Die antikanzerogene Wirkung sekundärer Pflanzenstoffe


Examensarbeit, 2007

72 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

Abkürzungen

2. Sekundäre Pflanzenstoffe
2.1 Gesundheitsschädigende Wirkungen
2.2 Gesundheitsfördernde Wirkungen

3. Mechanismen der Kanzerogenese und Antikanzerogenese
3.1 Ernährung und Krebs
3.2 Kanzerogene Faktoren der Ernährung
3.3 Phasen der Krebsentstehung
3.3.1 Initiation
3.3.2 Promotion und Progression
3.4 Einfluss der Phase-I- und Phase-II-Enzyme
3.5 Einfluss von Hormonwirkungen
3.6 Weitere antikanzerogene Wirkmechanismen

4. Carotinoide
4.1 Vorkommen und Eigenschaften
4.2 Antikanzerogene Wirkung

5. Phytosterine
5.1 Vorkommen und Eigenschaften
5.2 Antikanzerogene Wirkung

6. Saponine
6.1 Vorkommen und Eigenschaften
6.2 Antikanzerogene Wirkung

7. Glucosinolate
7.1 Vorkommen und Eigenschaften
7.2 Antikanzerogene Wirkung
7.2.1 Isothiozyanate und Thiozyanate
7.2.2 Indole

8. Polyphenole
8.1 Vorkommen und Eigenschaften
8.1.1 Phenolsäuren
8.1.2 Flavonoide
8.2 Antikanzerogene Wirkung
8.2.1 Phenolsäuren
8.2.2 Flavonoide

9. Protease-Inhibitoren
9.1 Vorkommen und Eigenschaften
9.2 Antikanzerogene Wirkung

10. Terpene
10.1 Vorkommen und Eigenschaften
10.2 Antikanzerogene Wirkung

11. Phytoöstrogene
11.1 Vorkommen und Eigenschaften
11.2 Antikanzerogene Wirkung

12. Sulfide
12.1 Vorkommen und Eigenschaften
12.2 Antikanzerogene Wirkung

13. Phytinsäure
13.1 Vorkommen und Eigenschaften
13.2 Antikanzerogene Wirkung

14. Schlussbetrachtung

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In dieser Arbeit wird die antikanzerogene Wirkung von sekundären Pflanzenstoffen behandelt. Sekundäre Pflanzenstoffe stehen in der fachwissenschaftlichen Diskussion, das Risiko für ernährungsabhängige Krebserkrankungen zu senken und ziehen dadurch zunehmend auch öffentliches Interesse auf sich.

Zu Beginn erfolgt eine einleitende Darstellung, was sekundäre Pflanzenstoffe sind und welche gesundheitsfördernden und eventuell gesundheitsschä- digenden Wirkungen sie allgemein ausüben. Im Folgenden soll gezeigt werden, auf welche Art die sekundären Pflanzenstoffe antikanzerogen wirksam sein können. Um diese Mechanismen erklären zu können, wird in Kapitel 3 die Entstehung von Krebs, die Kanzerogenese und Antikanzerogenese, beschrieben. Im Hauptteil der Arbeit wird für die verschiedenen Gruppen der sekundären Pflanzenstoffe erläutert, in welchen Lebensmitteln die jeweiligen Substanzen enthalten sind, welche Eigenschaften sie haben und welchen Einfluss die Zubereitung und Verarbeitung der Lebensmittel auf die Konzentration der jeweiligen sekundären Pflanzenstoffe haben. Sofern Studiendaten verfügbar sind, wird die mögliche toxische Wirkung der Substanzen behandelt. Ebenso wird die Frage nach einer möglichen protektiven oder toxischen Wirkung einer Supplementierung isolierter sekundärer Pflanzenstoffe beantwortet. Im jeweils zweiten Teil der einzelnen Kapitel werden die Mechanismen der antikanzerogenen Wirkung erläutert. Die Fachartikel, auf die sich diese Ergebnisse beziehen, sind größtenteils Studien, die in englischer Sprache veröffentlicht wurden. Die Übersetzung der Texte erfolgte durch persönliche Englischkenntnisse und mit Hilfe des Langenscheidts Handwörterbuches Englisch [Langenscheid 2001].

Da sekundäre Pflanzenstoffe über vielfältige Mechanismen auf die Kanzerogenese einwirken und diese teilweise noch nicht ausreichend erforscht sind, lässt sich keine Aussage treffen, welche Gruppe am wirksamsten ist. Von der Reihenfolge, in der die Gruppen in dieser Arbeit behandelt werden, ist nicht auf deren Wirksamkeit zu schließen.

In der Schlussbetrachtung werden eine Zusammenfassung der wichtigsten antikanzerogenen Wirkungen, der Toxizität, der Frage nach der Supplementierung und eine Beurteilung anhand der vorliegenden Ergebnisse gegeben.

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Sekundäre Pflanzenstoffe

Über die Nahrung nehmen wir nicht nur primäre Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Proteine und Fette auf, sondern auch so genannte sekundäre Pflanzenstoffe. Diese sind nicht-nutritive Inhaltsstoffe, sie werden also nicht zu den Nährstoffen gezählt.

Wichtig ist dabei die Abgrenzung zu den essentiellen Nährstoffen, welche für den Menschen lebensnotwendig sind und über die Nahrung zugeführt werden müssen, da sie vom Körper selbst nicht ausreichend synthetisiert werden können. Zu diesen essentiellen Nährstoffen gehören alle Vitamine außer Vitamin D, viele Mineralstoffe, acht Aminosäuren und die mehrfach ungesättigten Fettsäuren Linolsäure und a-Linolensäure.

Die primären Nährstoffe sind die Hauptbestandteile unserer Nahrung sowohl tierischer als auch pflanzlicher Herkunft. Sie sind am Energiestoffwechsel beteiligt und wirken als Nährstoffe z.B. beim Zellaufbau. Sekundäre Pflanzenstoffe sind, wie der Name bereits andeutet, ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Sie kommen nur in geringen Mengen und in bestimmten Pflanzen vor. Dabei soll der Begriff „sekundär“ keinesfalls den Anschein erwecken, dass diese Inhaltsstoffe zu vernachlässigen sind. Im Gegenteil, denn einige sekundäre Pflanzenstoffe können pharmakologische Wirkungen ausüben. In der Pharmazie werden daher einige von ihnen als Basis für Arzneimittel verwendet.

Die Bezeichnung „Sekundäre Pflanzenstoffe“ geht auf den Pflanzenbiologen und Nobelpreisträger Albrecht Kossel zurück, der diese vor etwa 100 Jahren erstmals so benannt hat. In der englischsprachigen Literatur hat sich der Begriff „Phytochemicals“ durchgesetzt. Die Bezeichnung ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl chemisch unterschiedlicher Verbindungen, vermutlich gibt es ca. 60.000 bis 100.000 verschiedene Verbindungen. Genaue Aussagen können diesbezüglich noch nicht getroffen werden, da bisher nur etwa 5 % aller auf der Erde bekannten Pflanzen in Bezug auf das Vorhandensein sekundärer Pflanzenstoffe untersucht wurden.

Von den Pflanzen werden die sekundären Pflanzenstoffe als Duft-, Farbund Geschmacksstoffe gebildet. Sie dienen ihnen als Lockstoffe zur eigenen Verbreitung und Fortpflanzung, aber auch als Abwehrstoffe gegen Schädlinge, Krankheiten und UV-Strahlen. Sie wirken als Duftund Geschmacksstoffe auch auf die Nahrungsauswahl des Menschen ein. Lebensmittel, die für den Menschen angenehmen riechen und als wohlschmeckend empfunden werden, werden bevorzugt verzehrt. Lebensmittel, die übelriechend sind oder unangenehm schmecken, z.B. stark bitter, werden gemieden. Über die Nahrungsaufnahme gelangen sekundäre Pflanzenstoffe in den Körper, wo sie gesundheitsfördernde, aber auch gesundheitsschädigende Wirkungen ausüben können. Die gesundheitsfördernden Wirkungen nehmen hierbei den größeren Anteil ein. [Watzl u. Leitzmann 2005, Hamm 2003, Elmadfa u. Leitzmann 1998]

In folgender Tabelle werden die Gehalte der sekundären Pflanzenstoffe in Lebensmitteln dargestellt und des Weiteren die geschätzte tägliche Aufnahme je Gruppe der Substanzen angegeben.

Tab. 1: Sekundäre Pflanzenstoffe: Gehalt in Lebensmitteln und Aufnahme

(eigene Darstellung, in Anlehnung an: Elmadfa u. Leitzmann 1998)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* in 100 g Trockenmasse

2.1 Gesundheitsschädigende Wirkungen

Die Pflanzen, die toxisch wirkende und damit gesundheitsschädigende sekundären Pflanzenstoffe enthalten, können durch den menschlichen Geruchs- und Geschmackssinn erkannt und gemieden werden. Häufig haben diese Pflanzen einen bitteren Geschmack oder wirken adstringierend. Die adstringierende Wirkung ist ein zusammenziehendes Mundgefühl, das hauptsächlich durch Tannine hervorgerufen wird. Werden Pflanzen mit toxischen Inhaltsstoffen dennoch verzehrt kann im Organismus durch Entgiftungsenzyme die Toxizität, abhängig von der Konzentration der sekundären Pflanzenstoffe, herabgesetzt oder vollständig neutralisiert werden. Diese Enzyme werden als Phase-I- und Phase-II-Enzyme bezeichnet, dabei handelt es sich z.B. um die Cytochrom-P450 abhängigen Monooxygenasen und die Glutathion-S-Transferasen. Diese Entgiftungsenzyme spielen auch bei der Kanzerogenese eine entscheidende Rolle, ihr Wirkmechanismus wird in Kapitel 3.4 näher erläutert.

Weiterhin ist im Darmtrakt eine bakterielle Veränderung der Struktur der toxisch wirkenden Substanzen möglich. Dieser Entgiftungsmechanismus erfolgt beispielsweise bei Phytosterinen, Lignanen und Flavonoiden. Die Ver- änderung der Struktur bewirkt, dass diese sekundären Pflanzenstoffe nicht mehr resorbiert werden oder nach ihrer Resorption nicht mehr schädlich wirken können.

Eine Entgiftung der sekundären Pflanzenstoffe kann aber auch über die Zubereitung der Lebensmittel erreicht werden. Durch Anwendung von Fermentation oder Hitze können toxische Substanzen abgebaut werden. Enzyme von Hülsenfrüchten, die die gesundheitsschädliche Blausäure freisetzen können, werden beispielsweise durch Erhitzung zerstört. Das in den grünen Stellen von Kartoffeln enthaltene Solanin geht während des Kochens in die Kochflüssigkeit über und kann durch Abgießen der Flüssigkeit entfernt werden.

Durch neue Forschungsergebnisse erhalten die sekundären Pflanzenstoffe eine weitaus positivere Bewertung als in den ersten Studien, die sich ausschließlich mit den gesundheitsschädigenden Wirkungen befassten. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass durch eine Kost, die den Empfehlungen einer abwechslungsreichen Ernährung entspricht, sekundäre Pflanzenstoffe nur in Mengen aufgenommen werden, in denen sie keine gesundheitsschädigenden Wirkungen ausüben. Bei einer ausgewogenen und pflanzenbetonten Ernährung überwiegen die gesundheitsfördernden Wirkungen. Auf mögliche dosisabhängige, gesundheitsschädigende Wirkungen der einzelnen Substanzen wird in den jeweiligen Kapiteln zu den Sekundären Pflanzenstoffen weiter eingegangen [Watzl u. Leitzmann 2005, Hamm 2003, Elmadfa u. Leitzmann 1998].

2.2 Gesundheitsfördernde Wirkungen

Seit vielen Jahrhunderten werden Pflanzen aufgrund ihrer pharmakologischen Wirkung zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt. Bereits dem berühmten griechischen Arzt Hippokrates (460 bis 370 v. Chr.) wird die Aussage zugeschrieben: „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel und eure Heilmittel sollen eure Nahrungsmittel sein.“. Durch die Möglichkeiten der modernen Forschung lassen sich viele seit langem bekannte Wirkungen epidemiologisch belegen. Eine entscheidende Rolle bei den therapeutischen und protektiven Wirkungen vieler Pflanzen spielen die sekundären Pflanzenstoffe. Die sekundären Pflanzenstoffe mit gesundheitsfördernden Wirkungen lassen sich in zehn Gruppen unterteilen, die in nachstehender Tabelle aufgeführt und deren Wirkungen dargestellt sind.

Tab.2: Sekundäre Pflanzenstoffe: Wirkung und Vorkommen

(eigene Darstellung, in Anlehnung an: Watzl u. Leitzmann 2005; Hamm 2003)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Besonderheit liegt bei den Carotinoiden vor, da sie als Provitamin A als einzige der hier aufgeführten Substanzen eine essentielle Funktion haben. Zusätzlich zu dieser Funktion üben die verschiedenen Carotinoide bedeutende Schutzwirkungen auf den Organismus aus. wie z.B. antioxidative Wirkungen.

Die gesundheitsfördernden Wirkungen der sekundären Pflanzenstoffe sind im Vergleich zu Arzneimitteln eher schwach. Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt ihre Bedeutung eher in der Prävention von Krankheiten als in deren Therapie [ebd.].

3. Mechanismen der Kanzerogenese und Antikanzerogenese

3.1 Ernährung und Krebs

Die Entstehung von Krebs ist ein komplexer, multikausaler Vorgang, der über verschiedene unabhängige Zwischenstufen abläuft. Die Faktoren Alter, Disposition (genetische Faktoren) und Exposition (Umweltfaktoren) spielen bei der Entstehung bösartiger Tumore eine Rolle. Das Krebsrisiko steigt mit dem Lebensalter und der erblichen Disposition. Die häufigsten malignen (bösartigen) Tumore hingegen, wie z.B. Darmkrebs, Brustkrebs und Prostatakrebs, werden wesentlich durch exogene Faktoren beeinflusst. Ein bedeutender Faktor ist dabei die Ernährung [Kasper 1996]. Der Einfluss exogener Faktoren auf die Kanzerogenese liegt bei 85 – 99 %, dem Einfluss der Ernä- hung kommt unter diesen Faktoren mit 20 – 60 % die größte Bedeutung zu. Dabei spielen wiederum krebsfördernde als auch krebshemmende Substanzen eine Rolle. Die Aufnahme von krebshemmenden Substanzen zu erhö- hen und die von von krebsfördernden Substanzen zu verringern, stellt eine wichtige Maßnahme in der Prävention von Krebserkrankungen dar.

Die Lebensmittelinhaltsstoffe, die die Krebsentstehung hemmen, sind nur schwer zu identifizieren. In vielen Studien konnte bei Vegetariern ein niedrigeres Krebsrisiko als bei der Allgemeinbevölkerung festgestellt werden. Es wurde beobachtet, dass sich bei einem regelmäßigen Verzehr von Obst und Gemüse das Krebsrisikos auf weniger als die Hälfte verringerte. Dieser Effekt war besonders deutlich bei Verzehr von frischem, unerhitztem Obst und Gemüse. Diese sind besonders reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen. Der antikanzerogene Effekt lässt sich allerdings nicht ausschließ- lich auf diese Substanzen zurückführen, da der Zusammenhang zwischen der Krebsentstehung und der Aufnahme von isolierten Vitaminen und Mineralstoffen als Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel) nicht so stark ist wie derselbe Zusammenhang mit der Aufnahme von Obst und Gemüse. Die antikanzerogene Wirkung wird also nicht allein durch die essentiellen Nährstoffe verursacht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind sekundäre Pflanzenstoffe für diese Wirkung mitverantwortlich, die Wirkung könnte dabei additiv oder synergistisch sein. Die synergistische Wirkung ist das Zusammenwirken mehrerer Substanzen, einzeln sind diese Substanzen häufig unwirksam [Watzl u. Leitzmann 2005].

Sekundäre Pflanzenstoffe nehmen auf vielfältige Rolle Einfluss auf die Entstehung von Krebserkrankungen. Sie beeinflussen unter anderem auch kanzerogene Faktoren der Nahrungszufuhr und reduzieren somit die krebsfördernden Eigenschaften dieser Lebensmittelinhaltsstoffe. Da diese Stoffe in den Kapiteln der antikanzerogenen Wirkungen Erwähnung finden, wird an dieser Stelle eine kurze Übersicht der kanzerogenen Faktoren der Ernährung gegeben.

3.2 Kanzerogene Faktoren der Ernährung

Kanzerogene Substanzen, die über die Nahrung aufgenommen werden, sind zum einen die Nitrosamine, die zur Gruppe der N-Nitrosoverbindungen gehören. Sie sind häufig in gepökeltem Fleisch, gebratenem Speck, einigen Käsesorten und in Salzwasserfischen enthalten. Sie können aber auch im menschlichen Körper aus Aminosäuren und Nitrit gebildet werden. Nitrit wird aus Nitrat gebildet, welches besonders in pflanzlichen Lebensmitteln wie z.B. Wurzelgemüse und Blattgemüse enthalten ist. Nitrat wird bereits in der Mundhöhle durch den Speichel zu Nitrit reduziert. Dieses verbindet sich dann im ph-sauren Milieu des Magens mit den in der Nahrung enthaltenen Aminosäuren zu den kanzerogenen Nitrosaminen [Watzl u. Leitzmann 2005, Elmadfa u. Leitzmann 1998].

Auf Nüssen oder Getreide können sich bei unsachgemäßer Lagerung Aflatoxine und andere Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) bilden. Aflatoxin wird vom Schimmelpilz Aspergillus flavus gebildet und ist als starkes Leberkarzinogen bekannt.

Eine weitere Gefahr stellt die Bildung von Benzpyrenen dar. Benzpyren gehört zur Gruppe der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, die ebenfalls als krebserregend eingestuft werden. Diese bilden sich, wenn fetthaltiges Fleisch über offenem Feuer gegart bzw. über Kohle gegrillt wird. Auch beim Räuchern oder besonders starkem Rösten von Lebensmitteln können Benzpyrene entstehen. Für geräucherte Lebensmittel sind deswegen Höchstmengenverordnungen für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe erlassen worden [Hamm 2003, Elmadfa u. Leitzmann 1998].

Die meisten kanzerogenen Substanzen liegen in den Nahrungsmitteln in ihrer inaktiven Form vor und werden erst durch Abbauvorgänge während der Verdauung im Magen-Darm-Trakt aktiviert. An dieser Stelle können die sekundären Pflanzenstoffe die Aktivierung der Substanzen verhindern und dadurch deren kanzerogene Wirkung hemmen.

Bei einer Ernährung mit hohem Fleischkonsum zeigte sich ein Zusammenhang mit dem erhöhten Auftreten bestimmter Krebsarten. Dies ließ sich besonders für Darmkrebs und Brustkrebserkrankungen nachweisen. Der Verzehr von täglich mehr als 134 g Rind-, Schweineoder Lammfleisch kann bereits zum Risikofaktor werden. Für Geflügel und Fisch ist keine Korrelation mit dem Krebsrisiko feststellbar. Die Erhöhung des Krebsrisikos durch den Fleischverzehr ist jedoch stark abhängig von der Zubereitung des Fleisches. Wenn Fleisch unter hohen Temperaturen stark gebraten und gegrillt wird, entstehen bei der intensiven Bräunung heterozyklische Amine, wie z.B. Acrylamid. Diese sind ein Produkt der Pyrolyse von Proteinen, wobei durch hohe Temperaturen die Proteine gespalten werden. Acrylamide sind nachweislich kanzerogen wirksam. Daher sollten beim Braten und Frittieren Temperaturen von 170°C und beim Backen 200°C nicht überschritten werden, um die Bildung von Acrylamid zu vermeiden [Watzl u. Leitzmann 2005, Hamm 2005].

Ein hoher Fettkonsum steht ebenfalls in der Diskussion als Risikofaktor für Krebserkrankungen. Es konnte ein Zusammenhang zwischen dem Fettverzehr und der Entstehung von Brustkrebs beobachtet werden. Aber auch auf weitere Krebserkrankungen wirkt eine hohe Gesamtfettaufnahme als Promotor. Dabei wird vermutet, dass die Erhöhung des Krebsrisikos hauptsächlich auf die Wirkungen der ungesättigten Fettsäuren zurückzuführen ist. Die genauen Mechanismen, über die die Fette die Kanzerogenese beeinflussen, sind jedoch noch nicht eindeutig geklärt. Für die Darmkrebsentstehung wird vermutet, dass es durch die erhöhte Fettzufuhr zu einer vermehrten Bildung sekundärer Gallensäuren kommt. Diese können zu einem gesteigerten Zellwachstum im Darm führen und dadurch das Krebsrisiko erhöhen. Einige sekundäre Pflanzenstoffe können die sekundären Gallensäuren binden, wodurch sie indirekt Einfluss auf die Kanzerogenese nehmen.

Ob Proteine die Kanzerogenese beeinflussen, ist nicht eindeutig geklärt. Eine hohe Nahrungsfettaufnahme korreliert mit einer erhöhten Proteinaufnahme. In Tierversuchen konnte keine kanzerogene Wirkung von Proteinen nachgewiesen werden, so dass das vermehrte Auftreten von Krebserkrankungen vermutlich eher auf den erhöhten Fettgehalt zurückzuführen ist. Ein Zusammenhang mit der erhöhten Energiezufuhr durch fettreiche oder proteinreiche Ernährung wird ebenfalls vermutet, konnte aber bisher nicht nachgewiesen werden. Auch diesbezüglich ist die Einstufung als Risikofaktor für die Krebsentstehung noch nicht geklärt.

Als weiterer Risikofaktor der Ernährung steht ein regelmäßiger Alkoholkonsum im Verdacht, Krebserkrankungen der Speiseröhre, des Rachens, des Kehlkopfe und der Mundhöhle zu fördern [Watzl u. Leitzmann 2005].

Welche sekundären Pflanzenstoffe die Entstehung von Krebs über die Hemmung dieser kanzerogenen Faktoren beeinflussen, wird in den Kapiteln zur antikanzerogenen Wirkung der einzelnen Substanzen gegebenenfalls wieder aufgegriffen.

3.3 Phasen der Krebsentstehung

Die Krebsentstehung wird in drei Phasen unterteilt: die Initiation (Auslösung), die Promotion (Förderung) und die Progression (Tumorwachstum/Metastasenbildung). Diese Phasen können unterschiedlich lang sein. Innerhalb der Phasen laufen wiederum viele verschiedene Einzelschritte ab, die durch zahlreiche unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden. Nur durch die ständige Anwesenheit fördernder Faktoren in den unterschiedlichen Phasen der Krebsentstehung manifestiert sich nach Jahren das klinische Bild eines Tumors [Watzl u. Leitzmann 2005].

3.3.1 Initiation

Die Initiationsphase ist gekennzeichnet durch eine Veränderung der genetischen Informationen einer Zelle. Diese Schädigung der DNA kann durch genotoxische oder nicht-genotoxische Mechanismen erfolgen. Die genotoxisch wirkenden Kanzerogene induzieren die Tumorbildung durch die Schädigung und Veränderung der molekularen Struktur der DNA. Die nicht-genotoxischen Kanzerogene fördern ebenfalls die Kanzerogenese, ohne allerdings die DNA anzugreifen, daher werden sie oft mit Promotoren gleichgesetzt.

Die Initiatoren der Kanzerogenese können Strahlen, Viren oder chemische Substanzen sein. Die in Lebensmitteln enthaltenen Nitrosamine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und heterozyklische Amine spielen in diesem Stadium eine große Rolle als Kanzerogene. Die Kanzerogene können auch als Prokanzerogene aufgenommen werden. Dies sind Vorstufen krebsauslösender Substanzen, die erst im Körper durch Enzyme aktiviert werden. Die Initiationsphase besteht aus mehreren Einzelschritten. Diese gehen von der Aufnahme des Kanzerogens, dessen Eindringen in die Zelle, die Aktivierung des Kanzerogens und den Zugang zum Zellkern bis zur Reaktion mit der DNA und Ausprägung des DNA-Schadens. Da die Initiation aus mehreren Einzelschritten besteht, können zahlreiche Schutzmechanismen des menschlichen Körpers eingreifen und die Entartung der Zelle verhindern. So kann beispielsweise die Aktivierung vieler Kanzerogene durch zahlreiche Substanzen in der Nahrung verhindert werden. Kommt es dennoch zur Schädigung der DNA, so hat der Körper zahlreiche Reparaturmechanismen zur Verfügung, die die Schädigung beseitigen können. Bleibt die Schädigung bis zur nächsten Zellteilung erhalten, wird die Mutation auf die neu entstehenden Zellen übertragen und der Schaden wird irreversibel. Zellen mit geschädigter DNA werden normalerweise durch die während des Zellzyklus ständig ablaufende Zellerneuerung entfernt, so dass es nicht zur Ausbildung eines Tumors kommt [Watzl u. Leitzmann 2005, Hamm 2003, Biesalski 1995].

3.3.2 Promotion und Progression

In der Promotionsphase kommt es zum unkontrollierten Zellwachstum der initiierten Zelle und damit zur Bildung eines Tumors. Von der Initiation bis zum Tumor können viele Jahre vergehen. Die Latenzzeit kann etwa 10-20 Jahre betragen. Während dieser Phase sind die Veränderungen noch reversibel. Nur wenn während dieser gesamten Zeit Promotoren anwesend sind, entwickelt sich ein Tumor. Promotoren sind nicht-genotoxische Substanzen, die die Wachstumskontrolle der initiierten Zellen ausschalten.

Die Wachstumskontrolle der initiierten Zellen erfolgt über so genannte gapjunctions. Die gap-junctions sind interzelluläre Verbindungen, die die Kommunikation der Zellen untereinander ermöglichen. Ist eine Zelle initiiert, wird sie durch die umliegenden nicht-initiierten Zellen am Wachstum gehindert. Wird die Kommunikation über gap-junctions gestört, kommt es zu unkontrolliertem Zellwachstum und Tumorbildung der initiierten Zelle. Die Förderung der interzellulären Kommunikation über gap-junctions stellt eine Möglichkeit der Krebsprävention dar. Über diesen Mechanismus können beispielsweise Carotinoide tumorhemmend wirken.

Promotoren in der Nahrung können z.B. bestimmte Fettsäuren (Omega-6), Alkohol oder eine erhöhte Nahrungsenergiezufuhr sein. Durch Antipromotoren, wie einige Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, kann die Promotion verhindert werden. Da die krebsauslösenden und krebshemmenden Substanzen als natürliche Bestandteile der Nahrung immer gemeinsam in den Nahrungsmitteln vorliegen, ist eine vollständige Eliminierung der Krebspromotoren nicht möglich. Eine Krebsprävention ist folglich nur über eine gesteigerte Zufuhr der protektiven Substanzen möglich [Watzl u. Leitzmann 2005, Hamm 2003, Biesalski 1995].

Die Progressionsphase ist die letzte Entwicklungsphase eines Tumors und schließt an die Promotionsphase an. Es kommt zum unabhängigen Tumorwachstum und zur Bildung von Metastasen. Die Schädigungen sind in dieser Phase nicht mehr reversibel [ebd.].

3.4 Einfluss der Phase-I- und Phase-II-Enzyme

Eine wichtige Funktion in der Entstehung von Krebs kommt den Phase-I- und Phase-II-Enzymen zu. Die Phase-I-Enzyme aktivieren Prokanzerogene zu biologisch wirksamen Kanzerogenen, die Phase-II-Enzyme machen aktivierte Kanzerogene unwirksam.

Die Phase-I-Enzyme sind in fast allen Geweben vorhanden. Es handelt sich dabei z.B. um die Cytochrom-P450-abhängigen Monooxygenasen und Hydroxylasen. Die Gruppe der Phase-I-Enzyme besteht aus über 50 verschiedenen Isoenzymen, die unterschiedliche Wirkungen zeigen. Sie katalysieren die Bildung eines Kanzerogens aus einer harmlosen Substanz, bringen aber auch Kanzerogene in eine wasserlösliche und damit vom Körper leichter ausscheidbare Form. Welcher Prozess abläuft, hängt vom Substrat bzw. von den umsetzenden Isoenzymen ab.

Substrate, die im menschlichen Körper durch Phase-I-Enzyme zu Kanzerogenen aktiviert werden, sind beispielsweise Nitrosamine und Aflatoxin B1. Durch sekundäre Pflanzenstoffe können die Isoenzyme, die die Prokanzerogene aktivieren, gehemmt werden. Sie bewirken über diesen Mechanismus eine Hemmung der Kanzerogenese in der Initiationsphase. Sekundäre Pflanzenstoffe mit dieser Wirkung sind die Carotinoide, Isothiozyanate, Indole, Flavonoide, Phenolsäuren, Sulfide, Phytoöstrogene, Thiozyanate und Terpene. Sie wirken jedoch selektiv, hemmen also nur die Aktivierung bestimmter Kanzerogene.

Die Phase-II-Enzyme wie die Glutathion-S-Transferase, Epoxidhydrolase, Glucuronosyltransferase, Sulfotransferase und die Quinonreduktase fördern die Entgiftung aktivierter Kanzerogene. Sie wandeln die aktivierten Kanzerogene um, so dass die Endprodukte eine höhere Wasserlöslichkeit besitzen und über die Galle und den Urin ausgeschieden werden können. Dieser Mechanismus ist beispielsweise bei der Inaktivierung von Nitrosaminen von Bedeutung. Sekundäre Pflanzenstoffe können die Krebsentstehung hemmen, indem sie eine Aktivitätssteigerung der Phase-II-Enzyme induzieren.

Mögliche sekundäre Pflanzenstoffe mit dieser Wirkung sind Isothiozyanate, Thiozyanate, Indole, Phenolsäuren, Flavonoide, Terpene und Sulfide [Watzl u. Leitzmann 2005].

3.5 Einfluss von Hormonwirkungen

Einige Hormone können als Promotoren der Kanzerogenese wirken, indem sie die Bildung tumorfördernder Enzyme stimulieren. Durch Hormoninhibitoren wird die Aktivität der Hormone herabgesetzt und dadurch das Risiko für hormonabhängige Krebsarten gesenkt. Hormonabhängige Krebsarten betreffen vorwiegend die Geschlechtsorgane, wie Brustkrebs, Gebärmutterkrebs und Prostatakrebs.

Durch sekundäre Pflanzenstoffe kann vor allem der Östrogenstoffwechsel auf verschiedene Weise beeinflusst werden. Phytoöstrogene und Indole können selbst als schwache Östrogene wirken oder die Bildung schwacher Östrogene induzieren. Sie hemmen dadurch die Bindung von starken Östrogenen an die Zellrezeptoren. Weiterhin kann die Synthese des Sex-Hormone-Binding-Globulin (SHBG) durch sekundäre Pflanzenstoffe erhöht werden. Das SHBG kann die Östrogene binden und dadurch inaktivieren. Über diese Mechanismen können sekundäre Pflanzenstoffe die Östrogenaktivität reduzieren und die Entstehung hormonabhängiger Krebsarten hemmen [Watzl u. Leitzmann 2005].

3.6 Weitere antikanzerogene Wirkmechanismen

Bei der Entstehung von Krebs kommt es zu einer Fehlregulierung des Zellwachstums. Die Verlangsamung der Wachstumsrate, wie sie unter anderem durch Phytosterine hervorgerufen werden kann, kann die Kanzerogenese hemmen.

An den nukleophilen Bindungsstellen der DNA lagern sich die Kanzerogene an. Einige sekundäre Pflanzenstoffe, wie Phenolsäuren und Carotinoide, können diese nukleophilen Stellen besetzen und dadurch eine Bindung der Kanzerogene verhindern. Eine vergleichbare Wirkung zeigen Flavonoide.

[...]

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Die antikanzerogene Wirkung sekundärer Pflanzenstoffe
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
72
Katalognummer
V116262
ISBN (eBook)
9783640181841
ISBN (Buch)
9783640182015
Dateigröße
1052 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirkung, Pflanzenstoffe, antikanzerogen
Arbeit zitieren
Bianca Schröder (Autor:in), 2007, Die antikanzerogene Wirkung sekundärer Pflanzenstoffe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116262

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