Gewalt in den Medien

Gewaltdarstellung und ihre Kommentierung in Nachrichten und Talkshows im Kontrast zu PC-Spielen und Filmen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1. 1 Realitäten und Medialitäten

2. Gewalt im TV – die Formen und Präsentationen

3. Konkrete Fallbeispiele
3.1 Oskar Lafontaine zu Gast bei „Menschen bei Maischberger“

4. Die Bedeutung von Gewalt in den Medien

5. Selbstaussagen unterschiedlicher Medienformate:
5.1 Film Gladiator:
5.2 PC-Spiel Halflife II:
5.3 Sandra Maischberger:
5.4 Tagesschau.de

6. Fazit

7. Literatur

1. Einleitung

1. 1 Realitäten und Medialitäten

Keppler schreibt den elektronischen Medien nicht die Macht zu, komplette Realitäten zu konstruieren - wie manche behaupten oder gar befürchten[1], vielmehr hätten Medien die Macht, Zugänge zu Wirklichkeiten zu öffnen[2]. Der Zuschauer erlebt durch die Berichte der (und Darstellungen in den) modernen Medien Ausschnitte der Realität, die sonst nicht in dem Maße und in der Bandbreite erfahren könnte. Demnach stellen sie eine von mehreren Möglichkeiten „ der Gewinnung sozialer und kultureller Wirklichkeit dar[3].

Tatsächlich erfahren die durch den Fernseher in unser Wohnzimmer gesendeten Realitäten stets eine Reihe von Selektionen und Transformationen durch die Medien, die der Zuschauer nicht wissen oder zumindest nicht beeinflussen kann: Die Auswahl der Themen, das ausschnitthafte Präsentieren und Weglassen von Details, ist ebenso manipulativ wie wertend, dazu kommen direkte oder versteckte Kommentierungen sowie die Vermischung von realen mit fiktionalen Erzählanteilen zu ‚Geschichten über die Welt’, wo der Zuschauer ‚Geschichten aus der Welt’ erwartet.

Keppler stellt die Frage, inwiefern „das Fernsehen in der Vielfalt seiner Programme die historische, soziale und kulturelle Gegenwart konturiert“[4]. Im Zuge dessen stellt Keppler eine Theorie des Fernsehens auf und zieht hierfür exemplarisch die mediale Darstellung von Gewalt heran. Damit berührt sie einen Themenbereich, der aktueller nicht sein könnte. Die derzeitige europaweite Debatte um das Verbot von ‚Killerspielen’[5] und die bisher ebenso unbefriedigend wie kontrovers beantwortete Frage nach dem Einfluss von Gewaltpräsentation in Spielen, Medien und Popkultur auf das Verhalten ihrer Konsumenten sind Teile einer größeren medienkritischen Diskussion. Kritik kann nicht nur an der Präsentation geübt, sondern auch an der Ausübung von Gewalt durch Medien. In einem weiteren Rahmen sind Beispiele hierfür die Attacken vieler Intellektueller und Journalisten auf die stark kampagnen-orientierte BILD-Zeitung[6] oder die Aufregungen über den Kommunikationsstil von Talk-Moderatoren wie Michel Friedman und Sandra Maischberger[7].

Es gab in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte in der Entwicklung der Darstellungstechnologien. Als Beispiele seien hier inzwischen teils beinahe photorealistische Videospiele genannt, wie das durch den Amoklauf in Erlangen bekannt gewordene „Counterstrike“, als eines der ältesten 3d-Ego-Shooter: „Doom“[8] – inzwischen in der dritten Episode und für das Kino verfilmt, wie auch das Computerspiel „Resident Evil“[9] mit Milla Jovovitsch in der Hauptrolle; der Deutsche Til Schweiger spielt eine Hauptrolle im aktuell anlaufenden Film „Far Cry“, der auf dem gleichnamigen PC-Ego-Shooter basiert[10]. Dazu die eher friedlichen Spiele „Myst“[11], „Die Sims“[12] und „Second Life“[13], bei dem weniger von einem Spiel zu spchen ist als von einer Community[14].

Der Spieler erlebt sie in der Ich-Perspektive und für deren wirklichkeitsnahe Effekte wird immer aufwändigere Software programmiert, auch die Hardware muss Jahr für Jahr leistungsfähiger werden. Diese realistischen Effekte sind vor allem Lichteinfall, Texturen (Oberflächenstrukturen) und Bewegungsabläufe. Immer mehr Gegenstände im Spiel bekommen daher spezifische dreidimensionale Ausmaße, ein eigenes virtuelles Gewicht samt Schwerpunkt und Materialeigenschaften zugewiesen, so dass zum Beispiel ein Computergegner, der mit der genretypischen Schrotflinte erschossen wurde, eine realistisch anmutende Flugbahn – einen physikalisch nachvollziehbaren Weg zurücklegt – quasi ballistisch. Seine Leiche landet dann zum Beispiel über einem Sofarücken hängend dergestalt, dass sein Körper, seine Arme und Beine eine scheinbar zufällige Positionen einnehmen, ganz wie Leichen auch im realen Leben fallen würden. Texturen, die wie Holz, Metall oder Haut anmuten, werden über animierte, mit virtuellen Muskeln ausgestattete Gesichter gelegt und machen so die Charaktere in den Spielen dem Menschen immer ähnlicher[15]. Der Spieler erfährt somit die Spielwelt dermaßen realistisch, dass sein Gehirn die Grenzen zwischen PC-Wirklichkeit und „Real Life“ zeitweise verwischt[16].

Nun stehen die meisten dieser Spiele gleichzeitig in einem eindeutigen Gewalt-Kontext und fügen der oben beschriebenen Realistik eine gewisse Machtkompetente hinzu – meist ist der Spieler wenn nicht eine komplette Fantasie-Figur (Elf, Ork, Zwerg), so etwas wie ein perfekter Krieger, ein Geheimagent oder schlicht ein professioneller Mörder. Computerspiele scheinen demnach am besten geeignet, sich als Spieler in die (in unserem Falle gewaltorientierte) Scheinwelt hineinzuversetzen. Beinahe Sinne werden angesprochen: Modernes Spielgerät vermittelt nicht nur Optik und Klang, sondern längst auch Stöße und Erschütterungen über spezielle Anzüge oder einfach indem das Steuergerät (Joystick oder Lenkrad zum Beispiel) vibriert. Allerdings ist bei der Untersuchung von Gewalt in PC-Spielen zu bedenken, dass Brancheninformationen zufolge 90 bis 95 % aller hergestellten Spiele keinen Gewaltfokus haben, allein ungefähr die Hälfte aller Spiele ist im weitesten Sinne als Puzzle-Spiel zu bezeichnen[17].

Im Bereich der Nachrichtenmedien sind die Entwicklungen das Bluescreenverfahren, wodurch der Korrespondent vor der Kulisse des eingeblendeten Bagdads erscheint, obwohl er sich in Wahrheit in einem sicheren Hotel außerhalb Iraks befindet, sowie Internet-Technologien wie Flash, was die Nachrichtenform multimedialer Kurzclips mit Bewegtbild und Ton auf zum Beispiel Spiegel-Online populär gemacht hat[18]:

Die berechtigte Frage ist, ob die Mischung von zunehmender Realistik und Machterfahrungen als „Held“ nicht mit der Zeit Konsumenten zu Imitatoren heranzieht. Und es stellt sich die Frage danach, ob es die technologischen und dramaturgischen Fortschritte der Spiele in Punkto realitätsnaher Darstellung sind, die uns an das Gesehene glauben lassen, selbst wenn sie rein Fiktionales darstellen[19]. Der Trend geht bei den jungen Jahrgängen allerdings in Richtung Webkonsum zu Lasten des Fernsehkonsums. Dies könnte ein steigendes Interesse an Interaktivität im Gegensatz zur Starrheit des Mediums Film belegen.

Ein Beispiel für fortgeschrittene Verschränkung von Nachrichten und PC-Spiel bei gleichzeitig starker Fokussierung auf Gewalt ist KUMA/WAR[20]. Dieses aus der Ich-Perspektive gespielte PC-Kriegsspiel orientiert sich an Tagesmeldungen über Kriegsereignisse der realen Welt. Wurden zum Beispiel die Söhne Saddam Husseins durch alliierte Truppen getötet, bauten die Hersteller dieses Setting nach kürzester Zeit in das Spiel ein, damit die Spieler diese Kampagne nachspielen konnten. Der Zweck von KUMA/WAR wird explizit dergestalt erläutert, dass der Spieler reale Ereignisse im Spiel nachempfinden soll. Die Anweisungen, was zu tun sei erhält er von einem virtuellen Vorgesetzten, seine spielerischen Leistungen werden in fingierten News kommentiert.

Aus dem auf der Herstellerseite präsentierten Zitat eines Spielers[21] geht hervor, wie sehr die Nutzer von Kuma/War die Vermischung von realen Nachrichten und PC-Spiel schätzen, aber auch die wohltuende Gewissheit, dass es sich nur um ein Spiel handelt:

[...]


[1] Dies sind laut Keppler zum Beispiel: Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Günther Anders und Arnold Gehlen – aufgeführt in: Keppler, Angela: Mediale Gegenwart – Eine Theorie des Fernsehens am Beispiel der Darstellung von Gewalt, Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Frankfurt am Main 2006, S. 20.

[2] Ebd. S. 19.

[3] Ebd. S. 19.

[4] Ebd. S. 07.

[5] Oft begegnet man in diesem Zusammenhang Ausdrücken, die hier kurz definiert werden sollen: Killerspiele (Gewaltspiele): Spiele, deren Spielidee zu großem Teil oder vollständig in der Ausübung von Gewalt gegen menschliche oder computergenerierte Gegner besteht. Egoshooter: Gewaltspiele, die der Spieler aus der Perspektive einer Person (Ego-Perspektive) spielt – im Gegensatz zu Spielen, in denen man den von einem selbst gespielten Charakter von oben oder von hinten begleitend beobachten kann. Egoshooter vermitteln die naturgetreuste Illusion, tatsächlich der Handelnde zu sein.

[6] Siehe zum Beispiel http://www.bildblog.de, eine teilweise von TAZ-Journalisten geführte Webseite, auf der die BILD-Zeitung regelmäßig scharf kritisiert wird, Stand: September 2008.

[7] Siehe dazu Keppler, Angela: Mediale Gegenwart – Eine Theorie des Fernsehens am Beispiel der Darstellung von Gewalt, S. 204ff.

[8] id Software: Doom, 1993; Details: http://de.wikipedia.org/wiki/Doom, Stand: September 2008.

[9] Eichinger, Bernd (Prod.) und Anderson, Paul W.S. (Regie): Resident Evil, 2002 (Fortsetzungen 2004 und 2007); Details: http://de.wikipedia.org/wiki/Resident_Evil_(Film) sowie http://de.wikipedia.org/wiki/Resident_Evil, Stand: September 2008.

[10] Crytek: „Far Cry“, 2004; Zitat aus Wikipedia.de: „Far Cry ist ein Ego-Shooter des Spieleentwicklers Crytek, welcher im Frühjahr 2004 in den Handel kam. Die selbstentwickelte CryEngine besticht vor allem durch enorme Sichtweite und Detailreichtum. Das Spiel bietet eine glaubhafte Physik-Engine, sowie eine bis dahin unerreichte Gegner-KI: Feinde suchen Deckung, rufen Verstärkung und versuchen, den Spieler einzukreisen“ (Gegner-KI: Künstliche Intelligenz, die der Software eigen ist und die Gegner „eigenständige“, realistische Entscheidungen treffen lässt); Details: http://de.wikipedia.org/wiki/Far_Cry, alle Stand: September 2008.

[11] Cyan Worlds: „Myst“, 1993; Details: http://de.wikipedia.org/wiki/Myst, Stand: September 2008.

[12] Maxis: „The Sims“, 2000; Details: http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Sims, Stand: September 2008.

[13] Linden Lab: „Second Life“, 2003; Details: http://de.wikipedia.org/wiki/Second_Life, Stand: September 2008.

[14] Eine Online-Community ist oder betreibt gemeinsam eine Website, auf der sich Internetsurfer mit ähnlichen Interessen virtuell treffen und zum Beispiel Meinungen austauschen oder gemeinsam spielen. In Online-Communities können viele Tausend Personen gleichzeitig verbunden sein, zu den größten dieser virtuellen Arbeits-, Spiel- und Aufenthaltsräume gehören Wikipedia,. Studi-VZ, Myspace und World of Warcraft.

[15] Motion Capture, das Einfangen von Bewegungen echter Schauspieler, um diese auf die Spielfiguren zu übertragen ist im Film / Trickfilm lange etabliert. Auch die PC-Industrie verzichtet längst nicht mehr auf diesen den Realismus steigernden Effekt.

[16] Der Autor – er ist leidenschaftlier Gamer – ertappte sich selbst dabei, nach einem Missgeschick im echten Leben, reflexhaft den Tastaturbefehl für „letzte Eingabe rückgängig machen“ zu denken.

[17] Diese Informationen stammen von einem im Rahmen dieser Arbeit interviewten Spieleprogrammierer. Weitere Hinweise waren der, dass die vom Auftraggeber geforderte Realitätsnähe neuer Spieleproduktionen permanent zunimmt, so dass Realitätsnähe als ein wesentliches Element vieler zukünftiger Spiele ist, die Gewaltorientierung hingegen keine Häufing erfährt.

[18] Siehe die Unterseite von Spiegel-Online: http://www.spiegel.de/video, Stand: September 2008.

[19] Siehe dazu: Keppler, S. 07.

[20] Auf der Downloadseite des Herstellers KUMA/WAR ist ein Werbevideo erhältlich dass das Spielkonzept – Vermengung von tagesaktuellen Berichten über Kriegsereignisse der realen Welt mit PC-Spielkampagnen zum Nachspielen und –erleben eben dieser Ereignisse – anschaulich erklärt: http://www.kumawar.com/downloads.php, Stand Januar 2008.

[21] Dargestellt auf der Webseite des Herstellers: http://www.kumawar.com - real war news. real war games, Stand: September 2008; die Authentizität des Zitats ist nicht nachgewiesen, es könnte sich auch um Werbung handeln. In dem Falle würde es Rückschluss auf die gewünschte Selbstdarstellung des Herstellers erlauben.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Gewalt in den Medien
Untertitel
Gewaltdarstellung und ihre Kommentierung in Nachrichten und Talkshows im Kontrast zu PC-Spielen und Filmen
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Fachjournalistik Geschichte)
Veranstaltung
Medienumbrüche
Note
2,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V117535
ISBN (eBook)
9783640199952
ISBN (Buch)
9783640205752
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Arbeit basiert weitgehend auf Internet-Literatur und -Quellen, 45 Fußnoten, 1 Grafik (uncanny valley)
Schlagworte
Gewalt, Medien, Medienumbrüche, talkshow, maischberger, lafontaine, rhetorik, diskussion, gespräch, didaktik, psychologie
Arbeit zitieren
Patrick Wilke (Autor:in), 2008, Gewalt in den Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117535

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