt nicht oder missverstanden fühlen.

Ersteres ist aus Sicht des Sprechers einem Scheitern der Kommunikation gleichzusetzen, denn die Intention, die er dem Hörer mit seiner Äußerung übermitteln wollte, wurde von diesem nicht erkannt.

Mit der Erkenntnis, dass ein Missverständnis vorliegt, deckt ein Sprecher immer eine längere Phase von Missverstehen seitens des Hörers auf, denn das sich konkret manifestierende Missverständnis ist immer nur als Resultat einer vorangegangenen Missverstehensphase zu betrachten. In dieser Phase hat der Hörer auf der Suche nach der Sprecherintention einen falschen Weg eingeschlagen. Dem Sprecher ist dies zu irgendeinem Zeitpunkt aufgefallen - da ein einzelnes Missverständnis konkret offensichtlich wurde - und es liegt nun wieder in seiner Hand, die Kommunikation vor dem Scheitern zu bewahren, indem er seine Erkenntnis artikuliert und damit den Hörer bei seinem Fortschreiten auf dem falschen Weg aufzuhalten.

3.2 Der Verstehensprozess aus Sicht des Hörers

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 2: Modell des Verstehensprozesses aus Sicht des Hörers

Für die Person des Zuhörers steht die Frage "Verstehe ich die Äußerung?" im Mittelpunkt, da neben dem Zuhören das Verstehen ihre hauptsächliche Aufgabe darstellt. Dadurch nimmt der Hörer den Prozess des Verstehens anders wahr als der Sprecher; für ihn spielt der Prozess als solcher die zentrale Rolle. Durch die Anwendung von Decodierungs- und Inferenztechniken versucht er die Sprecherintention in einer Äußerung ausfindig zu machen.

Dieser Erschließungsprozess verläuft schrittweise, so dass der Prozesscharakter des Verstehens für den Hörer spürbar wird. Ob sich ihm als Ergebnis dieses Prozesses tatsächlich die vom Sprecher intendierte Bedeutung der Äußerung erschließt und er die Äußerung somit aus Sprechersicht verstanden hat, ist für die Erfüllung seiner Funktion zweitrangig. (nichtsdestotrotz wird er als Gesprächsteilnehmer grundsätzlich bestrebt sein, die Intention des Sprechers zu erschließen, da für ihn ebenfalls das Gelingen der Kommunikation im Vordergrund steht).

Aus Hörer-Perspektive kann der Prozess des Verstehens m.E. folgende Wege nehmen: Als Empfänger einer Äußerung wird der Hörer diese grundsätzlich entweder verstehen oder nicht verstehen. Zu der Erkenntnis, ob er sie im Sinne des Sprechers erfolgreich oder nicht erfolgreich verstanden hat, ist der Hörer zu Beginn des Verstehensprozesses nicht fähig. Für ihn zählt zunächst lediglich, ob er einen Erschließungsprozess in Gang setzen kann oder nicht.

Ist es ihm nicht möglich, einen solchen Prozess überhaupt zu initiieren, liegt von vornherein absolutes Nicht s verstehen seitens des Hörers vor. Er wird dies im Normalfall dem Sprecher zu erkennen geben, damit beide gemeinsam einen neuen Versuch starten können um doch noch ein Gelingen der Kommunikation herbeizuführen.

Findet er nach der Decodierung der sprachlichen Information genügend Anhaltspunkte, die, in Kombination mit seinem Vorwissen und den ihm zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Kontexten im weitesten Sinne, das Starten eines Inferenzprozesses sinnvoll erscheinen lassen, so wird er dies tun. Überschneidet sich seine Auswahl an verfügbaren Kontexten ausreichend mit der des Sprechers, wird es ihm gelingen, die Sprecherintention ausfindig zu machen. Das Verstehen ist dann tatsächlich erfolgt und die Kommunikation kann als geglückt bezeichnet werden.

Ein Inferenzprozess kann jedoch genauso eine falsche, d.h. nicht die vom Sprecher gewollte, Intention hervorbringen. Solange dies von keinem der Kommunikationspartner bemerkt wird, gehen beide davon aus, sich vermeintlich zu verstehen. Diese Phase des Missverstehens wird erst durch die Manifestation eines einzeln isolierbaren Missverständnisses beendet. Erst dann wird klar, dass der Hörer die tatsächliche Intention der Äußerung nicht erkannt hat.

4 Zum Verhältnis von Verstehen, Missverstehen und Nichtverstehen

Unter Punkt 2 wurde zwischen erfolgreich verlaufenden und nicht erfolgreich verlaufenden Verstehensprozessen unterschieden. Dies diente dem Versuch Verstehen, Nichtverstehen und Missverstehen als Einzelphänomene begreiflich zu machen und zu erläutern.

Unter Punkt 4 soll nun eine Betrachtung der Relation, in der diese möglichen Resultate von Kommunikation jeweils zueinander stehen, erfolgen.

Zunächst soll diskutiert werden, ob Verstehen (im Sinne eines erfolgreich verlaufenden Verstehensprozesses) und Nicht(s)verstehen in einem antagonistischen Verhältnis stehen, oder ob es sich dabei vielmehr um unterschiedliche Ausprägungen ein- und desselben Phänomens, nämlich Verstehen (im Sinne eines allgemeinen Gegensatzes zu Meinen[23]), handelt.

Anschließend soll versucht werden, das Phänomen Missverstehen innerhalb des in der vorliegenden Arbeit angenommenen Spektrums möglicher Resultate eines Verstehensprozesses zu positionieren.

4.1 Verstehen und Nicht(s)verstehen: zwei Seiten der gleichen Medaille?

Der große europäische Sprachdenker Wilhelm von Humboldt war der Ansicht, dass jedes Verstehen"immer zugleich ein Nicht-Verstehen, alle Uebereinstimmung [sic!] in Gedanken und Gefühlen zugleich ein Auseinandergehen"[24] darstellt.

Diese Vorstellung vom Verhältnis zwischen Verstehen und Nicht(s)verstehen impliziert das Bild von zwei sich gegenseitig bedingenden Seiten einer Medaille. Auf die gleiche Weise wie Vorder- und Rückseite einer solchen Münze untrennbar zusammenhängen, könnte man Nicht(s)verstehen als konstituierenden Gegenprozess zu Verstehen ansehen, wobei gelten würde: Das eine kann nicht ohne das andere existieren.

Doch dieses Bild hinkt m.E. insofern, als dass es Verstehen und Nicht(s)verstehen einander absolut gegenüberstellt und damit keine Zwischenformen zulässt. Gemäß der dieser Diplomarbeit zugrunde gelegten Prämisse, dass es hundertprozentiges Verstehen nicht geben kann, müssen jedoch relative Abstufungen zwischen Verstehen und Nicht(s)verstehen möglich sein.

Die bei realer Kommunikation bezüglich der Übereinstimmung von Gemeintem und Verstandenem lediglich erreichbaren Näherungswerte zu hundertprozentigem Verstehen erfordern ein weniger symmetrisches Verständnis von der Relation zwischen Verstehen und Nicht(s)verstehen: "There is an existing asymmetry between successful and unsuccessful communication. Both are probably not sides of the same coin"[25].

Das bedeutet, dass im Rahmen dieser Arbeit Verstehen und Nicht(s)verstehen nicht als zwei Seiten ein- und derselben Medaille betrachtet werden. Grundlage der folgenden Überlegungen bildet vielmehr die Annahme, dass es sich bei diesen möglichen Kommunikationsresultaten nicht um direkte Gegensätze, sondern um die verschiedenen Ausprägungsgrade der Übereinstimmung von Gemeintem und Verstandenem handelt.

[...]


[1] vgl. die Untersuchung von Falkner 1997.

[2] Hörmann 1978: 9 - 10.

[3] Diese Formulierung ist gleichbedeutend mit Verstehen im herkömmlichen Sinn; die Attribuierung erfolgt hier und im Folgenden lediglich zur begrifflichen Vereinheitlichung in der Gegenüberstellung mit dem Ausdruck nicht erfolgreiches Verstehen.

[4] Dies gilt selbstverständlich in gleichem Maße für nonverbale Kommunikation.

[5] Die geforderte Handlung muss vom Hörer keineswegs tatsächlich ausgeführt werden, damit man von Verstehen sprechen kann; er muss sie lediglich "gedanklich erfaßt" haben (Dobrick 1985: 56).

[6] vgl. Searle 1969: 40 ff.

[7] Soweit nicht anders vermerkt sind die Beispiele der vorliegenden Arbeit von mir frei erfunden und in vitro konstruiert.

[8] vgl. Falkner 1997: 2.

[9] bzgl. des Begriffs 'mental concept' vgl. Sperber / Wilson 1997.

[10] Probleme können z.B. entstehen durch ambige Referenzen in der außersprachlichen Wirklichkeit, die Vagheit einzelner Ausdrücke, die Ambiguität eines ganzen Satzes etc.

[11] vgl. Falkner 1997: 174 ff.

[12] vgl. Falkner 1997: 168.

[13] vgl. Falkner 1997: 164.

[14] vgl. Falkner 1997: 168.

[15] Rein intuitiv beurteilt scheint sich im Rahmen alltagssprachlicher Kommunikation nicht allzu oft ein complete communicative breakdown zu ereignen; man ist schließlich im Normalfall bestrebt sich zu verstehen. M.E. kommt es jedoch häufiger zu derartigen 'kommunikativen Komplett-Fehlschlägen' als es ins Bewusstsein der beteiligten Kommunikanden tritt.

[16] Falkner 1997: 178.

[17] Falkner 1997: 2.

[18] Falkner 1997: 5; Hervorhebungen im Original.

[19] vgl. Punkt 6.1.2.1, S. 37 der vorliegenden Arbeit.

[20] Tzanne legt in ihrer Arbeit über miscommunication sehr großen Wert auf diese Tatsache: "in general terms, the creation and development of miscommunication in discourse relate closely to the dynamic nature in which talk-in-interaction proceeds. [...] miscommunication does not consist of a set of isolated turns or stages, but [...] constitutes a process of interrelated steps, shaped dynamically as a series of participants' choices in the course of an exchange" (Tzanne 2000: 234; Hervorhebung im Original).

[21] Humphreys-Jones lehnt deshalb diese Unterscheidung ab: "The apparent dichotomy between the two is by no means straightforward because the roles are reversed when the initial hearer produces an utterance in response to the initial speaker's utterance; the initial speaker then becomes a hearer while

the initial hearer becomes a speaker". Sie schlägt vor, die Kommunikationspartner als "speaker-hearers" zu bezeichnen, anstatt von Sprechern auf der einen und Hörern auf der anderen Seite zu reden (Humphreys-Jones 1986: 106).

[22] Zur Veranschaulichung dieser Position ein Beispiel aus dem Bereich des Sports: Ein Fußball legt auf seinem Weg ins gegnerische Tor verschiedene Stationen zurück; aus der Gesamtheit aller Ballwechsel entsteht die Dynamik eines Fußballspiels. Damit eine Mannschaft viele Tore erzielen kann, ist u. a. ein gutes Zusammenspiel zwischen den Feldspielern nötig. Um nun das Zustandekommen eines einzelnen Tores nachzuvollziehen, ist es wenig aussagekräftig, das Zusammenspiel eines Teams während des gesamten Matches zu betrachten. Aussagekräftig sind lediglich die konkreten Spielzüge, die dem Torschuss vorausgegangen sind. Es ist also sinnvoll, einzelne Ballwechsel - nämlich die entscheidenden - aus dem 90-minütigen Zusammenspiel einer Mannschaft herauszugreifen und diese isoliert vom restlichen Geschehen zu analysieren.

[23] Verstehen - im Sinne eines Gegensatz zu Meinen - besitzt den Status einer den Kategorien erfolgreich und nicht erfolgreich Verstehen übergeordneten Kategorie, und beinhaltet selbst somit keine Aussage über Erfolg oder Misserfolg eines Verstehensprozesses.

[24] Humboldt 1985: 159.

[25] Unger, Christoph, e-mail vom 02.06.2003, Diskussionsbeitrag zur RT-mailing list: relevance@linguistics.ucl.ac.uk.

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Verstehen, Nichtverstehen, Missverstehen - Verstehensprozesse bei verbaler Kommunikation im Rahmen der Relevanztheorie
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Note
1,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
80
Katalognummer
V117988
ISBN (eBook)
9783640209217
ISBN (Buch)
9783640209781
Dateigröße
733 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verstehen, Nichtverstehen, Missverstehen, Verstehensprozesse, Kommunikation, Rahmen, Relevanztheorie
Arbeit zitieren
Sabine Braun (Autor:in), 2004, Verstehen, Nichtverstehen, Missverstehen - Verstehensprozesse bei verbaler Kommunikation im Rahmen der Relevanztheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117988

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