Reflexionsniveaus im Bewegen - Kriterien zur Beurteilung im Sportunterricht?


Examensarbeit, 2008

90 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Sportunterricht und Bildung
1.2 Die Bildungsdebatte
1.2.1 Hierarchisierung von höherer und niederer Bildung
1.2.2 Bildungsstandards im Sportunterricht
1.3 Grundannahmen der leiblichen Reflexion
1.3.1 Die Ästhesiologie
1.3.2 Die Ästhetik
1.3.3 Ästhesiologie, Ästhetik und Erkenntnis
1.4 Die ästhetisch-expressiven Fächer
1.4.1 Gemeinsamkeiten
1.4.2 Unterschiede

2 Voraussetzungen der Theorie der leiblichen Reflexion
2.1 Entwicklung der sportwissenschaftlichen Bewegungstheorien
2.1.1 Rousseaus „Émile“ und die Folgen
2.1.2 Bewegungstheorien nach dem Zweiten Weltkrieg
2.2 Moderne Bewegungsmodelle
2.3 Die phänomenologisch-anthropologische Perspektive

3 Annäherung an die Theorie der Reflexionsniveaus
3.1 Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen
3.1.1 Vernunft und Sprache, Sprache und Handlung
3.1.2 Die Eigenweltlichkeit des Sports
3.1.3 Exkurs: Handlungspsychologie
3.1.4 Symbolische Formung
3.1.5 Logos und Mythos
3.2 Bourdieu: Der Körper als Speicher des Habitus
3.2.1 Implizites Wissen
3.2.2 Sport und Habitus
3.2.3 Irritationen des Habitus und Erinnerung
3.2.4 Zusammenfassung
3.3 Plessner: Die zentrische und die exzentrische Position
3.3.1 Pflanze und Tier
3.3.2 Das Spezifische des Menschen
3.3.3 Reflexivität im nicht-verbalen Mensch-Welt Bezug
3.4 Zusammenfassung der Voraussetzungen leiblicher Reflexion und Gutmanns Perspektive

4 Reflexionsniveaus im Bewegen
4.1 Die reflexionsrelevante Körper-Ich-Weltaneignung des Menschen
4.2 Grenzerfahrungen des Handelns
4.2.1 Vollzugserfahrungen
4.2.2 Reflexionserfahrung
4.3 Niveau-Stufen
4.3.1 Erste Stufe: Bewegungskompetenz
4.3.2 Zweite Stufe: Handlungskompetenz
4.3.3 Dritte Stufe: Partizipationskompetenz
4.3.4 Vierte Stufe: Wissenschaftspropädeutik
4.3.5 Zusammenfassung

5 Beurteilungskriterien
5.1 Die Form der Beurteilung
5.1.1 Sportzensur
5.1.2 Verbalbeurteilung
5.1.3 Keine Beurteilung
5.1.4 Eine Frage der Legitimation
5.2 Der Inhalt von Beurteilungen
5.2.1 Reflexionsebenen und genetisches Lehren
5.3 Beispiel: Skifahren
5.3.1 Basisniveau - Wahrnehmungskompetenz
5.3.2 Erfahrungskompetenz - Handlungssituationen
5.3.3 Urteilskompetenz
5.3.4 Erkenntniskompetenz und Rückblick

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

1.1 Sportunterricht und Bildung

„Bildung ohne Bewegungsbildung ist wie ein Rufen im luftleeren Raum: Dem Sinn fehlt die Sinnlichkeit.“ (Hildenbrandt 2005, S. 211) Sportunterricht und Bildung – wie passt das zusammen? Was hat Sport mit Bildung zu tun? Wenn der Gegenstand des Sports das Sich-Bewegen ist, welche Relevanz kommt dann der Bewegung für die Bildung zu?

Der Stellenwert des Sportunterrichts in der Gesellschaft wird in einer Bemerkung Schwanitz deutlich, der in seinem Bestseller „Bildung. Alles, was man wissen muß“ das Wort Sport nur ein einziges Mal verwendet. In Bezug auf den „jämmerlichen Zustand“ (Schwanitz, 2002, S. 32) deutscher Schulen schreibt er (ebd., S. 26):

„Eine ernsthafte, fachlich solide Überlegung über Bildungsziele findet nirgendwo statt. [...] Die Schule ist zum Prinzip des Tauschhandels zurückgekehrt. Deutsch kann durch Sport ausgeglichen werden und Mathematik durch Religion.“

Hier wird ersichtlich, dass der Rang des Fachs Sport niedriger als der von Mathematik oder Deutsch eingestuft wird. Worauf diese Auffassung basiert und inwiefern sie die tatsächliche gesellschaftliche Einschätzung des Sportunterrichts widerspiegelt, bleibt zu diskutieren. Festzuhalten ist, dass der Sport in der Schule hinsichtlich bildungstheoretischer Ziele nicht ohne Einschränkungen mit den gesellschafts-, sprachoder naturwissenschaftlichen Fächern verglichen werden kann. Er nimmt neben Musik und Kunst eine besondere Position in der schulpolitischen Debatte ein.

So wird seit Jahren in der Wissenschaft kontrovers über mögliche Bildungsinhalte der sportlichen Bewegung diskutiert. Dabei scheint das menschliche Sich-Bewegen für schulische Bildungsprozesse doch geradezu zwingend zu sein, wenn es als „Grundphänomen des Daseins“ (Laging & Prohl, 2005, S. 10) begriffen wird.

In Reaktion auf die Forderungen von Bildungsstandards in Schulen beschreibt Franke die Möglichkeit einer Ausrichtung des Unterrichts auf eine Art körperinterne Interpretation des ausführenden Individuums in seinem Bezug zur Welt. Prohl (2006, S. 101) bezeichnet die interpretatorischen Vorgänge als „leibliche Reflexion“. Diese findet auf eine Weise statt, die nicht nur über das Reflexionsmedium Sprache funktioniert. Wie sich jene nicht-sprachliche Auseinandersetzung des Subjekts mit dem eigenen Körper und der Welt beschreiben lässt und welche Gestaltungsmöglichkeiten sich daraus für den Sportunterricht ergeben, wird in dieser Arbeit erörtert. Aussagen über nicht-sprachliche Prozesse können nur Annäherungen darstellen, da hier mit Worten etwas beschrieben wird, was mit Worten nicht vollends zu erfassen ist.

So ist die vorliegende Arbeit der Versuch einer Auseinandersetzung mit eben diesen nonverbalen Erfahrungsprozessen. Dazu bildet Frankes 2007 veröffentlichte Theorie über Reflexionsniveaus im Bewegen, die den aktuellen Standpunkt sportphilosophischer Überlegungen widerspiegelt, die Basis der theoretischen Analyse. Ein Anliegen dieser Arbeit ist die Suche nach einer Antwort auf die Frage, wie aus sinnlicher Erfahrung Sinn entsteht, „und zwar ein Sinn, zu dem reflexiv Stellung bezogen werden kann“ (Franke, 2006, S. 196).

Neben den Überlegungen über Bildungsinhalte stellt die Problematik der Leistungsbewertung einen bedeutenden Aspekt in der Legitimationsdebatte des Sportunterrichts dar. Wenn nicht nur die motorische Leistungsfähigkeit im Zentrum des Unterrichts steht, sondern reflexive Handlungsund Partizipationskompetenzen, stellt sich die Frage, inwiefern eine numerische Bewertung noch angemessen ist. Es soll untersucht werden, welche Forderungen sich aus einer Fokussierung auf leibliche Reflexionsebenen bezüglich der Beurteilung ergeben.

Im Verlauf dieser Arbeit gilt es folgende Fragen zu erörtern: Was sind Reflexionsniveaus im Bewegen? Worauf basiert ihre Theorie? Wie lässt sich diese beschreiben und welche Kriterien der Beurteilung werden dadurch gefordert? In einem ersten Schritt werden die wesentlichen Grundlagen geklärt, bevor die Genese der These leiblicher Reflexivität nachvollzogen wird und die anthropologischen, soziologischen und philosophischen Ansätze ins Zentrum rücken. Daraufhin ist die Theorie der Reflexionsniveaus im Bewegen zu analysieren und die Beurteilungsproblematik zu diskutieren. Abschließend werden die Untersuchungen anhand eines Beispiels veranschaulicht.

1.2 Die Bildungsdebatte

Die moderne Bildungsdebatte1 hat sich in den letzten zehn Jahren von einigen tradierten Annahmen abgewendet. Die inzwischen veralteten Vorstellungen von Bildung sehen wie folgt aus: In den 1960er Jahren geht es um den Entfaltungsvorgang eines Die Bildungsvorstellungen haben sich gewandelt: Es wird nicht mehr angenommen, dass Bildung auf Erziehung und Unterricht beschränkt ist. Bildung findet vielmehr in unterschiedlichsten und (teilweise) auch nicht planbaren Räumen statt. Die übergeordneten Ziele moderner Bildungsvorstellungen sind dabei zum einen die Mündigkeit des Einzelnen, zum anderen der selbstständige Wille zu Toleranz und Solidarität gegenüber anderen, und damit einhergehend die Bereitschaft zu kooperativen Verhalten. Die Persönlichkeit des Einzelnen soll gestärkt werden. Damit werden auch emanzipatorische Bestrebungen angesprochen, die sich sowohl auf die Verselbstständigung als auch auf die Gleichberechtigung des Individuums beziehen.

Diese Ansichten bringen zwei neue Aspekte mit in die Bildungsdebatte ein: Die Hierarchisierung von höherer und niederer Bildung sowie die Sprache als wesentliches Medium der Reflexion. Inwiefern die Sprache diesem Anspruch der Reflexion gerecht wird, gilt es in den folgenden Kapiteln zu untersuchen. Was die Hierarchisierung im Einzelnen ausmacht, wird in einer Annäherung an die Inhalte des modernen Bildungsbegriffs ersichtlich.

1.2.1 Hierarchisierung von höherer und niederer Bildung

Die Vermittlung von Wissen steht im Mittelpunkt der höheren Bildung, in der niederen Bildung liegt der Fokus auf der Ausbildung von Fertigkeiten. Über eine Metaebene von Zahlen und Sprache wird beispielsweise nur in der höheren Bildung diskutiert, hier geht es um Erkenntnisse, die über die Auseinandersetzung mit dem Wesen von Zahl und Sprache gewonnen werden, während in der niederen Bildung Fähigkeiten vermittelt werden sollen. Das sind in diesem Fall die Befähigungen zu Rechnen und zu Reden, sich verständlich auszudrücken. Das abstrakte Denken steht in der Hierarchie über dem konkreten Denken, die Selbstreflexion über der praktischorientierten Selbstbestimmung. Beides kommt einer gesellschaftsabhängigen Standortbestimmung gleich. Das Problem in diesem Zusammenhang ist die Rückkehr des an Descartes angelehnten Dualismus-Modells, in dem von einer Trennung von Geist und Körper ausgegangen wird. Franke (2001b, S. 65) kritisiert an diesem Modell, dass dem Gegenstandsbereich sportlicher Bewegungen damit „zwar eine lebensprä- gende aber keine genuin reflexive bildungsrelevante Bedeutung zugestanden wird.“ Im Verlauf dieser Arbeit wird gezeigt, dass reflexives Bildungspotenzial jedoch in sportlichen Bewegungen liegen und durch sportliche Bewegung hervorgerufen werden kann.

Der Anspruch von Bildung liegt dabei in der Reflexionsfähigkeit des Menschen, denn „[z]entrales Bindeglied und gleichsam Prüfinstanz des Konstrukts ’Bildung’ ist das zur Reflexion und Selbstreflexion fähige Subjekt.“ (ebd., S. 64) Es lässt sich festhalten, dass – neben der Konzentration auf Kenntnisse und Wissen – die Selbstreflexion einen hohen Stellenwert einnimmt, auf den sich Franke in seinem Werk beruft. Roscher (2006, S. 92) erfasst schließlich den wesentlichen Punkt in Frankes Überlegungen, wenn sie beschreibt, dass „weniger die Reflexion in Form einer vom Prozess des sinnlichen Wahrnehmens distanzierten kognitiven Leistung im Zentrum der Aufmerksamkeit“ steht, als „vielmehr die Reflexivität im aktuellen Geschehen des sinnlichen Erfahrens selbst“.

1.2.2 Bildungsstandards im Sportunterricht

In der Debatte nach PISA, und aktuell in der Frage nach Bildungsstandards, ist die Forderung nach vergleichbaren Bildungsresultaten gestellt worden. Das zeigt sich nun in der Abkehr von input-orientierten Lehrplänen hin zu output-orientierten Mindest-, beziehungsweise Bildungsstandards: Nicht mehr der zu vermittelnde Inhalt steht im Mittelpunkt, sondern das messbare Resultat. Klieme sieht die Chance von Bildungsstandards darin, dass sie festlegen, „welche Kompetenzen die Kinder oder Jugendlichen bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe mindestens erworben haben sollen“ (Klieme, 2003, S. 9). Für das Fach Sport verbirgt sich darin eine Gefahr, die Hildebrandt-Stramann und Laging (2005, S. 112) beschreiben:

„Die in der Sportpädagogik noch in den Anfängen steckende Diskussion um Bildungsstandards droht sehr schnell einseitig in eine ’Testmanie’ zur Feststellung von medizinisch und motorisch orientierter Leistungsfähigkeit auszuarten, die die Bildungsansprüche eines Bewegungsund Sportunterrichts auf Messbarkeit reduzieren.“

Noch ist nicht entschieden, nach welchen konkreten Kriterien Bildungsstandards für den Sportunterricht festgelegt werden sollen. Nach der jüngsten bildungstheoretischen Debatte um eine Bildung durch Bewegung ist jedoch offensichtlich, dass eine ausschließliche Orientierung an motorischer Leistungsfähigkeit zu kurz greift.2 (vgl. ebd., S. 113) Franke sieht darüber hinaus in der Diskussion um Bildungsstandards die Möglichkeit, das Fach an Graduierungsparametern der leiblichen Reflexion auszurichten. Dazu entwirft er eine Matrix der Reflexionsebenen einer körperlichen Bewegung3, auf die in Kapitel 4 näher eingegangen wird. In einem ersten Schritt ist herauszustellen, welche Bedeutung Frankes Erkenntnisse für den Sportunterricht haben und daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Möglichkeit bieten, das sportliche Handeln der Schüler4 zu beurteilen.

1.3 Grundannahmen der leiblichen Reflexion

Sinnliche Erfahrung ist nach Paetzold (1990, S. 53) „mehr als bloße Sinneswahrnehmung“. Es gibt einen Unterschied zwischen der alltäglichen Wahrnehmung und der sinnlichen Erfahrung eines Eindrucks. Paetzold (ebd.) bezeichnet den Unterschied als ein Mehr der Wahrnehmung: „Den Überschuß der ästhetischen Erfahrung gegenüber der alltäglichen Sinneswahrnehmung wollen wir als Reflexion bezeichnen.“ Franke geht dieser Frage nach, wenn er feststellen möchte, ob sportliche Handlungen Reflexionspotenzial bieten. Doch was ist mit dem Begriff der Reflexion gemeint?

Das Wort „Reflexion“ an sich bedeutet erst einmal Nachdenken. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist die Reflexion als Überlegung, Betrachtung, vergleichendes und prüfendes Denken definiert. Die Reflexion ist eine Vertiefung in einen Gedankengang. (vgl. Dudenredaktion, 2001, S. 849) Hegel erweitert den Begriff der Reflexivität um eine anthropologische Kernthese des Selbst bewusst seins: der Ausdruck erlangt die Bedeutung einer Reflexion des Subjekts über sich als Subjekt. (vgl. Franke, 2003b, S. 241) Franke deutet die Reflexivität als selbstkritische Erkenntnis der eigenen Körperlichkeit. Um dies nachzuvollziehen, ist es erforderlich, zwei den Sportpä- dagogikdiskurs prägende Begriffe zu erläutern: den der Ästhesiologie und den der Ästhetik.

1.3.1 Die Ästhesiologie

Die Ästhesiologie ist die Lehre von den Sinneswahrnehmungen. Es geht um die Untersuchung des Übergangs von sinnlichen Erfahrungen zu sinnhaften Erkenntnissen. In der Ästhesiologie werden die jeweiligen Besonderheiten von verschiedenen Sinneserfahrungen gegenüber einem Phänomen herausgestellt, zum Beispiel der gesehene Raum im Vergleich zu dem gehörten Raum und dem vorgestellten Raum. (vgl. Müller, 1997, S. 231ff; vgl. Franke, 2001d, S. 36ff)

Der Begriff der Ästhesiologie erhält für den pädagogischen Diskurs eine neue Bedeutung, wenn untersucht wird, inwieweit sich die Sphäre des sinnlich-leiblichen Zugangs zur Welt von derjenigen der wissenschaftstheoretischen Welterfassung unterscheidet.5 (vgl. Maraun, 1979, S. 26ff) Plessner prägt diesen Begriff, indem er die rationalen Leistungen des Menschen als „auf vielfältige Weise mit der leibhaften Existenz [...] verwoben“ ansieht, die „keineswegs notwendig der Führung des begriffslogischen Denkens unterstellt sind“ (Müller, 1997, S. 12).

In seinen Ausführungen beruft sich Franke sowohl auf diese Begrifflichkeit als auch auf Müller (ebd., S. 11), der die Frage stellt, „ob das rationale Denken und Handeln allein als sicherer Grund der Lebensführung und als normativer Bezugspunkt pädagogischer Praxis gelten kann.“ Diese Frage begründet Müller damit, dass der rationale Zugriff auf die Welt Grenzen hat, die nicht durch bewusste kognitive Vorgänge überwunden werden können. Deswegen wirft Müller (ebd.) eine zweite Frage auf:

„Können wir menschliche Bildungsprozesse zureichend beschreiben, wenn wir sie nur vom normativen Konzept des rationalen Subjekts her konstruieren, einer Idealisierung des Menschen, die zwar in vieler Hinsicht nützlich ist, ihn aber als Subjekt lebendiger Erfahrung verfehlt?“ Die Antwort liegt hierbei in der Betonung des Subjekts lebendiger Erfahrungen, der sich Franke anschließt. Als Beispiel hierfür zeigt Müller (ebd.) an, dass der Vernunftgebrauch auf Grenzen stößt, „wenn er sich in die begriffslogischen Ordnungen des Verstandes einschließt, ohne zu beachten, daß er damit notgedrungen auch vieles ausschließt von dem, was in der komplexen Weltund Selbsterfahrung des Menschen vor sich geht.“6

Der Übergang von sinnlicher Erfahrung in sinnliche Erkenntnis kann schließlich als ein Prozess aufgefasst werden, der mit der versprachlichten Begriffslogik alleine nicht ausreichend erfasst wird. Franke erkennt, wie im weiteren Verlauf dieser Arbeit eingehend dargestellt ist, in diesem Prozess eine Reflexionsleistung, die während des Bewegungsvollzugs entsteht.

1.3.2 Die Ästhetik

Ästhetisch ist laut Duden etwas, dass geschmackvoll ist. Die Ästhetik ist die Wissenschaft vom Schönen, bzw. das stilvoll Schöne. (vgl. Dudenredaktion, 2001, S. 97) Gemeint ist damit der ansprechende Ausdruck, den jemand oder etwas bei dem wahrnehmenden Menschen hinterlässt. Das Wahrgenommene gilt dann als ästhetisch, wenn es als schön empfunden wird, wenn es vollkommen ist. Das Ästhetische hinterlässt einen positiven Eindruck bei der oder dem Betrachtenden. Den Begriff prägt Kant, indem er erklärt, die Ästhetik sei die Lehre des Schönen.

In der Sportwissenschaft hat sich allerdings in Berufung auf Baumgarten, Cassirer und Welsch der Begriff der Ästhetik gewandelt: Es soll nun nicht mehr auf die allgemein bekannte Definition des Schönen verwiesen sein, sondern auf die Wahrnehmung an sich. (vgl. Baumgarten, 1751/1970; vgl. Cassirer, 1923-’29/1994; vgl. Welsch, 1996) Dazu meint Franke (2001b, S. 68):

„Ästhetik [...] ist nach Cassirer nicht als eine inhaltsorientierte qualitative Theorie über das sogenannte ’Schöne’ zu verstehen und entsprechend sind auch Assoziationen zum Eis- Kunstlauf, Kunst-Turnen oder zur Rhythmischen Sportgymnastik eher hinderlich. Sie verstellen den Blick für die von Cassirer anvisierte und in aktuellen philosophischen Diskursen präzisierte Deutung der Ästhetik als eine spezifische Erfahrungsund Erkenntnisweise von Welt “.

Der inhaltliche Wandel des Begriffs setzt sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts durch, als die klassischen Schönheitsideale aufgrund neuer Kunstformen hinterfragt werden. Die bisher gültigen Abbildbedingungen werden durch den aufkommenden Expressionismus, den Kubismus und den Dadaismus, durch die Kunst des Hässlichen etc. nach und nach aufgelöst. Die Ästhetik verändert sich daraufhin zu einer Erkenntnistheorie sinnlicher Wahrnehmung: Kunst ist nicht mehr an determinierten Kriterien messbar. Sie fordert die oder den Betrachtenden auf, das Sehen neu zu lernen: Die Wahrnehmung wird an subjektive Empfindungen gekoppelt, die durch eine Differenzerfahrung ausgelöst werden. Die Differenz äußert sich in der Unterbrechung des Normalen, das heißt in dem unerwarteten oder neuen Erleben des Kunstwerks.

Diese Entwicklung ist auch auf den sportwissenschaftlichen Diskurs übergegangen. Die Bewegung soll nicht (mehr) an festgelegten Kriterien gemessen werden. Die Wahrnehmung der Sinne ist subjektiv zu interpretieren. (vgl. Franke, 2001a, S. 20ff) Eine ästhetische Erfahrung ist demzufolge eine persönlich sinnliche Erfahrung von Welt. Der Unterschied zu einer alltäglichen Erfahrung liegt, wie bereits angedeutet, in ihrer spezifischen Reflexivität. (vgl. Franke, 2001b, S. 68) Paetzold erklärt dies am Beispiel des Blickkontakts: In dem Moment des Aufeinandertreffens von zwei menschlichen Blicken werden sich die beiden „einander inne“. (vgl. Paetzold, 1994, S. 152) Paetzold (ebd., S. 152f.) erläutert:

„In diesem Falle […] werden wir einander inne, indem wir auf den Anderen blicken. Ich entäußere mich und werde gerade in dieser Entäußerung meiner selbst inne. Der Andere erfährt sich selbst, indem sein Blick auf mir ruht und ich den Blick erwidere [...]. Und genau in dem Moment, da ich den Blick des Anderen auf mir spüre, werde ich meines Sehens inne. Ich gewinne blickend die Gewißheit meiner selbst [...]. Ich tue etwas – unbeabsichtigtes Blicken – und werde mir dessen inne, daß ich etwas tue. Blickend erfasse ich mich als jemand, der blickt. Dieser Punkt ist für uns wichtig. Ästhetische Reflexivität besteht genau darin, daß ich meine Leibesorgane betätige und daß ich mir zugleich dessen inne werde, daß ich dies tue.“7

Das Innewerden ist dabei nicht als ein Vorgang anzusehen, der auf einer kognitiven Ebene im Bewusstsein verankert ist. Es ist vielmehr eine nonverbale Erkenntnis der eigenen Körperlichkeit. Paetzold (ebd.) meint dazu: „Ästhetisch sehe ich, wenn ich mir dessen inne werde, daß ich sehe. Aber ich begleite mein Sehen nicht nur mit Bewußtheit, sondern das Sehen erfaßt sich selbst.“ Ähnliches gilt nach Maraun auch für Bewegungen: Sie bieten leibgebundene Wirklichkeitsund Selbsterfahrungen durch Fühlen, Tun, Können und Erkennen. (vgl. Maraun, 1979, S. 28) Diese Erfahrungen können nonverbal gewonnen werden.

1.3.3 Ästhesiologie, Ästhetik und Erkenntnis

Franke ergänzt den Begriff der Ästhetik um die ästhesiologische Tradition in der Verarbeitung von sinnlichen Erfahrungen. (vgl. Franke, 2003a, S. 32ff) Damit erweitert er Paetzolds Verständnis der ästhetischen Reflexivität: Er erschafft die Abgrenzung einer ästhetischen Erfahrung zu allgemeinen Sinneswahrnehmungen vor allem dadurch, „dass sich diese durch eine andere Art von Funktionalität von Sinnstrukturen mit größeren Konnotationsmöglichkeiten und ’Selbst-Reflexionshinweisen’ entwickelt.“ (Franke, 2001b, S. 68) Diese Vorstellung hat Einzug in die Bildungsdebatte erhalten. Frankes Theorie der selbstkritischen Erkenntnis der eigenen Körperlichkeit ist in Bezug auf ästhetische und ästhesiologische Aspekte daher als ein nichtsprachlicher Prozess der Verarbeitung von subjektiver, sinnlicher Erfahrung von Welt zu verstehen. In diesem Sinne kann für die weitere Verwendung des Reflexionsbegriffs in dieser Arbeit ein Zitat Schürmanns (2008, S. 53) gelten:

„Der verwendete Reflexionsbegriff wird […] neutral sein müssen gegenüber der Frage der Bewusstheit. Die Rede von einer körperlichen Erkenntnis ist von vornherein eine bloße Redensart, falls ’Reflexion’ definitiv an Bewusstsein gebunden wäre.“

1.4 Die ästhetisch-expressiven Fächer

Zu den ästhetisch-expressiven Fächern zählt Franke Kunst, Musik und Sport. (vgl. Franke, 2007b, S. 181) Er (ebd.) erklärt, dass sie aus den „KU- MU- TU- Fächern“ hervorgegangen sind, den „ästhetisch-expansiven Handlungsfelder[n] Kunst – Musik – Turnen“.

1.4.1 Gemeinsamkeiten

Gemeinsam ist ihnen, im Gegensatz zu der Ausrichtung naturund geisteswissenschaftlicher Fächer auf abfragbares Wissen, dass sie primär Fertigkeiten vermitteln sollen.8 Die wesentliche Aufgabe des Kindes liegt im Kunstunterricht darin, Kunstwerke zu kreieren, im Musikunterricht soll musiziert werden und in der Sportstunde geht es um die Vermittlung und Ausübung sportlicher Bewegungen. Dabei spielt die ästhetische Erfahrung in den ersten (Schul-)Jahren eine essentielle Rolle (vgl. Piaget & Inhelder, 1980; vgl. Mollenhauer, 1996), in den darauf folgenden Klassen rückt sie aber in den Hintergrund und theoretische Wissensbestände über den Unterrichtsinhalt werden verstärkt verlangt.

Eine weitere Gemeinsamkeit lässt sich in ihrer „eingeschränkten Bedeutung für eine nutzenorientierte Teilhabe an der Welt“ feststellen (Franke, 2007b, S. 174). Die Legitimation dieser Fächer liegt bisher darin, dass sie als eine Bereicherung für die Gesellschaft angesehen werden. Doch sie sehen sich mit der Frage konfrontiert, ob „die eigene leiblich-sinnliche Auseinadersetzung [sic] mit dem jeweiligen Medium eine zwingende Voraussetzung für die kompetente Teilhabe in diesen Bereichen“ ist (ebd., S. 175). Die Beantwortung dieser Frage liegt nach Franke in der subjektiven Erfahrung der Erfahrung, der sinnlichen Auseinandersetzung mit dem sinnlichen Erleben. Er (ebd.) schließt daraus, dass die Kompetenzen ästhetisch-expressiver Fä- cher „immer (auch) leibbezogen und in einer besonderen Weise reflexiv“ sind.

Franke (2001a, S. 29) geht der Frage nach, ob „sportliche Handlungen ähnlich wie ästhetische Œuvre (Musikstücke, Kunstwerke) reflexive Erfahrungen vermitteln“ können. Wenn davon ausgegangen wird, dass Musikstücke oder Kunstwerke reflexive Erfahrungen vermitteln, ohne kognitiv gespeicherte Kenntnisse darüber zu besitzen (vgl. ebd., S. 17ff), dann ist damit die Frage beantwortet, ob es Reflexionsprozesse in einem nicht-sprachlichen Medium gibt. Franke (ebd., S. 28) erläutert dazu:

„Dabei kann ein gewisses über die Sprache erworbenes Vor-Wissen die ästhetische Urteilsbildung erleichtern, aber nicht ersetzen. Die Sprache gilt in diesem Fall als sensibilisierende Vorbereitung und Anleitung oder zur systematischen Nachbereitung für den aus der Sinnlosigkeit sich ergebenden sinnhaften Reflexionsprozess.“

Eine Versprachlichung des Prozesses ist dabei nicht zwingend erforderlich. Deswegen ist es nachvollziehbar, dass auch die sportliche Handlung reflexive Erfahrungen ermöglicht. Franke siedelt die bildungsrelevante Spezifik sportlicher Erfahrung im Formungsprozess von Bewegungen selbst an. (vgl. Franke, 2003a, S. 33ff)

1.4.2 Unterschiede

Die drei ästhetisch-expressiven Fächer unterscheiden sich in mehreren Aspekten. Grob lassen sich ihnen verschiedene Sinneswahrnehmungen zuordnen.9 Während der Kunstunterricht auf den visuellen Sinn ausgerichtet ist, Musik auf den auditiven und Sport auf den taktilen, vestibulären und „kienästhetischen“ Sinn, wobei hier die visuell-auditive Wahrnehmung mit einbezogen wird (Franke, 2007b, S. 178). Damit geht ein weiterer Unterschied einher: Umfasst der Handlungsvollzug in Kunst und Musik weitestgehend Hand werk, kommt demgegenüber im Sport der ganze Körper zum Einsatz. Die Wahrnehmung im Sport kann folglich vom Unterrichtsgegenstand her nicht einen einzelnen Sinn ansprechen. Dies grenzt das Fach von den anderen ab, da die Möglichkeit der Ausblendung anderer Sinne, beispielsweise Musik hören ohne zu sehen, nicht gegeben ist. Deswegen kann von einer Sonderstellung des Sportfaches gesprochen werden – auch wenn der Gegenstand jeweils die ästhetische Erfahrung ist. Ob diese Sonderstellung ein weiteres Argument für die Legitimation des Unterrichts darstellt, muss an anderer Stelle überprüft werden. Dass sie aber Auswirkungen auf die Beurteilung der Leistungen der Schüler hat, wird in Kapitel 5 betrachtet. Um dieses Kapitel abzuschließen wird Franke (2001a, S. 29) zitiert:

„Aufgrund der spezifischen, nicht-verbalen Ich-Körper-Welt-Bezüge des sportlichen Handelns (als ästhetisches Œuvre) hat der Schulsport prinzipiell die Möglichkeit, bildungsrelevante Reflexionsleistungen in Art einer ästhesiologischen Urteilsbildung zu erbringen und d.h., nicht nur metaphorisch, sondern in realer Weise exklusiv und konkurrenzlos in der Schule eine ’Bildung durch den Körper’ zu entwickeln.“

2 Voraussetzungen der Theorie der leiblichen Reflexion

Damit die Diskussion über Reflexionsniveaus in Bewegungen nachvollzogen werden kann, ist nachzuzeichnen, wann die Diskussion um nonverbale Aspekte der Mensch- Welt-Aneignung durch Bewegung einsetzt. Diese folgt dabei einer langen philosophischen Tradition der Auseinandersetzung des Menschen mit seinem Wesen. Bevor die spezifischen Annahmen einer leiblichen Reflexivität erörtert werden, erfolgt hier eine allgemeine, historische Darstellung der diesbezüglichen sportwissenschaftlichen Diskussion. Dadurch wird eine Übersicht über die Vorstellungen der Sportwissenschaft in Bezug auf die Bedeutung von Bewegung für den Menschen geschaffen, in die sich die anschließenden spezifischen Ausführungen einordnen lassen. Dabei ist keine klare Abgrenzung der verschiedenen Einzelwissenschaften möglich, sodass in der folgenden Darstellung anthropologische, philosophische, psychologische und pädagogische, aber auch politische Überlegungen nebeneinander genannt werden, ohne dass sie näher spezifiziert werden.

Die Fokussierung der Darstellung liegt auf der Historie der anthropologischen Sportwissenschaft, welche die größte Rolle in Frankes aktuellen Publikationen spielt. Aber auch andere wichtige Einflüsse und Voraussetzungen finden Erwähnung.

2.1 Entwicklung der sportwissenschaftlichen Bewegungstheorien

2.1.1 Rousseaus „Émile“ und die Folgen

Die Historie der modernen Diskussion über die Theorie leiblicher Reflexivität lässt sich in etwa an die Entstehungsgeschichte der Sportpädagogik koppeln, da mit Rousseaus Werk „Émile oder Über die Erziehung“ aus dem Jahre 1762 ein pädagogischer Grundstein für die Frage der Bedeutung von Bewegung für den Menschen gelegt wird und die moderne Sportpädagogik ihren Ursprung in der Epoche der Aufklärung sieht.

Rousseau tritt für die Rückkehr des Menschen zur Natürlichkeit ein, er erkennt beim Menschen eine Einheit von Leib und Seele an und sieht in der freien Bewegung das Medium zur Erfahrung von Welt. Das lässt sich in seinen Ausführungen zur Wahrnehmung feststellen: „Da das menschliche Begriffsvermögen alles durch die Sinne empfängt, ist die erste Vernunft des Menschen eine sinnliche Vernunft“ (Rousseau, 1762/1991, S. 27). Rousseau (ebd., S. 119) erklärt, dass es darum geht, „fühlen zu lernen, denn wir können nichts anderes fühlen, sehen oder hören als wir es gelernt haben.“

In Deutschland greifen die Philanthropen Rousseaus Gedanken auf. Sie systematisieren die freie Bewegung allerdings, sodass ihre anfänglichen Bestrebungen nach Ganzheitlichkeit einem vorherrschenden Rationalismus weichen. Doch zuerst beschreibt Basedow das Sich-Bewegen noch als Suche nach Glückseligkeit:

„Um diese Glückseligkeit, die aus dem Bewusstsein der seelischen, geistigen und körperlichen Vollkommenheit besteht, erreichen und genießen zu können, bedürfe es der Gesundheit und Aktionsfähigkeit des Körpers“ (Prohl, 2006, S. 30).

Aber die Einführung der systematischen Messung individueller motorischer Leistungen und die Zergliederung der Bewegung in verschiedene Elemente wirken den ganzheitlichen Bestrebungen entgegen. (vgl. Grupe & Krüger, 2007, S. 124ff)

Dieser Prozess zeigt sich auch bei Pestalozzi, der ursprünglich ein Konzept verfolgt, dass auf ein harmonisches Verhältnis von „ Kopf, Herz und Hand“ verweist (Prohl, 2006, S. 32). Pestalozzi spricht sich aber schließlich für eine Beherrschung der Bewegung durch den Verstand aus, so beschreibt Prohl (ebd., S. 33):

„Geht Rousseau davon aus, dass sich die Person des Kindes erst durch (freie) Bewegungstätigkeiten und leibliche Erfahrungen entfaltet, so stellt Pestalozzi den Körper in den Dienst der sittlichen Erziehung, die […] durch den Geist kontrolliert werden soll.“

In Deutschland wird das Turnen durch Jahn und Spieß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter militärischen Aspekten verschult, alternative Formen des Turnens werden unterdrückt. Es kommt zu einer Entsinnlichung der Leibeserziehung. Dagegen erwächst zu Beginn des 20. Jahrhunderts vielseitige Kritik, die unter dem Begriff der Reformpädagogik gesammelt wird. (vgl. Grupe et al., 2007, S. 142ff) Einige Kritiker, beispielsweise Gaulhofer und Streicher, berufen sich wieder auf Rousseaus Überlegungen zur Einheit von Seele und Leib – sie propagieren das natürliche Turnen. Andere gehen noch über diesen Ansatz hinaus: „Nicht mehr der Geist gilt als der Beherrscher des Körpers […], sondern dem leiblichen, beseelten, organischen Leben solle unter Ausschaltung des Geistigen zum Durchbruch verholfen werden.“ (Prohl, 2006, S. 52) Das zeigt sich zum Beispiel in dem Konzept der von Nietzsche beeinflussten „Deutschen Gymnastik“. Nietzsche (1885, S. 34; zitiert nach Prohl, 2006, S. 45) erkennt den Leib als wesentliches Organ der Vernunft an: „Leib bin ich ganz und gar, und nichts außerdem; und Seele ist nur ein Wort für ein Etwas im Leibe. Der Leib ist eine große Vernunft.“ Der Geist ist nach Nietzsche (1930, S. 131f.; zitiert nach Grupe et al., 2007, S. 232) eine kleine Vernunft, der von der großen Vernunft beherrscht werde: „Es ist mehr Vernunft in deinem Leibe, als in deiner besten Weisheit.“

In diese Zeit fällt auch die Gründung der Sportpsychologie, die von nun an den sportwissenschaftlichen Diskurs, gerade in Fragen der Persönlichkeitsbildung durch Sport, mit beeinflusst.10 (vgl. Thomas, 1982, S. 5ff) Auch philosophische und anthropologische Grundlagen für die Theorie der leiblichen Reflexivität werden hier gelegt, so erscheinen zum Beispiel Plessners Werk „Die Stufen des Organischen und der Mensch“ (1928) und Cassirers „Philosophie der symbolischen Formen“ (1923- 1929)11. Doch durch die politische Machtergreifung der Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg verschwinden viele dieser Überlegungen oder werden zu nationalistischen Werten umgedeutet.

2.1.2 Bewegungstheorien nach dem Zweiten Weltkrieg

Die anthropologischen Thesen der Ganzheitlichkeit von Geist, Seele, Körper und Welt werden durch die Politisierung sämtlicher Lebensbereiche verdrängt. Nach der Kapitulation des nationalsozialistischen Regimes werden die anthropologischen Überlegungen während der Trennung Deutschlands durch die Ausrichtung auf zwei grundverschiedene Staatsformen überlagert – Sport wird (erneut) politisiert. So werden dem Sport in der DDR mehrere Funktionen zugeschrieben: Sport als Mittel der Produktionssteigerung und zur Vervollkommnung der sozialistisch denkenden Persönlichkeit sowie als Ausdrucksform des Klassenkampfes. (vgl. Oelschlägel, 1968; nach Franke, 2002, S. 471f.). In Westdeutschland erfährt der Sport erst eine Demokratisierung, dann eine Fokussierung auf Leistung und Erfolg. (vgl. Lenk, 1971, S. 82ff) Gebauer spezifiziert dies in „Aktionsleistung“ und „Präsentationsleistung“, wobei erstere die Eigenleistung des Sporttreibenden beinhaltet und letztere die externe Beund Verwertung sportlichen Erfolgs in der Gesellschaft behandelt. (vgl. Gebauer, 1972, S. 182ff) So kommt es bis in die 1960er Jahre hinein weder in Westdeutschland noch in der DDR zu einer bildungstheoretischen Auseinandersetzung mit der Bewegung, auch wenn in Westdeutschland Bestrebungen auftauchen, den Sport in Form von nicht-leistungsorientiertem Alternativsport wieder zu entpolitisieren. (vgl. Franke, 2002, S. 16) Die Leibesübungen etablieren sich in den 1960er Jahren endgültig als Schulfach. Beinahe zeitgleich mit der Umbenennung des Fachs in „Sportunterricht“ entwickelt Grupe einen anthropologischen Neuansatz für die Sportpädagogik. Es entsteht nach Jahrzehnten des Stillstands ein neuer wissenschaftlicher Diskurs über die Frage nach dem leiblich-subjektiven Verhältnis des Menschen zur Welt. Prohl (2006, S. 74) beschreibt die von Grupe neu angestoßene Diskussion:

„Die pädagogische Bedeutung der Leibeserziehung/Sportpädagogik zeige sich gerade in der Doppelsinnigkeit der triadischen ’Ich-Leib-Welt’-Beziehung: Einerseits seien der Leib und die Wahrnehmungssinne das entscheidende Medium für Bildung und Erziehung ü- berhaupt (Leib-Welt-Verhältnis); andererseits werde der Leib selbst zum Ansatzpunkt erzieherischen Handelns (Ich-Leib-Verhältnis).“

Die Theorie der Leiblichkeit wird in Bezug auf die phänomenologischen Ansätze Merleau-Pontys und Buytendijks sowie auf die anthropologischen Ansätze Plessners und von Weizsäckers untersucht. Die Leiblichkeit wird als Bestandteil des ganzheitlichen Menschen angesehen. (vgl. ebd.) 1970 wird das Sportcurriculum eingeführt, an die Stelle einer bildungstheoretischen Ausrichtung tritt eine soziologische: Der Inhalt des Sportunterrichts soll sich an gesellschaftliche Erfordernisse anpassen, es kommt zu einer Orientierung am außerschulischen Sport. 1975 wird die Curriculumstheorie wieder verworfen. (vgl. ebd., S. 79) Es entstehen vielfältige Theorien, die Prohl in zwei grundsätzliche Kategorien einteilt: einerseits die pragmatisch-qualifikatorische Strömung, andererseits die kritisch-emanzipatorische Strömung. (vgl. ebd., S. 195ff) Aus diesen sich in Teilen widersprechenden Theorien – die hier in ihrer Fülle anzugeben, den Rahmen überschreiten würde12 – entstehen die modernen Bewegungsmodelle, die im folgenden Kapitel beschrieben werden.

Die für die Theorie der leiblichen Reflexion wichtigen Grundlagen sind nun angesprochen. Im Weiteren wird untersucht, wie aktuelle Bewegungsmodelle aussehen, zu denen sich auch Frankes Überlegungen in Beziehung setzen lassen.

2.2 Moderne Bewegungsmodelle

Die aktuellen sportwissenschaftlichen Überlegungen spiegeln sich in verschiedenen Bewegungsmodellen wider, die sich jeweils auf ein bestimmtes Gegenstandsverhältnis von Bewegung beziehen. Für die Beantwortung der Frage, an welchen Modellen Frankes Theorie der leiblichen Reflexivität angelehnt ist, bedarf es zuerst der Skizzierung dieser Bewegungsmodelle. Damit können auch die unterschiedlichen Menschenbilder, die hinter den Theorien stehen, aufgezeigt werden. Die Bewegungsmodelle versuchen eine Vermittlung zwischen bildungstheoretischen und erziehungswissenschaftlichen Ansätzen darzustellen.

Im sportwissenschaftlichen Diskurs werden zwei grundlegende Bewegungsansätze verfolgt. Zum einen sind das die Theorien der Bewegung und zum anderen sind es die Theorien des menschlichen Sich-Bewegens. (vgl. Leist, 1993) In der Annahme eines sich-bewegenden Menschen als reflexionsfähiges Subjekt13

müssen die Theorien der Bewegung, die sich ausschließlich auf die technischphysikalischen Faktoren einer Bewegung beziehen, ausgeschlossen werden. Aussagen über das messbare Resultat können keine ausreichenden Informationen über die Bewegung und die damit einhergehende Reflexion eines intentional handelnden Menschen geben.

In anthropologischen Grundannahmen, auf die sich Franke bezieht, wird Bewegung als „Mittel der Konstituierung von Welt“ eines ganzheitlich gedachten Menschen angesehen. Der Körper wird dabei nicht wie in Theorien, die das Subjekt nicht in den Bewegungsablauf integrieren, auf eine „ausführende Peripherie, die durch etwas in Gang gebracht werden muss“ reduziert (Fikus, 2001, S. 99f.). Fikus sieht in diesen beiden grundsätzlichen Positionen eine Unvereinbarkeit: „Den Körper als ausführende Peripherie und gleichzeitig auch als Leib, als Mittel des Seins-in-der-Welt zu betrachten, hält Fikus für miteinander unvereinbare Positionen.“ (Bähr, 2006, S. 47) Bähr ordnet Frankes Theorien den handlungspsychologischen Ansätzen zu14, in denen unter anderem auch das triadische Handlungsstrukturmodell von Nitsch oder das Rubikon-Modell von Heckhausen zusammengefasst sind.15 (vgl. ebd., S. 49ff) Die Grundlagen dieser Modelle sind in einem Exkurs, Kapitel 3.1.3, näher beschrieben.

Diesen Konzepten liegt ein Menschenbild zugrunde, das auf einem reflexionsfähigen Subjekt basiert, welches bewusst und bedeutsam in einer Subjekt-Welt-Beziehung handeln kann. Die Bewegungsmodelle teilen dabei den Bewegungsablauf in unterschiedliche Phasen ein: Nachdem die Handlung antizipiert und kalkuliert wurde, erfolgt die Realisierung der Handlung und anschließend ihre Interpretation, wobei letztere wiederum auf weitere Antizipationsvorgänge Einfluss nimmt. (vgl. Nitsch, 1982; vgl. Heckhausen & Heckhausen, 2006) Hier setzt Bährs Kritik an, indem sie die These aufwirft, dass eine Qualitätseinschätzung der Bewegung nicht erst nach dem Handlungsvollzug sondern schon währenddessen auftrete. (vgl. Bähr, 2006, S. 52) Ansonsten käme es lediglich zu einem Abgleichen der antizipierten Erwartung mit den tatsächlich erzielten Ergebnissen. Frankes aktuelle Gliederung der bewegungsbezogenen Reflexion in verschiedene Ebenen bezieht allerdings das phänomenale Erleben der Bewegung mit in seine Theorie ein, sodass dieser Kritikpunkt nicht (mehr) auf Frankes Annahmen zutrifft. Auch spricht er den Unterschied zwischen einer Reflexion während des Bewegungsvollzugs und einer Reflexion über den Vollzug ausdrücklich an. (vgl. Franke, 2007b, S. 178)

Bähr (2006, S. 53) kritisiert einen weiteren Aspekt der handlungspsychologischen Bewegungsansätze: Die Umsetzung der kognitiv antizipierten und geplanten Handlung führe zu einer „Vernachlässigung der Analyse des Bewegungsvollzugs selbst“, der Körper werde folglich wie ein ausschließlich ausführendes, dem Geiste untergeordnetes Organ angesehen, der gesteuert wird. Er übt keinen Einfluss auf die Bewegung aus, der nicht kognitiv gewünscht ist. Ob dieser Einfluss, den Bähr damit implizit annimmt, verbal oder nonverbal stattfindet, wird von ihr nicht erläutert. Eine Überprüfung der Kritik ergibt, dass sie nicht auf Frankes (aktuelle) Thesen zutrifft: Franke setzt an einer ganzheitlichen Anthropologie an, die sich unter anderem auf Plessners Theorie der Positionalität stützt, in der die cartesianische Trennung von Körper und Geist widerlegt wird.16

Andere Bewegungsmodelle, die diesen Dualismus zwischen Geist und Körper, zwischen „Ross und Reiter“ zu überwinden versuchen, basieren auf der Annahme einer „ ursprünglichen Intentionalität“ (ebd., S. 55f.; Herv. N.H.). Sie lassen sich unter den phänomenologischen Ansätzen zusammenfassen. Der Unterschied liegt hierbei in der Auslegung der Intentionalität: Während die handlungspsychologischen Theorien von einer absichtlichen Zielorientierung (und einem daraus erfolgenden, geplanten Handlungsvollzug) ausgehen, wird die Intentionalität in der phänomenologischen Diskussion als „präreflexives, leiblich verfasstes Zur-Welt-Sein des Menschen“ angesehen (ebd., S. 56): „Damit soll ausgedrückt werden, dass der Mensch seine Wahrnehmungen nicht bewusst hervorbringt, sondern auf die ’Vorarbeit des Leibes’ angewiesen ist.“ (Prohl, 2006, S. 228). Merleau-Ponty bezeichnet dies als primordiale, also ursprüngliche Wahrnehmung der Welt. (vgl. Merleau-Ponty, 1966) Diese Prä- reflexivität zeigt sich in dem in der Bewegung ausgemachten unmittelbaren Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt. Der Mensch agiert demnach erstens leiblich und zweitens unmittelbar in der Gegenwart der Bewegungshandlung. Das zeigt sich in einer Wechselwirkung von Wahrnehmen und Bewegen, in der phänomenal eine Einheit von Spüren und Bewirken erfahren wird. (vgl. Bietz, 2005, S. 85ff) In von Weizsäckers Gestaltkreis wird eine Formgenese beschrieben, in der Organismus und Umwelt zyklisch miteinander verschränkt sind, das heißt, es gibt kein vorher und kein nachher sondern nur eine gleichzeitige Formbeziehung. (vgl. Kruse, 2005, S. 304f.) An dieser Stelle sehen sich die phänomenologischen Ansätze folgender Kritik Bährs (2006, S. 60) ausgesetzt:

„Mit der Annahme der zyklischen Einheit von Wahrnehmen und Bewegen in der Handlungsgegenwart lassen sie die Fähigkeit des Menschen, reflexiv und zielgerichtet – insbesondere zukunftsorientiert – in sein Bewegen einzugreifen weitestgehend außer Acht.“

Dieser Kritik steht die Annahme von Weizsäckers einer spezifischen Zeitlichkeit gegenüber, der zwischen einer körperlichen und einer leiblichen Zeit unterscheidet. (vgl. Kruse, 2005, S. 302) Während sich der Körper von außen beobachtbar von der Vergangenheit in die Zukunft bewegt, handelt der Leib aus einer subjektiven Innensicht von der Zukunft in die Gegenwart. Der Gestaltkreis hat eine „nicht-lineare Raum/Zeitstruktur.“ (Prohl, 2006, S. 240)

Diese zeigt sich auch in dem Doppelcharakter des dialogischen Bewegungskonzepts, in dem der Leib zum einen als Instrument der Vermittlung zur Welt und zum anderen als Organ der Wahrnehmung der Welt aufgefasst wird. (vgl. ebd., S. 240) Das dialogische Konzept erhält seinen Namen in Anlehnung an Tamboer, „weil dadurch der relationale Grundzug des sich bewegenden Verhaltens innerhalb der objektivierten Welt deutlich wird.“ (Franke, 2005d, S. 180) Ein Dialog durch die Bewegung kann in Abgrenzung gegenüber einer physikalischen Bewegung nur in einer menschlichen Bewegung eingegangen werden, da es, nach Franke, dazu einer Bewegungsreflexivität bedarf. Diese Reflexivität findet auf einer nonverbalen Ebene der ästhetischen Erfahrung in der Bewegung statt und kann nur von einem reflexionsfä- higen Subjekt hervorgerufen werden. (vgl. Franke, 2003c, S. 29ff) So erklärt Schmidt-Millard (2007, S. 48f.) als Antwort auf die Bemerkung Prohls, Franke deute den Begriff „Dialog“nicht metaphorisch (vgl. Prohl, 2006, S. 236):

„Elk Franke schließlich hat [...] eine konstruktive Kritik des dialogischen Konzepts unternommen, die deutlich macht, dass es darauf ankommt, in diesem Dialog-Modell konsequent eine cartesianische Subjekt-Objekt-Trennung zu vermeiden. Dies ist dadurch möglich, dass die ’Konstitution des Selbst’ über eine Reflexivität gewonnen wird, die – im Wortsinne – vorgelagert ist und zwar in Gestalt einer ästhetischen Erfahrung im Bewegungsvollzug.“

Damit sind die relevanten historischen Voraussetzungen für die Theorie der leiblichen Reflexivität genannt, sodass zunächst Frankes Standpunkt zusammengefasst wird, bevor es in Kapitel 3 zu einer Annäherung an die Theorie kommt.

2.3 Die phänomenologisch-anthropologische Perspektive

Frankes Überlegungen lassen sich nicht eindeutig einem Bewegungsmodell zuordnen, da seine ursprünglichen Überlegungen zwar an den handlungs-analytischen Ansätzen orientiert sind, seine aktuellen Thesen aber auf phänomenologischen Konzepten basieren.17 Franke erweitert dabei das dialogische Bewegungskonzept um die Ebene der Reflexivität im Bewegungsvollzug, sodass von einem eigenständigen Bewegungsmodell gesprochen werden kann, das hier zusammengefasst wird.

Der wesentliche Bestandteil des Sports ist die Bewegung. Die Bewegung wird nicht als Ortsveränderung eines physikalisch determinierten Körpers in der Zeit angesehen, sondern aus einer subjektbezogenen Perspektive betrachtet, in der Leiblichkeit im Sinne Plessners als individueller, persönlicher Bezug zum verallgemeinerungsfä- higen Körper gedeutet wird. Die menschliche Bewegung verweist auf drei spezifische Determinanten, die dem dialogischen Bewegungskonzept entnommen sind: Auf das Subjekt, dass sich bewegt, auf eine Bewegungswelt, in die hinein die Bewegung erfolgt, und auf eine Bewegungsbedeutung, die den Zusammenhang von dem sich bewegenden Subjekt und der Bewegungswelt kennzeichnet. (vgl. Franke, 2003c, S. 25ff)

Die Bewegungsbedeutung hat dabei nicht nur eine funktionale sondern auch eine konstitutive Funktion, da aus phänomenologischer und anthropologischer Sicht die Determinanten Subjekt und Bewegungswelt nicht als voneinander getrennte Bereiche abgegrenzt werden können: Der Mensch erfasst die Welt weitestgehend durch Bewegung, er kann sie durch das Sich-Bewegen sinnvoll und sinnstiftend erfahren und erkennen. Die Wahrnehmung der Welt ergibt sich aus der Bewegung. Mit Bezug auf Piaget erklärt Scherler (1975, S. 28) diesen Umstand: „Bevor das Kind Dinge denken kann, handelt es mit ihnen.“ Der Mensch entdeckt sich über Bewegung in seinen Möglichkeiten, er bildet im Mensch-Weltbezug eine bestimmte Seite seines Selbst aus. Im Prozess der Bewegung wird eine bestimmte Welt in der Welt konstituiert. Dem Weg vom Nicht-Können zum Können einer Bewegung liegt ein Erfahrungsprozess zugrunde, in dem die Bedingungen der Welt erkannt und bewältigt werden. Die Konsequenz daraus ist, dass Bewegung immer auch eine Erfahrungsbedeutung mit sich trägt, die außerhalb von Denkund Sprachprozessen liegt. Hierauf basiert Frankes phänomenologisch-anthropologische Perspektive. Eine nähere Betrachtung von sinngebender Erfahrung, die auf diese Erkenntnisse aufbaut, liefert das anschließende Kapitel.

3 Annäherung an die Theorie der Reflexionsniveaus

Die Theorie der leiblichen Reflexionsniveaus in Bewegung ist auf drei wesentliche Annahmen zurückzuführen, auf die sich Franke wiederkehrend beruft: Cassirers „Philosophie der symbolischen Formen“, Plessners „Stufen des Organischen“ sowie Bourdieus Habituskonzept. Die relevanten Erkenntnisse dieser Theorien werden zunächst herausgestellt und im Anschluss aufeinander bezogen werden, sodass im weiteren Verlauf auf diese grundlegenden Annahmen zurückgegriffen werden kann. Auf die Darstellung der philosophischen Analysen Cassirers folgt die der soziologischen Auseinandersetzung Bourdieus und schließlich die der anthropologischen Untersuchungen Plessners.

3.1 Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen

3.1.1 Vernunft und Sprache, Sprache und Handlung

Bevor Cassirers Theorie erörtert wird, sind einige wesentliche Standpunkte bezüglich der Funktionen von Sprache und Handlung zusammengestellt, die Frankes Schaffen maßgeblich beeinflusst haben.

[...]


1 Zu den gesellschaftlichen Zusammenhängen der aktuellen Bildungsdebatte äußert sich Ilien in seiner Studie „Lehrerprofession. Grundprobleme pädagogischen Handelns.“, in der er den gesellschaftlichen Bildungsauftrag an die Lehrer anhand dreier Bildungsparadoxien und Konsequenzen für ein professionelles Lehrerhandeln aufzeigt. (vgl. Ilien, 2008) Menschen im Medium der geistigen Welt. Diese Entfaltung soll durch Erziehung und Unterricht bewirkt werden. (vgl. Franke, 1998, S. 46f.)

2 Die Debatte um Bewegungs-Bildung und körperliche Erkenntnis kann unter anderem in den Werken von Franke und Bannmüller (2003), Bietz, Laging und Roscher (2005), Laging und Prohl (2005), Bockrath, Boschert und Franke (2008) sowie in der Übersicht von Prohl (2006) nachvollzogen werden.

3 Siehe Anhang.

4 Es sei angemerkt, dass in dieser Arbeit keine geschlechtsspezifischen Formen verwendet werden, da keine Betrachtung möglicher Geschlechterunterschiede vorgenommen wird und aufgrund der Lesbarkeit nicht ausschließlich auf geschlechtsneutrale Formulierungen zurückgegriffen werden kann. Ausnahmsweise gelten im Sinne der Gleichbehandlung die maskulinen Bezeichnungen für beide Geschlechter.

5 Wobei diese Thematik schon im Ursprung der Pädagogik angelegt ist, wie Müller in seiner Übersicht des Ästhesiologie-Begriffs darstellt. (vgl. Müller, 1997, S. 12ff)

6 Diese These wird in Hinblick auf Cassirer in Kapitel 3.1.5 näher erörtert.

7 Ein weiteres Beispiel dafür liefert Gutmann, der auf König verweist, um das Gewahrwerden des Sprechens in einem Sprechakt darzustellen. (vgl. Gutmann, 2004, S. 706)

8 Wenn es im Fremdsprachenunterricht darum geht, Kommunikationskompetenzen einer anderen Sprache zu erlernen, dann kann das ebenfalls als Fertigkeit bewertet werden. Der Unterschied zu den ästhetisch-expressiven Fächern liegt hier allerdings darin, dass das Wissen um die Regeln und Vokabeln der fremden Sprache abgefragt werden kann, während das Wissen in den anderen Fächern eher über das Können abgerufen wird. Wobei es gerade im Sportunterricht Bestrebungen gibt, nicht das abrufbare Können, sondern die Erfahrung von Welt in den Vordergrund zu stellen.

9 Die drei genannten Kulturbereiche lassen sich nicht immer klar voneinander abgrenzen. Während Sport ähnlich wie Musik als „flüchtiges Medium“ gilt, und Kunst dagegen als „raum-zeitliche unabhängiges Zeichensystem“ (Franke, 2005c, S. 117).

10 Der Begriff Sport erhält erst durch die Orientierungen an der Spielund Sportbewegung aus England Anfang des 20. Jahrhunderts Einzug in die deutsche Leibeserziehung.

11 Diese beiden Werke haben einen wesentlichen Einfluss auf die Theorie der leiblichen Reflexivität. Sie werden in den Kapiteln 3.1 und 3.3 näher besprochen. Parallel zu Plessner und Cassirer lehrt Misch an der Universität Göttingen, dessen für diesen Kontext relevantes Werk aber erst 1994 ver- öffentlicht wird. (Vgl. Misch, 1994)

12 Prohl (2006, S. 105) verweist in diesem Kontext auf Hummel und Balz, die noch 1995 feststellen, dass es „’ein integratives fachdidaktisches Modell’ nicht geben könne.“

13 Siehe dazu unter anderem Kapitel 3.3 über Plessners Anthropologie.

14 Bähr bezieht sich dabei auf Frankes Text „Der Selbstbezug im Handeln – ein blinder Fleck der Sozialphilosophie?“, aber es fällt ihr schwer, sein Konzept hier einzuordnen. Sie nennt Franke zwar eingangs explizit, im weiteren Verlauf ihrer Ausführungen kommt sie aber nicht mehr auf ihn zurück. (vgl. Bähr, 2006, S. 49ff) Trotzdem sollen die Fragen, die sie an die handlungspsychologischen Bewegungsmodelle stellt, mit Bezug auf Franke beantwortet werden.

15 Franke würdigt Nitschs Modell in der Festschrift „Sportliche Handlungen – Anmerkungen aus handlungspsychologischer Sicht“ und weist hier auf spezifische Problematiken bezüglich der Vereinfachungen durch Modellbildung und die Beschränkung des Begriffs der Handlung auf Bewegungshandeln hin. (vgl. Franke, 2000b, S. 16ff; vgl. Nitsch, 1982, S. 34ff; vgl. Heckhausen et al., 2006)

16 Siehe dazu Kapitel 3.3.

17 Das zeigt sich unter anderem darin, dass Franke sich für die Arbeit Trebels bedankt, durch die er der Bedeutung der Phänomenologie gewahr wurde. (Franke, 2003d, S. 35)

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Reflexionsniveaus im Bewegen - Kriterien zur Beurteilung im Sportunterricht?
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
90
Katalognummer
V116437
ISBN (eBook)
9783640186211
ISBN (Buch)
9783640188161
Dateigröße
2869 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reflexionsniveaus, Bewegen, Kriterien, Beurteilung, Sportunterricht
Arbeit zitieren
Niklas Hoffmann (Autor:in), 2008, Reflexionsniveaus im Bewegen - Kriterien zur Beurteilung im Sportunterricht?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116437

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