American Jezebel - Eine Biographie Anne Hutchinsons

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Leben in England

3. Hutchinson in Massachusetts

4. Der Prozess gegen Anne Hutchinson
4. 1. Der Wendepunkt der Verhandlung
4. 2. Urteil und Arrest
4. 3. War das Urteil gerechtfertigt?

5. Verbannung und Tod

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Vorwort

Als Anne Hutchinson im November 1637 vor Gericht stand, war sie 46 Jahre alt. Sie hatte 15 Kinder geboren und war schwanger mit dem sechzehnten. Während ihrer Verhandlung, die zu ihrer Verbannung aus der Kolonie führen würde, erwies sich Hutchinson als überaus intelligent, ihren Anklägern bei Weitem überlegen. Das Leben dieser ungewöhnlichen Frau ist Thema dieser Arbeit.

Dabei werde ich mich vor allem auf eine 2004 erschienene Biographie beziehen, verfasst von einer Urenkelin Hutchinsons in elfter Generation. Eve La Plante schuf mit „ American Jezebel. The Uncommon Life of Anne Hutchinson “ eine detaillierte Darstellung des Lebens und Werks ihrer Vorfahrin, ohne diese zu verdammen oder zu rechtfertigen. La Plante beschreibt lebhaft das puritanischen Leben des 17. Jahrhunderts, das Leben einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war.

Einen großen Teil meiner Arbeit wird Hutchinsons Verhandlung im November 1637 einnehmen, einen weiteren Teil eine Frage, mit der sich schon viele Historiker eingehend befasst haben. Warum hat Anne Hutchinson ihre kluge Verteidigung aufgegeben, nachdem sie sich ihren Gegnern den größten Teil der Verhandlung als überlegen erwiesen hatte? Warum lieferte sie ihren Anklägern scheinbar freiwillig den Beweis für ihre Schuld?

2. Leben in England

Anne Marbury wurde am 17. Juli 1591 in dem kleinen Ort Alford in Lincolnshire, England geboren. Der Geburtsname ihrer Mutter lautete Bridget Dryden, ihr Vater war der Reverend Francis Marbury. Annes Vater wurde kurz vor ihrer Geburt verhaftet und unter Hausarrest gestellt, da er öffentlich die Meinung vertrat, einige Geistliche der Kirche von England seien nicht kompetent genug. So war Marbury in den ersten drei Lebensjahren Annes zu Hause und unterrichtet seine Töchter – Anne und ihre drei Jahre ältere Schwester Mary. Anne begann bereits als kleines Mädchen, sich für Religion zu interessieren.

1594 bekam Marbury seine Lizenz zu predigen zurück und 1605 wurde er Pastor der Gemeinde Saint Martin in the Vintry, woraufhin die Familie nach London zog. 1611 starb Annes Vater. Ein Jahr später heiratete sie Will Hutchinson, den sie bereits seit ihrer Kindheit kannte und kehrte mit ihm in ihren Geburtsort zurück. Will arbeitete als Kaufmann, Anne als Hebamme und Heilerin. Im Abstand von ungefähr anderthalb Jahren gebar Anne 15 Kinder. Zwei ihrer Töchter fielen 1630 der Pest zum Opfer.

Die Hutchinsons waren Anhänger des Pastors John Cotton, dessen Predigten sie regelmäßig besuchten. Außerdem freundete sich Anne mit dem Pastor John Wheelwright an, der die jüngste Schwester ihres Mannes, Mary Hutchinson, heiratete. Von Cotton inspiriert begann Anne in ihrem Haus in Alford kleine Versammlungen abzuhalten. Gemeinsam mit anderen Frauen diskutierte sie die Bibel.

3. Hutchinson in Massachusetts

1634 begab sich die Familie Hutchinson nach Amerika, wo Anne erneut auf ihren Mentor John Cotton traf. 1635 begann sie, Treffen im kleineren Kreis abzuhalten, in der Predigten und Bibelstellen diskutiert wurden. Aus diesen wöchentlichen Zusammenkünften für Frauen wurden innerhalb eines Jahres Versammlungen, an denen bis zu 80 Männer und Frauen teilnahmen.

Hutchinson begann bald, ihre eigenen Ansichten zu predigen und die Geistlichen Bostons– mit Ausnahme ihres Mentors John Cotton und ihres Schwagers John Wheelwright – zu kritisieren, sehr zum Missfallen der Bostoner Obrigkeit.

Zwischen 1636 und 1637 ereichte der Widerstand der Frauen um Hutchinson ihren Höhepunkt. Es ging sogar soweit, dass Anne eine Predigt des Pastors John Wilson verließ und andere Frauen ihr folgten. Hutchinsons Einfluss auf diese Frauen – sowie auf immer mehr Männer – stellte die Geistlichen vor ein Problem. Anne stellte Predigten in Frage und interpretierte das Wort Gottes auf ihre Weise.

Die Kritik der Geistlichen würde der schwerwiegendste Anklagepunkt in ihrer Verhandlung 1937 sein. Wie der Pastor Hugh Peters später vor Gericht aussagen würde, hatte sie auf seine Frage nach dem Unterschied zwischen John Cotton und den anderen Geistlichen geantwortet:

„ He [Cotton] preaches the covenant of grace and you the covenant of works, and that you are not able ministers of the New Testament and know no more than the apostles did before the resurrection of Christ.”¹

Sie beschuldigte also die Pastoren – die nicht wie Cotton die Wiedergeburt durch Gottes Gnaden, sondern eine Wiedergeburt abhängig von einem tugendhaften Leben, predigten – keine qualifizierten Geistlichen des Neuen Testaments zu sein.

Laut dem Historiker Lyle Koehler² hatte die Frage, ob gute Taten – also die Bemühungen des Einzelnen – oder die Gnade Gottes zur Erlösung führten, die Puritaner schon seit ihrer Entstehung beschäftigt. In Neuengland hatte man sich für einen Mittelweg zwischen diesen beiden Theorien entschieden. Doch Anne Hutchinson schien nun zu predigen, dass es alleine auf die Gnade Gottes ankäme.

Vier Tage vor Hutchinsons Verhandlung war ihr Schwager John Wheelwright verbannt worden. Und nun war sie angeklagt

4. Der Prozess gegen Anne Hutchinson

“Mrs. Hutchinson, you are called here as one of those that have troubled the pea ce of the commonwealth and the churches here; you are known to be a woman that hath had a great share in the promoting and divulging of those opinions that are the cause of this trouble, and to be nearly joined not only in affinity and affection with some of those the court had taken notice of and passed censure upon, but you have spoken divers things, as we have been informed, very prejudicial to the honor of the churches and ministers thereof, and you have maintained a meeting and an assembly in your house that hath been condemned by the general assembly as a thing not tolerable nor comely in the sight of God nor fitting for your sex, and notwithstanding that was cried down you have continued the same.”*

Mit diesen Worten eröffnete Gouverneur John Winthrop im November 1637 die Verhandlung gegen Anne Hutchinson. Ihr wurde vorgeworfen, den Frieden der Gemeinschaft gestört, fehlerhafte Auffassungen vertreten und geistliche Würdenträger abgewertet zu haben. Ferner wurde sie beschuldigt, illegale Treffen abgehalten zu haben. Neben Winthrop waren weitere 47 Männer gegenwärtig: Der stellvertretende Gouverneur Thomas Dudley, sieben Assistenten, 31 Abgeordnete und schließlich acht Geistliche, die nicht als Richter sondern als Zeugen anwesend waren.

Die Verhandlung gegen Hutchinson basierte darauf, dass sie das Gesetz Gottes missachtet hatte. Anne machte es Gouverneur Winthrop jedoch nicht einfach. Auf seine Fragen antwortete sie meist mit Gegenfragen. Seine Anschuldigungen wusste sie abzuwehren. Er warf ihr vor, etwas mit der Petition gegen die Verurteilung ihres Schwagers Wheelwright zu tun gehabt zu haben, doch Anne hatte immer darauf geachtet, sich nicht öffentlich zu äußern. Die Petition hatte sie nicht unterschrieben, wohl auch, weil die Stimme einer Frau nicht ausschlaggebend gewesen wäre.

[...]

¹ Zitate aus der Gerichtsverhandlung stammen aus La Plante (2004)

² Lyle Koehler. “http://www.jstor.org.proxy.ub.uni-frankfurt.de/view/00435597/di957223/95p0402g/0?currentResult=00435597%2bdi957223%2b95p0402g%2b0%2c7F56BD01&searchUrl=http%3A%2F%2Fwww.jstor.org%2Fsearch%2FBasicResults%3Fhp%3D25%26si%3D1%26gw%3Djtx%26jtxsi%3D1%26jcpsi%3D1%26artsi%3D1%26Query%3D%2522anne%2Bhutchinson%2522%26wc%3Don"> The Case of the American Jezebels: Anne Hutchinson and Female Agitation during the Years of Antinomian Turmoil, 1636-1640 ”, http://www.jstor.org.proxy.ub.uni-frankfurt.de/browse/00435597"> The William and Mary Quarterly 31:1; S. 55-78