„Was macht „edel“ im Tristan des Gottfrieds von Straßburg?“


Seminararbeit, 2006

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärung

3. Zeitgenössisches Verständnis von „edel(keit)“ in verschiedenen Tugendkonzeptionen
3.1 Die edelen herzen
3.2 „Höfische Liebe“
3.3 Figuren des Tristan

4. Folgerung zur „edel-Konzeption“ bei Gottfried

1. Einleitung

Um eine umfassende Darstellung der Bedeutung des Begriffs „edel“ im Tristan zu gewährleisten, ist es zuallererst notwendig die Besonderheiten mittelalterlicher Literatur aufzuzeigen: Der höfische Dichter arbeitete im Auftrag eines wohlhabenden Herren, wodurch die Literaturproduktion wesentlich durch Abhängigkeits-und Auftragsverhältnisse beinflusst worden ist, was man daran erkennt, dass die Thematik der Werke auch meist sehr eingeschränkt war, da sie meist nur die (Familien)Geschichte des Auftraggebers behandeln sollte. Ein weiterer Aspekt, der die Literaturproduktion entschieden beeinflusst hat, war das (Lese-)Publikum des Auftragswerkes: Es setzte sich ausschließlich aus der adligen Hofgesellschaft zusammen, deren Normen und Wünsche der Dichter ebenfalls berücksichtigen musste, um seinen Lebensunterhalt zu sichern.[1] Auch in Gottfrieds Tristan lässt sich eine Andeutung über einen Gönner finden, da „die Anfangsbuchstaben jedes fünften Verses des „Tristan“-Prologs …den Namen DIETERICH [ergeben]“. Inwieweit dieser jedoch Einfluss auf Gottfrieds Schreiben genommen hat, ist – wie üblich bei mittelalterlicher Literatur – nur zu erahnen.[2]

Für die folgende Untersuchung ergibt sich hieraus, dass die Autorintention noch schwieriger zu belegen ist, als vergleichsweise bei moderner Literatur, weshalb hier verschiedene Interpretationsmöglichkeiten aufgezeigt werden sollen. Eine weitere Besonderheit mittelalterlicher Literatur stellt die Unüberprüfbarkeit der damaligen Verhältnisse dar; die klerikalen Autoren mussten von der Kirche aus die Untugenden bei Hofe kritisieren, die höfischen Dichter hingegen hatten den Auftrag eine „Märchenwelt“ für das adlige Publikum zu erschaffen, in dem „der höfische Ritter und die höfischen Damen …gesellschaftliche Leitbilder wurden“.[3] Diese Stilisierung gilt ebenso für das gesamte höfische Gesellschaftsleben, da hier „viele reale Einzelheiten…in einen verklärten Zusammenhang gebracht waren, den man aber als schmeichelhaft empfand und zu dem man sich gerne bekannte, weil er als Rechtfertigung und Verherrlichung der eigenen gesellschaftlichen Ansprüche und Bestrebungen empfunden wurde.“(ebd.).

Die Quellen über das Mittelalter sind somit, was ihre Aussagekraft über die damalige Wirklichkeit betrifft, immer im Kontext ihrer Auftraggeber, bzw. ihres Publikums zu sehen, was auf die Untersuchung der Bedeutung des Wortes „edel“ bezogen bedeutet, dass es also einerseits notwendig ist, die typisch mittelalterliche Idealisierungstendenz mit der Gottfriedschen Hofbeschreibung zu vergleichen, und andererseits, Gottfrieds Tugendkonzeption mit der klerikalen Literatur zu vergleichen, um durch Abweichungen, bzw. Übereinstimmungen zu einer stimmigen Interpretation zu gelangen. Zu diesem Ziel wird in der vorliegenden Arbeit zuerst die allgemeine Bedeutung des Wortes geklärt, um im Anschluss daran die Bedeutungsunterschiede von „edel“ in klerikaler und höfischer Literatur aufzuzeigen, um seine besondere Funktion in Gottfrieds Tugendkonzeption der edelen herzen anhand der Figuren des Tristan aufzuzeigen.[4]

2. Begriffsklärung

Laut Grimms etymologischem Wörterbuch bedeutet „edel“(ahd . edili, mhd . Edele): „ ist edelgeboren, von adel […] es stimmt auch zu adelich, adlich, nur dasz dieses auf den stand eingeschränkt bleibt, nicht die hernach verhandelte allgemeinere bedeutung annimmt; der adliche ist zwar edel, nicht aber der adle immer ein adlicher. ein edeler“.[5]

Das Attribut „edel“ wurde demnach häufig für adlig Geborene verwendet, es stand aber auch für eine standesunabhängige, charakterliche Gesinnung, was die zweite Definition aus Grimms Wörterbuch noch stärker verdeutlich: „n och richtiger aber trennen wir von bloszen vorzügen des standes die des innern menschen und stellen dem vornehmen sogar das edle in diesem sinn entgegen, ein vornehmer mann ist darum kein edler; dem vornehmen ist eine äuszere form eingeprägt, die ein edler mensch nicht kennt. “(ebd.).

3. Zeitgenössisches Verständnis von „edel(keit)“ in verschiedenen Tugendkonzeptionen.

Nach dieser Definition ist eine „edele“ Gesinnung nicht vom Stand der Person abhängig, sie ist also von der Tugend, dem „innern (ebd.) des Einzelnen abhängig. Dies ist ein weiteres Indiz für die Standesunabhängigkeit vom „edel“-Sein und ihrer Abhängigkeit von der Tugendhaftigkeit des Einzelnen. Wie diese jedoch genau konzipiert sein soll bleibt im Dunkeln, da dies, gerade im Mittelalter, sehr darauf ankommt, ob man einen weltlichen, oder christlich-religösen Standpunkt vertritt. Das als „edel“ geltende Verhalten bei Hofe, kann dem Begriff des „höfischen“ gleichgesetzt werden, das sich aus weltlichen und religiösen Tugenden zusammensetzt; was als „höfisch“ galt, ist von verschiedenen Autoren überliefert worden, eine einheitliche Konzeption gibt es aber nicht, da es „eine Systematik der höfischen Morallehre nie gegeben hat“[6], was sich wieder durch die Diskrepanz zwischen der idealisierten Welt der Literatur und der damaligen Wirklichkeit erklären lässt (vgl. 1.). Die „höfischen“ Tugenden, waren eine „Verbindung von (religiösen) Tugendforderungen mit Vorschriften des gesellschaftlichen Verhaltens“,[7] wodurch sich eine „scheinbar ganz unproblematische Verbindung dieser weltlichen Werte mit den Tugendbegriffen des traditionellen Herrscherideals und der religiösen Kreuzzugsethik“ ergab.[8] Schon in der römischen Moralphilosopie lässt sich dieses Denken finden, „Cicero hatte Schönheit, Vornehmheit, Stärke, Macht, Ansehen usw. unter den Begriff des Nützlichen …gestellt und hatte sie in Glücksgüter… und körperliche Güter… geteilt.“[9]

Die christlichen Tugendforderungen beinhalteten vor allem religiöse Gebote, die dem Tugendbegriff des „Höfischen“ entgegenstanden; Schönheit und Reichtum waren hier eher als verwerflich einzustufen und Vornehmheit weniger als Tugend, sondern eher als repräsentative Gesten, durch die „höfische Gesinnung und adliges Selbstbewusstsein zum Ausdruck kamen“[10], wie „der aufrechten Gang, der stolze Blick und die feine Haltung der Hände“(ebd.).

Während also die höfische Literatur eine idealisierte Einheit von christlicher und adliger Tugendkonzeption beschrieb, findet man in der klerikalen Literatur eine andere Beschreibung von der Realität am Hofe: „Aufrichtigkeit, Sittsamkeit und Wahrheit, Demut, Schamhaftigkeit und Arglosigkeit, Sittenreinheit und Mäßigung sind vom Hof vertrieben worden“[11] stattdessen sei es so, dass „ niemand…an Gott, an das Seelenheil und an den Tod [denkt].“(ebd.). Der höfische Dichter hingegen war wegen seiner Abhängigkeit vom (meist adligen) Gönner, genötigt, kritische Tendenzen geschickter einfließen zu lassen. Im Folgenden soll anhand von Gottfrieds Konzeption der edlen herzen verdeutlicht werden, warum er das Attribut „edel“ auf bestimmte höfische, bzw. christliche Verhaltensweisen bei den Figuren des Tristan anwendet und ob die daraus entstehende Tugendkonzeption mit einer der beiden vorgestellten zeitgenössischen Konzepte vereinbar ist.

[...]


[1] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. 9. Auflage. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 1999. S. 596.

[2] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. S. 726.

[3] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. S. 381.

[4] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. S.558.

[5] Grimm, Jacob und Wilhelm: Das Deutsche Wörterbuch. Online-Version der Universität Trier.

http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB (28.11.06). [Hervorh. v. Verf.].

[6] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. S.416.

[7] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. S.425.

[8] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. S.419.

[9] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. S.420.

[10] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. S.21.

[11] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. S.588.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
„Was macht „edel“ im Tristan des Gottfrieds von Straßburg?“
Hochschule
Universität Mannheim  (Germanistische Mediävistik)
Veranstaltung
Gottfried von Straßburg: Tristan
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
14
Katalognummer
V111877
ISBN (eBook)
9783640168460
ISBN (Buch)
9783640171736
Dateigröße
431 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tristan, Gottfrieds, Straßburg, Gottfried, Straßburg, Tristan
Arbeit zitieren
Helen Ackel (Autor:in), 2006, „Was macht „edel“ im Tristan des Gottfrieds von Straßburg?“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111877

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: „Was macht „edel“ im Tristan des Gottfrieds von Straßburg?“



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden