Über den Ressentiment-Begriff bei Friedrich Nietzsche


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

12 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Das Ressentiment und die 'Sklavenmoral'

Das Christentum als Wurzel allen Übels

Nietzsche als Mensch/biografische Bezüge

Eigene Einschätzung der Thematik

Literaturverzeichnis

Friedrich Nietzsche ist auch als 'Philosoph mit dem Hammer' bekannt. Diese Bezeichnung rührt da­her, dass Nietzsche in seiner Philosophie mit christlichen und in unserer Gesellschaft seit Jahrhunder­ten etablierten Werten bricht und stattdessen für eine neue, 'ressentimentfreie' Moral plädiert. Was aber genau ist 'Ressentiment' und welche Stellung hat der Begriff in Nietzsches Philosophie?

Das Ressentiment und die 'Sklavenmoral'

Der Begriff 'Ressentiment' ist einer der zentralsten Begriffe in Nietzsches moralischer Gesamtkonzep­tion und steht als Synonym für Neid und die boshafte, nachtragende, hinter vorgehaltener Hand ge­äußerte Missgunst für andere und deren Werke und Taten. Ressentiment beinhaltet nicht die Mög­lichkeit der schnellen Rache – deren leidenschaftlicher Befürworter Nietzsche ist (vgl. Ottmann, 2000, 312) – sondern meint das kleinliche heimliche Bestreben der Menschen, immer besser sein zu wollen, als andere. Weiterhin verbindet Nietzsche mit dem Ressentiment Zank, Verdruss, Verleum­dung, Verbitterung, Niedertracht, Hass, Argwohn, Niedriggesinntheit und Engherzigkeit (vlg. ebd.). Er bezeichnet den Neid und die Eifersucht als "die Schamteile der menschlichen Seele" (vgl. ebd.), wes­wegen es für die Menschen landläufig von so großer Bedeutung sei, diese zu leugnen, zu verbergen und nur hinter vorgehaltener Hand zu äußern. Dieses Verhalten hat für Nietzsche jedoch nichts mit Höflichkeit oder Vornehmheit zu tun.[1] "Der Unterschied zwischen dem Vornehmen und dem Ressenti­mentdurchtränkten ist eine gegensätzliche Vorstellung vom Feind: jener will einen Gegner jenseits von Gut und Böse, dieser ersinnt die Vorstellung des 'Bösen', um mit seiner Ressentiment-Klugheit Herr über den Herrn werden zu wollen. Höchster Ausdruck einer ressentimentdurchström­ten Welt sei die Vorstellung vom rächenden Endgericht, das sämtliche geistigen Bereiche geprägt habe" (ebd.).

Dieses Zitat wirft viele Fragen auf, deren Beantwortung ich im folgenden angehen möchte: Für Nietzsche gibt es zwei Arten von Moral: die 'Herrenmoral' und die 'Sklavenmoral'. Bei dieser Dicho­tomie handelt es sich jedoch lediglich um Typologisierungen, "die sich hinter den idealisierten Vertre­tern – 'Herr' und 'Sklave' – der beiden Weisen von Moralität verbergen. [...] Der Typus des 'Herrn' ist der Selbstgesetzgebende par excellence, der 'Sklave' Sinnbild der Heteronomie. Während sich der 'Sklave aus Gewohnheit an kulturell verbreitete und vorgegebene Handlungsanweisungen hält, be­denkt der Herr den notwendigen Schaffensaspekt des 'Gesetzten'. Jenem erscheinen Wertesysteme folglich als präexistent, diesem als historische Konstrukte." (ebd., 253). Die 'Sklaven' jedoch "negieren die Kreativität des Werteschätzens, -schaffens, und -setzens. [...] Sie verneinen deren reale Genese im Gefühl ihrer Impotenz zur Normgebung, ihrer 'Ohnmacht zur Macht' und folgen dem Verhalten der Masse" (ebd.). Das Gegengefühl hierzu ist das Ressentiment, das nun eben gerade die Basis für eine neue Gesetzesform – die Demokratie – bilde.[2] Durch die 'Masse' "werden das Ressentiment und der Gleichheitsgedanke historisch kulturfähig: 'Der Sklavenaufstand in der Moral beginnt damit, dass das Ressentiment selbst schöpferisch wird und Werthe gebiert', die dem Geist der Rache und Begehrlich­keit der Unteren, Machtlosen, 'Niedergetretenen' Sprache geben." (ebd., 279/280).

In der Sklavenmoral existieren die Attribute 'gut' und 'böse', während in der Herrenmoral die Attri­bute 'gut' und 'schlecht' ein Gegensatzpaar bilden. Schlecht ist hier das Kranke, Schwache, Faule, Feige, Verlogene, gut hingegen das Starke, Mutige, Gesunde, Egoistische sowie Autarkie und Auto­nomie. Das Problem besteht darin, dass das, was in der Herrenmoral als gut gilt, in der Sklavenmoral als böse gilt. Als gut gelten dort nämlich Mitleid und Barmherzigkeit für die Schwachen, Nächsten­liebe, Triebunterdrückung, sowie Anpassungsfähigkeit und die Einhaltung bestehender (moralischer) Gesetze. "Nach der Sklaven-Moral erregt also der 'Böse' Furcht; nach der Herrenmoral ist es gerade der 'Gute', der Furcht erregt und erregen will, während der 'schlechte' Mensch als der verächtliche empfunden wird" (Nietzsche, 1997, 374) heißt es bei Nietzsche in 'Jenseits von Gut und Böse'.

Das Christentum als Wurzel allen Übels

Nietzsche selbst ist ein leidenschaftlicher Fürsprecher der Herrenmoral. Er ist der Ansicht, das Juden- und später das Christentum, das für ihn die Wurzel allen Ressentiments ist, haben dafür gesorgt, dass diese ursprüngliche und edle Moral durch die niederträchtige und ressentimentdurchtränkte Skla­venmoral abgelöst wurde. "Die alttestamentarisch-jüdische Auffassung von Moral ist für Nietzsche wie für andere die der Gesetzestreue und Hörigkeit" (Ottmann, 2000, 255). Er erklärt dies wie folgt: Das Judentum habe an das Christentum "die sklavische Verdopplung der Welt in zwei – einem realen und idealen Bereich – sowie ihre Gesetzeshörigkeit und das Schuldbewusstsein weiter­geben" (ebd., 254). Gerade die Gesetzeshörigkeit spielt für das Ressentiment eine große Rolle – da der einzelne es nicht wagt, gegebene Gesetze zu übertreten, fühlt er sich ohnmächtig und in vielerlei Hinsicht in seinen Trieben und Wünschen eingeschränkt[3]. Er neidet es denjenigen Menschen, die den Mut (oder die Macht) haben, diese Gesetze zu brechen oder gar zu setzen und ihre – der herrschen­den Sklavenmo­ral zufolge – bösen Triebe auszuleben (notfalls auch auf Kosten anderer). Somit ent­stand die christli­che Moral als Folgenlehre aus dem Hass und der Ohnmacht der Beherrschten gegen die Herrschen­den, zur Entstehungszeit des Christentums war dies das herrschende Rom.

[...]


[1] "Der Glaube an sich selbst, der Stolz auf sich selbst, eine Grundfeindschaft und Ironie gegen 'Selbstlosigkeit' gehört eben-so bestimmt zur vornehmen Moral wie eine leichte Geringschätzung und Vorsicht vor den Mitgefühlen und dem 'warmen Herzen'" (Nietzsche, 1997, 373) heißt es in Vers 260 in 'Jenseits von Gut und Böse', und weiter in Vers 265: "Der Egois­mus gehört zum Wesen der vornehmen Seele, ich meine jenen unverrückbaren Glauben, dass einem Wesen, wie 'wir sind', andre Wesen von Natur unterthan sein müssen und sich ihm zu opfern haben" (ebd., 381); dieses Zitat wird im Verlaufe der Arbeit noch an Klarheit gewinnen.

[2] Nietzsche verachtet sowohl 'die Masse' als solches als auch ihre Regierungsform, die Demokratie, denn er glaubt, dass die Masse als kollektiver Akteur nicht schöpferisch wirken kann.

[3] Die Askese wird zum Ideal erhoben, dessen wichtigster Vertreter der Priester ist, der die Belohnung für und die Erlösung von diesem irdischen Leiden im 'Jenseits' verspricht; diese Vorstellung ist – daher der Begriff 'Sklavenmoral' – wesentlich deshalb entstanden, weil die Juden und Christen in der Entstehungszeit ihrer Religion Sklaven waren, denen jegliche Rechte versagt wurden, so dass nach Nietzsche die einzige Möglichkeit, ihr Leben im Diesseits und damit in Knechtschaft zu ertragen, die Vorstellung einer für Gerechtigkeit sorgenden Instanz nach dem Tode war.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Über den Ressentiment-Begriff bei Friedrich Nietzsche
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Philosophie der Alltäglichkeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
12
Katalognummer
V113873
ISBN (eBook)
9783640144709
ISBN (Buch)
9783640145935
Dateigröße
403 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ressentiment-Begriff, Friedrich, Nietzsche, Philosophie, Alltäglichkeit
Arbeit zitieren
Claudia Hoppe (Autor:in), 2004, Über den Ressentiment-Begriff bei Friedrich Nietzsche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113873

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