Haftungsrecht im Internet - Ein Ratgeber für Forenbetreiber


Fachbuch, 2008

101 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Fall 1: Haftung des Forenbetreibers für einen eigenen Beitrag

Fall 2: Zu Eigen machen eines fremden Beitrags

Fall 3: Zu Eigen machen eines fremden Beitrags bei Vorgabe der Struktur des Forums

Fall 4: Zu Eigen machen durch Anonymisierung der Beiträge?

Fall 4: Zu Eigen machen eines Beitrags im Laufe der Zeit

Sollte ein Distanzierungshinweis in die Nutzungsbedingungen eines Forums aufgenommen werden?

Fall 6: Muss ein Forenbetreiber eine Vorabkontrolle aller Beiträge machen, bevor sie online gestellt werden?

Fall 7: Sollte ein Forenbetreiber eine Vorabkontrolle aller Beiträge machen, bevor sie online gestellt werden?

Fall 8: Eigene Inhalte bei Erstellung im Auftrag oder auf Anordnung des Anbieters (nachgebildet OLG Hamburg, Urteil vom 26.9.2007, Az.: 5 U 165/06)

Fazit Fall 1-8:

Fall 9: Kenntniserlangung einer Rechtsverletzung durch einen Beitrag - Pflicht zur Entfernung

Fall 11: Kenntnis einer Rechtsverletzung bei pauschalem Hinweis?

Fall 12: Kenntnis einer Rechtsverletzung - Darlegung der Rechteinhaberschaft

Fall 13: Kenntnis einer Rechtsverletzung - Nachforschungspflicht des Forenbetreibers

Fall 14: Kenntnis einer Rechtsverletzung - Beurteilung von Rechtsfragen

Fall 15: Erstattungsfähigkeit des Anwalthonorars nach Hinweis auf einen rechtswidrigen Beitrag

Fazit Fälle 9-15 - Pflicht zur Löschung eines rechtswidrigen Beitrags

Fall 16: Schadensersatzanspruch nach Hinweis auf einen rechtswidrigen Beitrag

Fall 17: Pflicht zur Verhinderung gleichartiger Verstöße im Forum? - Persönlichkeitsrechtsverletzung

Fall 18: Pflicht zur Verhinderung gleichartiger Verstöße im gleichen Thread? - Persönlichkeitsrechtsverletzung

Darf ich über die Entfernung des Beitrags im Forum berichten?

Fall 19: Pflicht zur Verhinderung gleichartiger Verstöße? - Urheberrechtsverletzung

Vorbeugender Unterlassungsanspruch bei Erstbegehungsgefahr

Das Urteil des LG Düsseldorf zu einem Sharehoster

Ist eine proaktive Kontrolle aller neuen Beiträge nach dem ersten Rechtsverstoß sinnvoll?

Fall 18: Trotz Filter ein neuer Beitrag mit rechtsverletzendem Inhalt

Fazit Fälle 16-20

Fall 21: Auskunftspflicht bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung

Fall 22: Auskunftsanspruch bei einer Urheberrechtsverletzung

Anhang 1: Vertiefende rechtliche Darstellungen zu ausgewählten Themenbereichen

Anhang 2: Abmahnungen

Anhang 3: Ausgewählte Urteile zur Haftung im Internet in der Übersicht

Anhang 4: Auszüge aus einigen Urteilen

Anhang 5: Gesetzestexte

Anhang 6: Über den Autor

Fall 1: Haftung des Forenbetreibers für einen eigenen Beitrag

Sachverhalt:

W.R. startet ein Forum zum Thema "Missstände bei großen deutschen Unternehmen". Um die Diskussion anzuschieben, zieht er gleich richtig über den Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens Siemensius AG her und um diesen bei seinen Lesern zu diskreditieren, schmückt er seinen Beitrag mit einem Hinweis auf dessen Vorbestrafung wegen Untreue und Betrugs aus. Es gab zwar tatsächlich einmal ein entsprechendes Verfahren, in dem wurde der Vorstandsvorsitzende aber frei gesprochen, ein Fakt den W.R. nicht erwähnt. Welche Ansprüche könnten gegen W.R. bestehen?

Lösung:

W.R. verbreitet eine falsche Tatsachenbehauptung. Der Beitrag stammt alleine von ihm und er muss die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen tragen, ist also Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen (§ 1004 BGB i.V.m. § 823 I BGB, § 823 II BGB i.V.m. §§ 185, 186 StGB) ausgesetzt und hat sich zudem strafbar gemacht. Irgendwelche internetspezifischen Fragestellungen wirft dieser Sachverhalt nicht auf. W.R. bedient sich zur Verbreitung seiner falschen Aussagen einfach nur des Mediums Internet und muss hierfür einstehen. § 7 I des Telemediengesetzes (TMG) unterstreicht diese Selbstverständlichkeit mit der Formulierung, dass Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind.

Fazit:

Wer als Forenbetreiber eigene Beiträge mit rechtswidrigem Inhalt schreibt, haftet für diese.

Ergänzender Hinweis:

Es ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich, ob die Inhalte auf eigenen oder fremden Servern gespeichert sind. Auch in letztem Fall hat der Forenbetreiber die Möglichkeit, auf die Informationen zuzugreifen und sie ggf. zu löschen.

Fall 2: Zu Eigen machen eines fremden Beitrags

Sachverhalt:

S.O., der W.R. einen "Streich" spielen will, schreibt in dessen Forum den in Fall 1 genannten rechtswidrigen Beitrag. Ist dieser dem Forenbetreiber zurechenbar?

Lösung:

Ein Vorgehen gegen den Urheber einer Äußerung scheitert oft schon an dem rein faktischen Problem der Unkenntnis von dessen Identität. Der in seinen Rechten Verletzte wird sich daher in den meisten Fällen zunächst an den Betreiber des Forums halten.

An dieser Stelle wird es zum ersten Mal "richtig juristisch", denn eine wichtige Weichenstellung ist die Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Inhalten. Die Unterscheidung ist deshalb so wichtig, weil fremde Inhalte zunächst ohne Kenntnis von ihnen keine Schadensersatzansprüche auslösen (das wird in späteren Fällen natürlich noch vertiefter und differenzierter dargestellt) und keine strafrechtliche Verantwortlichkeit besteht. Für eigene Beiträge hingegen ist der Betreiber umfassend verantwortlich.

Die Abgrenzung zwischen eigenen und fremden Inhalten ist nun leider nicht so ganz einfach, wie es sich auf den ersten Blick anhört. Man könnte ja glauben, eigene Inhalte seien nur diejenigen, die man auch selber geschrieben hat. Das ist sicher ein erster Ausgangspunkt, aber die Rechtsprechung kennt die Konstruktion des "Zu Eigen machens" von Inhalten, d.h. dass Beiträge, die von jemand anderem stammen, also hier im konkreten Fall von einem Dritten in das Forum gepostet wurden, dem Betreiber des Forums unter gewissen Umständen zugerechnet werden können. Wir unterscheiden also letztlich auf der einen Seite eigene bzw. zu Eigen gemachte Inhalte und auf der anderen Seite fremde Inhalte.

Entscheidend für die Abgrenzung ist nicht, ob sich der Betreiber des Forums die fremden Beiträge zu Eigen machen will, sondern ob er sich aus der Sicht eines Durchschnittsnutzers mit deren Inhalt identifiziert. Allein die Kenntlichmachung eines fremden Inhalts als eines solchen (unter dem Beitrag wird meistens ein Nickname oder ähnliches stehen) schließt deshalb die Zurechnung zu einem Anbietern keineswegs zwingend aus. Sie sagt allenfalls aus, dass der Forenbetreiber den Beitrag nicht selbst verfasst hat, nicht aber, ob er sich mit ihm identifiziert. Will er dies vermeiden, verlangt die Rechtsprechung in der Regel eine eigene und ernsthafte Distanzierung des Erklärenden von den Äußerungen des Dritten.

Jetzt kann man aber gut argumentieren, dass aus Sicht eines Durchschnittsrezipienten doch klar sein muss, dass der Betreiber eines Forums nicht hinter allen Beiträgen steht, die sich häufig auch widersprechen werden.

Für Auktionsanbieter hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits entschieden, dass die einzelnen eingestellten Verkaufsangebote für den Betreiber fremde Inhalte sind (Urteil vom 11.3.2004, Az. I ZR 304/01, MMR 2004, 668 ff.; ebenso LG Berlin, Urteil vom 25.2.2003, Az. 16 O 476/01, MMR 2004, 195, 196 f.; LG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2002, Az. 4a O 464/01, CR 2003, 211, 213 f.; LG Potsdam, Urteil vom 10.10.2002, Az. 51 O 12/02, CR 2003, 217, 218 f.; Leible/Sosnitza, WRP 2004, 592, 595 f.). Und auch für Foren dürfte dieser Grundsatz immer mehr Befürworter finden. Zutreffend geht das OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.4.2006, Az. 15 U 180/05, AfP 2006, 267) z.B. davon aus, dass es bei einem Meinungsforum auf der Hand liegt, dass es sich bei den wiedergegebenen Beiträgen, die ganz unterschiedliche Meinungen spiegeln können, nicht in jedem Fall um die Meinung des Betreibers des Forums handeln muss, er sich also mit diesen nicht schon dadurch identifiziert und sie sich zu Eigen macht, dass die Beiträge in dem Forum stehen (anders noch ein Urteil des OLG München aus dem Jahr 2002, vgl. OLG München, Urteil vom 17.5.2002, Az. 21 U 5569/01, MMR 2002, 611 ff., in dem das Gericht noch die Ansicht vertreten hat, dass sich alleine aus dem Charakter eines Angebots als Meinungsforum nicht ergebe, dass sich der Anbieter von den Inhalten Dritter distanziere).

Alleine dadurch, dass der Beitrag des S.O. im Forum des W.R. steht, macht sich dieser den Eintrag also noch nicht zu Eigen. Es handelt sich für W.R. um einen fremden Inhalt.

Fazit:

Ein Forenbetreiber haftet umfassend nicht nur für eigene, sondern auch für zu Eigen gemachte Beiträge. Ein zu Eigen Machen liegt nicht alleine aufgrund der Bereitstellung des Forums vor.

Fall 3: Zu Eigen machen eines fremden Beitrags bei Vorgabe der Struktur des Forums?

Sachverhalt:

Wie in Fall 2 schreibt S.O. wieder den rechtswidrigen Beitrag in das Forum des W.R. Dieser hatte das Forum durch die Einführung von Rubriken (Verhalten der Geschäftsführung / Die Siemensios AG in der Öffentlichkeit / Mein Arbeitsplatz / Private Schafkopftermine) zuvor strukturiert. Ändert sich nun am Ergebnis von Fall 2 etwas, d.h. kann dem W.R. jetzt der Beitrag des S.O. zugerechnet werden?

Lösung:

Entscheidend ist hier wiederum, ob eigene Inhalte des Forenbetreibers vorliegen. Vermag also die Vorgabe einer Struktur bei einem Durchschnittsbesucher den Eindruck erwecken, der Betreiber identifiziere sich mit den Einträgen? An sich sollte es selbstverständlich sein, dass ein Forenbetreiber einen gewissen Rahmen vorgibt. An der grundsätzlichen Überlegung, dass Besucher eines Forums durchaus einzuschätzen in der Lage sind, dass der Betreiber sich nicht mit jedem Beitrag identifiziert, ändert die Unterteilung in verschiedene Kategorien nichts.

Der BGH ist von diesem Ergebnis wie selbstverständlich ausgegangen, als er über die Haftung eines Internetauktionshauses entschieden hat, bei dem verschiedene Produktkategorien vorgegeben waren (Urteil vom 11.3.2004, Az. I ZR 304/01, MMR 2004, 668 ff.; Urteil vom 19.4.2007, Az. I ZR 35/04, MMR 2007, 507 ff.). Unter dem Eindruck dieser Entscheidungen des BGH und der in Fall 2 erwähnten des OLG Düsseldorf (Urteil vom 26.4.2006, Az. 15 U 180/05, AfP 2006, 267) wirkt daher ein etwas älteres Urteil des OLG Köln (Urteil vom 28.4.2002, Az. 15 U 221/01, MMR 2002, 548 f.) heute überholt. Das OLG begründete die Annahme eigener Inhalte noch damit, dass der Betreiber grob strukturiert die Infrastruktur der Communities vorgebe, indem er Themenschwerpunkte bilde und eine bildliche oder textliche Ausgestaltung der Beiträge vorschreibe. Auf diese Weise wirke er initiierend und lenkend auf die Schaffung überhaupt wie auch auf die Inhalte der Communities ein.

Es ist jedoch nicht ganz auszuschließen, dass die Strukturierung eines Webforums bei der Frage nach einem zu Eigen machen von Inhalten noch eine Rolle spielen könnte. Dies dürfte aber auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, bei denen sich bereits aus dem Titel der vorgegeben Kategorie die Identifizierung mit den Beiträgen ergibt. Dies wäre z.B. bei einer Rubrik "Beleidigungen des Vorsitzenden" denkbar.

Fazit:

Die typischen Rubrikenvorgaben eines Forenbetreibers führen alleine nicht zur Annahme, er mache sich die einzelnen Beiträge zu Eigen.

Fall 4: Zu Eigen machen durch Anonymisierung der Beiträge?

Sachverhalt:

Wie in Fall 2 schreibt S.O. wieder den rechtswidrigen Beitrag in das Forum des W.R. Zum Posten des Beitrags ist keine Registrierung erforderlich und der Beitrag erscheint im Forum unter dem Pseudonym „Killer“. Ändert sich nun am Ergebnis von Fall 2 etwas, d.h. kann dem W.R. jetzt der Beitrag des S.O. zugerechnet werden?

Lösung:

Alleine die Möglichkeit, einen Dienst anonym bzw. unter Verwendung eines Pseudonyms nutzen zu dürfen, führt nicht zur Annahme eines zu Eigen Machens der Beiträge. Das OLG Brandenburg hat dies in seinem Urteil vom 16.12.2003, Az. 6 U 161/02 wie folgt für Auktionshäuser begründet: „Nach § 4 Abs. 6 TDDSG (jetzt § 13 Abs. 6 TMG) ist die Beklagte verpflichtet, den Nutzern ihrer Plattform die Möglichkeit zu geben, unter einem Pseudonym aufzutreten. Eine gesetzliche Verpflichtung kann jedoch nicht dazu führen, daß eine fremde Information zu einer eigenen wird. Das gesetzliche Gebot kann nicht zum Nachteil der Beklagten wirken. Die Beklagte zwingt zudem keinen Nutzer zur Verwendung eines Pseudonyms, sondern verlangt von den Teilnehmern der Plattform lediglich die Auswahl eines Nutzernamens, der auch dem bürgerlichen Namen entsprechen kann.“

Fazit:

Alleine durch die Einräumung der Möglichkeit, Beiträge unter einem Pseudonym zu schreiben, macht sich der Anbieter diese nicht zu eigen.

Ergänzender Hinweis:

Zu einem zu Eigen machen von Forenbeiträgen führt ebenfalls nicht:

- Die Übertragung von Nutzungsrechten an den Beiträgen in den Nutzungsbedingungen. Dies stellt in der Regel eine reine Vorsichtsmaßnahme dar, um sich gegen Ansprüche der Nutzer gegen die Veröffentlichung abzusichern. Forenbetreiber wollen damit verhindern, dass Nutzer zu einem späteren Zeitpunkt ein Entfernen ihres Beitrags, gestützt auf ihr Urheberrecht, verlangen können.
Typische Formulierungen sind:

Die Nutzer räumen durch die Veröffentlichung ihrer Beiträge ... an diesen ein Nutzungs- und Vermarktungsrecht ein, welches ... zur unbeschränkten Veröffentlichung, Vervielfältigung, Vermarktung und Verbreitung berechtigt. Das Urheberrecht des Nutzers bleibt hiervon unberührt.

- Der wirtschaftliche Nutzen des Angebotes. Alleine wegen der Wirtschaftlichkeit eines Angebotes, also z.B. dadurch, dass Google AdSense verwendet wird und auf der Seite mit dem Posting Werbung eingeblendet wird, haftet der Anbieter nicht automatisch schärfer und wird er auch nicht von den noch zu diskutierenden Haftungsprivilegierungen der §§ 8 ff. TMG ausgeschlossen.

Fall 5: Zu Eigen machen eines Beitrags im Laufe der Zeit?

Sachverhalt:

Immer länger steht der Beitrag von S.O. im Forum des W.R. Eine Woche, ein Monat, ein Jahr. W.R. der mit vielen anderen Dingen beschäftigt ist, liest ihn nie und erfährt auch von dritter Seite nie von ihm. Könnte alleine durch diese Zeitdauer irgendwann ein zu Eigen machen des Beitrags begründet werden?

Lösung:

Nein, zwar gab es einmal vom LG Trier (Urteil vom 15.5.2001; Az. 4 O 106/00, MMR 2002, 694 f.) hinsichtlich eines Eintrags in einem Gästebuch die Überlegung, dass ein zu Eigen machen auch ohne Kenntnis alleine durch den Lauf der Zeit möglich sei und hat das Gericht eine wöchentliche Kontrolle der Inhalte gefordert, doch hat dem der BGH mit seinem Ricardo-Urteil einen Riegel vorgeschoben (Urteil vom 11.3.2004, Az. I ZR 304/01, MMR 2004, 668 ff.). Es gibt kein zu Eigen machen durch Unterlassen. Überholt ist damit in gleicher Weise ein Urteil des LG Düsseldorf (Urteil vom 14.8.2002; Az. 2a O 312/01, MMR 2003, 61), wonach ein Gästebuch mit einer überschaubarer Zahl von Einträgen (ca. 80 in einem Jahr) zumindest einmal im Monat zu kontrollieren sei.

Fazit:

Alleine dadurch, dass ein Beitrag lange Zeit in einem Forum steht, macht sich der Betreiber diesen nicht zu Eigen.

Sollte ein Distanzierungshinweis in die Nutzungsbedingungen eines Forums aufgenommen werden?

Distanzierungshinweise in den Nutzungsbedingungen eines Forums wie "Der Betreiber distanziert sich von den Äußerungen im Forum. Für die Einträge sind alleine die Verfasser verantwortlich." (sog. Disclaimer) mögen dessen Betreiber etwas beruhigen und im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine Argumentationshilfe dafür sein, dass kein zu Eigen machen gegeben ist, letztlich werden sie aber nur wenig nutzen. Wie schon dargelegt, kommt es zu einem zu Eigen machen, wenn sich der Betreiber aus der Sicht des Rezipienten mit den Inhalten einer Aussage identifiziert. Diesen Eindruck hat ein Nutzer oder er hat ihn nicht. Eine bloße Bekundung in den Nutzungsbedingungen kann an dieser Perspektive nichts ändern.

Ist also z.B. ein Rubrikenname klar darauf angelegt, dass hier Beleidigungen zu einer Person verfasst werden sollen, wird ein Besucher des Forums den Eindruck haben, der Betreiber stehe grundsätzlich hinter Beleidigungen, die in dieser Rubrik von Seiten Dritter verfasst werden. Ein vom Betreiber formulierter Haftungsausschluss wird ihm nun wenig nutzen.

Nach einem Urteil des OLG München (Urteil vom 17.5.2002, Az. 21 U 5569/01) könnte ein Disclaimer nur dann hilfreich sein, wenn ihn ein Leser vor Betrachten eines Beitrags auch zwingend lesen muss. Die Einblendung eines Haftungsausschlusses vor der Anzeige jedes Beitrags ist jedoch wenig praxisnah.

Es fällt schwer, hier eine klare Empfehlung für oder gegen das Anbringen eines Disclaimers zu geben. Gerichte könnten ihn als Element berücksichtigen, dass der Betreiber sich Inhalte nicht zu Eigen machen will. Genauso gut könnten sie ihn aber dahingehend interpretieren, dass der Betreiber den Dislaimer nur anbringt, weil er mit der Veröffentlichung rechtswidriger Beiträge rechnet und diesen damit zu seinen Lasten interpretieren. (Für eine Aufnahme eines Disclaimers Jürgens, AfP 2007, 181, 182). Unter dem Strich werden Nutzen oder Schaden eines Disclaimers nur minimal sein.

Fall 6: Muss ein Forenbetreiber eine Vorabkontrolle aller Beiträge machen, bevor sie online gestellt werden?

Sachverhalt:

J.G. möchte nach negativen Erfahrungen hinsichtlich der Laufzeiten ihres Fitnessstudiovertrags ein Forum eröffnen, in dem Nutzer über Missstände in Fitnessstudios berichten können. Sie wendet sich an den erfahrenen Internetrechtler S. und fragt ihn, ob sie alle Beiträge vor der Veröffentlichung auf mögliche Rechtsverletzungen durchsehen muss.

Lösung:

Es besteht derzeit keine gesetzliche Verpflichtung, Forenbeiträge vor deren Veröffentlichung zu überprüfen! Gem. § 7 II 1 TMG sind Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Konsequenterweise hat der BGH eine Pflicht von Auktionsplattformen wie eBay abgelehnt, die eingestellten Verkaufsangebote der Nutzer auf die Verletzung von Rechten Dritter zu überprüfen (BGH, Urteil vom 11.3.2004, Az. I ZR 304/01, MMR 2004, 668 ff. - Rolex). Allgemeiner formuliert, sollen Diensteanbieter von der Verpflichtung zur Kontrolle auf rechtswidrige Inhalte freigestellt werden (Gercke, MMR 2002, 695, 696; Sobola/Kohl, MMR 2005, 443, 449; Leible/Sosnitza, NJW 2004, 3225, 3226; Stadler, K&R 2006, 253, 255; Erwägungsgrund 15 der ECRL). Proaktive Überwachungspflichten eines Forenbetreibers sind somit mit den gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar. Lediglich das LG Hamburg (Urteil vom 2.12.2005, Az. 324 O 721/05, MMR 2006, 491 f.) hat hier einmal für größere Verunsicherung gesorgt, als es eine derartige Pflicht ausdrücklich angenommen hat. Das Urteil ignorierte jedoch die gesetzlichen Vorgaben des TMG und die Rechtsprechung des BGH und wurde deshalb konsequenterweise vom OLG Hamburg (Urteil vom 22.6.2006, Az. 7 U 50/06, MMR 2006, 744) aufgehoben. Auf die juristischen Details möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Ausführlichere Informationen zu den Hamburger Gerichtsverfahren finden Sie bei Bedarf im Anhang 1 des Guides unter 2.

Abwandlung:

Ändert sich am Ergebnis etwas, wenn J.G. beabsichtigt, selbst einen kritischen Beitrag zu ihrem Fitness-Studio zu schreiben?

Nein, alleine durch eine eigene kritische, aber rechtmäßige Berichterstattung und die damit ggf. erhöhte Gefahr, dass der Beitrag zum Anlass für z.B. rechtswidrige Schmähkritik genommen wird, entsteht keine weitergehende Prüfpflicht. Ansonsten würde die freie Meinungsbildung unzulässig gehemmt und Zensur Vorschub geleistet (vgl. Jürgens/Köster, AfP 2006, 219, 222; a.A. wohl OLG Hamburg, Urteil vom 22.8.2006, Az. 7 U 50/06).

Fazit:

Forenbetreiber müssen Beiträge nicht vor ihrer Veröffentlichung auf Rechtsverstöße überprüfen! Dies gilt auch dann, wenn sie selbst kritisch, aber rechtmäßig über Geschehnisse berichtet haben.

Fall 7: Sollte ein Forenbetreiber eine Vorabkontrolle aller Beiträge machen, bevor sie online gestellt werden?

Sachverhalt:

J.G. hat inzwischen erfahren, dass sie nicht dazu verpflichtet ist, eine Vorabkontrolle von Beiträgen durchzuführen. Aber sie überlegt sich, dies evtl. doch zu tun. Schließlich hat es ja auch etwas mit Qualität zu tun, wenn das Forum ohne rechtswidrige Beiträge bleibt. Und wieder fragt sie S., ob dieser Bedenken gegen eine Vorabkontrolle hat.

Lösung:

Eine Vorabkontrolle durch einen Forenbetreiber sollte unterbleiben. Diese nützt ihm nichts. Ganz im Gegenteil. Es wird einem Forenbetreiber unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten eher schaden. In seinem Urteil zu Auktionshäusern hat der BGH der vorschnellen Bejahung eigener Inhalte zwar einen Riegel vorgeschoben (Urteil vom 11.3.2004, Az. I ZR 304/01, MMR 2004, 668 ff.). Ohne Prüfung und Kenntnis der Inhalte werden diese nicht zu Eigen gemacht. Nicht abschließend hat der BGH aber dazu etwas gesagt, was geschieht, wenn ein Betreiber Kontrollen durchführt (die Aussage "eine Prüfung durch die Beklagte, die dazu führen könnte, dass sie sich die Inhalte zu eigen macht, findet nicht statt" deutet aber darauf hin, dass der BGH bei einer Prüfung zu einem zu Eigen machen tendieren dürfte). Und hier besteht derzeit noch die große Gefahr, dass die Instanzgerichte schnell der Auffassung zuneigen könnten, dass kontrollierte Inhalte gebilligt und zu Eigen gemacht werden, mit allen bereits beschriebenen negativen Folgen für den Betreiber (Schadensersatzansprüche, strafrechtliche Verantwortlichkeit).

Jede Kontrolle begründet daher ein Risiko! Wie Jürgens/Veigel (AfP 2007, 181, 183) es formulieren: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlecht! Als Forenbetreiber tut man also gut daran, genau so viel zu machen, wie gesetzlich von einem verlangt wird, aber bloß nicht mehr. D.h. also konkret, dass eine proaktive Kontrolle gesetzlich nicht verlangt wird und deshalb auch nicht durchgeführt werden sollte! Dementsprechend sollte auch nicht in den Nutzungsbedingungen auf eine eigene Kontrolle hingewiesen werden (auch der Verweis auf Moderatoren oder sonstige Mitarbeiter könnte hier haftungsrechtlich problematisch werden!) oder bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung damit argumentiert werden, der rechtswidrige Beitrag sei einem nur versehentlich bei einer Kontrolle durch die Lappen gegangen. Letzteres ging schon einmal in einem Verfahren vor dem LG Köln (Urteil vom 26.11.2003, Az. 28 O 706/02, CR 2004, 304 f.) schief: Dem Betreiber eines Internet-Portals, in das Inserate zum Verkauf von Kraftfahrzeugen eingestellt werden können, die zuvor manuell auf ihren Inhalt hin untersucht werden, müsse eine Anzeige auffallen, die geeignet ist, einen besonders schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht einer Person darzustellen. Der Betreiber wurde zu Schadensersatz verurteilt. Ohne die Prüfung der Anzeigen wäre es wohl bei einer Verurteilung zur Unterlassung geblieben.

Wenn Sie jetzt der Meinung sind, die Empfehlung laufe dem Interesse des Anbieters an einer Qualitätssteigerung seines Angebots zuwider und missachte auch das gesellschaftliche Interesse an möglichst wenigen Rechtsverletzungen, kann ich Ihnen nur zustimmen. Das ist derzeit aber der Preis für die Reduzierung des eigenen Haftungsrisikos!

Fazit:

Ein Forenbetreiber sollte die Überprüfung von Beiträgen auf den gesetzlich geforderten Umfang beschränken. Ansonsten besteht derzeit noch die Gefahr, dass Gerichte die überprüften Inhalte als zu Eigen gemacht ansehen.

Fall 8: Eigene Inhalte bei Erstellung im Auftrag oder auf Anordnung des Anbieters (nachgebildet OLG Hamburg, Urteil vom 26.9.2007, Az.: 5 U 165/06)

Sachverhalt:

Frau T betreibt ein Internetforum zu absonderlichen Speisen und Getränken. Dabei ermöglicht sie Nutzern den Upload von Rezepten und Bildern der fertigen Gerichte. Diese werden mit einem Emblem von Frau T, einer magentafarbenen Kochmütze, versehen. Für Nutzer ist erkennbar, dass die Rezepte nicht von Frau T, sondern von anderen Nutzern geschrieben worden sind. Es findet sich eine Angabe des eigentlichen Verfassers, oft allerdings nur ein nicht näher identifizierbares Pseudonym. Die Nutzungsbedingungen erwähnen eine redaktionelle Überprüfung der Rezepte vor der Freischaltung. Im Forum tauchen immer wieder urheberrechtlich geschützte Bilder von Gerichten auf, die Nutzer auf anderen Webseiten gefunden und ins Forum von Frau T hochgeladen haben. Sind die Rezepte einschließlich der Bilder eigene oder fremde Inhalte für Frau T?

Lösung:

Für die Annahme eigener Inhalte sprechen hier zahlreiche Aspekte:

- Das Emblem zeigt, dass es sich nicht mehr um beliebige Fremdinhalte handelt.
- Es handelt sich um keine reine Veröffentlichung von Drittinformationen. Es findet eine redaktionelle Überprüfung statt (im Fall des OLG Hamburg war die Zeit zwischen Einsendung und Veröffentlichung sogar einige Monate).
- Das Angebot erweckt den Eindruck, dass der Plattformbetreiber die Inhalte in eigener Verantwortung präsentiert. Diese bilden den "redaktionellen Kerngehalt" der Webseite. Man kann sich das vielleicht am besten so vorstellen wie eine News-Seite, die Beiträge von freischaffenden Journalisten veröffentlicht. Deren Name wird zwar genannt, aber die Verantwortung für die Inhalte liegt doch bei dem Betreiber der Seite, der Redaktion. Die einzelnen Beiträge sind keine fremden Inhalte.

Fazit:

Der Fall zeigt einmal mehr, dass eine Vorprüfung von Inhalten ein Aspekt zur Annahme eigener Inhalte ist. Die anderen Begründungsansätze werden für ein "normales" Internetforum mit sofortiger Freischaltung der Beiträge und lediglich der Vorgabe eines "optischen Rahmens" eher von untergeordneter Relevanz sein.

Wichtig ist es aber, zu erkennen, dass eigene Inhalte nicht zwingend selbst erstellt worden sein müssen. Eigene Informationen liegen auch dann vor, wenn ein Dritter sie im Auftrag oder auf Anordnung des Anbieters erstellt hat (z.B. Erstellung durch Arbeitnehmer oder durch Werbeagenturen oder Webdesigner).

Fazit Fall 1-8:

Bloß keine fremden Beiträge zurechnen lassen! Dann drohen Schadensersatzansprüche!

Forenbetreiber sollten so gut es geht vermeiden, dass Sie fremde Beiträge zu Eigen machen. Alleine durch die Vorgabe einer Struktur des Forums, der Möglichkeit, Beiträge unter einem Pseudonym zu schreiben oder durch die immer längere "Verweildauer" des Beitrags im Forum geschieht dies nicht. Wenn aber Inhalte vor ihrer Veröffentlichung geprüft werden, besteht die Besorgnis, dass Gerichte dies so werten könnten, dass der Betreiber die Inhalte billigt und sich zu Eigen macht.

Ein Disclaimer bietet, wenn überhaupt, nur sehr bedingten Schutz gegen eine Zurechnung von Beiträgen.

Es besteht keine Pflicht zur proaktiven Kontrolle! Beiträge müssen nicht vom Betreiber eines Forums auf Rechtsverstöße geprüft werden, bevor sie online gestellt werden!

Fall 9: Kenntniserlangung einer Rechtsverletzung durch einen Beitrag - Pflicht zur Entfernung

Sachverhalt:

Im Forum von J.G. befindet sich ein Beitrag, der die Grenzen zulässiger Schmähkritik an einem Fitnessstudio bei weitem übersteigt. J.G. liest diesen Eintrag bzw. wird von dem kritisierten Fitnessstudio auf diesen aufmerksam gemacht. Muss J.G. den Beitrag aus dem Forum entfernen?

Hinweis: Bei den folgenden Fällen ist immer davon auszugehen, dass der Forenbetreiber sich die Inhalte nicht zu Eigen macht und es sich um fremde Inhalte handelt!

Lösung:

Für Rechtsverletzungen ist neben dem Täter oder Teilnehmer auch der sog. Störer verantwortlich, der in irgendeiner Weise, auch ohne eigenes Verschulden, willentlich und adäquat kausal an einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Als Störer kann aber nur in Anspruch genommen werden, wer die Möglichkeit zur Vermeidung der rechtswidrigen Handlung hat und zumutbare Prüfungspflichten verletzt.

Ohne in die Details der juristischen Begründung einsteigen zu wollen, ist unumstritten, dass derjenige, der ein Forum im Internet betreibt, grundsätzlich als Störer in Anspruch genommen werden kann, weil er diese Inhalte verbreitet. Ein Handeln aus eigenem Antrieb ist für die Störerhaftung ebenso wenig erforderlich wie ein Einfluss auf den Inhalt der Äußerung. Rechtswidrige Beiträge können ohne weiteres aus dem Forum gelöscht werden.

Haftungsprivilegierungen aus dem Telemediengesetz (TMG) stehen einer Pflicht zur Entfernung nicht entgegen. Nach § 7 II 2 TMG bleiben Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen auch im Falle der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach den §§ 8 bis 10 unberührt. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Bestimmung verhindern, dass sich ein Diensteanbieter unter Berufung auf die Haftungsprivilegierungen weigern kann, rechtswidrige Inhalte im Internet zu belassen. Der konkret beanstandete Inhalt ist bei Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen somit zu entfernen.

Fazit:

Rechtswidrige Beiträge müssen entfernt werden, wenn der Forenbetreiber von Ihnen Kenntnis erlangt.

Ergänzender Hinweis:

In bestimmten Fällen mag sich ein Forenbetreiber Gedanken darüber machen, ob er überhaupt seinen Nutzern gegenüber befugt ist, einzelne Beiträge zu löschen, z.B. wenn die Teilnahme an einem Forum kostenpflichtig ist und ein entsprechender Vertrag besteht. Insoweit können die Haftungsregeln den Forenbetreiber zwingen, vertragsbrüchig zu werden. Dies ist aber bei einer Rechtsverletzung des Nutzers gerechtfertigt. Um auf der ganz sicheren Seite zu sein, sollte sich ein Forenbetreiber in AGB oder in Nutzungsbedingungen das Recht vorbehalten, rechtswidrige Informationen zu entfernen oder zu sperren.

Eine typische Formulierung lautet z.B.:

„Machen Dritte ... auf rechtswidrige Inhalte aufmerksam, so ist ... berechtigt, diese Inhalte unverzüglich und ohne vorherige Information des Nutzers zu löschen. ... ist zudem berechtigt, das entsprechenden Nutzerkonto zu sperren.“

[...]

Ende der Leseprobe aus 101 Seiten

Details

Titel
Haftungsrecht im Internet - Ein Ratgeber für Forenbetreiber
Autor
Jahr
2008
Seiten
101
Katalognummer
V92409
ISBN (eBook)
9783638061414
ISBN (Buch)
9783638952712
Dateigröße
826 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haftungsrecht, Internet, Ratgeber, Forenbetreiber
Arbeit zitieren
Dr. Stephan Ott (Autor:in), 2008, Haftungsrecht im Internet - Ein Ratgeber für Forenbetreiber, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92409

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