Abre los ojos - Und die Zukunft wird sichtbar

Die Rückkehr zum mündigen Subjekt in Abre los ojos und Vanilla Sky


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1 Einführung

2 Trianguläres Begehren nach René Girard
2.1 Subjekt, Objekt und Mittler
2.2 Interne Vermittlung: César, Sofía , Pelayo (und Nuria)
2.3 Externe Vermittlung: Der neue César will den alten César

3 Mimetische Theorie bei Girard und die Urszene bei Eric Gans
3.1 Mimetische Theorie, Sündenbockritual und Krise
3.2 Die Urszene nach Eric Gans
3.3 Originary Love and Resentment and Originary Esthetics
3.4 Abre los ojos: Und die Zukunft wird sichtbar

4 Ende der Postmoderne durch den Performatismus
4.1 Der Erhalt des Subjekts
4.2 Vom Citizen Dildo zum Verzögerungsgenießer

5 Abschlussbemerkung

6 Bibliographie

1 Einführung

Nachdem sich das Interesse der Literaturwissenschaft lange Zeit ausschließlich auf das Zeichen konzentrierte, losgelöst von Kontext, Autor und Rezipient, und schließlich im Poststrukturalismus in der Epoche der Postmoderne gar erklärt wurde, dass es kein objektives Wissen gibt, genauso wenig wie ein „sich selbst gewisses Subjekt“ (Culler/2002/182), hat sich in letzter Zeit eine Richtung herausgebildet, die sich auf anthropologische Erklärungsmodelle stützt. Indem so die Gründung der menschlichen Kultur wieder in den Vordergrund gestellt wird, wendet sich die Wissenschaft ab von der Abstraktion und Unpersönlichkeit des puren Zeichens und setzt es vielmehr wieder in die Verbindung mit seinem Schöpfer, dem Menschen, dem Subjekt.

In vorliegender Hausarbeit werde ich drei – mehr oder weniger – anthropologische Modelle betrachten, die aufeinander aufbauen und sie danach auf die Interpretation der Filme Abre los ojos (1997) des spanischen Regisseurs Alejandro Amenábar sowie dessen Hollywood Remake Vanilla Sky (2001) von Cameron Crowe anwenden. Theoretisch wäre es auch möglich, sich nur auf einen der Filme zu beziehen. Da Crowe plagiatmäßig auf Amenábar aufbaut, aber dennoch interessante eigene Akzente setzt, habe ich es schließlich vorgezogen, beide Filme in die Interpretation einzubeziehen.

Die drei Theorien sind folgende: Zuerst kommt die Opfertheorie des französischen Literaturwissenschaftlers und Kulturanthropologen René Girard zum Tragen, die den Ausweg aus der Krise eines menschlichen Kollektives mit der gewaltsamen Beseitigung eines Sündenbockes beschreibt, sowie menschliches, mimetisches Verhalten in triangulären Begehrensstrukturen erklärt. Mit Hilfe dieser Dreiecke werde ich mich an die Handlungsstrukturen der Filme annähern, um dann mit der zweiten Theorie des amerikanischen Literaturwissenschaftlers Eric Gans eine tiefere Interpretation anzustreben. Gans ergänzt Girards These und verknüpft sie mit der Entdeckung des ersten, ostensiven Zeichens in einer rekonstruierten Urszene. In dieser Urszene wird schließlich nicht „nur“ die menschliche Kultur gegründet, sondern gleichzeitig auch die Sprache.

Schließlich werde ich den Versuch unternehmen, die Performatismus-Theorie von Raoul Eshelman auf die beiden Filme anzuwenden. Es wird zu klären sein, ob sich in der Handlung schon das Ende der Postmoderne und der Übergang in eine neue Zeit, bestimmt vom performativen Prinzip, erkennen lässt, wie es in Eshelmans Aufsatz „Der Performatismus oder das Ende der Postmoderne. Ein Versuch“[1] entworfen wird.

Ich werde mich in den Kapiteln jeweils zuerst mit der Theorie auseinandersetzen und diese schließlich auf die Filme übertragen. Hierbei versuche ich, mich auf jeweils immer nur einen Film mit den dazugehörigen Hauptfiguren zu konzentrieren.

2 Trianguläres Begehren nach René Girard

2.1 Subjekt, Objekt und Mittler

Um die Personenkonstellationen nachvollziehen zu können, ist die Arbeit mit dem System des Triangulären Begehrens von René Girard hilfreich[2]. Das Begehren ist eine der Hauptantriebskräfte des Menschen. Ich werde darauf noch in späteren Kapiteln eingehen, wenn es um die Gründung der Gemeinschaft in der Urszene geht. Im aktuellen Kapitel sollen aber vorerst die Strukturen des Begehrens in fiktionaler Literatur im Vordergrund stehen.

Für Girard gilt das Begehren „stets als spontan. Es lässt sich letztlich immer als einfache Gerade darstellen, die Subjekt und Objekt miteinander verbindet.“ (Girard/1999/12). Neben dieser Ebene Subjekt – Objekt kommt sehr häufig noch eine dritte Komponente hinzu, der Mittler, der auf Subjekt und Objekt zugleich ausstrahlt. Um diese dreifache Beziehung darzustellen wählt Girard die Raummetapher des Dreiecks. Mit der Einführung der Figur des Mittlers wird deutlich, dass häufig das Subjekt das Objekt nur dann begehrt, wenn dieses bereits von einem Dritten – dem Mittler – gewollt ist, ja, das Objekt scheint noch viel begehrenswerter zu sein. Gerade dieses Begehren des Mittlers wird mimetisch nachgeahmt, es wird ein vollkommen identisches zweites Begehren erzeugt. Dieses so genannte mimetische Begehren ist ein wichtiger Punkt in Girards Arbeit, der Ausgangspunkt für seine mimetische Theorie, die später noch erläutert wird.

Bei der Vermittlung des Begehrens unterscheidet Girard schließlich noch zwischen extern und intern. Für diese Unterscheidung muss bestimmt werden, ob sich der Mittler außerhalb der Welt des Helden (extern) oder innerhalb, im direkten Umfeld des Helden (intern), befindet. Die Distanz ist vor allem geistiger Natur. Besonders bei der internen Vermittlung wird der Mittler als Rivale, als Hindernis auf dem Weg zum begehrten Objekt wahrgenommen. Es entstehen Hass, Eifersucht und Neid.

2.2 Interne Vermittlung: César, Sofía , Pelayo (und Nuria)

Am deutlichsten wird Girards Definition des triangulären Begehrens in der Konstellation von César, Sofía und Pelayo in Abre los ojos (identisch in Vanilla Sky). Pelayo bringt Sofía mit auf die Geburtstagsparty von César, er hat sie zwar gerade erst kennen gelernt, es ist aber offensichtlich, dass er sie sehr mag. Das hält seinen besten Freund César nicht davon ab mit Sofía zu flirten und schließlich mit ihr in ein Nebenzimmer zu verschwinden; auf der Flucht vor seiner Affäre Nuria. In einer eifersüchtigen Reaktion betrinkt sich Pelayo, frustriert, weil der viel besser aussehende César wieder einmal all das bekommt, was er will. Enttäuscht geht er schließlich nach Hause, nicht ohne César vorher zu erzählen, dass Sofía seine Traumfrau sein könnte und fährt fort: „Aber wenn ich wüsste, dass sie unsere Freundschaft auseinanderbringt, dann würde ich sie zum Teufel schicken.“ Worauf César antwortet: „Das würde ich auch machen.“ Mit „Ja, sicher“ zeigt Pelayo, dass er seinem Freund nicht glaubt. Schließlich bleiben César und Sofía zurück und César verliebt sich in das Mädchen. Hier zeigt sich schon, dass der Hauptfigur in dieser Lebensphase Frauenabenteuer eindeutig wichtiger sind und er seine Freundschaft aufs Spiel setzt.

Aus eben Geschildertem ergibt sich folgende trianguläre Konstellation:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das einfache Begehrensdreieck reicht aber noch nicht aus, denn auch zwischen den Männern gibt es eine deutliche Konkurrenz, die nichts mit Sofía zu tun hat. Pelayo ist neidisch auf Césars Leben, besonders auf seine Frauenabenteuer, sein gutes Aussehen und seinen Reichtum. Somit wird César gleichzeitig zum Objekt und Pelayo zum begehrenden Subjekt. Auch Sofía ist offensichtlich ziemlich von César angetan, sie wird somit ebenfalls zum Subjekt, die das Objekt César begehrt.

Letztlich muss man schlussfolgern, dass das Dreieck von Girard nicht aufgeht, denn Pelayo als Mittler, dessen Begehren zuerst da war, müsste eigentlich für César ein größeres Hindernis im Kampf um Sofía darstellen und so schließlich Hass und Eifersucht im begehrenden Subjekt César wecken. Da aber Pelayo die Freundschaft über das Begehren für eine Frau stellt und außerdem César selbst sein großes Vorbild ist, ist er als Mittler im Sinne von Girard nicht „tauglich“.

Was man dennoch in diesem Dreieck sieht, ist die zentrale Position von César um den sich mehrere Begehren ranken – auch das von Nuria, die César eiskalt abserviert, so dass sie schließlich aus rasender Eifersucht einen Tag nach der Party jenen schicksalhaften Autounfall verursacht, der Césars Leben verändert. Auch ihr Begehren richtet sich ausschließlich auf César, sie ergänzt das Dreieck, so dass man eigentlich ein Viereck aufzeichnen müsste.

Cameron Crowe geht in seinem Remake Vanilla Sky an diesem Punkt sogar soweit, dass Julie (Nuria) ebenfalls von Davids (César) bestem Freund Brian (Pelayo) begehrt wird, der sich also schon wieder in der Position befindet etwas zu begehren, was sein Freund schon hat.

2.3 Externe Vermittlung: Der neue César will den alten César

Der zuvor erwähnte Unfall beendet brüsk das bisherige Leben des smarten César. Während Nuria bei dem Unfall stirbt, wird er schwer verletzt und bleibt mit einem entstellten Gesicht zurück, das die Ärzte nicht wieder herstellen können, obwohl er bereit wäre, jede Summe dafür zu bezahlen. Er kann Sofía, die er nach dieser ersten Begegnung an seinem Geburtstag nie wieder gesehen hat, nicht vergessen und erhofft sich durch ein Wiedersehen mit ihr wieder zu sich selbst zu finden. Doch als er mit ihr ausgeht, begleitet von Pelayo, endet die Nacht dramatisch. Durch die Ablehnung von Sofía, seinem besten Freund und den anderen Clubbesuchern verletzt, betrinkt sich César und schläft schließlich alleine auf dem Gehsteig ein. Der Versuch, sich wieder in sein altes Leben zu integrieren, scheitert an der Realität.

Hier beginnt schließlich sein Luzid-Traum[3] oder seine „künstliche Wahrnehmung“ wie es im Original Abre los ojos heißt, bei dem die Kryonik-Firma Life Extension (L.E.) den Kunden nach seinem Tod einfriert, um ihn wieder zum Leben zu erwecken, wenn die Wissenschaft dazu fähig sein wird, heute Unheilbares zu heilen. Während des Eingefrorenseins lebt der Tote einen Traum, der ihm real vorkommt. Er lebt in einer virtuellen Realität. Die Firma löscht das Gedächtnis, so dass man linear weiterleben kann, aber mit der Möglichkeit, das Leben im Traum selbst zu bestimmen. Wie der Zuschauer am Ende des Filmes erfährt, hat sich César für diese Art des „Weiterlebens“ entschieden. Bald nach der Nacht in der Diskothek unterschreibt er einen Vertrag bei L.E. und begeht Selbstmord, um danach im eingefrorenen Zustand eine virtuelle Realität zu leben, in der er mit Sofía zusammen sein kann und die Ärzte sein Gesicht wieder herstellen.

[...]


[1] Eshelman, Raoul: „Der Performatismus oder das Ende der Postmoderne. Ein Versuch“, in: Wiener Slawistischer Almanach 46 (2000), S. 149-173.

[2] Girard, René: Figuren des Begehrens. Das Selbst und der Andere in der fiktionalen Realität, Münster: 1999. (alle Zitate in diesem Kapitel stammen aus jenem Buch, 1. Kapitel)

[3] Ein Klartraum oder auch luzider Traum (von lat. lux „Licht“) ist ein Traum, in dem der Träumer sich bewusst ist, dass er träumt. Die Theorie des luziden Träumens geht davon aus, dass sowohl das bewusste Träumen als auch die Fähigkeit zum willentlichen Steuern von Trauminhalten erlernbar sind.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Klartraum

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Abre los ojos - Und die Zukunft wird sichtbar
Untertitel
Die Rückkehr zum mündigen Subjekt in Abre los ojos und Vanilla Sky
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Komparatistik)
Veranstaltung
Anthropologische Ursprungsmodelle in der Literaturwissenschaft (Girard und Gans)
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V114794
ISBN (eBook)
9783640168958
ISBN (Buch)
9783640171897
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Abre, Zukunft, Anthropologische, Ursprungsmodelle, Literaturwissenschaft, Gans)
Arbeit zitieren
Claudia Ballhause (Autor:in), 2007, Abre los ojos - Und die Zukunft wird sichtbar, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114794

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