Virtuell interaktive Architekturdarstellung - VIA

Programm für die Darstellung zeitlicher und abstrakter Architekturinhalte


Diplomarbeit, 2007

65 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Vorwort
1.2 Ziel

2 Analyse bisheriger Darstellungsformen in der Architektur
2.1 Bild und Plan
2.2 Modell
2.3 Animation
2.4 Auswertung

3 Beispiele für interaktive Präsentationen
3.1 Produktvisualisierungen
3.1.1 Uhr „Breitling Windrider Headwind“
3.1.2 Boat Visualisation
3.1.3 Cycore Concept Car
3.1.4 Auswertung
3.2 Architekturvisualisierung
3.2.1 Tetravol
3.2.2 Uani Apartmentvisualisierung
3.2.3 München4D
3.2.4 DisasterConfigurator
3.2.5 Digital Campus Library of Tongji University
3.2.6 Auswertung
3.3 Arbeiten von Studenten der Bauhaus-Universität Weimar
3.3.1 Semesterentwurf „Landhaus in Backstein“ Bauhaus Universität Weimar
3.3.2 Arbeiten für das Seminar „1:1“ Bauhaus Universität Weimar
3.4 Auswertung
3.5 Verwendete Programme

4 Konzept der Software
4.1 Thesen und Prämissen
4.2 Zielgruppe
4.3 Neue Inhalte, die Interaktion und die Sprache
4.4 Gliederung
4.5 Technische Details
4.6 Beispiele

5 Umsetzung
5.1 Technik
5.2 Programmoberfläche
5.2.1 Navigationselemente
5.2.2 Aktionselemente
5.2.3 Kontextmenüs
5.2.4 Tastatureingaben und Mausbefehle
5.2.5 zentraler Darstellungsbereich
5.3 Darstellen von Prozessen
5.3.1 Verschattung
5.3.2 Belüftung
5.3.3 Bewuchs
5.3.4 Wasser
5.3.5 Feuer
5.3.6 Personen und Personenströme
5.4 Darstellung abstrakter Entwurfsinhalte
5.4.1 Konstruktionsschnitt
5.4.2 Veränderliche Darstellung
5.4.3 Städtebau und Fluchtlinien
5.4.4 Funktionsvolumina
5.4.5 Raumvolumina
5.4.6 Umgebungsbezüge
5.4.7 Flussschnitte
5.5 Variable Gebäudebestandteile
5.5.1 Materialwechsel
5.5.2 Bauteilwechsel
5.5.3 Kosten
5.6 Ergebnisse

6 Zusammenfassung

7 Ausblick

8 Anhang
8.1 Glossar
8.2 Literatur
8.3 Internetseiten
8.4 Abbildungen

Einleitung

1.1 Vorwort

Die fortschreitende technische Entwicklung hat zu immer neuen Methoden in der Planung und Bearbeitung von Architektur geführt. Lediglich die Visualisierungen von Planungsvorhaben verlassen sich auf die altbekannten Mittel von 2D-Darstellungen. Verschiedene Architekturbüros benutzen für besondere Projekte auch die Möglichkeit, ihre Projekte mittels animierter Kurzfilme zu präsentieren. Obwohl mittlerweile die Möglichkeit besteht, Planungsvorhaben noch vor ihrer Ausführung interaktiv erfahrbar zu machen, wird sie momentan noch recht zögerlich genutzt. Angesichts des hohen Konkurrenzdruckes zwischen den einzelnen Planern ist es offensichtlich, wie wichtig das Ergreifen neuer Möglichkeiten in den Bereichen Kundenakquise und Wettbewerbsprojekten ist. Darüber hinaus ergibt sich durch die Interaktion die einmalige Chance, architekturspezifische Inhalte an den späteren Kunden verständlicher weiterzureichen, als es bisher möglich gewesen ist.

Mit dieser Arbeit werden anhand prototypischer Umsetzungen der Nutzen, die Potentiale, aber auch eventuell vorhandene Gefahren solcher Techniken für Architekten untersucht und dokumentiert. Der Schwerpunkt wird hier bewusst auf den Mehrwert einer interaktiven Visualisierung gegenüber herkömmlichen Darstellungen gelegt. Insbesondere für den Laien nicht sofort offensichtliche planerische Details können auf diese Weise Einzug in die Kommunikation zwischen Architekten und Nutzern halten. Die Interaktivität schließlich bietet darüber hinaus die einmalige Möglichkeit des bewussten, fast spielerischen Umgangs mit in Planung begriffenen Objekten und bietet somit ein deutlich vergrößertes Verständnis der Nutzer in Projekte, sowie einen Einblick in die Notwendigkeiten von planerischen Details und technischen Raffinessen.

1.2 Ziel

Anhand einer prototypischen Umsetzung soll untersucht werden, inwiefern es mit Hilfe von Echtzeit-3D-Umgebungen möglich ist, der Architekturvisualisierung neue Inhalte und eine neue Tiefe zu geben.

Dazu werden zunächst die bisherigen Formen der analogen und digitalen Architekturdarstellung bewertend untersucht. Ferner werden aktuelle Beispiele aus dem Bereich der interaktiven Produktvisualisierung untersucht und mit bereits vorhandenen Beispielen aus der Architekturvisualisierung verglichen. Basierend auf diesen Ergebnissen wird ein Konzept für eine Software entwickelt, welche die Möglichkeiten neuester 3D-Technologie in Inhalte für die Architekturvisualisierung umsetzt.

Schließlich wird auf Basis dieses Konzepts prototypenhaft eine Software umgesetzt, die mit Hilfe mehrerer ausgewählter Entwurfsbeispiele verschiedene neue Möglichkeiten und Inhalte der Architekturpräsentation illustriert.

Als Grundlage für die Umsetzung dient neben Programmen zur 3D-Visualisierung, wie 3D-Studio Max die 3D-Echtzeitengine und objektorientierte Programmierumgebung von Quest-3D der Firma Act-3D.

Abschließend wird anhand dieses Beispiels der Nutzen der Echtzeit 3D-Technologie für die Architekturpräsentation kritisch diskutiert.

2 Analyse bisheriger Darstellungsformen in der Architektur

Architektur kann in vielerlei verschiedenen Formen dargestellt werden.

Die wahrscheinlich naheliegendste ist es natürlich, sie zu bauen.

In dieser Arbeit geht es aber um Darstellungsformen, für die das gebaute Objekt nicht Grundlage der Darstellung sein muss. Darum wird hier die gebaute Architektur, Architekturfotografie und Architekturbeschreibung von vorneherein ausgeklammert.

Wie die Architektur selbst ist auch deren Darstellung ein sehr vielschichtiges Thema, das sicher andernorts sehr viel ausführlicher behandelt wird, als es in diesem Rahmen möglich sein kann. Grundsätzlich beschränkt sich diese Arbeit auf eine Unterteilung in drei Kategorien, die hier und im weiteren als Bild, Modell und Animation bezeichnet werden, um darauf aufbauend die wesentlichen Vor- und Nachteile jeder Form zu umreißen.

2.1 Bild und Plan

Erste Darstellungen von Gebäuden sind sicherlich so alt wie das Bauen selbst. Künstlerische Abbildungen von Tempeln, Palästen, Wohnhäusern und ähnliches sind aus fast allen antiken Hochkulturen bekannt. Diese Bildnisse, von denen manche praktische Bedeutung und andere dekorativen oder religiösen Charakter hatten, beschränkten sich zunächst auf zweidimensionale Darstellungen der gebauten Substanz.

Etwa ab Mitte des 5. Jahrhunderts wurde Malerei in griechischen Theatern zum Vortäuschen räumlicher Situationen benutzt, ohne dass jedoch die Gesetzmäßigkeiten der Perspektive bekannt waren.

Mit welchen Mitteln zweidimensionaler Darstellung in der Antike bereits gearbeitet wurde beschreibt der römische Ingenieur Vitruvius im ältesten bekannten Werk über die Baukunst wie folgt:

„Die Formen der Dispositio, ..., sind folgende: Ichnographia, Ortographia, Scaenographia. Ichnographia ist der unter Verwendung von Lineal und Zirkel in verkleinertem Maßstab ausgeführte Grundriß, aus dem (später) die Umrisse der Gebäudeteile auf dem Baugelände genommen werden. Ortographia aber, ist das aufrechte Bild der Vorderansicht und eine den Maßstäben des zukünftigen Bauwerks entsprechende gezeichnete Darstellung in verkleinertem Maßstab. Scaenographia ferner ist die perspektivische (illusionistische) Wiedergabe der Fassade und der zurücktretenden Seiten und die Entsprechung sämtlicher Linien auf einen Kreismittelpunkt.)“.[1]

Wobei es sich beim letzteren um eine Frontansicht mit abgehenden Seiten handelt, deren Kanten auf einen Fluchtpunkt zulaufen. Aus dem Mittelalter ist wenig überliefert, allerdings schien man sich auf nicht-perspektivische Darstellungen zu beschränken. Pläne wurden damals wie heute aber auch diagrammartig verwendet, um z.B. Funktionsräume zu erläutern. Ein bekanntes Beispiel aus der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts (825-30) ist der Klosterplan von St. Gallen.

Erst im 14. Jahrhundert wurde Vitruvius von den Gelehrten wiederentdeckt und diente in Folge zahlreichen weiterführenden Schriften über Architekturabbildungen und Perspektiven als Vorlage. Im Italien des 15. Jahrhunderts wurden als Folge die Regeln der Perspektive erkannt, von Künstlern und Baumeistern niedergeschrieben und genutzt. Genannt sei hier zum Beispiel das Werk „De Pictura“ von Leon Battista Alberti.

Diese Darstellungstechniken wurden vom Maler Albrecht Dürer nach seiner Italienreise im Jahre 1505 in Deutschland eingeführt.

Schließlich, nach der Definition der optischen Gesetzmäßigkeiten durch Isaac Newton, übernahm man diese in die Darstellung und schloss damit die Entwicklung der Perspektivtechniken weitestgehend ab.

[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]Die Einführung des Computers in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderte an den Darstellungstechniken zweidimensionaler Architekturzeichnungen nichts, vereinfachte aber viele Arbeitsvorgänge. Die Vorteile der zweidimensionalen Darstellung liegen auf der Hand. Sie ist, je nach dem Medium, leicht zu transportieren und zu lagern, einfach und mit geringen Hilfsmitteln anzufertigen und zu kopieren. Der Detailgrad kann je nach Bedarf variiert werden und dient oftmals der Kommunikation zwischen Architekt und Bauherren.

Nachteile bestehen darin, dass zweidimensionale Pläne meist einen hohen Abstraktionsgrad aufweisen und für die komplette Darstellung eines Gebäudes immer eine ganze Reihe von ihnen nötig ist. Um die dritte Dimension zu ergänzen, benötigt man wiederum einen Satz von Plänen, da einzelne Perspektiven nur Ausschnitte darstellen können und somit für ein Gesamtverständnis nicht ausreichen. Daher werden verschiedene Darstellungsformen kombiniert. (siehe Vitruvius) Das erhöht den Aufwand und schließt Missverständnisse viel zu oft nicht aus. Denn es bedarf einer hohen Vorstellungsgabe, um zweidimensionale Pläne in dreidimensionale gedankliche Bilder umzusetzen. Perspektiven, Farb-, Licht- und Stimmungssituation sind nur schwer ohne technische Hilfsmittel umzusetzen, sind statisch und stellen somit immer nur einen vorher festgelegten Ausschnitt eines Objektes dar. Das mag für einige Entwürfe zwar sinnvoll sein, ist deswegen aber hier durchaus nicht als Vorteil anzusehen. Darüber hinaus bedeuten pseudodreidimensionale Abbildungen immer einen Verlust an Genauigkeiten, Maß- oder Winkelkorrektheit.

Im Wesentlichen hat sich an den Anforderungen der zweidimensionalen Pläne seit Vitruvius oder davor nichts geändert. Die wichtigsten Pläne sind nach wie vor Grund- und Aufrisse (Ansichten) und ergänzend Perspektiven. Neu dazu gekommen sind lediglich Schnitte und eine Vielzahl von Variationen der vorher genannten Formen. Ausschließlich über eine Form des Planes lässt sich kaum eine Aussage über ein Bauwerk treffen.[2] Erst durch mehrere Pläne wird ein Konzept verständlich. Bei besonders komplizierten Bauwerken geht man sogar noch weiter und kombiniert verschiedene Formen zu einer einzigen Mischform. Man macht damit Zusammenhänge deutlicher, erhöht aber auch die Informationsdichte, was den Plan unter Umständen überlädt und wiederum zu Unverständnis führt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Modell

Der Begriff „Modell“ hat viele, auch übertragene, Bedeutungen und stammt etymologisch von „modulo“, einem durch Vitruvius bekannten Wort für einen Maßstab in der Architektur. In diesem Text geht es im Wesentlichen um das Architekturmodell, eine von vielen Bedeutungsformen, die sich im Italien der Renaissance geprägt haben. Dennoch sind physische Modelle viel älter, sicherlich genauso alt wie bildliche Darstellungen. Als erster erwähnte Herodot etwa 450 v. Chr. die Verwendung von Modellen in der Architektur. So wurden für große Bauvorhaben, wie etwa das Erechtheion auf der Athener Akropolis, nachweislich Teilmodelle aus Wachs verwendet. Oftmals treten in der Geschichte Modelle als Dekoration auf Grabplatten oder als anschauliches Beweisstück von Kriegsbeute in Triumphzügen auf.

Aus dem Mittelalter ist auch über Modelle wenig erhalten geblieben. Eines der wenigen Beispiele ist die Klosterkirche Saint-Germaine in Auxerre, für welche die Verwendung von Wachsmodellen im Baubetrieb bekannt ist. Am Ende des Hochmittelalters mit Beginn der Renaissance wurden Modelle realistischer und ihre Verwendung ist häufiger überliefert.

So wurde zum Beispiel der Entwurf des Domes von Florenz, Santa Maria del Fiore von Arnolfo di Cambio aus dem Jahre 1294, nach seinem Tode so oft geändert, dass man sich erst 1368 auf eine Variante einigte, ein Ziegelmodell im Maßstab 1:10 errichtete und dieses als verbindlich erklärte. Da die Kuppel aber technisch nicht realisierbar war, wurden dann später unter Brunelleschi weitere Modelle der Konstruktion aus Holz angefertigt.[3]

Wie wichtig das Arbeiten mit Modellen schon in vormoderner Zeit war, erfährt man von Alberti: "Die Modelle sollen aber so ausgeführt sein, dass man die Lage der Gegend, den Umfang der Grundfläche und Zahl und Anordnung der Teile, die Ansicht der Wände, die Stärke der Decken und schließlich die Art und Durchbildung alles dessen, was ich im vorigen Buche (1. Buch) behandelt habe, aufs deutliche ersehen und betrachten kann. Hier kann man auch ungestraft vergrößern, verkleinern, ändern, erneuern und gänzlich umgestalten, bis alles ordentlich zusammenstimmt und Beifall findet. Dazu kommt, dass man Art und Höhe der Kosten, was man nicht im geringsten vernachlässigen soll, genauer bestimmen kann ... .“[4]

Auch heute noch werden Modelle für Arbeiten an Konzepten gefertigt.

Mit der Einführung der Massenproduktion wurde für Architekturpräsentationen ein neuer Modelltyp geschaffen: Das Musterhaus. Dabei handelt es sich um ein im Maßstab 1:1 gebautes Gebäude, das allerdings deshalb meist nur Modell ist, da es, statt bewohnt zu wurden, lediglich als Muster für alle noch zu folgenden Häuser gleichen Typs erstellt wurde. Es nimmt dem zukünftigen Hausbesitzer praktisch die gesamte notwendige Vorstellungsarbeit ab.

Der große Vorteil aller verkleinerten Architekturmodelle ist nicht, wie vielfach behauptet, seine haptische Präsenz. Zwar kann man die Form und die Proportionen auf diese Weise erfahren, vorrausgesetzt man hat die Möglichkeit und Erlaubnis ein Modell vollständig abzutasten, aber Größe, Abstraktionsgrad und die in den seltensten Fällen authentischen Materialien lassen eine solche haptische Erfahrung äußerst fragwürdig erscheinen. Der große Vorteil eines gebauten Modells ist seine physische Präsenz als dreidimensionales Objekt, welche es erlaubt, das Modell aus jeder Lage zu betrachten, es zu drehen, es bewusst ins Verhältnis zu uns bekannten Kenngrößen und Körpern zu stellen, Licht und Schatten auf ihm und seine Tiefe an ihm bewusst wahrzunehmen. All das macht es natürlich einfacher, den Entwurf fachlich zu überarbeiten und Inhalte zu diskutieren. Der Abstraktionsgrad ist meist niedriger als bei Zeichnungen und das Verständnis fällt somit leichter. Außerdem ergibt sich hier die Möglichkeit, physisch zu manipulieren und Veränderungen vorzunehmen. Schließlich ist man mit einem physischen Modell in der Lage, großmaßstäbliche Zusammenhänge räumlich zu betrachten. Das führt bis zu physischen Modellen von abstrakten Inhalten, etwa Negativmodellen, die Räume ausfüllen, statt sie zu umschließen oder Baumassenmodellen, die nichts außer ihrer Masse im Verhältnis zu andern Massen darstellen.

Als Nachteil muss man zunächst einmal den Aufwand bezeichnen, Modelle überhaupt zu erstellen. Sie sind meist schwerer anzufertigen als Zeichnungen und haben neben dem Arbeits- auch einen höheren Materialaufwand.

Sehr spezifische Inhalte bzw. Details sind nicht, oder nur in größerem Maßstab, darstellbar, und Schnitte durch Ebenen und Bauteile haben nicht den gleichen Informationsgehalt, wenn sie denn technisch überhaupt realisierbar sind. Ferner täuschen Modelle durch die gewählten Materialien oft über reale Zusammenhänge hinweg. So wirkt ein Modell aus Lärchenholz, allein aufgrund des Materials, völlig anders als das dazugehörige Gebäude aus Sichtbeton.

Schließlich sind sie schlechter zu transportieren, zu lagern und zu entsorgen als Pläne.

2.3 Animation

Der Begriff für diese dritte Form der Darstellung mag, gerade für die Architektur, etwas irreführend sein, da es sich in diesem Bereich zumeist um nicht um lebende oder zu belebende Objekte handelt, er wird hier aber als Fachbegriff beibehalten.

Um Missverständnisse auszuschließen, sei gesagt, dass hie davon ausgegangen wird das der größere Teil der computergestützten Architekturdarstellung momentan noch den Bildern zuzurechnen ist. Zwar hat der Entwerfende bzw. Bauzeichner nicht selten ein computergeneriertes, dreidimensionales Objekt gebaut und es auch während der Erstellung als animiertes Objekt vor Augen, aber meist ist das nur ein Zwischenschritt zum Erstellen von sonst recht schwierigen Perspektiven, Licht und Farbsimulationen, die dann auf Papier gedruckt wiederum nur zweidimensional erscheinen.

Es ist nicht ganz falsch, schon frühe Formen, etwa die bereits oben erwähnte Form der Architekturmalerei in griechischen Theatern, durchaus animiert zu nennen, da in Theatern nicht selten ein variables Bühnenbild besteht, welches veränderlich sein kann, um den verschiedenen Bedürfnissen und thematischen Entwicklungen in den Stücken gerecht zu werden. Die erste auf einer Abfolge von vielen einzelnen, hintereinander abgespielten Bildern bestehende Animation stellte die sogenannte Laterna Magica dar, die nur bewegliche Motive hatte, was Häuser ausschloss.

Erst mit der Einführung des Films am Ende des 19. Jahrhunderts durch Edisons Kinetoscop tauchten schon aus dramaturgischer Notwendigkeit Gebäude in Filmproduktionen auf, die jedoch selten das Gebäude selbst zum Kern hatten. Wobei interessanterweise ein Modell häufig in Filmen verwendet wird, z.B. um nicht mehr oder noch nicht vorhandene Situationen oder große Katastrophen zu visualisieren. Das geht soweit, dass heute bereits der Begriff Filmarchitektur für Bauten gängig ist, die nur für Filme konstruiert wurden.[5]

Die erste computergenerierte Animation 1951 bestand lediglich aus einem springenden Punkt, seither hat sich die Computergrafik rasant entwickelt. Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts gab es das erste computergestützte Zeichenprogramm, in der Mitte der nächsten Dekade bereits dreidimensionale CAD-Programme. Aus dem gleichen Zeitabschnitt stammen auch die ersten computeranimierten Trickfilme. All diese Entwicklungen führten schließlich dazu, dass Computer es heute ermöglichen, bewegte Bilder auch von Gebäuden zu erstellen, die weder real, noch als (physisches) Modell gebaut sein müssen. Das erstellte virtuelle Modell eines Gebäudes wird Bild für Bild gerendert, das heißt von einer virtuellen 3D-Umgebung auf eine 2D-Ansicht umgesetzt. Hier zeigt sich ein Widerspruch ganz deutlich: Obwohl das Objekt als dreidimensionales Computermodell vorhanden ist, wird der Umweg über ein zweidimensionales Bild genommen, um am Ende ein bewegtes zweidimensionales Bild zu erhalten, das nicht selten animiert ist, damit eine Dreidimensionalität vorgetäuscht wird. Was also hat die Animation anderen Darstellungsformen voraus? Sie führt den Faktor Zeit in die Architekturdarstellung ein. Das erscheint für ein unbewegliches Objekt zunächst sinnlos. Bei genauerem Hinsehen bietet es jedoch den Vorteil, auch am Gebäude vorkommende dynamische Sachverhalte darzustellen. Momentan wird es aber meist nur für eine scheinbare Bewegung in und um das Objekt benutzt. Es kann zwar wie beim Modell mehr, als die statisch festgelegten Perspektive des zweidimensionalen Planes erlebt werden, bietet aber nicht die gleichen Freiheiten, da die Animation nur eine festgelegte Abfolge von Bildern ist. Allerdings lassen sich Licht und Schatten mittlerweile besser visualisieren als bei Modellen und Plänen, da sich Modelle aufgrund ihrer Größe lichttechnisch nicht real verhalten können und Pläne etwa Tagesverläufe nur schlecht darstellen lassen. Ferner lassen sich, wie beim Plan, in der Animation Farbe und Material zumindest visuell wahrnehmbar machen. Doch bedarf es für eine solche Darstellung immer eines Mediums (Computer/ Beamer/ Bildschirm). Man kann solche Präsentationen mittels E-Mail oder Speichermedien relativ leicht transportieren, das setzt allerdings voraus, dass der Empfänger ein Gerät besitzt, mit der diese sich anzeigen lassen. Auch der Arbeitsaufwand gegenüber andern Darstellungsformen ist natürlich erhöht und setzt selbst eine aufwendige Technik voraus.

2.4 Auswertung

Wie beschrieben hat jede Darstellungsform eine Entwicklung hin zu einer möglichst rationalisiert abstrakten, parallel aber auch zu einer möglichst genauen Anlehnung an die Wirklichkeit genommen. Jede Form hat ihre besonderen Vor- und Nachteile, die es notwendig machen, sie in Kombination einzusetzen. So liefern zweidimensionale Darstellungen hohe Detaillierungsgrade, sowohl in Konstruktion, als auch in optischen Situationen. Modelle liefern reale Präsenz und die Möglichkeit, das Betrachten durch direkte Interaktion zu steuern, sowie die Möglichkeit, viele Abläufe zu simulieren. Die Animation schließlich ergänzt diese Punkte durch die Möglichkeiten (optisch) realer Materialien, geführter Kamerafahrten, akustische Signale und die virtuelle Präsenz des Objekts. Trotzdem ist Animation als Mittel der Architekturdarstellung immer noch vergleichsweise unbedeutend.[6] Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass die Vorteile, die rechnergestützte 3D-Modelle aufweisen, in einer simplen Animation selten zum Tragen kommen.

Echtzeit-Dreidimensionalität wird momentan im hohen Maße nur durch die Unterhaltungsbranche genutzt, deren Gebäudemodelle in virtuellen Welten fast ausschließlich dem Spiel dienen. Eine Erweiterung der Animation hin zur freien, interaktiven Umgebung liegt also nahe. Sie würde einen Großteil der Vorteile des gebauten Modells, z.B. die freie Bewegung, die Manipulierbarkeit und die Fähigkeit, Simulationen als Medium zu dienen, mit den Vorteilen der Animation verbinden. Die Vorteile, die zweidimensionale Darstellungen haben, ließen sich leichter integrieren als es in einer Animation möglich wäre, da interaktive Darstellung immer die Möglichkeit bietet innezuhalten und bestimmte Teilbereiche länger bewusst zu betrachten. Damit hätte diese Darstellungsform zwar noch immer den Nachteil, dass die technischen Vorraussetzungen vorhanden sein müssten, aber da sich diese in zunehmenden Maße in breiten Gesellschaftsschichten etablieren, werden sich auch jene Defizite mehr und mehr abschwächen.

3 Beispiele für interaktive Präsentationen

Grundlage für dreidimensionale, interaktive Präsentationen am Computer sind Grafik-engines. Sie beeinflussen zwar durch ihre Funktionalität die aus ihnen geschaffenen Präsentationen, dienen hier aber nicht als Basis. Vielmehr werden die auf ihnen beruhenden Beispiele analysiert. Dabei werden die Art, die Ausführung und der Grad der Interaktivität betrachtet.

3.1 Produktvisualisierungen

Sehr häufig werden bereits alltägliche Waren im Internet angeboten. Größtes Manko ist hier der fehlende direkte Bezug zur Ware. Dieser oftmals kaufentscheidende Faktor wurde zunächst nur im Bereich Produktvisualisierung erkannt. So hieß es etwa in der Fachzeitschrift Computer Art Faszination 2002 über die ersten Ansätze der interaktiven Produktpräsentation:

„Hinter der Bezeichnung Viewport Technologie verbirgt sich die Zielvorstellung, dass Internetinhalte mehr erfüllen müssen, als bloße Informationsvermittlung. Zusätzlich will der Internetuser unterhalten werden. ... er bestimmt zu jedem Zeitpunkt, wie viele und welche Informationen er sich geben lässt... und begreift durch einfach Handhabung der Computermaus die Produktfeatures“[7]

Auch Architektur ist letztendlich ein Produkt, das vermarktet werden muss, man kann also die Forderungen nach erfahrbaren Produktfeatures übertragen. Die Adaption eines solchen Werkzeugs scheint also auch für den Baubereich zwingend.
Anhand einiger Beispiele wird nun untersucht, wie diese Ansätze bisher schon umgesetzt werden.

3.1.1 Uhr „Breitling Windrider Headwind“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.1 Screenshot Breitling Windrider Headwind [www.cult3d.com 2007]

Diese einfache Darstellung einer Uhr kommt praktisch ohne echte Interaktivität daher. Der Nutzer hat lediglich die Möglichkeit, das Objekt zu drehen, und die Anzeige zu vergrößern oder zu verkleinern. Einzige Besonderheit: Die Uhr zeigt die aktuelle Zeit an. Solche Visualisierungen, in denen es hauptsächlich darum geht, das Objekt möglichst realitätsnah von allen Seiten betrachten zu können, sind momentan die Standardlösung dreidimensionaler interaktiver Präsentation. Dem Betrachter wird ausschließlich mittels der Bewegbarkeit die Illusion geboten, das Objekt anfassen zu können. Damit soll der Bezug zum Produkt, wie er etwa in realen Läden vorhanden ist, simuliert und die Kaufabsicht gefördert werden.

3.1.2 Boat Visualisation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.2 Boat-Visualisation [www.quest3d.com 2007]

Bei diesem Programm handelt es sich um einen Beitrag zum Wettbewerb der Firma Act3D. In einer tropisch anmutenden Szene wird ein Exemplar eines Motorbootes präsentiert. Der Nutzer hat die Möglichkeit, sich das Boot von außen zu betrachten, indem er sich wie um ein Modell um das Boot drehen kann. Desweiteren hat er die Möglichkeit, sich ins Innere des Bootes zu begeben, wo er sich mit Hilfe von Schaltflächen an verschiedene Positionen im Schiff begibt, an denen er sich dann umschauen kann. Außerdem erlaubt es ein Menü am unteren Ende des Bildschirms verschiedene Material- und Farbvarianten für das Boot auszuwählen. Dieses Beispiel zeigt, wie man anhand einer Außenperspektive ein Objekt wie ein veränderliches Modell behandeln kann. Die Möglichkeit, ins Innere zu gelangen, erschien den Machern zwar notwendig, allerdings ließen sie nur eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit im Innern zu. Damit wurde der Immersionsgrad, also das Ausmaß der Realitätsempfindung, deutlich gesenkt.

Ferner fällt an den Menüs ein entscheidendes Problem auf: Die Sprache, hier eine Mischung aus englisch und französisch, schränkt das Verständnis ein. In Szene gesetzt wurde das Boot in einer tropisch anmutenden Inselsituation, es wird also ein Bezug zwischen Exotik und Luxus einerseits und dem Boot andererseits hergestellt. Unterstützt wird dieser Eindruck durch ein detailliert dargestelltes Meer, in dem sogar kleine bunte Südseefische hin- und herschwimmen.

3.1.3 Cycore Concept Car

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.3 Cycore Concept Car [www.cult3d. com 2007]

Dieses Beispiel eines interaktiv animierten Automobils steht stellvertretend für viele ähnliche im Netz verfügbare Anwendungen.

Unter den Produktvisualisierungen nehmen Fahrzeuge einen hohen Stellenwert ein. Sicherlich hängt das einerseits mit dem vergleichsweise hohen Werbeetat von Automobilfirmen zusammen, andererseits aber auch mit dem gesellschaftlichen Stellenwert des Autos als Prestigeobjekt. Man betrachtet in diesem Beispiel das Fahrzeug aus einer Modellperspektive, indem man die Maustasten zur Navigation um das Objekt nutzt. Man hat die Möglichkeit, Bauteile (Felgen und Spoiler) auszutauschen sowie die Farbgebung des Autos und die Intensität der Beleuchtung einzustellen. Interessant ist hier, wie der Nutzer in die Lage versetzt wird, das Fahrzeug zumindest teilweise aus Komponenten zusammenzusetzen. Ferner gibt dieses Programm den ersten Hinweis darauf, dass mittels interaktiver Beleuchtung die Stimmung der Szene verändert werden kann. Dieses Beispiel ist außerdem über das Internet lauffähig, man muss lediglich einen sogenannten Viewer laden, um das Programm direkt von der Netzseite starten zu können.

3.1.4 Auswertung

Anhand der ausgewählten Beispiele lässt sich erkennen, dass es nicht reicht, Produkte möglichst detailgetreu abzubilden. Der Bezug zum Objekt wird mittels der Möglichkeit, es wie einen richtigen Gegenstand betrachten zu können, hergestellt. Sehr häufig beschränken sich die Macher auf diese eine Interaktionsform. Gerade im Produktbereich, in dem es um massenproduzierte Waren geht, die lediglich durch Farbe, Beschriftungen und eventuelle Zusatzteile an Individualität gewinnen, wird dem Nutzer aber eine weitere Möglichkeit angeboten. Interaktivität heißt dann, das Objekt nach seinen Wünschen anpassen zu können. Der Nutzer ist dann nicht nur Betrachter, sondern hat einen eigenen Anteil am Produkt, die Bindung steigt, der Kaufanreiz erhöht sich.

Augenscheinlich werden Produkte in erster Linie aus einer Modellperspektive betrachtet. Zwar bietet etwa das Boot, als größtes der hier beschriebenen Produkte, die Möglichkeit, auch eine Innenansicht zu nutzen, in dieser wird die Bewegungsfreiheit aber stark eingeschränkt. Autovisualisierungen scheinen ausschließlich auf Äußerliches beschränkt zu sein. Obwohl man Autos in der Regel von innen nutzt, wird diese Perspektive nicht angeboten. Das lässt auf die Außenwirkung der Fahrzeugmodelle als Prestigeobjekt schließen. Auf die Architektur übertragen hieße das, der Nutzer fühlt sich umso stärker angesprochen, je stärker er den Effekt der Außenwirkung eines Gebäudes auf andere über die Visualisierung einschätzen kann. Realismus dient hier also als verstärkter Ausdruck späterer Selbstdarstellung. Als weitere Ursache mag die Notwendigkeit einer umgebenden Szene angeführt sein, wie sie etwa beim Boot gegeben ist. Eine Szene würde einen erhöhten Aufwand bedeuten, kann das Objekt aber noch betonen (etwa die Exotik der Bootszene als Reiz des Bootes) oder durch Übermaß in den Hintergrund treten lassen. Der Grad an Realismus und Immersion hängt also vom Aufwand ab, das Objekt einerseits für den Käufer erfahrbar zu machen, andererseits ihm zusätzliche Kaufanreize zu bieten. Nicht selten werden auf solchen Seiten auch Stimmungsreize durch Musik geboten, wie sie in realen Geschäften ja üblich ist. Maßgeblich scheint die Tatsache, dass das Produkt nicht nur visualisiert wird, sondern mittels verschiedenster subtiler Ergänzungen vermarktet wird.

Das der zusätzliche Aufwand im Bereich Werbung durchaus gerechtfertigt ist, mag folgendes Zitat untermauern:

„Dreidimensionale Produktabbildungen sind der ´Hit´. Kunden geben ihnen beim Besuch von Internetseiten den Vorrang vor schlichten Fotos. Sie sprechen Produkten, die in 3D dargestellt werden, ein höherwertiges Image zu und gleichzeitig fühlen sich Kunden besser informiert. Um ganze 71 Prozent ließ sich die Kaufabsicht steigern.“[8]

[...]


[1] Vitruvius Pollio, Zehn Bücher über die Architektur übersetzt von Dr. Curt Fensterbusch 5. Auflage, 1964

[2] vgl. Berger,Rolf; Berger,Eva Bauwerke betrachten erfassen beurteilen Wege zum Verständnis klassischer und moderner Architektur, Augustus Verlag, Augsburg (1999) S.76

[3] vgl. Müller, Roland; http://www.muellerscience.com (2007)

[4] Leon B. Alberti, Zehn Bücher über die Baukunst, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1975, Buch 2 S.69

[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Filmarchitektur

[6] vgl. wiedmer, martin et al. ; http://projekte.idk.ch/compositing_spaces/forschungsbericht_3.html

[7] Brückmann, Olga „3D Einkaufserlebnis als Schlüsselfaktor“, in: Computer Art Faszination (2002) S. 80

[8] Brückmann, Olga „3D Einkaufserlebnis als Schlüsselfaktor“, in: Computer Art Faszination (2002) S. 80

Ende der Leseprobe aus 65 Seiten

Details

Titel
Virtuell interaktive Architekturdarstellung - VIA
Untertitel
Programm für die Darstellung zeitlicher und abstrakter Architekturinhalte
Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
65
Katalognummer
V86428
ISBN (eBook)
9783640099979
ISBN (Buch)
9783640113262
Dateigröße
12983 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Virtuell, Architekturdarstellung
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. Christoph Quiatkowski (Autor:in), 2007, Virtuell interaktive Architekturdarstellung - VIA , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86428

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