Patchworkfamilie

Nicht nur „Flickwerk“ sondern eine neue Chance für die Zukunft


Seminararbeit, 2006

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition

3. Die Zusammensetzung der Patchworkfamilie
3.1. Die Stiefmutterfamilie
3.2. Die Stiefvaterfamilie
3.3. Die zusammengesetzte Familie
3.4. Die Patchworkfamilie mit dem gemeinsamen Nachwuchs

4. Die Entwicklung einer Patchworkfamilie

5. Patchworkfamilie – neue Chance für die Zukunft?

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Patchworkfamilien gab es immer schon, wenn z.B. eine Witwe oder ein Witwer mit Kindern wieder heiratete. Das Phänomen hat jedoch in den letzten Jahren aufgrund der hohen Scheidungsraten besonders in Europa an Bedeutung gewonnen. Da die gesetzliche Regelung bisher noch weitgehend auf die durch Ehe und Abstammung legitimierte Kernfamilie ausgerichtet ist, kann es für die Patchworkfamilie zu diversen rechtlichen, praktischen und persönlichen Schwierigkeiten kommen. (Bien u.a. 2002:10)

Zu Beginn meiner Arbeit befasse ich mich mit dem Begriff Patchwork. Die Familienkonstruktion einer Patchworkfamilie ist keineswegs neu: Stiefmütter, Stiefväter bzw. Stiefgeschwister kommen bereits in den Märchen der Gebrüder Grimm vor.

Im Kapitel 3 beschreibe ich die unterschiedlichen Zusammensetzungen von Patchworkfamilien und die daraus entstehenden Probleme. Ähnlich wie bei der Verknüpfung und Mischung von Organisationen besteht ein großer Unterschied, in welcher Rolle und Position die einzelnen Mitglieder des neu entstehenden Familienverbandes agieren. Bei der Stiefmutterfamilie handelt es sich um die Familienform, die am häufigsten mit Spannungen konfrontiert ist. Die genauen Gründe für diese Probleme werden in Kapitel 3.1 angeführt. Am häufigsten kommt die Stiefvaterfamilie in unserer Gesellschaft vor. Auf ihre Schwierigkeiten gehe ich in Kapitel 3.2 näher ein. Weitere Formen der Patchworkfamilie sind die zusammen-gesetzte Familie und die Patchworkfamilie mit dem gemeinsamen Nachwuchs, die in den Kapiteln 3.3 bzw. 3.4 näher beschrieben werden.

Ein sehr interessanter Prozess ist das Zusammenwachsen einer Patchworkfamilie (Kapitel 4). Dazu gibt es mehrere Untersuchungen. Aus einer Studie des Soziologen Didier le Gall entwickelte die amerikanische Wissenschafterin Papernow ihr Modell der sieben Phasen der Entstehung einer Patchworkfamilie.

Patchworkfamilien werden häufig in unserer Gesellschaft eher negativ als „Notlösung“ oder „Flickwerk“ betrachtet. Sie erhalten rechtlich und gesellschaftlich weniger Anerkennung und Unterstützung als die so genannten „normalen“ Familien. Bei verschiedenen Untersuchungen wurde jedoch festgestellt, dass ein gelungener Prozess aus dem eine funktionierende Patchworkfamilie entsteht, viele positive Fähigkeiten und Eigenschaften bei den betroffenen Erwachsenen und besonders bei den beteiligten Kindern fördert. Auf diese Punkte gehe ich im letzten Kapitel meiner Arbeit ein.

2. Definition

Das Wort Patchwork kommt aus dem englischen Wortschatz und bedeutet Flickenteppich. Ursprünglich war die Herstellung von Patchworkarbeiten eine Technik der Armen. Abgetragene Kleidungsstücke und verschlissene Stoffe werden zerschnitten und die brauchbaren Teile zu einem neuen Stoff zusammengefügt. In den USA entwickelte sich diese Technik zu einer weitverbreiteten Kunstform. In der Familiensoziologie wird dieser Ausdruck für eine neue Familienform verwendet, um zu zeigen, dass etwas Ganzes aus verschiedenen, ursprünglich nicht passenden Teileinheiten entsteht. (Wagner 2003: 90)

Wenn ein Elternteil eine Beziehung mit einem neuen Partner eingeht, wurde dieser früher Stiefmutter oder Stiefvater genannt. In verschiedenen Märchen kommt es vor, dass ein Paar zusammenfindet, von dem jedes Elternteil ein oder mehrere Kinder mit in die Ehe bringt. Diese Stiefgeschwister sind biologisch nicht miteinander verwandt. Sie leben nun mit ihrem leiblichen Elternteil und einem Stiefelternteil in einer neuen Familie zusammen. Ein Beispiel für die „moderne“ Lebensform der Patchworkfamilie ist das Märchen der Gebrüder Grimm „Aschenputtel“. Anschaulich wird in dieser Geschichte dargestellt, dass sich das Zusammenleben der Stiefgeschwister durchaus problematisch gestalten kann. Aschenputtel muss sich mit ihren beiden Stiefschwestern arrangieren, obwohl diese hochmütig und herablassend zu ihr sind. Sie ist für die Schmutzarbeit zuständig und erhält keine Anerkennung oder gar Dankbarkeit von ihrer Stiefmutter. Sie passt sich den Verhältnissen an und macht eine schwierige Entwicklung durch. Belohnt wird sie am Ende des Märchens mit einem Prinzen. (Dassel 2004: 77)

Nur von außen gleichen Patchworkfamilien anderen Familien, die aus leiblichen Eltern und ihren Kindern bestehen. Tatsächlich gehen Stieffamilien aber unter gänzlich anderen Voraussetzungen an den Start. Sie haben ihre eigenen Strukturen und müssen sich mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten auseinandersetzen, die sich von denen anderer Familien grundsätzlich unterscheiden. Vor allem besteht der Unterschied darin, dass sich nichts von selbst versteht. Und eine weitere Besonderheit von Patchworkfamilien ist es, dass jedes Familienmitglied aus einer anderen Position startet. (Unverzagt 2002: 27)

3. Die Zusammensetzung der Patchworkfamilie

Die quantitative Bedeutung der traditionellen Familie nimmt immer mehr ab, neue Lebensformen entstehen, wie z.B. Verbindungen ohne Trauschein oder ohne Kinder; Alleinerziehende, Fortsetzungsfamilien oder Partner desselben Geschlechts; Wochenend-Beziehungen und Lebensabschnittspartner; Leben mit mehreren Haushalten oder zwischen verschiedenen Städten. Es entstehen immer mehr Zwischen- und Nebenformen sowie Vor- bzw. Nachformen der Familie. (Beck-Gernsheim 1998: 20)

Im Lebenslauf des Einzelnen steht immer weniger „von vornherein“ fest. Immer häufiger muss er oder sie neue Anfänge machen, neue Entscheidungen treffen. Wo sich die Individualisierungsdynamik durchsetzt, wird immer mehr Aufwand notwendig, um den Familienalltag der verschiedenen Einzelbiographien zusammenzuhalten. Während man in der Vergangenheit auf vorgegebene Rollen, Regeln und Rituale zurückgreifen konnte, ist heute die Gestaltung des Alltags ein herausfordernder Balanceakt. Der Familienverband wird fragiler und ist häufiger vom Auseinanderbrechen bedroht. Zwar leben Menschen weiterhin in Bindungen, aber diese unterscheiden sich in der Art, dem Umfang, der Dauer und dem Verpflichtungscharakter sehr wesentlich von den Beziehungen der Vergangenheit. (ebd.: 20)

Patchworkfamilien sind ein interessantes Beispiel für die Verknüpfung und Mischung von Organisationen. Sie verbinden zwei verschiedene Familienkulturen zu einem gemeinsamen Haushalt. Das bedeutet auch, dass hier unterschiedliche Werte, Regeln, Routinen, Erwartungen und Alltagsabläufe ausgehandelt und aufeinander abgestimmt werden müssen - vom Taschengeld über Tischmanieren bis zur Auswahl des Fernsehprogramms und Festlegung der Schlafenszeiten.

Manche Kinder wandern besuchsweise zwischen ihren verschiedenen Familien-welten hin und her. Es entstehen komplexe Beziehungsnetze und Querverbindungen zwischen dem sorgeberechtigten „Alltags-Elternteil“ samt neuem Partner und dem nicht-sorgeberechtigten „Wochenend-Elternteil“ mit ebenfalls neuer Familie.

„Fortsetzungsehe“, „Mehreltern-Familien“, „Wahlverwandtschaften“, „Patchwork-familie“ – alles Formulierungsversuche, um diesen neuen Familienformen einen passenden Namen zu geben. Es gibt jedoch ein entscheidendes Merkmal bei all diesen Formen, nämlich dass hier gar nichts mehr eindeutig ist. Wer zu welcher Familie gehört, dafür gibt es keine einheitliche genormte Definition. Jeder der Beteiligten hat seine eigene Ansicht, wer zu seiner, wer zu ihrer Familie gehört: Jeder lebt seine eigene Version einer Patchworkfamilie. (Beck-Gernsheim 1998: 48).

Der Pädagoge Hermann Giesecke fasst Aspekte zusammen, die über alle individuellen Verschiedenheiten hinweg das Gemeinsame der Patchworkfamilie kennzeichnen – jene Eigenheiten, die diese Familienform ausmachen:

- Ein leiblicher Elternteil ist nicht mehr Mitglied der Familie. Er bleibt aber für die Kinder verantwortlich. Der Stiefelternteil kann nicht an die Stelle des leiblichen Elternteils treten. Er muss eine eigene Beziehung zu seinen Stiefkindern aufbauen.
- Mutter und Vater bzw. Stiefmutter und Stiefvater haben zwar die gleichen Rechte und Pflichten, aber die Erziehungskompetenz bleibt beim leiblichen Elternteil allein. Es drohen Beziehungskonfusionen, wenn die Rollentrennung unklar ist, weil die Mutter z.B. dem Stiefvater die Verantwortung über die Erziehung der eigenen Kinder zuschieben will.
- Zweitfamilien beruhen von Anfang an auf einer Ungleichheit. Es gibt einen Kern, zu dem eine weitere Person dazukommt. Alle müssen dieses Ungleichgewicht akzeptieren, um damit sinnvoll umgehen zu können.
- Intimität hat in einer Patchworkfamilie andere Grenzen als in einer leiblichen Familie. In einer Stieffamilie müssen diese Grenzen bewusster und klarer gezogen werden – zwischen Stiefelternteil und Stiefkind genauso wie zwischen den Stiefgeschwistern, da es keine kulturell wirksamen Inzest-Tabus wie in der leiblichen Familie gibt. (Giesecker 1997: 91f.)

[...]

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Details

Titel
Patchworkfamilie
Untertitel
Nicht nur „Flickwerk“ sondern eine neue Chance für die Zukunft
Hochschule
Fachhochschule St. Pölten
Veranstaltung
Familiensoziologie
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V113365
ISBN (eBook)
9783640141661
ISBN (Buch)
9783640142033
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Patchworkfamilie, Familiensoziologie
Arbeit zitieren
Mag. (FH) Elisabeth Pilecky (Autor:in), 2006, Patchworkfamilie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113365

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