Ideologisierung von Unterrichtswerken - das deutsche Lesebuch in der Zeit des Nationalsozialismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

16 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur Entstehung des deutschen Lesebuchs in der Zeit des Nationalsozialismus

3. Allgemeine Erziehungsziele der Nationalsozialisten

4. Didaktische Konzeption des Lesebuchs

5. Auswahl der Texte
5. 1. Inhaltlicher Aspekt
5. 2. Zeitlicher Aspekt
5. 3. Literarischer Aspekt

6. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Bei der Betrachtung der Geschichte der Menschheit ist festzustellen, dass jedes Staatensystem bedeutenden Einfluss auf die in ihm lebende Gesellschaft hat. Form und Zusammensetzung der Regierung, vorherrschende Gesetze, und allgemeingültige Werte und Normen, die vermittelt werden, sind prägende Faktoren, die ein Volk bzw. eine Gesellschaft formen und bilden. Die wohl einprägsamste Manipulation eines ganzen Volkes fand in der Zeit des Nationalsozialismus statt, unter der Führung Adolf Hitlers. Auch wenn sich die Nachwelt mit diesem schwarzen Fleck der deutschen Geschichte eingehend und detailliert beschäftigt hat, die Problematik analysiert und nach Erklärungen gesucht hat, ist es aus heutigem Blickwinkel gesehen trotz alldem immer noch unfassbar, wie ein ganzes Volk zur Marionette eines einzigen Mannes werden konnte. Hitler war sicherlich nur die Spitze des Eisbergs, denn hinter ihm stand ein System, das die Menschen unentwegt, in allen Lebensbereichen und ihrem alltäglichen Tun manipulierte, unterdrückte, und überall, wo es möglich war, seine Ideologie mit einfließen ließ. Der Begriff „Ideologie“ wird in den verschiedensten Zusammenhängen genutzt, und bietet ein breites Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten. Etymologisch meint dieser Begriff „die Wissenschaft von den Ideen“. Sehr treffend ist die Definition Catalfamos, die auch dem Verständnis von Ideologie im Nationalsozialismus entspricht. „Catalfamo kennzeichnet Ideologie als Denkgebäude, das aus praktisch-politischen Motiven und zu denselben Zwecken errichtet wird, wobei dieses >>System von Ideen<< mit dem Macht- und Herrschaftsbedürfnis von einzelnen, Gruppen, Parteien oder des Staates einhergehen kann. Dieses >>System<< der Ideologie ist gekennzeichnet durch Abschottung gegenüber Kritik, durch Starrheit, durch den Anspruch auf Endgültigkeit und die Ablehnung ihrer Weiterentwicklung“ (Böhm 2000, S. 225). Da Hitler in der Dimension eines 1000-jährigen Reiches dachte, ist es nicht verwunderlich, dass er großes Interesse für Kinder und Jugendliche zeigte, da sie für ihn die nächste Generation eines arischen Kriegsvolkes verkörperten. Deshalb legte das System auch großen Wert auf die Ideologisierung des kindlichen Lebens. Ihre Freizeit verbrachten die Jungen und Mädchen in nationalpolitischen Verbänden wie der Hitlerjugend oder dem Bund deutscher Mädels. Selbstverständlich wurde auch der Unterricht neu umgestaltet - die Schule war eine sehr geeignete Institution zur Verbreitung der nationalsozialistischen Lehre. Neben einer Reform der Lehrpläne und der Lehrerbildung, kommt auch der Umgestaltung von Unterrichtswerken eine entscheidende Bedeutung zu.

Insbesondere beschäftigt sich diese Arbeit mit der Ideologisierung des deutschen Lesebuchs. Dieses Schulbuch stand im Mittelpunkt des Unterrichts in der nationalsozialistischen Zeit und trägt deshalb auch die am deutlichsten zu erkennende Ideologie in sich. Der folgende Abschnitt befasst sich zunächst mit der Entstehungsgeschichte des deutschen, nationalpolitischen Lesebuchs.

2. Zur Entstehung des deutschen Lesebuchs in der Zeit des Nationalsozialismus

„Wer horcht nicht auf, froh und besinnlich zugleich, bei diesem nun ins lebendige Wirken tretenden ersten deutschen Reichs-Volksschullesebuch? (Guthmann 1936, S. 233).Auf diese sehr emotionale Art und Weise preist Dr. Johannes Guthmann in einer Schrift das neue Unterrichtswerk an. Die Nationalsozialisten waren sich darüber im Klaren, dass das Schulbuch ein sehr geeignetes Medium für ihren Ideologietransport war. Abgesehen davon, war das Lesebuch vor 1933 in einem sehr unübersichtlichen und uneinheitlichen Zustand. Somit wurde es neu umgestaltet, vereinheitlicht und zentralisiert. Das neue Reichslesebuch sollte eine zentrale Position im Unterricht einnehmen. „Ein Reichslesebuch, das als eines der wichtigsten Unterrichtsmittel von Tilsit bis Saarbrücken, von Husum bis Berchtesgaden, in oberschlesischen Dorfschulen ebenso wie in Industriezentren des Westens oder in der Reichshauptstadt, im plattdeutschen ebenso wie im rheinfränkischen, alemannischen oder altbayerischen Stammesgebiet dient, muß beweglich, anschmiegsam, heimatlich gefärbt sein, ohne seiner gemeindeutschen Wirksamkeit darüber untreu zu werden. Ein solches Buch, das allen deutschen Volksschulen wirklich dient, muß, damit es für die nationalpolitische Gesinnungsbildung richtunggebend sein kann, durch seine klare innere Haltung wie ein fester Hort unbeugsam stehen, ohne deshalb fern, fremd oder unverständlich zu sein“ (Guthmann 1936, S.233).Dieses Zitat von Guthmann stellt sehr klar und deutlich die gewünschte Beschaffenheit und Absicht dieses Lesebuchs heraus. Einerseits soll die jeweilige Heimat mit ihren Traditionen und Eigenheiten berücksichtigt werden, andererseits stehen auch das zentrale Deutschland und seine Einheit im Vordergrund, sowie seine richtungweisende, nationalsozialistische Ideologie. Somit besteht das neue Reichslesebuch aus zwei zusammengesetzten Teilen: Dem Kernteil, der für alle 22 existierenden Ausgaben gleich ist, und dem von Region zu Region unterschiedlichen Heimatteil. 1936 erschien der Band für das zweite Schuljahr; anfangs wurden die Lesebücher dem Schuljahr entsprechend nummeriert, bis 1939 der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung eine neutrale Bandzahl einführte, um die Bücher je nach Entwicklungsstand der Klasse früher oder später einsetzen zu können. Das Reichslesebuch war das einzige Schulbuch im Volksschulbereich, das neu umgestaltet wurde. Da es sowieso im Mittelpunkt des Unterrichts stand und auch eine fächerübergreifende Position einnahm, war es wohl nicht mehr nötig, die anderen Unterrichtswerke zu ideologisieren. „Diese Stellung macht das Lesebuch zu einem einzigartigen Erkenntnisinstrument der nationalsozialistischen Didaktik und Methodik“ (Hasubek 1972, S. 33). Es war sicherlich auch eine Kostenfrage, wenn es um die Neugestaltung von Schulbüchern ging.

3. Allgemeine Erziehungsziele der Nationalsozialisten

Alle Erziehungsziele, die Hitler hatte und in den Schulen der damaligen Zeit umzusetzen versuchte, hat er ausdrücklich und klar in seinem Werk „Mein Kampf“ formuliert und niedergeschrieben. Eines seiner obersten Erziehungsziele war es den „Rassegedanken in Hirn und Herz der deutschen Jugend einzupflanzen“ (vgl. Hitler 1934, S. 452). Die Rasselehre im Unterricht sollte den Gedanken der arischen Rasse, als höchste, beste und über allen anderen stehenden Rasse, im kindlichen Geist manifestieren. Zwei weitere, von den Nationalsozialisten hoch angesehene Aufgaben der Erziehung waren, die körperliche Ertüchtigung und die Stärkung des Charakters. „Der völkische Staat hat in dieser Erkenntnis seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten gesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Hier aber wieder an der Spitze die Entwicklung des Charakters, besonders die Förderung der Willens – und Entschlußkraft, verbunden mit der Erziehung zur Verantwortungsfreudigkeit, und erst als letztes die wissenschaftliche Schulung“(Hitler 1934, S. 452). In sehr vielen pädagogischen Werken dieser Zeit, trifft man auf einen Katalog, in dem Tugenden bzw. Charaktereigenschaften aufgezählt werden, die von den Nationalsozialisten als besonders wichtig erachtet und deshalb geformt und geprägt werden sollten. Dazu gehören Werte wie Ehre, Treue, Mut, Opferbereitschaft, Bescheidenheit, Tapferkeit, Kühnheit und Selbstlosigkeit. Rosenberg definiert diese Art von Charakterbildung folgendermaßen: „[...], d.h. Stärkung jener Werte, wie sie zutiefst im germanischen Wesen schlummern und sorgfältig hochgezüchtet werden müssen. Hier hat der Nationalstaat ohne jeden Kompromiß die Alleinherrschaft zu beanspruchen [...]“ (Hasubek 1972, S.35). Sicherlich war die Charakterbildung bei den Jungen anders zu verstehen als bei den Mädchen. Hitler war Freund und Befürworter der klassischen Geschlechterrollenverteilung. Folglich sollte die Frau auch andere Charaktereigenschaften repräsentieren; es wurden ihr Werte vermittelt, wie Häuslichkeit, Fürsorglichkeit, vorbildhaftes Verhalten und Unterordnung. Der Zusammenhalt der deutschen Familie im traditionellen Sinn war - für die Nationalsozialisten - ein wichtiges Symbol für die Einigkeit Deutschlands. Ähnlich bedeutend war der Begriff der Heimat – die Kinder sollten zu heimatbewussten und Heimat verbundenen Menschen erzogen werden. Da es im deutschen Reichslesebuch, wie oben schon erwähnt, einen eigenen Heimatteil gibt, wird auf dieses Thema später bei der stofflichen Betrachtung der Textauswahl noch näher eingegangen.

Die Nationalsozialisten hatten also ein ganz klares Konzept der Erziehung entwickelt, das sie auch offen preisgaben. Ihre Erziehungsziele waren der Öffentlichkeit bekannt, und ihre Ideologie versteckte sich nicht hinter zweideutigen Aussagen. Hitler hat in seinem Werk „Mein Kampf“ der ganzen Welt all seine Gedanken, Ziele, und Pläne offenbart, und nicht weniger eindeutig spiegelt sich diese Ideologie in allen nationalsozialistischen Werken dieser Zeit wieder, genauso auch im deutschen Volks – und Reichslesebuch der damaligen Zeit. Das folgende Kapitel wird den Aufbau und die didaktische Konzeption des Lesebuchs näher erläutern.

4. Didaktische Konzeption des Lesebuchs

Das Reichslesebuch ist organisch, nach dem Jahreszeitenzyklus aufgebaut. Die Texte zu Anfang behandeln den Frühling, und diejenigen, die am Ende des Lesebuchs stehen, spielen im oder handeln vom Winter. Das Prinzip des Organischen zieht sich durch die gesamte Ideologie und Weltanschauung der Nationalsozialisten. „Die Kategorie des Organischen überspielt alles sozial differenzierende Denken, indem sie eine direkte Beziehung des Einzelnen zum Ganzen stiftet unter Verzicht auf jegliche Zwischenschaltung einer sozialen Gruppe oder einer Klasse. Im organischen Weltbild ist jeder Einzelne unmittelbar Teil des Ganzen und das Ganze wirkt in das Sein des Einzelnen hinein. Mit dieser Konstruktion, der Verflechtung von Ganzheit und Glied, sollen die Mängel beseitigt werden, die die Gesellschaft in den Augen der Nationalsozialisten aufweist: der zum Subjektivismus entartete Individualismus, der Separatismus und der Kollektivismus“ (Hasubek 1972, S. 99). Auch wenn es hier nur um den Aufbau eines Lesebuchs geht, und es heute sicherlich auch möglich wäre ein Schulbuch nach dem Jahreszeitenzyklus zu gliedern, ist es doch mit diesem Kontext - da es bewusst organisch aufgebaut wurde - ideologisiert und an Hitlers Weltanschauung angepasst zu sehen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Ideologisierung von Unterrichtswerken - das deutsche Lesebuch in der Zeit des Nationalsozialismus
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik)
Veranstaltung
Die Grundschule in der Zeit des Nationalsozialismus
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V91965
ISBN (eBook)
9783638053556
ISBN (Buch)
9783638946377
Dateigröße
410 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ideologisierung, Unterrichtswerken, Lesebuch, Zeit, Nationalsozialismus, Grundschule, Zeit, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Irena Eppler (Autor:in), 2006, Ideologisierung von Unterrichtswerken - das deutsche Lesebuch in der Zeit des Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91965

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ideologisierung von Unterrichtswerken - das deutsche Lesebuch in der Zeit des Nationalsozialismus



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden