Verres als Legat: Der Skandal von Lampsakos (Verr. 2, 1, 63-69)


Seminararbeit, 2008

24 Seiten, Note: 13,00


Leseprobe


Gliederung

Literaturverzeichnis

A. Einleitung

B. Zusammenfassung der vorliegenden Textstelle

C. Inskription der Textstelle

D. Historischer Hintergrund
I. Die Legation
1) Auswahlverfahren
2) Funktion der Legaten
II. Die Stadt Lampsakos
III. Gastfreundschaft im antiken Griechenland
1) Allgemeine Bedeutung
2) Unterkunft und Verpflegung
3) Das Gastmahl
IV. Römisches Gesandtschaftsrecht
1) Inhalt
2) Verres als Gesandter im völkerrechtlichen Sinne?

E. Interpretation der Textstelle
I. Gängige Gerichtspraxis im antiken Rom
II. Krise in Kleinasien
III. Herrschendes Misstrauen gegenüber dem Senatorenstand

F. Literarisches Vorbild

G. Echtheit der Quelle
I. Verres Teilnahme am Gastmahl
II. Rubrius erste Unterkunft
III. Rubrius Frage nach Philodamos Tochter
IV. Der Liktor Cornelius
V. Ciceros Darstellung des Verres
VI. Ciceros Darstellung der Lampsakener

H. Die Geschehnisse von Lampsakos, ein Skandal?

I. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

Im 1. Buch der 2. Rede gegen Gaius Verres stellt Cicero das Leben desselben bis zu seinem Amt als Statthalter Siziliens anhand verschiedener Sachverhalte dar. Dabei referiert er auch eine Begebenheit, die sich in Lampsakos zugetragen haben soll, während Verres Legat des Dolabella war. Um verstehen zu können, weshalb Cicero einen Sachverhalt vorträgt, der mit der eigentlichen Anklage, nämlich der wegen Erpressung, nichts zu tun hatte und weshalb er gerade den „Skandal von Lampsakos“ auswählte, müssen die Hintergründe, die zeitlichen Umstände und die mögliche Absicht Ciceros näher betrachtet werden. Gleichzeitig sollte daran gedacht werden, dass wir die Begebenheit aus Lampsakos lediglich aus Ciceros Darstellung kennen und davon ausgehen müssen, dass er aufgrund seiner Position als Ankläger den Sachverhalt eventuell verzerrte, oder sogar nicht wahrheitsgemäß wiedergab. Zunächst wird unter (B.) der von Cicero vorgetragenen Sachverhalte zusammengefasst wiedergegeben und sodann die Inskription der Quelle vorgenommen (C.). Als geschichtliche Hintergrundinformationen werden innerhalb der Analyse des Textes (D.) die Legation, die Stadt Lampsakos und das damalige System der Gastfreundschaft dargestellt. Darauf basierend dreht es sich unter (E.) um die Frage, weshalb Cicero gerade diesen Sachverhalt in seine Gerichtsrede mit aufnahm, unter (F.) um die Echtheit der Quelle und unter (G.) darum, ob die Geschehnisse von Lampsakos tatsächlich ein Skandal waren. Letztlich schließt wird die Arbeit mit einem resümierenden Fazit (H.) abgeschlossen.

B. Zusammenfassung der vorliegenden Textstelle

Im Folgenden wird zunächst eine knappe Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts der Textstelle Verr. 2, 1, 63 – 69 gegeben. Verres erbat sich von Dolabella eine Reise zu König Nikomedes und zu König Sadala. Auf dem Weg dorthin kam er nach Lampsakos, wo er und seine Begleiter bei verschiedenen Gastgebern untergebracht wurden. Verres wies sogleich seine Begleiter an, Ausschau zu halten, ob es ein Mädchen oder eine Frau gäbe, für die es sich lohnen würde, länger in Lampsakos zu bleiben. Sein getreuer Begleiter Rubrius machte die Tochter des Philodamos, dem angesehensten Bürger der Stadt, ausfindig und berichtete Verres von ihrer Schönheit und Reinheit. Daraufhin war Verres Begierde für sie entfacht und er wollte zu Philodamos umziehen, um ihr näher zu kommen. Allerdings bezog sein Wirt Janitor diesen Wunsch auf seine Bewirtung und Verres konnte ihm keinen triftigen Grund für einen Umzug nennen. Also befahl Verres seinen Begleiter Rubrius bei Philodamos einzuquartieren, da dessen ursprüngliche Unterkunft angeblich nicht anständig genug sei. Philodamos wehrte sich zunächst und brachte hervor, dass er nicht verpflichtet sei, Gefolge aufzunehmen, sondern nur hohe Beamte. Abgesehen davon sei er ohnehin nicht an der Reihe Gäste aufzunehmen. Verres jedoch überging diese Einwände und ließ Rubrius mit Gewalt bei Philodamos unterbringen. Da Philodamos keine Wahl blieb, bemühte er sich dennoch ein guter Gastgeber zu sein und seinen Ruf zu wahren. So ließ er ein großes Gastmahl herrichten zu dem Rubrius einladen durfte, wen er wollte. Dieser verständigte alle Begleiter des Verres, welche derselbe zuvor anwies, die Tochter des Gastgebers zu entführen und zu ihm zu bringen. Zu später Stunde, als alle schon etwas angetrunken waren, bat Rubrius den Philodamos seine Tochter zu ihnen hereinzurufen. Philodamos war darüber entsetzt und erklärte, dass es nicht Sitte sei bei den Griechen, Frauen am Gastmahl teilhaben zu lassen. Die Situation eskalierte. Rubrius und seine Leute sperrten Philodamos und seine Tochter in ihrem eigenen Haus ein und ließen an der Tür eine Wache positionieren. Zuvor schaffte es Philodamos noch einen seiner Sklaven nach seinem Sohn zu schicken, der auswärts gegessen hatte. Sogleich machten sich der Sohn und alle Lampsakener auf den Weg zu Philodamos, um ihm zu helfen, als sie von den Vorgängen erfuhren. Es kam zu einer großen Schlägerei im Hause des Philodamos, bei der Rubrius den Philodamos mit kochendem Wasser übergoss. Zudem wurde ein Amtsdiener des Verres, der Liktor Cornelius, getötet und Rubrius und einige Sklaven verletzt.

C. Inskription der Textstelle

Die vorliegende Textstelle, Verr. 2, 1, 63-69, bildet einen Teil des von Marcus Tullius Cicero verfassten Werkes der Verrinen. Sie gingen aus dem 70 v. Chr. gehaltenen Repetundenverfahren gegen Cn. Verres wegen Erpressung hervor.[1] Verres war 73-71 v. Chr. Statthalter der römischen Provinz Sicilia gewesen, die er während dieser Zeit regelrecht ausbeutete, öffentliche Mittel unterschlug und sich übermäßig bereicherte. Zudem ging er auch gegen angesehene und einflussreiche Provinziale und sogar römische Bürger allzu oft sehr brutal vor.[2] Fast alle sizilischen Gemeinden schickten Gesandte nach Rom und ersuchten vor allem Cicero, dem sie aus Erfahrung vertrauten, die Klage gegen Verres zu übernehmen. Obwohl Cicero grundsätzlich nur als Verteidiger fungieren wollte, konnte er die sizilischen Gesandten mit ihrer Bitte nicht zurückweisen. 75 v. Chr. war er dem Statthalter von Sicilia als Quaestor unterstellt und stand nun in einem Treueverhältnis zu den Siziliern, dass ihn zur Übernahme des Patronats verpflichtete.[3] Die Verrinen erschienen kurz nach dem Prozess und sind uns heute noch vollständig erhalten. Sie sind in die Divinatio in Caecilium und die In Verrem actio I und II unterteilt, wobei die Actio II wiederum aus fünf Büchern besteht. Das besondere an der Actio II ist, dass sie niemals vor Gericht gehalten wurde.[4] Verres flüchtete bereits nach Beendigung der Actio I in die Selbstverbannung nach Massilia, da er die Aussichtslosigkeit seiner Lage erkannt hatte.[5] Die Actio II ist eine fiktive Gerichtsrede, die dem Leser suggeriert, dass das Verfahren ordnungsgemäß in Anwesenheit des Angeklagten zu Ende geführt wurde.[6] Das macht sie zu einem einzigartigen publizistischen Werk, welches in kein übliches Genre eingeordnet werden kann und irgendwo zwischen literarischer und forensischer Rede, die aber letztlich nur eine politische Affäre dokumentiert, anzusiedeln ist.[7] Für Cicero bot der Prozess gegen Verres eine perfekte Gelegenheit seine außerordentliche Redekunst zu beweisen und den damals berühmtesten Redner Roms und Verteidiger des Verres, namentlich Hortensius, zu verdrängen.[8] Als novus homo war er auf solche Möglichkeiten der Eigenwerbung angewiesen, um mithilfe von Bekanntheit und Beliebtheit den cursus honorum weiter aufzusteigen.[9] Demzufolge richtete er sich beim Verfassen der zweiten Rede mehr danach die Leser zu begeistern, als eine möglichst realitätsnahe Gerichtsrede zu konstruieren. Dies spiegelt sich in Länge und Gestaltung des Inhaltes der Verrinen wieder.[10] Das 1. Buch der Actio II schildert das Vorleben des Verres, so auch seine Zeit als Legat des Dolabellas um die es in dieser Arbeit geht. Die Bücher 2 bis 5 behandeln den eigentlichen Anklagestoff, die Missetaten der sizilischen Statthalterschaft. Die vorliegende Textstelle gibt eine Begebenheit aus den Jahren 80 und 79 v. Chr. wieder, als Verres Legat des Cornelius Dolabella, dem Propraetor der Provinz Kilikiens, war und eine Dienstreise zu Nikomedes IV. von Bithynien unternahm.[11]

D. Historischer Hintergrund

I. Die Legation

Der Begriff Legatus stammt von „legare“ und bezeichnet das Entsenden und Entsendet werden.[12] Es fielen im antiken Rom verschiedene Ausformungen unter diesen Begriff: Gesandte im völkerrechtlichen Verkehr Roms, Hilfsgesandte, Mitglieder einer decem legati, legati pro praetore, legati legionis und legati iuridicus.[13] Für diese Arbeit relevant, sind lediglich die zwei ersteren Varianten, wobei zunächst die Position des sog. ständigen Hilfsgesandten näher beleuchtet werden soll. Verres wurde 80 v. Chr. von Dolabella zu seinem Legaten gemacht.[14] Dolabella war der kommandierende Obermagistrat der Provinz Kilikien und führte einen Feldzug gegen die dort ansässigen Seeräuber. Demzufolge ist die Art der Position, die Verres unter Dolabella einnahm, der legatus i.S.v. einem ständigen Hilfsgesandten. Dieser wurde einem außerhalb Italiens tätigen Imperiumsträger mit dessen Billigung vom Senat für die gesamte Amtszeit zur Seite gestellt.[15]

1) Auswahlverfahren

Die Institution der ständigen Hilfsgesandtschaft wurde etwa im 3. Jh. v. Chr. vom Senat eingeführt.[16] Die Kompetenz der Bestellung der legati, d.h. Anzahl und Qualifikation vorzugeben, lag daher auch ursprünglich beim Senat.[17] Darüber hinaus hatte der Senat auch Anspruch auf Auswahl und Ernennung des einzelnen legatus; nach eigenem Ermessen, oder per Losverfahren.[18] Das Verfahren zur Ernennung fand im Senat statt und schloss mit einem Senatsbeschluss ab. Dieser öffentlich-rechtliche Charakter verlieh der Legation eine offizielle Funktion, obwohl sie in der Römischen Republik nicht zu den öffentlichen Ämtern gezählt wurde.[19] Der Senat konnte seine Kompetenzen allerdings auch auf den Magistrat übertragen, so dass dieser vollkommen ungebunden die Legatenstellen nach seinen Wünschen besetzen konnte.[20] Nur ausnahmsweise suchte der Senat selbst aus; z.B. weil einem Feldherrn, der in einer Gegend Krieg führte, die einer bestimmten Persönlichkeit vertraut war, ein legatus zugeordnet werden sollte.[21] Aber selbst, wenn der Senat die Auswahl traf, folgte er doch zumeist aus Kollegialität den Vorschlägen der betroffenen Imperiumsträger. Es war sogar möglich, dass sich Privatpersonen zur Wahl als legatus selbst anboten.[22] Der Senat verlor faktisch gesehen somit seine umfassende Kompetenz aus eigenem Antrieb heraus.[23] So fanden auch Verres und Dolabella zusammen. Verres begehrte die Stellung als legatus in Kleinasien, da er dort seinem Interesse an Kunstschätzen nachkommen konnte.[24] Und Dolabella dürfte sich seinen Legaten selbst auswählen.[25]

[...]


[1] Vasaly, Cicero’s early speeches, S. 87.

[2] Vasaly, Cicero’s early speeches, S. 87; Christol/ Drew-Bear, Asia, DNP 2, sp. 79.

[3] Gelzer, Cicero, S. 37 f.

[4] Vasaly, Cicero’s early speeches, S. 90; Gelzer, Cicero, DNP 2, sp. 1196.

[5] Vasaly, Cicero’s early speeches, S. 90.

[6] Vasaly, Cicero’s early speeches, S. 90.

[7] Vasaly, Cicero.’s early speeches, S. 91.

[8] Gelzer, Cicero, S. 37.

[9] Vasaly, Cicero’s early speeches, S. 91; Gelzer, Cicero, DNP 2, sp. 1195.

[10] Vasaly, Cicero’s early speeches, S. 91, 93.

[11] Habermehl, C. Verres, RE VIII, A 2, sp. 1564, 1566.

[12] Mommsen, Röm. Staatsrecht II, Rn. 657.

[13] Kehne, Legatus, DNP 7, sp. 5 und 6.

[14] Habermehl, C. Verres, RE VIII, A 2, sp. 1564.

[15] Kehne, Legatus, DNP 7, sp. 6.

[16] Schleussner, Legaten, S. 117f.

[17] Schleussner, Legaten, S. 172 f; Mommsen, Röm. Staatsrecht II, Rn. 677.

[18] Schleussner, Legaten, S. 174.

[19] Schleussner, Legaten, S. 172; Mommsen, Röm. Staatsrecht II, Rn. 676.

[20] Schleussner, Legaten, S. 175; Mommsen, Röm. Staatsrecht II, Rn. 678 f.

[21] Kunkel/Wittmann, Magistratur, S. 301; Schleussner, Legaten, S. 176 f; Mommsen, Röm. Staatsrecht II, S. 679.

[22] Schleussner, Legaten, S. 174; Richardson, Administration; Schulz, Herrschaft und Regierung, S. 165; Mommsen, Röm. Staatsrecht II, Rn. 678.

[23] Schleussner, Legaten, S. 176, 178, 179; Mommsen, Röm. Staatsrecht II, Rn. 679.

[24] Verr. 2, 1, 44; Verr. 2, 1, 60.

[25] Verr. 2, 1, 42.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Verres als Legat: Der Skandal von Lampsakos (Verr. 2, 1, 63-69)
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Die Reden Ciceros gegen Verres
Note
13,00
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V113220
ISBN (eBook)
9783640136674
ISBN (Buch)
9783640137022
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verres, Legat, Skandal, Lampsakos, Reden, Ciceros, Verres, Cicero, Rechtsgeschichte, Legation, Gastfreundschaft, Gerichtsreden, Römisches Recht
Arbeit zitieren
Corinna Holz (Autor:in), 2008, Verres als Legat: Der Skandal von Lampsakos (Verr. 2, 1, 63-69), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113220

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