Das Tapfere Schneiderlein - Märchenforschung und ihre Didaktik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

20 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Schwankmärchen – kurze Charakterisierung der Zwischengattung

3. Überlieferung

4. Analyse und Interpretation
4.1 Verschiedene Ebenen der Interpretation
4.2 Literaturwissenschaftliche Interpretation

5. Didaktische Konzeptionen

6. Lehrplanbezug

7. Märchen in der Grundschule

8. Der kognitive Entwicklungsstand nach Piaget

9. Methodische Überlegungen

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Volksmärchen ist ein problematischer Begriff, da das Volk als kollektiver Erzähler nicht greifbar ist und jeder als Volksmärchen ausgegebener Text deutliche Spuren individueller Bearbeitung trägt. Als Prototyp können die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm gelten“ (Freund 1996, S. 182).

Jolles (1982, S. 219) spricht sogar von der „Gattung Grimm“ und stellt die These auf, dass man ein literarisches Gebilde dann als Märchen anzuerkennen pflege, wenn es mehr oder weniger mit dem übereinstimmt, was in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm zu finden ist.

Inwieweit das Volk als Märchenschöpfer bezeichnet werden kann ist in der einschlägigen Literatur umstritten. Aufgrund seiner Formuntersuchung, die den sehr bestimmten Stilwillen des Märchens aufzuzeigen bemüht war, vermutet Lüthi (1992, S. 93), das Märchen als reine Dichtung sei das Werk hoher Künstler, von denen es zum Volk herabkommt. Dieses selbst sei Märchenträger und Märchenpfleger, nicht jedoch Märchenschöpfer.

Diese Frage wurde bereits, wie aus einem von Jolles (1982, S. 221ff) dargelegten Briefwechsel zwischen Jacob Grimm und Achim von Arnim hervorgeht, heiß diskutiert. In diesem Briefwechsel geht es um die Streitfrage, ob ein Gegensatz zwischen Naturpoesie und Kunstpoesie existiert, oder nicht. Grimm ist der Auffassung die Volkspoesie, zu der Märchen zählen, trete „aus dem Gemüt des Ganzen“ hervor, die Kunstpoesie hingegen sei von einzelnen Dichtern geschaffen. Für ihn ist Kunstpoesie eine „Zubereitung“ und Naturpoesie ein „Sichvonselbermachen“. Arnim leugnet diesen Gegensatz gänzlich und behauptet, Volksdichtung im Sinne der Grimms gebe es nicht, es gebe nur Dichter und jeder Dichter, der als solcher anerkannt wird, sei zugleich ein Volksdichter.

Es scheint auch wichtig in der Einleitung zu erwähnen, dass die Grimms ihre Märchen keineswegs direkt aus dem Volk bezogen, wie lange Zeit geglaubt und von den Brüdern Grimm auch suggeriert wurde. Sie griffen vielmehr auf bereits in Literaturform vorliegende Fassungen (z.B. Basile, Perrault) zurück. Die mündlichen Überlieferungen, die sie für ihre Kinder- und Hausmärchen nutzten, bezogen sie auch nicht direkt aus dem einfachen Volk, sondern von gebildeten Personen (z.B. Hasselpflug, Wild) (vgl. Freund 1996, S. 187 ff).

Jacob Grimm ging es darum, die Kinder- und Hausmärchen so aufzuschreiben, wie er sie empfangen hat, obwohl er sich bewusst war, dass er dies nicht wirklich tat. Er behauptet, es sei nicht möglich etwas völlig angemessen zu erzählen, charakterisiert aber Märchen als eine „Sache“ die vollkommen sich selbst bleiben kann, auch wenn sie in anderen Worten erzählt wird (vgl. Jolles 1982, S. 15ff).

Willhelm Grimm hingegen nahm noch bewusstere Stilisierungen vor, indem er Anstößiges ausmerzte und im Sinne bürgerlichen Wohlverhaltens moralisierte (Wiederspruch zu Lüthi), so dass die Märchen besser in die Kinderstuben, den hauptsächlichen Leserkreis, passten (vgl. Freund 1996, S. 189). An dieser Stelle scheint es jedoch wichtig zu erwähnen, dass die Grimms Märchen ursprünglich (1. Ausgabe 1812) nicht an Kinder adressiert waren.

Aarne und Thompson (1928, zit. nach Freund 1996, S. 182) erstellten ein Verzeichnis aller in den Kinder- und Hausmärchen vorkommender Märchentypen. Die erste Hauptgruppe bilden die Tiermärchen, in denen Tiere die Handlungsträger sind. Ihnen folgen in der zweiten Hauptgruppe die eigentlichen Märchen, aufgeteilt in Zauber- und Wundermärchen, in denen der übernatürliche Faktor eine entscheidende Rolle spielt, die legendenartigen Märchen, in denen Gott lohnt und bestraft, novellenartige Märchen um Liebe, Treue, Schicksalsmächte und Verbrechen und schließlich die Märchen vom dummen Teufel, womit Riesen gemeint sind. In diesen steht der Wettstreit zwischen Mensch und Unhold im Mittelpunkt. In der dritten und abschließenden Hauptgruppe sind die Schwankmärchen zusammengefasst, in denen der Einfallsreiche und listige die Oberhand behält. Diese Hauptgruppe soll im Folgenden näher charakterisiert werden.

2. Schwankmärchen – kurze Charakterisierung der Zwischengattung

Das Schwankmärchen wird von Solms (1999, S. 98) als Zwischengattung bezeichnet, die Zaubermärchen und Schwank miteinander verbindet.

Das Märchenwunder wird hier durch betrügerische Kniffe des Helden ersetzt. Bloch, ein sozialkritischer und materialistischer Märchenforscher sowie Fetscher, ein Frankfurter Politologe, bezeichnen das Schwankmärchen sogar als eine Parodie des Märchenwunders. Diese Märchengattung setzt, im Gegensatz zum Zaubermärchen, den Glauben an das Wunder nur noch bei den Nebenfiguren voraus, nicht mehr bei dem Helden, der sich seiner betrügerischen Kniffe natürlich bewusst ist. Das Schwankmärchen lässt sich durch seinen Bezug zum Wunder sowohl vom Zaubermärchen wie vom Schwank unterscheiden. Es übernimmt vom Zaubermärchen und von der Sage die wunderbaren Figuren (Riesen, Teufel), das Wunder an sich aber fehlt. (vgl. Solms 1999, S. 98).

Der Held ist klein, schwach sowie mutig und oft auch klug. Er behält stets die Oberhand über die großen, starken und bösen Gegner. Den Sieg des körperlich Schwächeren über den Stärkeren durch Schlauheit und Mut könnte man somit als allgemeines Thema der Schwankmärchen bezeichnen. Bei dem Jungen, der das fürchten lernen wollte, tritt jedoch an die Stelle der Schlauheit, die ungerechte Behandlung seitens des Vaters (vgl. Solms, S. 99).

Der Märchenschwank führt nach Lüthi (1997, S. 89) die universale Kontaktfähigkeit des Helden bewusst ad absurdum und verlacht so den tiefen Glauben des Märchens. An die Stelle der Richtigkeit des Geschehens tritt bei ihm der Humor des Geschehens. Lüthi vertritt die Ansicht, das eindringen von Schwankzügen zerstöre das Märchen, indem diese die Selbstverständlichkeit, mit der das Wunder erfahren wird und vom Wunder erzählt wird, in Frage stelle. (Lüthi , zit. nach Solms 1999, S. 98).

Teufel, Engel Gott und die Apostel gehören eigentlich nicht ins Märchen, sie sind nur unechte Vertreter der wirklichen Märchenjenseitigen und schleichen sich besonders gern in Schwankmärchen ein, das überhaupt der Vermischung offen steht (vgl. Lüthi 1997, S. 57).

3. Überlieferung

In den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ist in der Ausgabe letzter Hand unter der Nr. 20 und dem Titel „Das tapfere Schneiderlein“ die Fassung eines Schwankmärchens zu lesen, das aus drei Texten zusammengefügt ist. Den Anfang machten die Herausgeber mit einer fast wortgetreuen Abschrift aus dem um 1557 erschienenen „Wegkürzer“ des Martin Montanus. Die Abschrift trug die Nr. 1 in der ältesten grimmschen KHM- Sammlung von 1810. Die Fassung wurde unter dem Titel „Von einem tapfern Schneider“ als Version 1 im ersten Band der Erstausgabe von 1812 veröffentlicht. Die zweite Fassung, ein Fragment, folgte dort als Nr. 20,2. Sie war mündlich durch die Familie Hasenpflug beigetragen worden; datiert ist sie auf den 10.2.1812. Die Herkunft der dritten Fassung ist nicht bekannt; bekannt ist lediglich, dass sie aus Hessen stammt.

Es existieren zahlreiche „verwandte“ Fassungen aus aller Welt. Bei manchen dieser Fassungen fällt der gelegentliche Versuch auf, das Schwankmärchen an das Zaubermärchen anzunähern. So trägt der Schneider aus Franz Xaver von Schönwirths oberpfälzischer Erzählung „ Der Schneider und die Riesen“ nicht etwa einen ruhmredig selbstbestickten Gürtel, sondern ein gefundenes rotes Band, das magisch leitende Kraft entfaltet und entsprechend die Inschrift wechselt.

4. Analyse und Interpretation

4.1 Verschiedene Ebenen der Interpretation

Märchen lassen sich auf sehr verschiedenen Ebenen analysieren und interpretieren. Zu unterscheiden sind literaturwissenschaftliche, volkskundliche, psychologische und soziologische Interpretationen.

Die Volkskunde untersucht die Märchen als kultur- und geistesgeschichtliche Dokumente und beobachtet ihre Rolle in der Gemeinschaft (vgl. Lüthi 1997, S. 98). Sie fragt nach dem Bezug der Märchen zur Wirklichkeit, danach beispielsweise, was wir durch das Märchen über die Lebensweise des Volkes zu einer bestimmten Zeit erfahren (vgl. Payrhuber 2003).

Die Psychologie nimmt die Erzählungen als Ausdruck seelischer Vorgänge und fragt nach ihrem Einfluss auf den Hörer oder Leser (vgl. Lüthi 1997, S. 98).

Die Literaturwissenschaft sucht zu bestimmen, was das Märchen zum Märchen macht.; sie möchte die Wesensart der Gattung und auch der einzelnen Erzählung erfassen und stellt, wie die Volkskunde, zudem die Frage nach Ursprung und Geschichte der verschiedenen Märchentypen (vgl. Lüthi 1997, S. 98)

Die Soziologische Märchenforschung fragt schließlich nach der sozialen Funktion des Märchens zu seiner vermutlichen Entstehungszeit (vgl. Payrhuber 2003).

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Tapfere Schneiderlein - Märchenforschung und ihre Didaktik
Hochschule
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Veranstaltung
Märchenforschung und ihre Didaktik am Beispiel der Grimmschen Märchen
Note
2,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V60454
ISBN (eBook)
9783638541299
ISBN (Buch)
9783638954129
Dateigröße
407 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tapfere, Schneiderlein, Märchenforschung, Didaktik, Märchenforschung, Didaktik, Beispiel, Grimmschen, Märchen
Arbeit zitieren
Jochen Bender (Autor:in), 2004, Das Tapfere Schneiderlein - Märchenforschung und ihre Didaktik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60454

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