Verbale Provokationen bei Schülern

Ein Experiment zur Einschätzung und zum Verlauf von interpersonalen und intergruppalen Konfliktsituationen


Diplomarbeit, 2006

136 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. LITERATURÜBERBLICK
2.1. Aggression
2.1.1. Definition von aggressivem Verhalten
2.1.2. Sozial-interaktive Modelle aggressiven Verhaltens
2.1.3. Aggression in der Schule
2.2. Intergruppales Verhalten
2.2.1. Der Gegensatz zwischen interpersonalem Verhalten und Gruppenverhalten
2.2.2. Soziale Kategorisierung als grundlegender psychischer Prozess
2.2.3. Erklärungsmodelle für Gruppenverhalten
2.3. Intergruppaler Konflikt
2.3.1. Interdependenzbeziehungen zwischen Gruppen
2.3.2. Soziale Identität als Konflikttheorie
2.3.3. Konflikte bei SchülerInnen
2.3.4. Interetnische Konflikte bei SchülerInnen

3. EMPIRISCHER TEIL
3.1. Zielsetzungen
3.1.1. Methodische Ziele
3.1.2. Inhaltliche Ziele
3.2. Methode
3.2.1. Untersuchungsplan
3.2.2. Erhebungsinstrumente
3.3. Untersuchungsdurchführung
3.3.1. Durchführung / Voruntersuchung
3.3.2. Durchführung / Hauptuntersuchung
3.3.3. Auswertungsschritte
3.4. Voruntersuchung
3.4.1. Stichprobe
3.4.2. Ergebnisse
3.5. Hauptuntersuchung
3.5.1. Stichprobe
3.5.2. Deskriptive Ergebnisse
3.5.3. Methodische Ergebnisse
3.5.4. Inhaltliche Ergebnisse

4. DISKUSSION
4.1.1. Formulierung der verbalen Provokationen in den Vignetten
4.1.2. Reihenfolgeeffekt
4.1.3. Der Einfluss von Situation, Muttersprache und Geschlecht auf die Einschätzung der Aggressivität der Situation
4.1.4. Der Einfluss von Situation, Muttersprache und Geschlecht auf die antizipierte Reaktion der Opfer

5. ZUSAMMENFASSUNG

6. LITERATURVERZEICHNIS

7. ANHANG

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbilbrng 1: Mrttersprache im Verhältnis zrr Sitration

Abbilbrng 2: Arfteilrng ber Schüler arf Klassen

Abbilbrng 3: Wechsel wirkrng: Geschlecht* Mrttersprache * Sitration

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Stichprobenverteilung / Ziele

Tabelle 2: Stichprobenverteilung / Geschlecht-Sprache

Tabelle 3: Stichprobenverteilung / Voruntersuchung

Tabelle 4 : Mittelwerte verbaler Provokationen / Vortest

Tabelle 5 : Stichprobenverteilung / Hauptuntersuchung

Tabelle 6 : Eigene Erlebnisse in der Schule

Tabelle 7: Eigenes Verhalten in der Schule

Tabelle 8 : Eigene Erlebnisse in der Schule bezüglich der Ethnizität

Tabelle 9: Über den Unterricht

Tabelle 10: Einbeziehen der Lehrkraft in den Konflikt

Tabelle 11 : Levene-Test auf Gleichheit der Fehlervarianzen / Reihenfolge

Tabelle 12: Multivariate Tests / Reihenfolge

Tabelle 13: Tests der Zwischensubjekteffekte

Tabelle 14: Mittelwerte

Tabelle 15 : Rotierte Faktorenanalyse

Tabelle 16: Tests der Innersubjekteffekte: 60

Tabelle 17: Tests der Zwischensubjekteffekte

Tabelle 18: Mittelwerte/ AV l.. 6l

Tabelle 19: Multivariate Tests / AV 2:

Tabelle 20: Tests auf Univariate / AV 2

Tabelle 21: Tests der Zwischensubjekteffekte / AV 2

Tabelle 22: Mittelwerte – Ignorieren/ AV 2.

Tabelle 23: Mittelwerte - verdeckte Aggression / AV 2

Tabelle 24: Mittelwerte - Offene Aggression/ AV 2

Tabelle 25: Mittelwerte - Rücksprache/ AV 2.. 7l

1. EINLEITUNG

Vor einiger Zeit gab es im deutschen Fernsehen einen Sketch. Zwei Komiker unterhielten sich über einen besonders einfältigen Mann. Es drehte sich einige Zeit um dessen Dummheiten und Fehler, bis die Zwei zu dem Schluss kamen: “Das kann ja nur ein Österreicher sein!“

Ich hätte mich bis zu diesem Zeitpunkt nicht als besonders patriotisch bezeichnet, noch habe ich mir je große Gedanken über meine Staatszugehörigkeit gemacht. Aber in diesem Moment fühlte ich mich plötzlich als Österreicherin angegriffen. Ich war wütend, habe diese Geschichte viele Male erzählt und mich darüber beklagt, dass wir ÖsterreicherInnen im Fernsehen als Idioten dargestellt werden. Ich fühlte mich als Mitglied dieser Nation beleidigt und war bereit mich zu wehren.

Vielen anderen Menschen in diesem Land geht es genauso und schlimmer, wenn sie zum Beispiel als Ausländer beschimpft und benachteiligt werden. Aufgrund der anderen Muttersprache gehören sie einer anderen Gruppe an und werden ausgestoßen. Besonders in Schulen, wo viele verschiedene Ethnizitäten zusammentreffen und auf engem Raum miteinander arbeiten müssen, können dadurch Konflikte entstehen. Genau da setzt auch das Hauptbestreben dieser Arbeit an, nämlich herauszufinden, wie aggressiv Schüler verbale Angriffe auf ihre Gruppenzugehörigkeit empfinden, bzw. ob es Unterschiede in den Einschätzungen gibt, wenn sie als Person beleidigt werden.

Der Aufbau dieser Arbeit gliedert sich in einen Literaturteil (Kapitel 2) und einen empirischen Teil (Kapitel 3). Im Literaturteil soll zuerst geklärt werden was man unter aggressiven Handlungen versteht und wie es dazu kommen kann. Anschließend wird das intergruppale Verhalten näher beleuchtet. In diesem Teil der Arbeit soll geklärt werden, wie es zu Gruppenbildungen kommt und warum die eigene Gruppe wichtig wird. Das darauf folgende Subkapitel beschäftigt sich dann eingehend mit den Gruppenkonflikten. Hier wird auch im Speziellen der Konflikt zwischen ethnischen Gruppen besprochen. Im empirischen Teil wird auf das durchgeführte Experiment eingegangen, das prüfen soll, ob Schüler verbale Provokationen in Bezug auf ihre Gruppenzugehörigkeit als aggressiver einstufen als in Bezug auf ihre Person. Das zweite große Ziel dieses Experiments soll die Frage sein, ob die Vorgabereihenfolge des interpersonalen, beziehungsweise des intergruppalen Konflikts eine Rolle spielt und es wird auf die Formulierung der Vorgabe näher eingegangen.

2. LITERATURÜBERBLICK

Kommt es zwischen Jugendlichen zu Konflikten, so beginnen sie meist mit verbalen Provokationen. Diese werden von den Jugendlichen oft als aggressiv erlebt und führen bei den Betroffenen nicht selten zu einer aggressiven Handlung. Um zu verstehen, warum verbale Provokation aggressiv bewertet und erlebt wird, beschäftigt sich das folgende Kapitel damit, was man unter Aggression versteht und wie es dazu kommt.

2.1. Aggression

Aggressives Verhalten als soziale Interaktion

Der Blick in sozialpsychologische Analysen richtet sich auf die Interaktion zwischen zwei Menschen, die sich gegenseitig beeinflussen. Sie stehen meist in einer bestimmten Relation zueinander und begegnen sich in einem bestimmten Kontext. Beide Personen wiederum sind gekennzeichnet durch stabile, wie variable Persönlichkeitsmerkmale, durch spezifische Sozialisationsbedingungen und durch individuelle Lernerfahrungen. Die Relation kann den Grad der Bekanntheit oder der jeweiligen sozialen Macht ausmachen. Der soziale Kontext schließlich beinhaltet etwa Dinge wie die Anwesenheit von Zuschauern oder die Umgebungsbedingungen wie Hitze, Enge oder Lärm (Otten 2002). Die Interaktion zwischen den beiden betroffenen Personen kann auch aggressives Verhalten sein. Was aber genau versteht man unter aggressivem Verhalten?

2.1.1. Definition von aggressivem Verhalten

Aggressives Verhalten wird laut Otten (2002) über drei Kriterien definiert:

- Das erste Kriterium ist die Schädigungsabsicht.
- Der zweite Aspekt ist die Normabweichung.
- Und, jedoch nicht notwendiger Weise, eingetretener Schaden selbst.

Erst wenn diese drei Kriterien zutreffen, kann man von aggressivem Verhalten sprechen. Diese Größen sind jedoch nicht eindeutig quantifizierbar, sondern setzen subjektive Interpretation voraus. Was also als aggressiv bewertet wird, liegt immer am Beurteiler/Beurteilerin. Diese Definition beinhaltet die Sichtweise, dass die Bezeichnung eines Verhaltens als „aggressiv“ das Ergebnis von Beurteilung und Interpretation ist und entsprechend in Abhängigkeit von der Beurteilerperspektive und dem sozialen Kontext variiert. So mag ein jugendlicher Rechtsradikaler der Ansicht sein - und von seinen Freunden in der Auffassung bestätigt werden - er habe „richtig“ gehandelt als er einen ausländischen Mitschüler geschlagen hat, während der Betroffene und möglicherweise die Vertreter der Schule eindeutig eine Normverletzung feststellen und entsprechende Sanktionen für angemessen halten würden. Diese unterschiedlichen Betrachtungen aggressiver Konflikte sind zum einen wichtig, weil sie deren Eskalation oder aber Deeskalation bestimmen können; zum anderen implizieren sie, dass ein zentraler Schritt zum Verständnis und letztlich zur Prävention intergruppaler, aber auch anderer Formen von Gewalt darin liegt, zu untersuchen, warum ein Akteur dazu kommt, aggressives Verhalten als situativ angemessen zu sehen. Diese Frage soll im anschließenden Kapitel geklärt werden.

2.1.2. Sozial-interaktive Modelle aggressiven Verhaltens

Im folgenden Abschnitt wird auf die Dynamik aggressiver Interaktionen und die Perspektive der Reaktionsmöglichkeiten des Betroffenen näher eingegangen und anhand verschiedener Modelle erläutert.

Das sozial-interaktionistische Modell von Tedeschi und Felson

Dieses Modell handelt von den Funktionen aggressiven Verhaltens und beschäftigt sich speziell mit den Stufen zwischen Zieldefinition und der Handlungsauswahl.

Es wird davon ausgegangen, dass das Verhalten von Tätern immer funktional ist und unter einer Kosten-Nutzen Abwägung stattfindet. Im „Social Interactionist Theory of Coercive Action (SITCA)“, dem Aggressionsmodell von Tedeschi und Felson (1994), wird spezifiziert, warum die Verhaltensentscheidung eine Funktion aus Wert des angestrebten Ziels und der Erwartung, dieses Ziel mit dem geplanten Verhalten erreichen zu können, ist.

Coercive actions - „Zwangshandlungen“ - basieren laut Tedeschi und Felson (1994), auf drei Motiven:

- Soziale Kontrolle: Welche Methode angewendet wird um Kontrolle zu erhalten oder herzustellen hängt von der subjektiven Wichtigkeit des angestrebten Beeinflussungsversuchs ab. Ausschlaggebend dafür ist, welche Erfahrungen der Akteur mit nicht aggressivem Verhalten als Mittel der sozialen Einflussnahme bisher gemacht hat.
- Gerechtigkeit: Es wird versucht Gerechtigkeit wiederherzustellen, wenn der Betroffene den Eindruck hat, dass ihm schwere Provokation oder Ungerechtigkeit zuteil wurde, und er glaubt, die Schuldigen eindeutig identifizieren zu können. Weiters besteht kein Vertrauen in externe Bestrafungsinstanzen. Ein wichtiges Kriterium ist auch das Verhältnis zwischen den am Konflikt beteiligten Personen. Bei nahe stehenden Personen wird eher ein nicht aggressiver Weg der Herstellung der Gerechtigkeit versucht.
- Positive Selbstdarstellung: Nicht nur die Bedrohung des eigenen Selbstkonzepts, sondern auch die Herabsetzung von relevanten Gruppen, können das Motiv zur Sicherung positiver Identität aktivieren. Hervorgerufen dadurch, dass man sich nicht nur über seine einzigartigen Merkmale, sondern auch über den Status von Gruppen - zu denen man sich zugehörig fühlt - definiert, kann Gewalt gegen Mitglieder anderer Gruppen ein wirksames Mittel der Selbstaufwertung sein (Tajfel and Turner 1978). Baumeister, Smart und Baden (1996) konnten zeigen, dass besonders Personen mit einem hohen Selbstwert eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, dieses positiv angehobene Selbstbild als bedroht anzusehen und es durch Anwendung von Macht und Zwang zu sichern versuchen.

Wenn ein Individuum eines oder mehrere der genannten Motive verfolgt, es zugleich über kein zuverlässiges, Erfolg versprechendes Repertoire an nicht- aggressiven Verhaltensweisen verfügt (beispielsweise nicht besonders gut verbal argumentieren kann), wird es sich wahrscheinlich dafür entscheiden, psychisch oder physisch Druck auszuüben, insbesondere dann, wenn es kaum oder keine Sanktionen für ein solches Verhalten befürchtet.

Das Modell sozialer Informationsverarbeitung

Zwischen der Wahrnehmung einer Provokation und der Realisation von aggressivem Verhalten liegen verschiedene Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse, die im Folgenden kurz beschrieben werden (Crick and Dodge 1994):

Der erste Schritt ist zrnächst bie Wahr nehmrng bes potentiell als Provokation interpretierbaren Ereignisses. Anschließ enb, im zweiten Schritt, folgt bie Interpretation bes arslösenben Ereigniss es. Im nächsten Sc hritt befiniert m an seine eigenen Ziele. Man wirb im v ierten Schritt bas Repertoire ber für bie Zielerreichrng potentiell z rr Verfügr ng stehenben Verhaltensalternativen überprüfen, rm im fünften Schritt eine Ha nblrng arsz rwählen. Der letzte Schritt besteht schließlich in ber Arsführrng bes Verhaltens.

In dieses Modell fließt zusätzlich noch die „Datenbasis“ ein, unter der man die im Gedächtnis repräsentierten subjektiven Erfahrungen, Normen, Werte, subjektive Konzepten von Fähigkeiten und Schwächen, sozialen Stereotypen und Vorurteile versteht. Zwischen den einzelnen Stufen sind Rückkoppelungen möglich. Viele der oben beschriebenen Schritte können mit sehr wenig kognitivem Aufwand, also eher automatisch als reflektiert und entlang vorgefasster Schemata ablaufen. So tragen etwa negative soziale Stereotype über Mitglieder fremder Gruppen dazu bei, dass deren Verhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit als Provokation bewertet und entsprechend mit aggressivem Verhalten beantwortet wird. Ebenso wird für eine Person, die niemals negative Konsequenzen erfahren hat, wenn er/sie Gewalt gegenüber anderen ausgeübt hat, dieses Verhalten hauptsächlich und leicht verfügbar anwenden. Dodge und Somberg (1987) haben aufgezeigt, dass es so etwas wie eine feindselige Attributionsverzerrung („hostile attributions bias“) gibt, die verstärkt bei aggressiven Schülern auftritt. Bei Beurteilung nicht eindeutig als Provokation angelegter Situationen neigen verhaltensauffällige Schüler weitaus stärker als andere dazu, dem Protagonisten feindselige Absichten zu unterstellen.

In der sozialpsychologischen Forschung hat man mehrfache empirische Belege dafür gefunden, dass Kognitionen meist automatisch, also ohne Abwägung und unabhängig von bewussten Absichten, dafür unter Nutzung von vorher erworbenen Skripts, Heuristiken und sozialen Kategorien (siehe Kapitel 2.2.2), funktionieren. Das bedeutet, dass sich negative Stereotype nicht nur in Aussagen wie: „Ausländer sind alle kriminell“ wiederspiegeln, sondern auch Anweisungen für das zu zeigende Verhalten gegenüber Mitgliedern dieser Gruppen enthalten. So können die sechs Stufen sehr schnell und unreflektiert durchlaufen werden.

Die positionsspezifisc he Perspektivendivergenz bei d er Wahrnehmung und der Bewertung aggressiver Interaktionen

Mummendey (1982; 1984) hat sich besonders mit den Determinanten der Wahrnehmung und Bewertung aggressiver Konflikte auseinandergesetzt. Der Schwerpunkt lag dabei in der Erforschung „positionsspezifischen Perspektivendivergenz“ zwischen zwei Personen in aggressiven Auseinandersetzungen. Um diese untersuchen zu können, wurde Schülern (weiterführender Schulen) Videos von Interaktionen vorgelegt, in denen verbale oder physische Gewalt gezeigt wurde. Die Schüler sollten sich anschließend, entweder in die Situation des Täters oder in die des Opfers hineinversetzen und dazu einige Fragen beantworten. Es zeigte sich, dass für die Opfer das Verhalten der Täter unangemessen und als illegitime Provokation empfunden wurde, die eine Reaktion rechtfertigte. Die Täter ihrerseits verwiesen auf eine Vorgeschichte, die ihre Handlungen legitimierte. Es zeigt sich, dass die Sicht des Betroffenen, seine Perspektive auf das Ereignis, für dessen Bewertung ausschlaggebend ist. Daraus lassen sich Perspektiveneffekte entlang von drei Definitionskriterien systematisieren: betreffend des eingetretenen Schabens, der Einbertigkeit ber Absicht und der sitrativen Angemessenheit bes Ereignisses. Die Frage nach der Angemessenheit des Ereignisses ist jene, welcher der beiden Beteiligten einen Konflikt initiiert hat.

Dadurch wird eine weitere Facette der positionsspezifischen Perspektivendivergenz sichtbar: die Segmentierung aggressiver Interaktionen. Die aggressive Interaktion besteht meist nicht nur aus einer Handlung sondern aus mehreren Segmenten, in denen die Rolle des Opfers und des Täters auch wechseln kann. Es zeigt sich jedoch, dass die Beteiligten die Rolle des Initiators von sich weisen und lieber die Rolle eines Reakteurs für sich beanspruchen. Dadurch wird ein Konflikt weitergeführt, weil die Beteiligten wechselseitig sich das zurückgeben wollen, was ihnen zuvor zugemutet wurde.

2.1.3. Aggression in der Schule

Dort, wo Menschen eng zusammenarbeiten müssen, kommt es immer wieder zu Konflikten. Besonders in Schulen sind Kinder dazu gezwungen auf engem Raum mit verschiedenen Persönlichkeiten und Gruppierungen auszukommen. Es entstehen immer wieder Auseinandersetzungen zwischen einzelnen oder mehreren Schülern. Dabei gibt es meist ein (oder auch mehrere) Opfer und einen (oder mehrere) Täter. Zwei Begriffe, die in diesem Zusammenhang immer wieder genannt werden, sind Bullying bzw. Viktimisierung. Olweus (1994) hat Brllying wie folgt definiert: „Eine Person wird drangsaliert…, wenn er oder sie wiederholt über eine gewisse Zeit hinweg zum Gegenstand negativer Handlungen durch eine oder mehrere Personen wird.“. Negative Handlungen können körperlich oder verbal sein, direkte oder indirekte Aggression beinhalten. Das Ungleichgewicht zwischen Stärke, Macht und Status ist typisch für Bullying. Das Opfer ist dem Schläger unterlegen und kann sich daher nicht so leicht gegen Angriffe verteidigen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede und Altersunterschiede sind von Bedeutung: Mädchen treten eher durch indirekte Übergriffe und weniger durch direkte körperliche Attacken hervor als Buben. Mit zunehmendem Alter geht dieser Geschlechtsunterschied aufgrund abnehmender körperlicher Aggression bei den Buben zurück. Unter Erwachsenen machen körperliche Übergriffe nur einen sehr kleinen Teil des Spektrums aggressiven Verhaltens aus (Mummenday and Otten 2002). Aggressives Verhalten tritt häufig bei mangelnder Verträglichkeit zwischen dem allgemeinen sozialen Klima in der Gleichaltrigengruppe und den Einstellungen und Verhaltensweisen des Individuums auf. Abhängig von der Art der Gruppennormen können dieselben Verhaltensweisen entweder auf Ablehnung und Viktimisierung oder auf Akzeptanz stoßen.

Viktimisierung kann zwei Bereiche betreffen; die personale Viktimisierrng verweist auf Situationen, in denen negative Peererlebnisse in Beziehung zu individuellen Charakteristika stehen wie: sich sonderbar zu benehmen oder zu stottern. Die Grrppen-Viktimisierrng taucht dort auf, wo Kinder negative Erlebnisse verbunden mit ihrer Gruppenzugehörigkeit haben wie: ihr Geschlecht, ihre Hautfarbe oder ihre Ethnizität.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es gut ist, sich Gedanken darüber zu machen, was überhaupt unter Aggression verstanden wird und wie es zu aggressiven Handlungen kommt. Man kann davon ausgehen, dass viele verschiedene Faktoren ausschlaggebend sind. Motive, die Einfluss auf das Handeln des Aggressors haben können sind: soziale Kontrolle, Gerechtigkeit und positive Selbstdarstellung. Weiters stellt sich heraus, dass die Position des Einzelnen, also ob man sich als Täter oder Opfer sieht, entscheidenden Einfluss auf die Interpretation des Geschehens hat. Wenn es in der Schule zu aggressiven Handlungen kommt, hat das oft mit Viktimisierung zu tun, also damit, dass einzelne Opfer von Tätern durch negative Handlungen verletzt werden. In der Forschung zur Viktimisierung in der Schule wird noch immer nach Faktoren gesucht, die für die Analyse des Phänomens von Relevanz sein können. Schließlich stellt sich die Frage, ob es auf die aggressive Handlung auch Einfluss hat, wenn es sich dabei nicht nur um einzelne Individuen handelt, sonder um ganze Gruppierungen, zwischen denen es zu aggressivem Verhalten gekommen ist.

2.2. Intergruppales Verhalten

Unter intergruppalem Verhalten versteht man das Verhalten der Mitglieder einer Gruppe gegenüber den Mitgliedern einer anderen Gruppe (Brown 1996). Dieses Verhalten muss jedoch nicht immer kooperativ oder solidarisch sein, sondern ist häufig konfliktbeladen. Im Folgenden soll kurz dargestellt werden, wie sich intergruppales Verhalten entwickelt und welche Konsequenzen damit verbunden sind.

2.2.1. Der Gegensatz zwischen interpersonalem Verhalten und Gruppenverhalten

Es wurde in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass es im Verlauf von Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern Unterschiede in der Form des Austausches gibt, wenn es einerseits um die Interaktionen zwischen den beteiligten Parteien und andererseits um eine interpersonale Diskussion geht. Im Allgemeinen sind erstere durch eine ausgeprägtere Bezugnahme auf Ziele der beiden Gruppen, durch eine „härtere“ Verhandlungsart und durch einen größeren Einfluss der relativen Stärken der jeweiligen Position gekennzeichnet. Während sich andererseits bei einer interpersonalen Diskussion eine größere Zahl positiver Hinweise auf die Gegenseite verzeichnen lässt, die soziale Orientierung ist eher auf eine „Problemlösung“ hin ausgerichtet und das Verhandlungsergebnis ist aus den objektiven Merkmalen der Verhandlungsposition der Gruppe schlechter vorhersagbar (Stephenson 1978). In ähnlicher Weise sind die Effekte der Einstellungsähnlichkeit, die auf interpersonaler Ebene fast stets die Anziehungskraft fördern, auf der Intergruppenebene komplexer, da sich daraus, je nach den spezifischen Umständen entweder Anziehung oder Ablehnung ergeben können.

Das führte Tajfel (1978) zu der Ansicht, dass es wichtig ist zwischen interpersonalem und intergruppalem Verhalten zu unterscheiden und davon auszugehen, dass sich Probleme, die sich auf eine dieser Ebenen beziehen, nicht ohne Weiteres auf die Erklärung von Phänomenen der anderen Ebene umgelegt werden können. Interpersonales Verhalten bedeutet, als Individuum mit bestimmten Neigungen bzw. Abneigungen und auf dem Hintergrund einzigartiger persönlicher Beziehungen zu anderen zu handeln. Das ist zum Beispiel ein Schüler mit einer bestimmten physischen Erscheinung, Intelligenz und Persönlichkeit und mit einem bestimmen Freundeskreis. Intergrrppales Ver halten bedeutet dagegen, als Gruppenmitglied zu handeln. Zum Beispiel als ein Schüler bei einer Rauferei am Schulhof zwischen zwei Bandengruppen. Für das Interpersonale Verhalten sind die verschiedenen sozialen Kategorien (siehe Kapitel 2.2.2) von eher geringerer Bedeutung als die Konstellation individueller und interpersonaler Dynamik. Für das intergruppale Verhalten gilt das Umgekehrte: zu welcher Bande man selbst oder die Zielperson gehört ist weit wichtiger als wer man als Person ist.

Es handelt sich jedoch um ein Kontinuum auf der sich jede Sequenz des sozialen Verhaltens befindet, das durch die Extreme des interpersonalen und des intergruppalen Verhaltens definiert ist. Wo genau ein bestimmtes Verhalten lokalisiert ist, macht Tajfel (1978) von drei Faktoren abhängig. Der erste ist die Einbertigkeit, mit ber verschiebene soziale Kategorien ibentifiziert werden können. Wenn soziale Kategorien wie schwarz und weiß oder Mann und Frau deutlich voneinander unterscheidbar sind, gibt es eine Tendenz, das Verhalten zum Intergruppenpol hin einzuordnen. Sind kategoriale Unterschiede weniger eindeutig oder weniger relevant, ist das Verhalten stärker interpersonal. Der zweite Faktor ist das Arsmaß, in bem bas Ve rhalten innerhalb jeber Grrppe variabel ober rniform ist. Interpersonales Verhalten wird die normale Variation individueller Unterschiede aufweisen. Wenn jedoch Gruppen salient sind (darauf wird im folgenden Kapitel noch näher eingegangen), wird das Verhalten der Menschen untereinander ähnlicher. Der dritte Faktor bezieht sich darauf, inwiefern bas Verhalten einer Pers on ober ihrer Ei nstellrng gegenüber A nberen vorhersagbar ist. In unseren interpersonalen Beziehungen haben wir eine Vielfalt von Reaktionsweisen in Bezug auf diejenigen, die wir kennen. Intergruppale Begegnungen dagegen werden in der Regel von stereotypisierten Wahrnehmungen und Verhaltensweisen bestimmt.

2.2.2. Soziale Kategorisierung als grundlegender psychischer Prozess

In der Sozialpsychologie der Intergruppenbeziehungen werden Gruppen, zu denen sich Menschen zugehörig fühlen, als soziale Kategorien verstanden. Die Unterteilung der Welt in eine handhabbare Anzahl von Kategorien hilft uns dabei, die Welt zu vereinfachen und ihr einen Sinn zu geben. Es kann fast jedes Kriterium herangezogen werden, um Menschen in verschiedene Gruppen einzuteilen, die Kategorisierungen besitzen jedoch unterschiedliche Bedeutsamkeit. Es gibt Kategorien, die der betreffenden Person wichtig sind und solche die unwichtig sind. Obwohl fast jedes Kriterium herangezogen werden kann, um Menschen in verschiedene Gruppen einzuteilen (z.B. Nationalitäten, Hautfarbe, Alter, die Angewohnheit zu rauchen oder nicht), besitzen soziale Kategorisierungen unterschiedliche Bedeutsamkeit. Es gibt wichtigere Kategorien (z.B. das Geschlecht), aber auch unwichtigere (z.B. die Einteilung in Menschen, die ihren Kaffee schwarz trinken und die, die lieber Milch dazu geben). In diesem Kapitel wird auf einige Begriffe eingegangen, die für die soziale Kategorisierung von Bedeutung sind und die Einsicht geben sollen, wie es in Folge zu Problemen zwischen einzelnen Gruppen kommen kann.

Salienz

Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist die Salienz sozia ler Kategorien. Unter Salienz versteht man die Relevanz, Bedeutsamkeit, Wichtigkeit einer sozialen Kategorie in der jeweiligen Situation. Der Begriff „Salienz“ steht dafür, dass die Bedeutsamkeit von Kategoriezugehörigkeiten nicht ein für allemal feststeht, sondern sich von Situation zu Situation verändern kann und zwar in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext. Eine bestimmte soziale Kategorisierung ist „salient“, wenn sie in den Vordergrund tritt und damit andere soziale Kategorisierungen in den Hintergrund drängt (Waldzus 2002).

Soziale Kategorien sind manchmal salient und manchmal nicht, ohne jedoch ganz zu verschwinden. Sie sind ständig verfügbar und leicht aktivierbar. Wenn sie salient werden, bestimmen sie zu einem großen Teil unsere Wahrnehmung, unser Denken, unsere Gefühle und Handlungen. Sie sind also nützliche Werkzeuge der Ordnung und Vereinfachung, daher ist es wichtig, eindeutig zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern einer Klasse zu unterscheiden. Die Funktion des Differenzierungsprozesses besteht somit darin, die Unterschiede innerhalb der Kategorien zu verwischen, damit unsere geistige und soziale Welt besser organisiert und strukturiert wird.

Wird die Gruppenzugehörigkeit von Personen bedroht, entsteht bei ihnen die Motivation, sich gegen diesen Angriff zu schützen. Andere Motive bewirken, dass die Salienz bestimmter Kategorien erstrebenswert wird. An Gruppenzugehörigkeiten können zum Beispiel bestimmte Privilegien verknüpft sein, sie kann Schutz und Sicherheit bieten oder helfen, die Unsicherheit darüber, wer wir eigentlich sind, zu verringern (Hogg and Abrams 1993).

Deindividuation

Die Salienz der Kategorie kann dann zu so genannten „ Deinbivibration“ führen, d.h. dazu, dass das Verhalten nicht mehr den eigenen Vorlieben, Prinzipien und Gewohnheiten folgt, sondern sich fast ausschließlich an Gruppennormen ausrichtet, die mit der jeweils salienten Kategorie verbunden sind (Reicher, Spears et al. 1995). Verschiedene Faktoren tragen zur Deindividuation bei, so z.B.: Anonymität, Verantwortungsdiffusion und eine Verkürzung der Zeitperspektive. Es gibt Belege für die Annahme, dass Mitglied einer Gruppe zu sein eine deindividuierende Wirkung auf Individuen hat, sodass sich ihre sonst üblichen Hemmungen, sich an aggressivem Verhalten zu beteiligen, verringern. Es hängt von den in der Gruppe dominierenden Normen ab, wie die Gruppenmitglieder auf potentielle Gegner reagieren. Schreiben Gruppennormen eher gewalttätiges Verhalten vor, können sich friedliebende Bürger unter entsprechenden Bedingungen in scheinbar aggressive Täter verwandeln (Zimbardo 1969). Sind diese Normen hingegen mit Gewaltfreiheit verknüpft, wird durch Deindividuation eventuell vorhandene individuelle Gewaltbereitschaft verringert (Johnson and Downing 1979). Aus der Deindividuationstheorie lässt sich ableiten, dass man in Gruppensituationen mehr aggressives Verhalten erwarten kann als in Einzelsituationen. Studien von Rabbi (1982) unterstützen die Hypothese: Gruppenmitglieder zeigen nur dann aggressiveres Verhalten als einzelne Individuen, wenn dieses Verhalten in Hinblick auf die salienten Situationsnormen als legitim gelten kann. Es ist daher nicht überzeugend, beobachtete Unterschiede, die interpersonale und intergruppale Aggression betreffen, durch die Annahme innerer Zustände oder den Verlust der Rationalität zu erklären. Wenn Gruppensituationen durch vergleichsweise extremere Formen der Aggression gekennzeichnet sind, dann mag das daran liegen, dass sich die Gruppenmitglieder gegenseitig in der Ansicht bestärken, sie alle verhielten sich angemessen. Diese Rechtfertigung ihres Verhaltens ist auf die weiter oben besprochene positionsspezifische Perspektivendivergenz zurückzuführen (Mummenday, Bornewasser et al. 1982; Mummenday, Linneweber et al. 1984).

Intragruppenhomogenität

Ein weiteres Phänomen der Kategorisierungsprozesse ist das der wahrgenommenen Intragruppenhomogenität. Die Kategorisierung führt nicht nur zu dem Hervorheben der Unterschiede zwischen den Gruppen, sondern auch dazu, dass sich die Mitglieder einer Gruppe untereinander als ähnlich betrachten. Die Wahrnehmung von Homogenität ist jedoch oft kein symmetrischer Vorgang: die eine Gruppe wird meist als homogener angesehen als die andere. Meist wird dabei die Fremdgruppe als homogener angesehen als die Eigengruppe („die“ sind alle gleich, aber „wir“ sind alle verschieden). Linville, Fischer und Salovey (1989) erklären sich das dadurch, dass man mit den Eigengruppenmitgliedern vertrauter ist und die Wahrnehmung daher komplexer und differenzierter ist. Das reicht jedoch nicht aus, um das gesamte Phänomen zu erklären. Eine andere Erklärung lautet, dass die Beschaffenheit von Eigen- und Fremdgruppenkategorien von Bedeutung ist. Das heißt, dass die Wahrnehmung von Gruppen nicht auf einer Strichliste spezifischer Eigen- und Fremdgruppenbekanntschaften beruht, sondern leitet sich vom prototypischen Mitglied jeder Gruppe und einer bestimmten Abweichungsspanne von dieser typischen Person ab. Der Grund, warum die Eigengruppe manchmal für heterogener gehalten wird besteht darin, dass sie wichtiger (da sie das Selbst der eigenen Person umfasst) und konkreter ist (da zumindest ein Mitglied sehr vertraut ist) und aus einer größeren Anzahl bedeutsamer Untergruppen besteht (Park, Ryan et al. 1992).

2.2.3. Erklärungsmodelle für Gruppenverhalten

Oft werden Intergruppenvorurteile einem spezifischen Persönlichkeitstypus oder dem Frustrationsniveau zugesprochen. Es ist jedoch sinnvoller, darin Reaktionen von „normalen“ Menschen auf die jeweilige Intergruppensituation zu sehen. Von Bedeutung dabei ist die Frage nach den Zielen der jeweiligen Gruppen und ob sich diese miteinander vereinbaren lassen oder ob sie zu Lasten der jeweils anderen Gruppe gehen. Die folgenden zwei Modelle wurden ausgewählt um zu zeigen, dass sich nur durch das Entstehen salienter sozialer Kategorien Konflikt und Diskriminierung entwickeln können:

1. Erklärung (ber realistische Grrppenkonflikt): Zwischen Gruppen kommt es zu Konkurrenz und dadurch zu Konflikt oder Kooperation.
2. Erklärung (Eigenbevorzrgrng in „minimalen Grrppen“): Durch Kategorisierung als kognitiver Prozess werden soziale Kategorien aktiviert. Das reicht aus, um Fremdgruppen zu diskriminieren und die Eigengruppe zu favorisieren.

Der Realistische Gruppenkonflikt

Die Theorie des Realistischen Gruppenkonfliktes (Campbell 1965) lässt sich am besten an der klassischen "Robers Cave" Studie erklären (Sherif, Harvey et al. 1961). Muzafar Sherif und seine Kollegen fuhren Mitte der 50er Jahre mit

amerikanischen Buben nach Robers Cave in Oklahoma in eine Art Ferienlager (Summercamp). Das Gesamtdesign des Feldexperiments teilte sich in drei Phasen: Gruppenbildung, Gruppenkonflikt und Konfliktreduktion. Die Buben im Alter von etwa 12 Jahren wurden im Vorfeld getestet und jene ohne Verhaltensauffälligkeit wurden eingeladen. Auch wenn die Stichprobe selektiv und nicht mehr repräsentativ war wurde dadurch sichergestellt, dass jegliches Verhalten, das in Folge gezeigt wurde, nicht auf frühere soziale oder psychische Deprivation zurückgeführt werden konnte.

Grrppenbilbrng: Im Lager wurde die Gruppe von 22 bis 24 Buben ziemlich willkürlich in zwei Gruppen eingeteilt, die "Eagles" und die "Rattlers". Dabei wurde lediglich darauf geachtet, dass nicht diejenigen einer gleichen Gruppe zugeteilt wurden, die schon befreundet waren. Einige Tage lang beteiligten sich die Kinder an verschiedenen Aktivitäten innerhalb der Gruppen ohne mit den Kindern der anderen Gruppe viel zu tun zu haben.

Grrppenkonflikt: Danach wurden die Gruppen Wettbewerbssitrationen ausgesetzt. Es ging z.B. darum, wer besser in diversen sportlichen Wettkämpfen ist, wer die bessere Höhle im Wald baut usw. Bei diesen Wettkämpfen konnte aber immer nrr eine Grrppe gewinnen (negative Interbepenbenz, siehe auch Kapitel 2.3.1). Die Sieger bekamen jeweils einen Pokal und die verlierende Gruppe bekam nichts. Auf diese Weise wurde ein objektiver Interessenskonflikt zwischen den Gruppen eingeführt. Nach einer Weile ergab sich der erwartete Effekt: Es entstand ein großer Zusammenhalt innerhalb der Gruppen, aber gleichzeitig auch eine offensichtliche und nicht ganz unbedenkliche Feindseligkeit zwischen den Eagles und den Rattlers, die soweit führte, dass sie gegenseitig ihre viel gehegten und behüteten Gruppensymbole (Banner) beschädigten, um der jeweils anderen Gruppe zu schaden. Auch wenn sie zu Anfang friedlich neben einander lebten, so waren aus ihnen nun Widersacher geworden. In einer Vielzahl von Experimenten, die als Spiele getarnt waren, konnten Sherif et al. die konstante Begünstigung der Eigengruppe in Beurteilungen, Einstellungen und soziometrischen Präferenzen beobachten.

Konfliktrebrktion: Nachdem das Forscherteam eine Weile beobachtet hatten, beschlossen sie einzugreifen. In früheren Studien hatten sie in einer solchen Situation einen gemeinsamen Außenfeind eingeführt. Dies hatte zwar den Konflikt zwischen beiden Gruppen verringert, jedoch letztendlich die Feindseligkeit nur verlagert. Diesmal versuchten sie etwas anderes. Sie inszenierten eine Reihe von Situationen, in denen beide Gruppen bestimmte Ziele nrr gemeinsam erreichen (positive Interbepenbenz, siehe auch Kapitel 2.3.1) konnten. Als erstes setzte die Lagerleitung eines Tages den Lastkraftwagen, der das Mittagessen zu den hungrigen Kindern liefern sollte, in den Schlamm. Der Fahrer wurde instruiert, so dass der Laster so lange darin festsitzen blieb, bis beide Gruppen ihn mit vereinter Kraft wieder frei gezogen hatten. Nach einigen weiteren derartigen Aktionen verbesserten sich die Beziehungen zwischen den Mitgliedern beider Gruppen merklich. Die Wahrnehmung, die Gefühle, die Sprache, alles veränderte sich zugunsten der anderen Gruppe. Eine Reihe quantitativer Indikatoren zeigten eine deutliche Verringerung des Ausmaßes in dem die Eigengruppe begünstigt wurde. So bat man die Buben, jede Gruppe nach einer Reihe bewertender Merkmale einzustufen (zäh, freundlich, gemein usw.) Dabei wurde die Fremdgruppe vor der Einführung eines übergeordneten Ziels sehr viel schlechter bewertet als danach.

Man nimmt an, dass "reale Konflikte" zwischen zwei Gruppen, also objektiv vorgegebene Unvereinbarkeiten zwischen den Zielen der Gruppen, zu „realer Bedrohung“ führen und dafür sorgen, dass beide Gruppen miteinander auch sozial in Konflikt geraten. Die Gruppenmitglieder fühlen sich voneinander bedroht und entwickeln einerseits Feindseligkeiten gegeneinander und andererseits Solidarität innerhalb der Gruppe. Die Bedrohung führt dazu, dass sich die Gruppenmitglieder ihrer eigenen Gruppenidentität bewußt werden, dass Gruppengrenzen fester gezogen werden und dass die Gruppenmitglieder seltener von der Gruppennorm abweichen. Diese Art der Reaktion auf reale Bedrohung kann durchaus als funktional betrachtet werden, da es die Gruppen handlungsfähiger in einer ihnen feindlich gesonnenen Umwelt macht. In diesem Sinne folgt die Dynamik zwischen Gruppen einer gewissen Nützlichkeits-Logik.

Eigengruppenbevorzugung in "minimalen Gruppen"

Ein Befund, den die Theorie des realistischen Gruppenkonfliktes nicht erklären kann, besteht darin, dass die einfache Einteilung in zwei Gruppen (ohne jede Beziehung zum Eigeninteresse des Einzelnen) zuweilen ausreicht, um einen Konflikt zu induzieren und friedliche Bürger dazu zu bringen, Mitglieder ihrer eigenen Gruppe zu bevorzugen (Eigengruppenfavorisierung) und Mitglieder anderer Gruppen zu benachteiligen (Fremdgruppendiskriminierung) und zwar ohne zu wissen, wer diese anderen Gruppenmitglieder eigentlich sind. Man hat dies wiederholt in Experimenten mit so genannten "minimalen Gruppen" zeigen können (Tajfel, Bundy et al. 1971). Diese Gruppen heißen "minimal", weil sie vollkommen frei erfunden werden, sich die einzelnen Gruppenmitglieder nie kennen lernen und weil ihnen ihr Verhalten gegenüber anderen Gruppenmitgliedern keinerlei persönlichen Nutzen bringt. Man teilt z.B. den Versuchspersonen mit, dass sie angeblich zu einer Gruppe von Personen mit "konvexem" Wahrnehmungsstil gehören, während andere Personen einen eher "konkaven" Wahrnehmungsstil hätten. Solche Wahrnehmungsstile existieren überhaupt nicht, aber die meisten Versuchspersonen glauben eine solche Mitteilung. Nachdem sie ihre Gruppenzugehörigkeit erfahren haben, sollen dann die Versuchsteilnehmer Geld oder andere Güter an Mitglieder der eigenen Gruppe („konvex“) und an Mitglieder der anderen Gruppe („konkav“) verteilen, ohne dass sie jemals erfahren werden, wer diese Gruppenmitglieder sind und ohne dass sie selbst von diesen Gruppenmitgliedern identifiziert werden können. Der Betrag, den sie am Ende selbst erhalten, ist dabei vollkommen unabhängig davon, wie sie das Geld für die anderen aufteilen. Trotzdem neigen die Versuchspersonen im Durchschnitt dazu, nicht immer ganz fair in der Geldverteilung (im Sinne von Gleichverteilung zwischen Eigen- und Fremdgruppe) zu sein. Stattdessen lassen sie den – ihnen vollkommen unbekannten – Mitgliedern der eigenen Gruppe mehr zukommen als den – ihnen ebenfalls unbekannten – Mitgliedern der Fremdgruppe. Man hat lange darüber gestritten, ob diese Art der Experimente wirklich zeigt, dass reine Kategorisierrng arsreicht , um Diskriminierung von Fremdgruppen zu erzeugen (Rabbie and Horwitz 1988; Rabbie and Lodewijkx 1996). Es lässt sich aus diesen Studien jedoch mit ziemlicher Sicherheit ableiten, dass Gruppenmitgliedschaft und das Handeln im Sinne der eigenen Gruppe nicht vollkommen egoistischen Motiven folgen, sondern sozusagen ein „Eigenleben“ führen. Wir bevorzugen unsere eigenen Leute nicht nur, wenn wir als Individuen von ihnen abhängig sind, sondern auch, wenn wir als Einzelpersonen eigentlich nichts davon haben.

Eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten ist in der weiter oben besprochenen sozialen Kategorisierung zu finden. So können wir vermuten, dass die Situation, in der sich die Versuchspersonen befinden, hinreichend schlecht definiert ist. Somit klammern sie sich an den zunächst bedeutungslosen Kategorien (konkav, konvex) fest und verwenden sie um der Situation einen Sinn zu verleihen. Ist diese spezielle und einzige Kategorisierung erst einmal akzeptiert, kommt es zu unausweichlichen kategorialen Differenzierungen und zwar auf die einzige in diesem Fall mögliche Art – indem Empfängern aus der Eigengruppe und aus der Fremdgruppe unterschiedliche Geldbeträge zugeteilt werden (Brown 1996).

Eine weitere Erklärung für das diskriminierende Verhalten von Menschen in Minimalgruppenexperimenten ist das Eigeninteresse. Das scheint zwar auf den ersten Blick paradox, da man versucht hat gerade das auszuschließen indem sich die Versuchspersonen nicht direkt Belohnungen zuteilen konnten. Es kann jedoch dann wirksam sein, wenn die Versuchspersonen glauben, dass die Mitglieder jeder Gruppe dazu tendieren, sich gegenseitig zu begünstigen. Daher können sie ebenfalls versuchen, dieser impliziten Norm zu folgen und die Vorteile für die Mitglieder ihrer eigenen Gruppe zu maximieren und somit – durch Reziprozität – auch für sich selbst. Um diese Überlegung zu überprüfen erweiterten Rabbi et al. (Rabbie, Schot et al. 1989) das übliche Paradigma der minimalen Gruppen um zwei Variationen. In einer Bedingung legten sie fest, dass die Versuchspersonen nur das erhalten sollten, was ihnen die anderen Eigengruppenmitglieder gaben; in einer anderen sollten sie nur das erhalten, was ihnen die Fremdgruppenmitglieder zuwiesen. Diese Veränderung der wahrgenommenen Abhängigkeit der Versuchspersonen von anderen hatte Auswirkungen auf die selbst vorgenommene Belohnungsverteilung. Die Personen, die von der Eigengruppe abhängig waren wiesen im Gegensatz zur Normalbedingung eine etwas stärkere Bevorzugung ihrer eigenen Gruppe auf. Während die Personen die von der Fremdgruppe abhängig waren, die Eigengruppenfavoritisierung drastisch verringerten und sogar zur Bevorzugung der Fremdgruppe neigten. Diese Experimente zeigen, dass Menschen für die Überlegung zum Eigeninteresse anfällig sind, wenn diese expliziter ausgeführt werden.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es einen Einfluss auf das Verhalten einer Person hat, ob es als Individuum handelt oder als Mitglied einer Gruppe. Man fühlt sich einer sozialen Kategorie zugehörig, die im Notfall auch verteidigt wird. Eine saliente soziale Kategorie kann zu Deindividuation führen, wobei man nicht mehr seinen eigenen Interessen folgt, sondern jener der Gruppe. Meist wird auch die Fremdgruppe als einheitlicher empfunden als die eigene Gruppe, dieses Phänomen nennt man Intergruppenhomogenität. Um zu erkennen, wie es nun aus der Gruppensituation zu einem Konflikt kommen kann, wurden die zwei Modelle - das der realistischen und das der minimalen Gruppen - vorgestellt. Diese beiden Modelle zeigen, wie einfach es zu einer Bevorzugung der eigenen Gruppe und zu einer Benachteiligung der Fremdgruppe kommt. Da liegt es natürlich nahe genauer anzusehen, wie der intergruppale Konflikt an sich funktioniert und was man darunter genau versteht.

2.3. Intergruppaler Konflikt

Zu einem intergruppalen Konflikt kommt es dann, wenn eine Provokation in Beziehung mit einer salienten sozialen Kategorie stattfindet. Dabei können Konflikte durch Provokationen zwischen Männern und Frauen, dem Chef und dessen Angestellten, zwischen dem Lehrer und seinen Schülern, usw. stattfinden. Handelt es sich also um einen intergruppalen Konflikt, ist die Salienz der Kategorie sehr hoch im Gegensatz zu dem interpersonalen Konflikt, bei dem es sich nicht um die Gruppenzugehörigkeit, sondern um die Person an sich dreht. Im folgenden Abschnitt wird zuerst erklärt, dass es an der persönlichen Beurteilung des Betrachters liegt, ob im vorliegenden Fall tatsächlich von einem Konflikt gesprochen werden kann. Daraus ist ersichtlich, welche wichtige Rolle die soziale Identität des Betrachters bei der Beurteilung einer Konfliktsituation spielt. Abschließend wird erläutert, wie sich Konflikte in der Schule ganz allgemein und solche mit ethnischem Hintergrund entwickeln.

2.3.1. Interdependenzbeziehungen zwischen Gruppen

Manches Mal klafft die wahrgenommene und tatsächlich vorhandene Konflikthaltigkeit einer Intergruppensituation weit auseinander. Wahrgenommene Bedrohung muss durchaus nicht immer eine „objektive“ Grundlage haben. Die Interessenverhältnisse in der Gesellschaft, in Organisationen und Institutionen sind nicht unbedingt immer eindeutig und objektiv vorgegeben, sondern werden teilweise sehr verschieden interpretiert. Es kann vorkommen, dass die einen gemeinsame Ziele wahrnehmen, wo andere einen Konflikt sehen und umgekehrt. Da sich oft verschiedene Handlungsoptionen gleichzeitig bieten, liegt es sehr an der Sichtweise des Betrachters, ob in einer uneindeutigen Situation eher gemeinsame Interessen und damit Kooperation (=positive Interdependenz) oder aber widerstreitende Interessen und damit Wettbewerb (=negative Interdependenz) wahrgenommen werden. Die Forschung zu der wechselseitigen Abhängigkeit, der so genannten Interdependenztheorie (Kelley and Thibaut 1978), hat recht erfolgreiche, aber nicht gerade unkomplizierte Analyseschemata entwickelt, mit denen sich beschreiben lässt, wie bestimmte objektiv gegebene Interessenverteilungen von den Beteiligten auf die eine oder andere Art interpretiert werden (Kelley 1983). Nicht die objektive Interessenslagen, sondern die Interpretation der Situation entscheidet darüber, wie sich die Personen am Ende gegenseitig wahrnehmen und wie sie sich zueinander verhalten. Wie eine objektiv vorgegebene Situation interpretiert wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. persönliche Wertorientierungen, übergreifende Motive, soziale Rollen und Normen (Rusbult and Van Lange 1996). Unsere Interpretation der Situation hängt von Gewohnheiten ab, davon, was wir vom Partner bzw. Gegner erwarten, aber auch von dem, was andere wichtige Personen von uns erwarten und was wir auf lange Sicht hin in der entsprechenden Beziehung für erstrebenswert halten.

Gegenüber interpersonalen Beziehungen kommt bei intergruppalen Beziehungen erschwerend hinzu, dass wir dazu neigen, andere Gruppen als feindseliger wahrzunehmen als Einzelpersonen. Als Reaktion auf die Vorwegnahme dieses erwarteten Wettbewerbverhaltens der anderen verhalten wir uns als Gruppenmitglieder wettbewerborientierter, als Einzelpersonen. Diese so genannte Person-Gruppe-Diskontinuität führt dazu, dass Gruppen eher miteinander ins Streiten kommen, als einzelne Personen. Damit ergibt sich die Frage, was Konflikte zwischen Gruppen soweit schürt, dass sie über die ihnen möglicherweise zugrunde liegenden „objektiven“ Interessenwiedersprüche weit hinausgehen (Waldzus 2002)?

2.3.2. Soziale Identität als Konflikttheorie

Die Theorie der Sozialen Identität von Henri Tajfel und John Turner (1979; 1986) ist eine sozialpsychologische Theorie intergruppaler Prozesse. Im Folgenden wird zuerst die Theorie vorgestellt, um anschließend auf das Konfliktverständnis einzugehen. Das Ziel dieser Theorie ist es, intergruppale Differenzierungsprozesse, die vor allem durch Konflikte zwischen Gruppen gekennzeichnet sind, zu erklären. Aufgebaut wurden diese Theorien auf den Erkenntnissen der oben beschriebenen Experimente zu dem minimalen Gruppen- Paradigma. Es wird dabei angenommen, dass die soziale Kategorisierung in diesem Paradigma eine soziale Identität für die Versuchspersonen schafft. Die Versuchspersonen akzeptieren die Kategorien als Grundlage der Selbstdefinition, der Definition darüber, wer sie sind. Die soziale Identität steht der interpersonalen Identität gegenüber und wird vollständig durch die Mitgliedschaft zu einer sozialen Kategorie bzw. Gruppe definiert. Wir klassifizieren nicht nur andere als Mitglieder einer Gruppe, sondern weisen auch uns selbst einen Platz in Bezug auf eben diese Gruppe zu. Mit anderen Worten, unser Gefühl der Identität ist eng verbunden mit unseren verschiedenen Gruppenmitgliedschaften.

Die Theorie wird in drei Grundannahmen zusammengefasst: Erstens, streben Individuen nach einer positiven sozialen Identität, die vollständig durch die Mitgliedschaft zu einer Gruppe definiert ist. Das bedeutet, da man im Großen und Ganzen lieber ein positives Selbstkonzept von sich hat und dieses über die Gruppenzugehörigkeit definiert ist, wird es auch eine Vorliebe dafür geben, die Eigengruppe als eher positiv zu sehen.

Zweitens, basiert die vorteilhafte Identität größtenteils auf vorteilhaften Vergleich zwischen der eigenen Gruppe und einer relevanten anderen Gruppe. Die eigene Gruppe muss dabei positiv von der anderen Gruppe unterschieden werden oder von anderen Gruppen positiv wahrgenommen werden. Denn wenn unsere Eigengruppe auf einer Wertdimension als eindeutig überlegen wahrgenommen werden kann, so können auch wir uns im Glanz dieses Ruhmes sonnen. Es trägt indirekt zu einem positiveren Selbstwertgefühl bei.

Drittens, wenn die soziale Identität unbefriedigend ist, dann versuchen Individuen, die Gruppe zu verlassen um in eine positivere Gruppe zu gelangen, oder sie versuchen ihre Gruppe stärker positiv von anderen abzusetzen. Tajfel (1978) nennt dies „Herstellung positiver Distinktheit“.

Aus diesen drei Hypothesen kristallisiert sich maßgeblich heraus, dass der Druck, die eigene Gruppe positiv durch Vergleiche mit anderen Gruppen zu bewerten dazu führt, dass sich soziale Gruppen voneinander abgrenzen. Diese Vergleiche finden aber immer in einem sozialen Kontext statt. Verdeutlicht kann das am Beispiel der minimalen Gruppen gezeigt werden. Die Versuchspersonen werden zwei völlig bedeutungslosen Gruppen zugeteilt, die nur unterscheidet, dass der Teilnehmer selbst in der einen und nicht der anderen Gruppe ist. Dadurch entsteht ein Gefühl der Anonymität, die dazu führt, dass die Eigengruppe der einzig mögliche Ausgangspunkt für eine mögliche Identität ist. So entsteht ein Druck zur Distinktheit (positive Unterscheidung von der anderen Gruppe) und die Mitglieder beider Gruppen versuchen, mit den einzigen Mitteln, die der Versuchsleiter zur Verfügung gestellt hat, ihre eigene Gruppe positiv von der anderen abzuheben: Sie teilen den Mitgliedern der Eigengruppe höhere Geldbeträge zu als denen der Fremdgruppe.

Die Theorie der Sozialen Identität beschäftigt sich mit der Frage, welche Motive und Bedürfnisse mit der Bereitschaft, soziale Konflikte der eigenen Gruppe mit anderen auszutragen, verknüpft sind. Im Zentrum steht bei einem Konflikt das Aushandeln sozialer Identitäten. Dabei ist die entscheidende Frage, die sich in einem Konflikt stellt, ob die soziale Identität durch den Konflikt bedroht wird. Eine Theorie, die zur Erklärung bei Tajfel und Turner (1978) herangezogen wird, ist die weiter oben beschriebene Theorie des Realistischen Gruppenkonflikts. Dabei gilt es, in einem Konflikt nicht nur die erwünschten Werte für die eigene Gruppe zu erhalten, sondern auch darum, die Mitglieder der anderen Gruppe zu treffen, zu verletzen oder zu einer Veränderung zu bewegen. Ein realistischer Gruppenkonflikt ist immer durch grundsätzliche und inkompatible Gruppeninteressen verursacht. Gruppenkonflikte sind immer auch Interessenskonflikte, die besonders dann steigen und eskalieren, wenn die Identitäten bedroht werden. Die Forschung zur Sozialen Identitäts-Theorie zeigt, dass das Ausmaß der Konflikte zwischen Gruppen jedoch von mehreren Faktoren abhängt: Erstens ist die Konfliktbereitschaft von der Stärke der wahrgenommenen Identitätsbedrohung abhängig, zweitens, muss eine Fremdgruppe mit der der Konflikt gesucht oder eingegangen wird, als hinreichend vergleichbar beurteilt werden. Dazu muss der Vergleich den Druck zur Distinktheit steigern.

Ein Konfliktauslöser kann das Ausmaß an relativer Deprivation sein, die eine Gruppe empfindet. Insbesondere kann der Vergleich des Status und den damit verbundenen Ressourcen der eigenen Gruppe mit den Möglichkeiten einer Vergleichsgruppe zu Differenzierungsprozessen führen. Die Forschung zeigt, dass der Mangel, der aus Vergleichen zwischen Gruppen entsteht, deutlicher mit Protesten, Konflikten und Vorurteilen einhergeht, als jener Mangel, der daraus resultiert, dass Personen sich mit anderen Individuen oder Mitgliedern ihrer eigenen Gruppe vergleichen (Zick 1997). Ein Vermittlungsfaktor zwischen sozialer Identität und Konflikten sind Überzeugungs-Inkongruenzen. Wenn Merkmale, Überzeugungen und Interessen der Vergleichsgruppe als unähnlich wahrgenommen werden, dann ist ein sozialer Konflikt wahrscheinlicher (Zick 2002).

2.3.3. Konflikte bei SchülerInnen

Wenn man nun Kinder im speziellen herausnimmt, vor allem solche im Grundschulalter und jünger, könnte man meinen, dass kaum große Anzeichen von Intergruppendiskriminierung zu erkennen sind. Leider zeigen Befunde, dass Kinder ebenso wie Erwachsene zu einer deutlichen Eigengruppenfavorisierung und Fremdgruppenstereotypisierung neigen. Zur näheren Erläuterung hier ein Beispiel: das Geschlecht bei Kindern im Alter von drei Jahren spielt - bei Mädchen sogar schon früher - eine Rolle. Sie zeigen eine ausgeprägte Vorliebe dafür, mit Gleichaltrigen desselben Geschlechts zu spielen (Harkness and Super 1985). Diese so genannte Geschlechtertrennung geht typischer Weise mit Streotypen einher, bei denen das eigene Geschlecht des Kindes viel positiver gesehen wird als das andere.

So ist es nicht verwunderlich, dass es bei Kindern und Jugendlichen in gleicher Weise wie bei Erwachsenen zu Konflikten zwischen Gruppen kommt. Zumeist handelt es sich, im Speziellen bei Konflikten, die sich zwischen Jugendlichen an Schulen ergeben, entweder um verbale Konflikte, wie Beschimpfungen oder hinter dem Rücken schlecht über andere sprechen. Weiters kann es zur sozialen Arsgrenzrng von Schülern durch Ignorieren und „nicht mit machen lassen“ bei Aktivitäten kommen. Objekte können rngleich arfgeteilt werben und damit werden immer dieselben Jugendlichen benachteiligt. Und schließlich können Konflikte auch physisch ausgetragen werden, durch Schlagen oder Treten (Verkuyten, Kinket et al. 1997).

2.3.4. Interetnische Konflikte bei SchülerInnen

Geteilte oder unterschiedliche Gruppenzugehörigkeit kann nicht nur unmittelbarer Anlass aggressiven Verhaltens sein, sondern auch dessen Intensität und Verlauf beeinflussen. So zeigte eine Studie von Otten, Mummendey und Wenzel (1995), dass identische aggressive Verhaltensweisen zwischen zwei Protagonisten als normabweichender und intensiver beurteilt wurden, wenn die Opponenten nicht einfach namentlich (interpersonaler Kontext), sondern als Mitglieder verschiedener Gruppen (intergruppaler Kontext) vorgestellt wurden. Darüber hinaus zeigt eine Studie von Duncan (1976) , dass weiße Befragungsteilnehmer dasselbe aggressive Verhalten als weniger schwerwiegend ansahen, wenn es von einem Akteur mit weißer Hautfarbe im Vergleich zu einem Akteur mit schwarzer Hautfarbe durchgeführt wurde.

Auch wurden ethnische Verzerrungen schon bei Kindern im Alter von sieben Jahren beobachtet. Davey (1983) bat britische Grundschulkinder weißer westindischer oder asiatischer Abstammung, ihrer eigenen Gruppe und anderen ethnischen Gruppen positive und negative Merkmale zuzuordnen. Die stereotypen Ansichten der Kinder zur Eigengruppe waren fast immer positiver als die zu einer der anderen Fremdgruppen, manchmal ordneten sie ihr zweimal so viele positive Merkmale zu wie den anderen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 136 Seiten

Details

Titel
Verbale Provokationen bei Schülern
Untertitel
Ein Experiment zur Einschätzung und zum Verlauf von interpersonalen und intergruppalen Konfliktsituationen
Hochschule
Universität Wien
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
136
Katalognummer
V114410
ISBN (eBook)
9783640145324
ISBN (Buch)
9783640146376
Dateigröße
884 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verbale, Provokationen, Schülern
Arbeit zitieren
Mag. Susanne Schmitt (Autor:in), 2006, Verbale Provokationen bei Schülern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114410

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