Mädchenerziehung im III. Reich

Verwirklichung des Nationalsozialistischen Frauenbildes im Bund Deutscher Mädel


Vordiplomarbeit, 2005

53 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Nationalsozialistische Weltanschauung als Grundlage des Erziehungsdenkens im Ш. Reich
2.1. Grundbegriffe nationalsozialistischer Weltanschauung
2.2. NS-Staat als Erziehungsstaat
2.3. Erziehungsziele des Nationalsozialismus

3. Das Bild der Frau im Nationalsozialismus.
3.1. Historische Wurzeln
3.2. Frauen als Objekte der Rassenzüchtung
3.3. Forderungen an die Mädchenerziehung

4. Zur Umsetzung des nationalsozialistischen Frauenbildes in der Erziehungsarbeit des BDM
4.1. Kurzer geschichtlicher Abriss zur Entstehung des BDM
4.2. Das Selbstverständnis des BDM zur Mädchenerziehung
4.3. Der BDM als Erziehungsinstitution
4.3.1. Organisationsaufbau des BDM
4.3.2. Erziehung in der Gemeinschaft und durch die Gemeinschaft mit den Organisationsformen Heimabende und Lagererlebnis
4.3.3. Körpererziehung, weltanschauliche Erziehung und Kulturarbeit im BDM
4.3.3.1. Körperliche Ertüchtigung
4.3.3.2. Weltanschauliche Erziehung
4.3.3.3. Kulturarbeit

5. Resümee
Anlagen
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der Gegenwart sind eine Reihe von Tendenzen der Wieder- bzw. Neuauflage von nationalsozialistischem Gedankengut zu registrieren. Verdeutlicht wird das Erstarken des Rechtsextremismus durch den Einzug der NPD in den sächsischen Landtag. Damit ist Rechtsextremismus nicht mehr als Randgruppenproblem abzutun. Aufklärung und Auseinandersetzung mit dem heutigen Erscheinungsbild des Neofaschismus erfordert auch zu verstehen, wie das geistige Vorbild, der Nationalsozialismus, funktionierte, seine Macht- und Staatsstrukturen aufbauen und ein ganzes Volk manipulieren konnte.

Angesichts des erwähnten Wiedererstarkens des Nationalsozialismus fordert Bundespräsident Horst Köhler die verstärkte und offensive Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Antisemitismus. Damit „müssen wir uns vor allem fragen, ob wir unsere jungen Menschen wirklich erreichen, ob Lehrer, Eltern und Journalisten über den Irrweg des Nationalsozialismus wirksam aufklären.“[1]

Die vorliegende Arbeit möchte ich als einen Teil dieser Auseinandersetzung verstehen. „Eine bloße Information über den Nationalsozialismus, so gut die auch gemeint und so notwendig sie auch ist, genügt heute nicht mehr.“[2] Es gilt also weltanschauliche Inhalte und die Methoden nationalsozialistischer Herrschaftsstrukturen offen zu legen und sich damit auseinanderzusetzen. Das gilt insbesondere für eine in den subjektiven Erinnerungen der Menschen so scheinbar harmlose Erziehungsinstitution wie dem „Bund Deutscher Mädel“.

Wie sich diese subjektiven Erinnerungen heute darstellen, habe ich als Anlage beigefügt. Dazu wurden einige Frauen nach ihren Erinnerungen an den BDM befragt, die heute bereits der Großeltern und Urgroßelterngeneration angehören. Trotz der scheinbar harmlosen und überwiegend positiven Erinnerungen an den BDM passte sich diese Institution perfekt in das nationalsozialistische Erziehungs- und Manipulationsmodell der Jugend ein und trug nicht unwesentlich zur raschen Festigung der nationalsozialistischen Herrschaft und deren Verwurzelung in der Masse der deutschen Jugend bei.

Die letztgenannte These werde ich im Verlaufe der vorliegenden Arbeit nachweisen. Die Darlegung der weltanschaulichen Grundlagen des Nationalsozialismus möchte ich auf Grund inhaltlich notwendiger Einschränkungen auf die Inhalte beschränken, die den Erziehungsgedanken des Nationalsozialismus widerspiegeln, deren Grundaussagen sich in den Begriffen Rasse, Volk, Züchtung und Formung in der Gemeinschaft und durch die Gemeinschaft wieder finden.

Ich erachte es für notwendig, die in der nationalsozialistischen Weltanschauung und Ideologie verwendeten und diese Ideologie auch prägenden Begriffe im damals gebräuchlichen Wortsinn zu verwenden. Auf textliche Hervorhebung werde ich verzichten. Die Zitate aus der Zeit des Nationalsozialismus werde ich aber in Kursivschrift setzen.

Speziell auf das Frauenbild bezogen ist eine zweite These in der Arbeit nachzuweisen: Nationalsozialistische Weltanschauung hat ihre historischen Wurzeln und basiert nicht nur auf den Ideen von Adolf Hitler. Auch ist diese Weltanschauung mit dem Zusammenbrechen des nationalsozialistischen Staates nicht verschwunden, sondern wirkt bis in die Gegenwart fort. In einem speziellen Abschnitt will ich nachweisen, wie in der konkreten Tätigkeit des BDM die Grundgedanken der nationalsozialistischen Erziehungsideologie realisiert wurden.

2. Nationalsozialistische Weltanschauung als Grundlage des Erziehungsdenkens im Ш. Reich

2.1. Grundbegriffe nationalsozialistischer Weltanschauung

Der nationalsozialistischen Weltanschauung liegt keine wissenschaftliche Lehre zugrunde. Sie muss als Konglomerat verschiedener ideologischer Strömungen und Leitbilder verstanden werden, die in ihrer Ausprägung funktional ausgerichtet wurden. Sie diente vor allem der Stabilisierung und Legitimation nationalsozialistischer Handlungsweisen und der Ausprägung eines funktionierenden Staates. „Ohne Berücksichtigung des theoretischen Umfeldes und Sinnzusammenhangs übernahmen bzw. negierten sie je nach der politischen und propagandistischen Nützlichkeit andere geistige oder politische Richtungen.“[3]

Ein die nationalsozialistische Weltanschauung prägendes Theorem ist der Sozialdarwinismus mit der daraus abgeleiteten Rassenlehre. Ein weltanschaulicher Kernbegriff des Nationalsozialismus ist die RASSE. Ausgehend von Darwins Hauptwerk „Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“, wurde die gesellschaftliche Entwicklung, die Entwicklung von Völkern und Rassen auf der Grundlage des Daseins-Kampfes angesehen. Auf Grund genetischer Eigenheiten, durch Isolation und Einflüsse der natürlichen Umwelt kam es auch in der menschlichen Entwicklung zur Herausbildung von Rassen. Die nationalsozialistische Weltanschauung unterscheidet zur Untermauerung ihres Herrschaftsanspruches in höhere und niedere Rassen und spricht der so genannten nordischen Rasse, dem Arier, die Funktion einer Herrenrasse zu, der die Aufgabe zufällt über alle anderen Rassen zu herrschen.[4] „Allein der Arier war nach Hitlers Auffassung ‚der Begründer höheren Menschentums‘, denn nur er, ‚der Prometheus der Menschheit‘ besaß hohe kulturelle Leistungsfähigkeiten.“[5] Die Reinhaltung der Rasse und die Züchtung des so genannten nordischen Erbgutes war eine Forderung Hitlers, die ihre Entsprechung im nationalsozialistischen Frauenbild und dann in der Mädchenarbeit des BDM Verwirklichung fand.

Ein mit der Rassenlehre eng verbundener Begriff, der vor allem in der Erziehungspraxis ständig wiederkehrt, ist die GEMEINSCHAFT. „Der Begriff Gemeinschaft wurde zum Zentralbegriff des sozial-anthropologischen Denkens des Nationalsozialismus.“[6] Der Gemeinschaftsbegriff wird inhaltlich unterlegt mit solchen Begriffen wie Volksgemeinschaft, Blutgemeinschaft und Volksgenosse. In diesem Gemeinschaftsbegriff wurde das Individuum aufgelöst, in die Gemeinschaft absorbiert und ein rassisch bedingtes „Wir-Bewusstsein“ geschaffen.[7] Der Gemeinschaftsbegriff wurde von den Nationalsozialisten praktisch gelebt. Von der Schaffung staatlicher und gesellschaftlicher Strukturen, wie vor allem auch dem BDM, bis hin zu Einzelaktionen wie großen Massenaufmärschen z.B. anlässlich von Reichsparteitagen bestand das Ziel darin, die einzelne Persönlichkeit in der Gemeinschaft aufzulösen und sie zur manipulierbaren und lenkbaren Masse zu machen. „Gemeinschaft war für die Nationalsozialisten reiner Kalkül. Die Gemeinschaft wurde zur Kampfgemeinschaft, Lebensgemeinschaft, Glaubensgemeinschaft, stilisiert.“[8] Der Gemeinschaft wurden auch immer äußere Symbole zugeordnet, die die Identifizierung mit der Gemeinschaft erleichtern und versinnbildlichen sollten. Am bekanntesten dafür waren die im NS-Staat allgegenwärtigen Hakenkreuzfahnen und Führerbilder, der Hitlergruß (deutscher Gruß) und die Uniformen für viele gesellschaftliche Gruppierungen. Letztendlich wurden auch die Mädchen in Uniformen gesteckt.

2.2. NS-Staat als Erziehungsstaat

Der Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Regimes als Herrschaftsanspruch über alle Menschen deutschen bzw. arischen Blutes und die Unterdrückung aller anderen Denkansätze wie bürgerliche, pazifistische, liberalistische, marxistische, usw. ließ sich nur durchsetzen, wenn die Massen im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung manipuliert werden und als Volksgemeinschaft beherrscht werden. Deshalb betrachtete der NS-Staat sich selbst als Erziehungsstaat und seine Bewegung als Erziehungsbewegung.[9]

Erziehung im nationalsozialistischen Sinne meint Erziehung der gesamten Volksgemeinschaft und Erziehung nicht nur am Kind. Somit wird ein Erziehungsanspruch verkörpert, der bis ins Alter reicht. „Was in der Zukunft das deutsche Volk zum Nationalsozialismus führen muß, kann nur durch eine ewig gleichmäßige Erziehung gelingen.“[10] Diesen Gedanken vertiefte Hitler weiter, indem er auf dem Reichsparteitag 1935 folgendes forderte: „Von einer Schule wird in Zukunft der junge Mann in die andere gehoben werden. Beim Kind beginnt es, und beim alten Kämpfer der Bewegung wird es enden.“[11] Weiter forderte er: „Dann wird sich erst der Kreis der Erziehung unseres Volkes schließen. Der Knabe, er wird eintreten in das Jungvolk, und der Pimpf, er wird kommen zur Hitler-Jugend, und der Junge der Hitler-Jugend, er wird dann einrücken in die SA, in die SS und die anderen Verbände, und die SA-Männer und die SS-Männer werden eines Tages einrücken zum Arbeitsdienst und von dort zur Armee, und der Soldat des Volkes wird zurückkehren wieder in die Organisation der Bewegung, der Partei, in SA und SS, und niemals mehr wird unser Volk dann so verkommen, wie es leider einst verkommen war!“[12]

Damit macht Hitler einen totalen Anspruch auf Erziehung geltend, was beim Kind beginnen soll, wird erst beim „alten Kämpfer der Bewegung“ enden. Dass er dabei gewillt ist, sämtliche Strukturen der NSDAP und auch des Staates einzusetzen, also vom Pimpf bis zur Mitgliedschaft in Partei, SA und SS, verdeutlicht diesen totalen und von der nationalsozialistischen Bewegung geführten Erziehungsanspruch. Erziehung ist damit nicht nur totalitär, sondern auch repressiv. Ein Ausbrechen aus diesen Strukturen wurde nicht geduldet, sondern durch Institutionalisierung der Erziehung verhindert. Zur Verdeutlichung sei deshalb an dieser Stelle auf das Gesetz über die Hitler-Jugend[13] verwiesen, das eine lückenlose Erfassung aller, allerdings nur der arischen Kinder und Jugendlichen, in eine Staatsorganisation erzwang. Eine Verletzung oder Nichtbeachtung der Melde- und Anmeldepflichten konnte sogar unter Strafe gestellt werden.[14] Die Institutionalisierung machte aber bei Schule und Jugendverbänden nicht halt, sondern erstreckte sich auch auf das Erwachsenenalter bei ausdrücklicher Forderung nach Erziehung in SA, SS, Arbeitsdienst und Armee bis hin zum „alten Kämpfer der Bewegung“. Mit dem Ausdehnen der Erziehungsforderung auf das Erwachsenenalter sprengt Hitler den Rahmen des traditionellen Erziehungsbegriffs und meint wohl eher nicht mehr Erziehung, sondern Manipulation, Einordnung in die Masse und bedingungslosen Gehorsam. Der Erziehungsbegriff wurde auch insoweit anders verstanden, als dass Erziehung hier nicht als Interaktion zwischen Erzieher und Zögling begriffen wurde, sondern als Erziehung durch die Gemeinschaft und in der Gemeinschaft. Weiterhin wurde Erziehung nicht als Ausprägung der Persönlichkeit sondern als Formung und Typusprägung angesehen. „Nationalsozialistische Erziehung ist hiernach die Formung der Persönlichkeit im Sinne der Aktivierung derjenigen Kräfte, die den Gemeinschaftsorganismus erhalten und in der Nation zur Vollendung führen.“[15]

2.3. Erziehungsziele des Nationalsozialismus

Die Zielstellungen der nationalsozialistischen Erziehung wurden wesentlich von Hitler selbst geprägt und in seinem Buch „Mein Kampf“ dargelegt (Erstausgabe 1925). Spätere Erziehungstheoretiker wie Ernst Krieck, Alfred Baeumler, Rudolf Benze und andere fußten auf den Grundaussagen von Hitler und gaben dessen Ansichten einen theoretischen Anstrich. Aus diesem Grund möchte ich mich bei der Darlegung der Erziehungsziele zunächst an die Vorstellungen Hitlers in seinem Buch „Mein Kampf“ halten.

Er formuliert in „Mein Kampf“ die Prämissen der Erziehungsarbeit im völkischen Staat. Sie lassen sich in drei klaren und einfachen Forderungen zusammenfassen:

1. Heranzüchtung eines kerngesunden Körpers
2. Ausbildung geistiger Fähigkeiten wie Charakter, Willens- und Entschlusskraft, sowie Entwicklung der Verantwortungsfreudigkeit
3. und als letztes die wissenschaftliche Schulung[16]

Die hier formulierten Zielsetzungen widerspiegeln die weltanschaulichen Grundauffassungen des NS-Staates. Ausgehend von der Überhebung der Rasse wird die konsequente „Zucht“ eines kerngesunden Körpers verlangt. Der kerngesunde Körper ist im doppelten Wortsinn zu verstehen.

Zum einen sind damit gemeint, die Erhaltung der Reinheit der Rasse, die Weitergabe so genannten wertvollen Erbgutes und auch gleichzeitig das Ausmerzen im rassischen Sinne nicht wertvollen Menschenmaterials. In der schrecklichen Konsequenz führte das bis hin zu den berüchtigten Euthanasieprogrammen.

Zum anderem ist die Forderung nach dem kerngesunden Körper eine rein pragmatische Forderung. Kriegs- und Eroberungspläne, Kampf um Lebensraum im Osten erfordern zwingend auch eine kerngesunde Jugend, die die körperlichen Härten eines Krieges auch bewältigen kann.

Wie sehr Hitler diese gestählte, kampfbereite Jugend wichtig war, zeigt sich in einer weiteren Forderung, die die deutsche Jugend gleichzeitig glorifiziert. Auf dem Reichsparteitag 1935 forderte er: „In unseren Augen da, muß der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl.“[17] Bei dieser Forderung geht es wohl nicht um eine neue Sportlergeneration, sondern darum die deutsche Jugend als Kanonenfutter für einen künftigen Krieg vorzubereiten.

Auch die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten ist im Zusammenhang mit dem Heranzüchten eines kerngesunden Körpers zu sehen, da vor allem solch geforderte Eigenschaften wie Willens- und Entschlusskraft beim Abverlangen körperlicher Leistungen eine wesentliche Rolle spielen. Die von Hitler herausgehobenen geistigen Fähigkeiten sollen die Jugend auf den Kampf vorbereiten.

Die Krönung der Erziehungs- und Bildungsarbeit sieht Hitler darin, „daß sie den Rassesinn und das Rassegefühl instinkt- und verstandesmäßig in Herz und Gehirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt. Es soll kein Knabe und kein Mädchen die Schule verlassen, ohne zur letzten Erkenntnis über die Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit geführt worden zu sein. Damit wird die Voraussetzung geschaffen für die Erhaltung der rassenmäßigen Grundlagen unseres Volkstums und durch sie wiederum die Sicherung der Vorbedingungen für die spätere kulturelle Weiterentwicklung.“[18]

Die ersten beiden hitlerschen Anforderungen an die Erziehung sind ganz im Sinne der eingangs beschriebenen biologistischen Grundgedanken der nationalsozialistischen Weltanschauung zu sehen, die da sind: Überlegenheit einer Rasse, Rassezüchtung durch Auslese und Formung.

Bewusst stellt Hitler die wissenschaftliche Schulung, also das Erlernen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, an den Schluss, denn „das jugendliche Gehirn [soll] im Allgemeinen nicht mit Dingen, belastet werden, die es zu fünfundneunzig Prozent nicht braucht und daher auch wieder vergißt.“[19] Zur Durchsetzung der Herrschaftsziele und zur Vorbereitung auf einen Krieg benötigt das Regime eine möglichst gleichgeschaltete, eine dumpfe aber leistungs- und kampfbereite Masse. Es wird offen zugegeben, dass ein hochgebildetes Volk für die Ziele der nationalsozialistischen Bewegung untauglich ist. Nach Hitlers Ansicht taugt eine politische Bewegung als Vertreter einer Weltanschauung nichts, wenn es Sammelbecken geistreicher Menschen sein will. „Nein sie [die politische Bewegung] braucht auch den primitiven Soldaten, da sonst eine innere Disziplin nicht zu erziehen ist.“[20] Hitlers Erziehungsansichten sind im Wesentlichen bildungsfeindlich. Er ist der Meinung, dass es genügt, „wenn der einzelne Mensch ein allgemeines, in großen Zügen gehaltenes Wissen als Grundlage erhält“ und „die hierdurch erreichte Kürzung des Lehrplanes und der Stundenzahl [...] der Ausbildung des Körpers, des Charakters, der Willens- und Entschlußkraft zugute [kommt].“[21]

3. Das Bild der Frau im Nationalsozialismus

3.1. Historische Wurzeln

Die Sicht der Nationalsozialisten auf die Frau und auf die Rolle, die sie ihr in der Gesellschaft zusprechen, ist zutiefst vom Rassegedanken geprägt. Ausgehend von der seit Jahrtausenden bestehenden Unterdrückung der Frau durch den Mann sowohl in der Familie, als auch in der Gesellschaft wehrt sich der Nationalsozialismus vehement gegen alle Formen der Frauenbewegung, die in der Frau mehr als nur ein biologisches Wesen sehen. Der Nationalsozialismus konnte auf ein reiches Reservoir von Vorbehalten und Vorurteilen gegenüber einer dem Manne gleichberechtigten Rolle der Frau in der Gesellschaft zurückgreifen. Bereits in wilhelminischer Zeit finden sich zahlreiche rassistische Denkansätze über die Rolle der Frau, die der Nationalsozialismus nur zu übernehmen brauchte. Im Wesentlichen wird schon hier die Rolle der Frau auf ihr biologisches Wesen zurückgeführt, sie als Objekt der Rassezucht degradiert.

Kaiser Wilhelm der II. selbst wies darauf hin, „daß die Hauptaufgabe der deutschen Frau nicht auf dem Gebiete des Versammlungs- und Vereinswesens liegt, nicht in dem Erreichen von vermeintlichen Rechten, in denen sie es den Männern gleichtun kann, sondern in der stillen Arbeit im Hause und in der Familie“[22] Noch deutlicher formuliert es Prof. Max von Gruber in einem Vortrag von 1910, in dem er die Rolle der Frau in die Rassenideologie einbindet. „Vom Standpunkt der Rassenhygiene [...] gibt es auf die Frage nach dem Ziel der Mädchenerziehung nur eine Antwort und die lautet: E h e f r a u u n d F a m i l i e n- m u t t e r!“[23] Das deckt sich mit den Vorstellungen Hitlers, der formuliert „das Ziel der weiblichen Erziehung hat unverrückbar die kommende Mutter zu sein.“[24] Die Rolle der Frau wird hier zunächst auf ihre biologische Natur beschränkt. Die naturgegebene Tatsache, dass eben nur Frauen Kinder zur Welt bringen können, wird zum Ziel gesellschaftlicher Erziehung erhoben und die Rolle der Frau gleichzeitig auf ihr biologisches Wesen begrenzt. Alles was das Leben in der Gesellschaft sonst noch ausmacht, wie berufliche Tätigkeit, Bildung oder überhaupt Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, sollen nach Möglichkeit von der Frau ferngehalten werden. Erwerbs- und Berufstätigkeit wird als unvereinbar mit der Last der Mutterschaft gesehen.[25] Ebenso wie die Nationalsozialisten sieht auch deren Vordenker Prof. Gruber die Frau als Helferin des Mannes. Um das Mädchen auf diese Rolle vorzubereiten genügen ihm „einfache, reichliche Kost – ohne Alkohol! – [...] viel Bewegung im Haus und ausgiebige körperliche Übungen im Freien ohne Überanstrengung; viel Schlaf; nicht viel geistige Arbeit.“[26] Auch diese Ansicht deckt sich hundertprozentig mit den Erziehungsvorstellungen Hitlers, der bei der Erziehung des Mädchens das Hauptgewicht vor allem auf die körperliche Erziehung legt und der Förderung der geistigen Werte eine untergeordnete Rolle beimisst.[27]

Mit diesem Vergleich zur Rolle der Frau und der Mädchenerziehung soll darauf hingewiesen werden, dass der Nationalsozialismus in seinem Denken historischen Wurzeln verhaftet ist, die bereits vorher in der Gesellschaft latent vorhanden waren. In der gesellschaftlichen Situation, in der der Nationalsozialismus an die Macht kam, wurde dieses Denkmodell zum alleinigen Maßstab des gesellschaftlichen Denkens zur Rolle der Frau erhoben.

3.2. Frauen als Objekte der Rassezüchtung

Mit der Überhöhung der nordischen Rasse, des Ariers, zum Herrenmenschen und zum „Begründer höheren Menschentums“ wird das deutsche Volk auf die Stufe von etwas Besonderem gehoben. Allen Mitgliedern der Volksgemeinschaft wird damit die Möglichkeit gegeben, sich zu einer besonderen, einer hervorgehobenen Rasse zugehörig zu fühlen. Damit wird es dem Einzelnen erleichtert, sich mit dem Rassegedanken zu identifizieren. Ernst Krieck, ein führender Pädagoge des Ш. Reiches sieht in der Rassezucht, Rassepflege, Rassehygiene den natürlichen Boden des Aufstiegs für das Volk. So sollen in der völkischen Gemeinschaft „die edlen Rassezüge ausgelesen, quantitativ gestärkt, von Hemmungen und Schädlingen befreit, entmischt und zur Herrschaft gebracht werden.“[28] Dieser Zucht- und Auslesegedanke kann nur verwirklicht werden, wenn gleichzeitig der Frau eine überhöhte und glorifizierte Rolle als der „Gebärenden“, als der „Bewahrerin reinen Erbgutes“ und als Mutter möglichst vieler Kinder zugesprochen wird. Genau das ist im Ш. Reich der Fall. Mit gebetmühlenartigen Wiederholungen wird bei den Ideologen des Ш. Reiches die Rolle der Frau auf ihre biologische Funktion reduziert, die Reinhaltung des Blutes beschworen und in der Mädchenerziehung immer wieder die Vorbereitung auf kommende Mutterschaft zum Hauptziel erhoben. Dass die Frau damit nur in die Männerwelt eingeordnet und untergeordnet wird macht Hitler in „Mein Kampf“ deutlich. „Nicht im ehrbaren Spießbürger oder der tugendsamen Jungfer sieht er [der völkische Staat] sein Menschheitsideal, sondern in der trotzigen Verkörperung männlicher Kraft und in Weibern, die wieder Männer zur Welt zu bringen vermögen.“[29] Um diese Vorstellungen realisieren zu können, wurde es notwendig durch bestimmte staatliche Maßnahmen dieses Frauenbild aufzuwerten. Zu dieser Aufwertung zählte der von den Nationalsozialisten betriebene Mutterkult, welcher in der Verleihung des Mutterkreuzes gipfelte. Damit sollten Frauen gesellschaftliche Ehrung erhalten, die vier und mehr Kinder geboren hatten. Der Orden wurde 1938 von Hitler gestiftet und erstmals zum Muttertag 1939 an 3 Millionen deutsche Mütter durch Hoheitsträger der Partei verliehen.[30] Damit wurde das Kinderkriegen direkt in die Parteipolitik der NSDAP einbezogen. Mit der Stiftung des Ehrenkreuzes wurde außerdem angekündigt, dass Trägerinnen dieses Mutterkreuzes „Ehrenplätze bei Veranstaltungen der Partei und des Staates, Vortrittsrecht an Behördenschaltern, [...] bevorzugte Platzanweisung in Eisen- und Straßenbahn“[31] erhalten. Es versteht sich von selbst, dass im Interesse der Rassenpolitik das Kreuz nur an solche Frauen vergeben wurde, die nach den Rassegesetzen eine Reinhaltung der arischen Rasse garantierten.

[...]


[1] Ansprache von Bundespräsident Horst Köhler vor der Knesset in Jerusalem am 02. Februar 2005, in: www.bundespräsident.de [Hrsg.] URL: http://www.bundespraesident.de/Anlage/original_622162/Rede-Knesset-02.02.2005.pdf, Stand: 15.02.2005

[2] Kupfer, 1991, S. 128 in Stahlmann/Schliedeck, 1991

[3] Kinz, 1991,

[4] vgl. ebd., S. 86 – 102

[5] Hitler, Adolf: Mein Kampf, München 1933 hier zitiert nach Kinz, 1991,

[6] Kinz, 1991,

[7] vgl. ebd. S. 86 – 102

[8] ebd.

[9] vgl. Stahlmann/Schiedeck, 1991, S. 1 – 8

[10] Hitler, 1937, ohne Seitenangabe

[11] ebd.

[12] ebd.

[13] s. Anlage 1

[14] s. Anlage 2

[15] Beck 1933, S. 20, zitiert nach Stahlmann/Schiedeck, 1991,

[16] vgl.: Hitler, 1937, ohne Seitenangabe

[17] Hitler, 1937, ohne Seitenangabe

[18] Hitler, Adolf: Mein Kampf, S. 475f in: www.adolfhitler.ws [Hrsg.] URL: http://www.adolfhitler.ws/lib/books/dkampf/dkampf.htm, Stand: 17.02.05

[19] Hitler, Adolf, Mein Kampf, S. 464f in: www.adolfhitler.ws [Hrsg.] URL: http://www.adolfhitler.ws/lib/books/dkampf/dkampf.htm, Stand: 17.02.05

[20] ebd.,

[21] ebd.

[22] Herrlitz, 1987,

[23] Gruber, Prof. Max von, Mädchenerziehung und Rassenhygiene, Vortrag gehalten anlässlich der Generalversammlung des Verbandes zur Hebung hauswirtschaftlicher Frauenbildung am 4. Juli 1910 im alten Rathaussaale in München, S. 5, in: www.literature.at [Hrsg.] URL: http://www.literature.at/webinterface/library/ALO-BOOK_V01?objid=1278, Stand: 17.02.2005

[24] Hitler, Adolf, Mein Kampf, S. 460 in: www.adolfhitler.ws [Hrsg.] URL: http://www.adolfhitler.ws/lib/books/dkampf/dkampf.htm, Stand: 17.02.05

[25] vgl.: Gruber, Prof. Max von, Mädchenerziehung und Rassenhygiene, Vortrag gehalten anlässlich der Generalversammlung des Verbandes zur Hebung hauswirtschaftlicher Frauenbildung am 4. Juli 1910 im alten Rathaussaale in München, S. 5, in: www.literature.at [Hrsg.] URL: http://www.literature.at/webinterface/library/ALO-BOOK_V01?objid=1278, Stand: 17.02.2005

[26] ebd. S. 22f

[27] vgl.: Hitler, Adolf, Mein Kampf, S. 459f in: www.adolfhitler.ws [Hrsg.] URL: http://www.adolfhitler.ws/lib/books/dkampf/dkampf.htm, Stand: 17.02.05

[28] Krieck, Ernst: Über Rasse. In: Völkisch-politisch Anthropologie, Bd. I, Leipzig 1938 zitiert nach Gamm,1990,

[29] Hitler, Adolf, Mein Kampf, S. 455 in: www.adolfhitler.ws [Hrsg.] URL: http://www.adolfhitler.ws/lib/books/dkampf/dkampf.htm, Stand: 17.02.05

[30] vgl.: Benz, 1993, S. 108f

[31] Benz,1993, S.110

Ende der Leseprobe aus 53 Seiten

Details

Titel
Mädchenerziehung im III. Reich
Untertitel
Verwirklichung des Nationalsozialistischen Frauenbildes im Bund Deutscher Mädel
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Philosophische Fakultät III - Erziehungswissenschaften)
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
53
Katalognummer
V92574
ISBN (eBook)
9783638065047
ISBN (Buch)
9783640099214
Dateigröße
683 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mädchenerziehung, Reich, Thema Bund deutscher Mädel
Arbeit zitieren
Franziska Henneberg (Autor:in), 2005, Mädchenerziehung im III. Reich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92574

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