Kooperative Dialogsysteme - Die Behandlung von Objektfehlern


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 2-3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
- Probleme bei der Programmierung kooperativer Dialogsysteme
- Der Ansatz von McCoy

2. Behandlung von Objektfehlern
- Klassifizierung von Objektfehlern; Auswahl einer Antwortstrategie
- Berechnung von Ahnlichkeitsbeziehungen
- Die aktive Perspektive
- Die Formel von Tversky

3. Anwendung an einem Beispiel
- Die alte Dame und das Fahrrad
- Kritik

4. Literatur

1. Einleitung

In naturlichsprachlicher Kommunikation zwischen einem Menschen und einer elektronischen Datenverarbeitungsanlage konnte sich folgender Dialog ergeben:1

U(ser): Wieviele Studenten haben 1996 in der AbschluBklausur Latein die Note "unbefriedigend" erhalten ?

S(ystem): Null.

U: 1st irgendjemand 1996 in der AbschluBklausur Latein durchgefallen ?

S: Nein.

U: Wieviele Studenten haben 1996 die AbschluBklausur Latein bestanden ?

S: Null.

U: Wurde 1996 eine AbschluBklausur Latein geschrieben ?

S: Nein.

Es liegt offensichtlich ein Problem oder Fehler vor. Die Antworten, die das System (S) dem fragenden Benutzer (U) gibt, sind formal durchaus korrekt. Doch auch wenn die Interaktion auf wortlicher Ebene erfolgreich abgelaufen ist, wurden Us kommunikative Bedurfnisse nach Information erst nach mehrmaligem Nachhaken befriedigt. Denn U prasupponiert einen unrichtigen Sachverhalt ("1996 wurde eine AbschluBklausur Latein geschrieben."), den ein kooperativer Dialogpartner zu korrigieren hatte, um gemaB Grice eine moglichst effektive Kommunikation herbeizufuhren. Eine Korrektur wurde jedoch nicht durchgefuhrt, da eine pragmatische Analyse ausblieb. Man nennt ein solches Verhalten "stonewalling".2

Kooperative Dialogsysteme sollen dem Benutzer entgegenkommen, indem sie ihn in seinen Bemuhungen unterstutzen, d.h., die Anstrengungen, die er unternehmen muB, um das gewunschte Ziel zu erreichen, minimieren helfen. Kurz: sie mussen kooperativ agieren.

Effekte wie das "Stonewalling" wirken gegenteilig. "'No matter how sophisticated [the] archival or reasoning capabilities [of future knowledge base systems], without development of their communicative powers, these systems will be less than fully useful.'"3

Im obigen Beispiel manifestiert sich einer der Problemtypen, die bei der Programmierung kooperativer Dialogsysteme auftreten. Hier eine knappe Ubersicht moglicher Problemtypen:

1) Kommunizieren ausschlieBlich auf Basis der wortlichen Bedeutung fuhrt zu Verletzungen der Griceschen Quantitatsmaxime (s.o.). Moglicher Unter- oder Uberinformativitat wird von Gal/Minker 1990 entgegenzuwirken versucht. Diese Arbeit befaBt sich mit der Auswahl der fur eine kooperative Antwort wichtigen Informationen. Oft beinhaltet der wortliche Ausdruck auch eine tiefere, zu inferierende Bedeutung. Wird diese Bedeutung, das eigentlich Gemeinte, ubersehen, ergeben sich ebenfalls miBverstandliche und problematische Situationen (z.B. Metaphernerkennung).

2) MiBverstandnisse oder Fehlannahmen des Benutzers fuhren zu unkooperativem Verhalten des Systems, wenn sie von diesem nicht als solche erkannt werden. Hier einige mogliche Fehlertypen:

- Prasuppositionsfehler:

U: Was macht der Konig von Frankreich sonntags ?

S: Nichts.

Selbst wenn die Antwort nicht unwahr ist, suggeriert sie doch die Existenz eines Konigs von Frankreich. Die fehlerhafte Information bleibt in der Datenbasis von U weiterhin vorhanden und kann so in zukunftigen Dialogsituationen zu erneuten MiBverstandnissen fuhren. Mit dem Erkennen und Bearbeiten von Prasuppositionsfehlern befassen sich die Arbeiten von Gal/Minker (1990) und Kaplan (1982).

- Objektfehler

treten auf, wenn der Benutzer ein Objekt einer falschen Klasse zuordnet oder ihm falsche Eigenschaften zuschreibt. Diese Fehlerklasse wurde ausfuhrlich von McCoy behandelt und ist Gegenstand dieser Arbeit.

- Planungsfehler

Dem beabsichtigten Vorgehen eines Benutzers liegt ein unangemessener Plan oder falsche Einschatzung der notwendigen Voraussetzungen zu seiner Ausfuhrung zugrunde:

U: Ich habe das Lenkrad bedient, aber das Auto fahrt nicht los.

Die Aufgabe des Systems besteht hier nicht nur darin, die Fehlerhaftigkeit des Planes anzuzeigen, sondern auch in der Bereitstellung eines funktionierenden Alternativplans. Quilici 1988, 1989a, 1989b hat sich eingehend mit diesem Problem beschaftigt.

Die Herangehensweisen an solche Probleme variieren stark. Die Arbeitsmethoden reichen vom syntaktischen Zerlegen (Kaplan 1982) uber das Inferieren der Absichten und Ziele des

Benutzers (Carberry 1987) bis hin zur Bildung von abstrakten Mustern, mit denen die notwendigen Informationen gesammelt und geordnet werden (Quilici).

Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich mit dem Ansatz von Kathleen McCoy bezgl. der Objektfehler. Fehlinformiertheit des Benutzers uber die Art oder die Eigenschaften von Objekten sollen erkannt und berichtigt werden. Hierzu findet eine Berechnung der Ahnlichkeitsbeziehungen statt, um die vom Benutzer falschlich eingebrachte Information zu korrigieren. Dieser Ansatz soll nun im gebotenen Rahmen erortert (Kap. 2) und anschlieBend an einem Beispiel durchexerziert (Kap. 3) werden.

Da sich diese Darstellung vom Ablauf her eng an den Arbeiten von McCoy orientiert (v.a. McCoy 1988; 1989b), wurden nur wortliche Zitate und problematische Gedankengange herkunftsmaBig belegt.

2. Behandlung von Objektfehlern

Das von Kathleen McCoy programmierte Dialogsystem ROMPER (Responding to Object- related Misconceptions using PERspective) arbeitet mit verschiedenen Strategien, durch die Fehlannahmen des Benutzers widerlegt werden konnen. Da der Auswahl der entsprechenden Strategie eine Klassifikation des Fehlertyps vorausgeht und so von der Domane abstrahiert wird, ist das Vorgehen auf jeden beliebigen Themenbereich anwendbar (sofern sich entsprechende semantische Eintrage im Lexikon der Maschine finden). Es basiert auf folgenden grundsatzlichen Ideen:

Klassifizierung von Objektfehlern; Auswahl einer Antwortstrategie Offensichtlich liegen im usermodel (Wissen, das das System uber die Datenbestande des Benutzers hat) falsche Informationen uber die Art oder Eigenschaften von Objekten vor. Bei solchen Objektfehlern werden zwei Typen unterschieden:

1) misclassifications und
2) misattributions4

1) misclassification (ein Objekt wird einer falschen Klasse zugeordnet)

Die falschliche Annahme des Benutzers laBt sich formalisieren als ,,X is-a Y"5, d.h. ,,X gehort in die Gruppe der Ys". In diesem Fall wahlt ROMPER eine folgender drei Antwortstrategien aus:

I) ,,like super"6

U: Ich dachte, Wale waren Fische

S: Nein, sie sind Saugetiere. Du hast gedacht, sie waren Fische, weil sie Flossen haben und im Wasser leben. Sie sind aber Saugetiere, denn sie haben Lungen (wahrend Fische Kiemen haben) und saugen ihre Jungen mit Milch.

Antwortstrategie: Obwohl sich X (Wal) und die Klasse der Y (Fisch) ahnlich sind (denn sie haben gleiche Merkmale), gibt es doch unterschiedliche Merkmale, die eine Einordnung von X in die Klasse der Y nicht zulassen:

,,1. X is-NOT-a Y
2. X is-a Type-of (X)
3. X is like Y because both share attributes-of (X) attributes-of (Y)
4. BUT X has attributes-of (X) - attributes-of (Y)
5. While Y has attributes-of (Y) - attributes-of (X)"7

II) ,,like some super"8

Man spricht uber Haie, kommt dann zu Walen als Saugetieren.

U: Ich dachte, Wale waren auch Fische.

S: Nein, sie sind Saugetiere. Du hast gedacht, sie waren Fische, denn sie sind anderen Fischen, Haien, sehr ahnlich, weil sie groBe Wassertiere sind und die Menschen erschrecken. Wale sind jedoch Saugetiere, denn sie haben Lungen (wahrend Fische Kiemen haben) und saugen ihre Jungen mit Milch.

Antwortstrategie: Obwohl eine Ahnlichkeitsbeziehung zwischen X (Wal) und einem Vertreter der Klasse Y (z.B. Hai) besteht, gibt es doch unterschiedliche Merkmale, die eine Einordnung von X in die Klasse der Y nicht zulassen:

,,1. X is-NOT-a Y

2. X is-a Type-of (X)

3. _ Z(Z is-a Y _ X is like Z

because both have attributes-of (X) _ attributes-of (Z))

4. HOWEVER X is-a Type-of (X)

because X has attributes-of (Type-of (X)) - attributes-of (Y)"9

III) no support

U: Ich dachte, Wale waren Fische.

S: Nein, sie sind Saugetiere.

S konnte nicht feststellen, was zur Verwechslung fuhrte, und berichtigt deshalb die Aussage Us ohne Angabe von Grunden.

2) misattribution (einem Objekt werden falsche Merkmale/Eigenschaften zugeschrieben)

Die falschliche Annahme des Benutzers laBt sich formalisieren als

,,X has attribute Y with value V"10, d.h. ,,X hat als Merkmal Y den Wert V". Es stehen

wiederum drei Antwortstrategien zur Auswahl:

I) ,,wrong object"11

Diskussion uber Meerestiere, dann uber Haie und ihre Eigenschaften. Man kommt zu Walen. U: Ich dachte, Wale hatten Kiemen ?

S: Nein, sie atmen mit Lungen. Dachtest Du an Haie ?

Antwortstrategie: Anbieten eines anderen Objektes, das dem aktuellen Objekt sehr ahnlich ist und auf das das Merkmal jedoch zutrifft, denn die Atmungsorgane (Y) des Wals (X) werden vom Benutzer als Kiemen (V) identifiziert.

Vermutung: User verwechselt das aktuelle Objekt mit einem anderen, das den gewunschten Wert V bezgl. Merkmal Y hat:

,,1. X does not have attribute Y with value V

2. X has attribute Y with value W

3. Z(Z has attribute Y with value V) did you mean Z ?"12

II) ,,wrong attribute"13

U: Ich dachte, Wale hatten Kiemen.

S: Nein, sie atmen mit Lungen. Meintest Du, sie haben Flossen ?

[...]


1 Nach Kaplan 1982:166

2 ebd.

3 Webber, o.A. zit. nach Gal/Minker 1990:223

4 zum Folgenden z.B. McCoy 1988: 55-57

5 McCoy 1989a: 238;239

6 verwechseltes Objekt ist ,,ähnlich einer Superordinate"

7 ebd. 238

8 verwechseltes Objekt ist ,,ähnlich einem Vertreter der Superordinate"

9 ebd. 239

10 ebd. 241

11 ein ,,falsches Objekt" wird benutzt, das ähnliche Merkmale aufweist wie das gemeinte

12 ebd.

13 dem Objekt werden ,,falsche Merkmale" zugeschrieben

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Kooperative Dialogsysteme - Die Behandlung von Objektfehlern
Note
2-3
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V97476
ISBN (eBook)
9783638959285
ISBN (Buch)
9783656068051
Dateigröße
401 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kooperative, Dialogsysteme, Behandlung, Objektfehlern
Arbeit zitieren
Berthold Metz (Autor:in), 2005, Kooperative Dialogsysteme - Die Behandlung von Objektfehlern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97476

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