Martin Luther und sein Standpunkt zur Armut und den Armen


Seminararbeit, 2007

12 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 „Armut“ – Eine Randgruppe der frühen Neuzeit?

3 Martin Luther und sein Standpunkt zur Armut
3.1 „Selig sind die Armen“
3.2 Gott ist „eyn richter fur die armen und durfftigen“
3.3 Mit Erziehung gegen Armut
3.4 Der Gemeine Kasten

4 Ergebnis und Ausblick

5 Literaturverzeichnis

6 Selbstständigkeitserklärung

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welchen Standpunkt Martin Luther gegenüber der Armut und gegenüber denen, die von ihr betroffen waren, einnahm. Untersucht werden sollen vier Bereiche. Erstens Luthers Definition der Armut und die Frage, wie er die Auswirkungen des aufkommenden Frühkapitalismus auf die Armen der Gesellschaft sah. Zweitens, welche eigenen Forderungen er an das bestehende Wirtschaftssystem stellte um diesen Problemen zu begegnen, und wie er in Erziehung und Bildung ein Mittel zur Bekämpfung der Armut sah. Schließlich geht es um seine Idee der kommunalen Armenfürsorge in Gestalt des „Gemeinen Kastens“.

In der Forschung ist die Bedeutung der Reformation für die Erneuerung der Armenfürsorge umstritten. So wurde der Reformation von katholischer Seite abgesprochen, wesentliche Verdienste für die Erneuerung des gemeinschaftlichen Armenwesens geleistet zu haben. Auf protestantischer Seite wurde betont, dass es gerade Luther war, der einen Durchbruch auf diesem Gebiet geleistet habe. So hätte er mit seiner Neubewertung von Armut, guten Werken, Arbeit und Nächstenliebe den Weg für eine moderne Armenfürsorge bereitet und selbst gegen die Widerstände der katholischen Kirche mit dem Konzept der „Geordneten Armenpflege“ auf deren Gebiete positiv ausgestrahlt.[1] In der neueren Forschung wird der „vorantreibende Einfluß … der Reformation in Bezug auf die Armenfürsorge deutlich relativiert.“ Auch wird von Seiten der katholischen Kritik, wie bereits in der Vergangenheit, betont, dass die Reformation eher negative Auswirkungen auf das Armenwesen hatte, sogar „im Grunde viel eher repressive Maßnahmen gefördert“ habe, während Rationalisierung und Kommunalisierung – den Reformatoren zugesprochen – bereits im 13./14. Jahrhundert begonnen hätten.[2]

2 „Armut“ – Eine Randgruppe der frühen Neuzeit?

„Armut“ ist, nach Wolfgang von Hippel, „eine relative, in den jeweiligen politischen und ökonomischen, sozialen und mentalen Kontext eingebettete Größe.“[3]

Der Mangel an unterhaltssicherndem Einkommen und Eigentum und die davon betroffenen Handlungsspielräume sowie die damit einhergehenden Einschränkungen, würden die generell kennzeichnenden wirtschaftlichen Aspekte darstellen. Drei Gruppen würde man dabei unterscheiden können. So einmal die Betroffenen, die über einem Existenzminimum liegen würden, was bei jenen den ‚Normalfall’ darstelle, auch wenn sie dabei nach den Maßstäben der jeweiligen Zeit und Gesellschaft als „arm“ gelten würden. Dies wäre in weiterem Sinne als sekundäre Armut zu bezeichnen.[4] Die nächste Gruppe würde diejenige sein, die Hilfe auf Zeit oder auf Dauer benötigen, um zu überleben – diese unterstützungsbedürftige und unterstützte Armut würde die primäre Armut darstellen. Diese Gruppe wiederum stehe im Vordergrund jeglicher so genannter Armenpolitik. Die letzte Gruppe würde sich dadurch definieren, dass sie über die wirtschaftlich bestimmten Aspekte hinaus auch sozial ab- und ausgegrenzt würden und auch möglicherweise selbst zu solcher Ab- und Ausgrenzung beitrüge. Dabei seien die Übergänge, so Hippel, insbesondere zwischen sekundärer und primärer Armut fließend.[5]

William Harrison, ein aus des England des 16. Jahrhundert stammender Autor, gliederte die Armen in drei Kategorien mit jeweils drei Stufen. So gibt es einmal die Armen die aus so genannter Hilflosigkeit erwachsen: a) das vaterlose Kind, b) die Alten, Blinden und Lahmen und c) die unheilbaren Kranken.[6] Dann diejenigen welche ohne eigenes Verschulden in diese Lage versetzt wurden: a) der kriegsversehrte Soldat, b) der dienstunfähige Haushaltsvorstand und c) jemand der durch schwere Krankheit gezeichnet ist. Beide Kategorien hätten auf Mitgefühl und Unterstützung zählen können, wobei diejenigen die a) ihr Vermögen verschleudert hätten, b) jene die nicht sesshaft werden wollten und c) Gauner und Huren dies kaum zu jener Zeit erwarten hätten dürfen.[7]

3 Martin Luther und sein Standpunkt zur Armut

3.1 „Selig sind die Armen“

Für Luther sind es die Almosen gegenüber den Armen[8] „das beste werck … unter allen eusserlichen wercken“ aber sind diese Spenden an die Armen nichts rein Materielles als eine

„reine Gabe, sondern als eine Tat barmherziger Nächstenliebe“ anzusehen.[9] Ein „stuck brods (allein) einem bettler für der thur“ zu geben seien keine Almosen „sondern allerley wolthat und allerley gute werck gegen dem nehesten“ wären es.[10] Der Notleidende ist auch nicht länger einer

„für der thur“ sondern jemand der in der Mitte steht und dem ein jeder Christ alles nur Erdenkliche an Hilfe zu teil werden lassen soll. Die Verleitung dazu, möglichst viele Almosen an Arme zu geben, nur um der „jren rhum und ehre“[11] willen, sind nichts wert, denn für Gott sind

„alle solch Almosen, wie gros, viel und koestlich es sein mag, umb sonst und verlohren“.[12] Die Almosengabe als Ausdruck der Nächstenliebe im Verständnis und Praxis des Mittelalters gilt für Luther „als falsche Nächstenliebe eines Christen“ denn diese entstehe auf Grund „das er nit eer speyß denn hungerigen, cleyde den nackenden, sie komen dan yn die letzten not, das yhn die seel auß geht und seyner wolthat nymer bedurffen.“[13] Es ist einem nicht erst in der letzten sondern in der ersten Not zu helfen, es soll ein Christ auch nicht zulassen, dass der Nächste in eine Not gerät.[14]

Sollte jemand, so schreibt Luther im Jahre 1520, nicht in der Lage sein „heilige Kleider“ zu tragen, wie es „die Priester und Geistlichen tun“, oder „sich an unheiligen Orten“ aufhalten, keine Wallfahrten unternehmen oder beten, so „schadet (dies) … der Seele nichts“. Wohl aber all jenen die „sich in Kirchen und heiligen Stätten“ aufhalten, sich „mit heiligen Dingen“ befassen, dem der „leiblich betet, fastet, wallfahrtet und alle guten Werke tut, die in alle Ewigkeit durch und in dem Leib geschehen können“ dabei jedoch heuchelt.[15]

3.2 Gott ist „eyn richter fur die armen und durfftigen“

Für Luther ist die Kritik am „Wucher“ und der allgemeinen „Wucherpraxis“ ein wichtiges Anliegen. So äußerte er sich mehrmals kritisch in Schriften dazu.[16] So sollte ein Christ „… frei hinleihen und es darauf ankommen lassen, ob’s euch wieder zurückgegeben wird oder nicht; …“, sollte allerdings jemand etwas leihen, mit der Absicht, „dass er es verbessert oder vermehrt zurücknehmen will, so ist das ein offenkundiger und verdammenswerter Wucher.“[17] Für ihn steht fest, dass der jenige der Zins nehme, damit seinen Nächsten übervorteilt. Er wolle sich dem selber nicht auferlegen lassen und sich nicht am Risiko beteiligen. Besonders jene kritisiert Luther scharf, die Menschen, die in Zahlungsschwierigkeiten oder in Zahlungsunfähigkeit geraten sind, noch mehr Lasten aufbürden, indem sie sie ihres Grund und Bodens – ihrer Erwerbsgrundlage, berauben.[18] Wirkliches christliches Verhalten zeige sich in drei Situationen: wenn ein Christ, so ihm mit Gewalt Güter genommen wurden, sie bereitwillig gäbe. Wenn ein Christ jemanden Bedürftigen oder Interessierten ohne Ansehen der Person Dinge umsonst gibt, und wenn ein Christ bereitwillig und ohne irgendeinem Zins, ebenfalls ohne Ansehen der Person, Geld oder Güter gäbe[19], selbst dem Feinde. Wer in solcher Weise handelt, so Luther, würde die „Goldene Regel des natürlichen Sittengesetztes“ und das „biblische Liebesgebot“ erfüllen.[20]

An den damals real vorkommenden Zinshöhen von 30 bis 40 Prozent zeige sich, so Prien, dass Luthers Kritik nicht unbegründet war. So wäre ja doch sogar der Hauptbuchhalter der Fugger, ein Matheus Schwarz, Anfang des 16. Jh. zu dem Ergebnis gekommen: „Interesse das ist höflich gewuchert; Finanzen ist gleich höflich gestohlen.“[21]

[...]


[1] Gall, Lothar (Hrsg.): Hippel, Wolfgang v.: Armut, Unterschichten, Randgruppen in der frühen Neuzeit. Enzyklopädie deutscher Geschichte; Band 34. München 1995, S. 105.

[2] Ebenda., S. 106.

[3] Hippel, S. 3.

[4] Ebenda.

[5] Ebenda.

[6] Jütte, Robert: Arme, Bettler, Beutelschneider. Eine Sozialgeschichte der Armut in der frühen Neuzeit. Weimar 2000, S. 15.

[7] Ebenda.

[8] Für Luther stellen die Armen das einfache Volk, die Gruppe der Ungebildeten dar, Vgl. Prien, Hans-Jürgen: Luthers Wirtschaftsethik. Göttingen 1992, S. 188.

[9] Dalferth, Silfredo Bernardo: Die Zweireichelehre Martin Luthers im Dialog mit der Befreiungstheologie Leonardo Boffs. Ein ökumenischer Beitrag zum Verhältnis von christlichem Glauben und gesellschaftlicher Verantwortung. Frankfurt/Main 1996, S. 158 zitiert nach WA 32, 408, 16-17 (1530/32); So stamme das Wort „Almosen“ aus dem Griechischen für „barmhertzigkeit“, so Luther.

[10] Ebenda.

[11] Ebenda, zitiert nach WA 32, 408, 30-33 (1530/32).

[12] Ebenda, zitiert nach WA 2, 408, 33-40 (1530/32).

[13] Ebenda, S. 159 zitiert nach WA 1, 388, 1-3 (1518).

[14] Ebenda, S 159/160.

[15] Kähler, Ernst (Hrsg.): Luther, Martin: An den christlichen Adel deutscher Nation/Von der Freiheit eines Christenmenschen/Sendbrief vom Dolmetschen. Stuttgart 1992, S. 126.

[16] So einmal die 1524 erschienene Schrift „ Vom Kaufhandlung und Wucher“ oder „ An die Pfarrherrn, wieder den Wucher zu predigen“ aus dem Jahr 1540.

[17] Metzger, Wolfgang D. (Hrsg.): Luther, Martin: Von weltlicher Obrigkeit. Hamburg 1965, S. 127.

[18] Prien, S. 218.

[19] Vgl. Metzger, S. 126, Matthäus 5,42: „Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht ab von dem, der etwas von dir borgen will.“.

[20] Schwarz, S. 161. So nach Matthäus 7, 12: „Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“ und Matthäus 22, 39: „Das andere aber ist dem gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“.

[21] Prien, S. 219 zitiert nach Schubert, Irmagard von: Wirtschaftsethische Entscheidungen Luthers. 1924, S. 74 Anm. 1 zit. nach Strieder, Kirche, Staat und Frühkapitalismus, in: Festschr. Georg V. Hertling zum 70. Geburtstag 1913 dargebracht von der Görresgesellschaft, Anm. 20, S. 528.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Martin Luther und sein Standpunkt zur Armut und den Armen
Hochschule
Universität Rostock
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
12
Katalognummer
V116002
ISBN (eBook)
9783640174874
ISBN (Buch)
9783640175093
Dateigröße
397 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Martin, Luther, Standpunkt, Armut, Armen
Arbeit zitieren
Johannes Pfohl (Autor:in), 2007, Martin Luther und sein Standpunkt zur Armut und den Armen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116002

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