Vergleichende Untersuchung über die Spielgewohnheiten von Vorortkindern einer mittleren Stadt damals (1962) und heute (2005)


Hausarbeit, 2006

29 Seiten, Note: bestanden


Leseprobe


Gliederung

1. Einführung

2. Was versteht man unter „Kindheit“ – Ein historischer Überblick

3. Die Erhebung von OTTERSTÄDT 1962 – Eine kurze Darstellung

4. Beschreibung der eigenen Erhebung 2005
4.1.Beschreibung der Wohnumgebung der befragten Kinder
4.2 Durchführung der Befragung
4.3 Auswertung des Fragebogens
4.4 Was treiben „Land“- Kinder am Nachmittag? - Zusammenfassung der Ergebnisse

5. Vergleich der beiden Untersuchungen
5.1 Übereinstimmungen
5.2. Unterschiede
5.3. Fazit

6. Diskussion der Ergebnisse

7. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Bei einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Literatur zum Thema „Kindheit“ fällt auf, dass es zweierlei Arten von Kindheit zu geben scheint: die Stadtkindheit – ausgiebig empirisch erforscht und ,im Gegensatz dazu, die Landkindheit – „ mehr von normativen Leit- und Wunschbildern geprägt, als von Versuchen, aussagekräftige empirische Indizien für die Lebenssituation von Kindern zu sammeln und auf dieser Basis Charakterisierungen des Aufwachsens zu erarbeiten.“ (LANGE 2001, S. 962). „Die eine steht für Modernität – und oftmals für Gefährdung und Verfall –, die andere für kulturelle Rückständigkeit oder gute alte Tradition.“ (NASSEN 1995, zitiert nach ZINNECKER 2001, S. 9)

Inzwischen weiß man, dass die Bedingungen des ländlichen Raumes die Lebensumstände von Kindern in sehr unterschiedlicher Weise bestimmen können (BERGER/KRUG 1993, S. 262), so dass der Begriff „Land“ als Gegenpol zum Begriff „Stadt“ keine brauchbare Abgrenzung unterschiedlicher soziokultureller Siedlungstypen ermöglicht. (LANGE 2001, S. 963).

K. CHASSÉ (1996, S. 22; zit nach LANGE 2001, S. 963) resümiert die Diskussionslage treffend: „ Das Spektrum reicht von ‚modernen‘, d.h. an industriell-städtischen Lebensformen, Arbeitsformen und Orientierungen (Weltbildern) angelehnten Mustern, bis hin zu noch vergleichsweise traditional orientierten Mustern, oft mit traditional-ländlichem biographischem Hintergrund, mit allen Zwischenformen.“

Regionalspezifische Blicke auf Kindheit enthüllen außerdem Nivellierungstendenzen, „denen alle Kinder unterworfen sind: Die in Stadt und Land gleichermaßen verbreitete Angleichung der Lebensstile durch die technisierte Leistungsgesellschaft, durch die überall gleichen Konsummöglichkeiten, die Medien und Moden. Gerade Kinder sind davon erfaßt. Welches »Landkind« hat kein Play-Mobil, kennt Pumuckel, Barbie, He-man, Milchschnitte, Sweatshirt, Walk-Man nicht genauso wie die Gleichaltrigen in der Stadt? (BERGER & KRUG 1993, S. 263)

Dies ist der Ansatzpunkt der vorliegenden Hausarbeit: Herbert OTTERSTÄDT untersuchte 1962 den Spielraum von Vorortkindern einer mittleren Stadt. Er befragte etwa 70 Kinder im Alter von 9 bis 14 Jahren zu ihrem Freizeitverhalten. Ziel seiner Untersuchung war es, herauszufinden, welchen Spielraum Kinder benötigen, um ungehindert und harmonisch aufzuwachsen.

Diese Untersuchung habe ich aufgegriffen um festzustellen, wie sich das Spiel-/Freizeitverhalten von Kindern im ländlichen Raum in den letzten vierzig Jahren verändert hat. Entspricht das „Aufwachsen auf dem Land“ dem immer noch gültigen „Wunschbild“ von Eltern, Kindern eine optimale Entwicklung zu ermöglichen oder sind auch hier schon Tendenzen der „Verinselung“ bzw. „Verhäuslichung“ zu erkennen?

Um Aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, bin ich mit dem Fragebogen in die hiesigen Schulen gegangen und habe dort 9 bis 14jährige Kinder aller Schultypen befragt, die in ähnlichen Wohnbereichen aufwachsen, wie die von OTTERSTÄDT befragten Kinder vor 40 Jahren.

Bevor ich auf diese empirische Arbeit eingehe, möchte ich unter Punkt 2 zunächst erläutern, was unter dem Begriff „Kindheit“, wie wir ihn heute benutzen, verstanden wird.

Unter Punkt 3 werde ich dann kurz die Erhebung von OTTERSTÄDT beschreiben und dann, unter Punkt 4, meine Erhebung samt Ergebnissen anführen. Im Punkt 5 sollen dann beide Erhebungen miteinander verglichen und auf Abweichungen geprüft werden.

Abschließend möchte ich unter Punkt 6 die Ergebnisse diskutieren und mich mit der Frage beschäftigen, wie sich die veränderte Umwelt auf das Umweltverhalten von Kindern auswirkt bzw. ob Kinder Natur „brauchen“, um sich optimal zu entwickeln.

2. Kindeit – ein historischer Überblick

„Die Idee der Kindheit ist eine der großen Erfindungen der Renaissance, vielleicht ihre menschlichste. Zusammen mit der Wissenschaft, dem Nationalstaat und der Religionsfreiheit hat sich die Kindheit als soziale Struktur und als psychologisches Bedingungsgefüge im 16. Jahrhundert herausgebildet.“ so Neil POSTMAN in seinem Buch „Das Verschwinden der Kindheit“(1987, S. 8).

In der Zeit davor bot die Gesellschaft den Kindern zunächst noch keine eigene Rolle. Über die Einstellung der Antike zum Kind weiß man zwar sehr wenig, bekannt ist aber, dass die Griechen z.B. keinen eigenen Begriff für „Kind“ kannten. (ebd S. 16) Ausserdem gab es bis in die Zeit des Aristoteles keine moralischen und gesetztlichen Beschränkungen der Kindestötung. (ebd. S.16)

Andererseits besteht kein Zweifel daran, dass die Griechen die Idee der Schule erfunden haben. Hier wurden siebenjährige Jungen aufgenommen, denen neben sportlicher und spielerischer Betätigungen gerade soviel Lesen und Schreiben beigebracht wurde, „wie ihnen nützlich war.“ (ebd. S. 17) Die Griechen hatten also, zumindest in Teilen, eine Vorstellung von Kindheit.

Die Römer – natürlich nicht alle und auch nicht in genügender Zahl - gingen noch weiter: Sie übernahmen nicht nur die griechischen Konzepte der Schulerziehung, sie „entwickelten sogar ein Bewußtsein für die Eigenart der Kindheit, das über die griechischen Vorstellungen hinauswies.“ (ebd S. 18) Es wurden verschiedene Ideen entwickelt, aus denen hervorgeht, dass Kinder Schutz und Pflege, schulische Erziehung und Freiheit von den Geheimnissen der Erwachsenen benötigen. Ausserdem wird 374 n. Chr. ein Gesetz zum Verbot der Kindestötung erlassen. (ebd S. 20)

In der nachrömischen Zeit verlieren sich alle diese Ideen und damit kommt es auch zum „Erlöschen der Kindheit“. (ebd S. 20) Gründe für diese Entwicklung sieht POSTMAN

1. im Verschwinden der Fähigkeit zu lesen,
2. im Verschwinden der Erziehung und
3. im Verschwinden des Schamgefühls.

Letzteres ist für POSTMAN ein entscheidender Punkt: „Ohne entwickeltes Schamgefühl (also Geheimnisse der Erwachsenen vor den Kindern) kann es Kindheit nicht geben.“ (ebd, S. 19, Anmerkung in Klammern von mir)

Im Mittelalter ist die Kindheit unsichtbar. Die Kinder wurden aufgezogen, aber nicht gezielt erzogen und galten dann im Alter von etwa sieben Jahren – wenn sie der Sprache mächtig waren – als erwachsen. (ebd S. 24, s.a. WAGNER-WINTERHAGER 1981, S.50) „Von allen Eigenheiten, in denen sich das Mittelalter von der heutigen Zeit unterscheidet, ist keine so auffallend, wie das fehlende Interesse an den Kindern.“ (TUCHMANN 1980, S. 56)

Im 16. und 17. Jahrhundert vollzieht sich dann allerdings ein Wechsel des Weltbildes: Empirisches Denken beginnt sich gegen das magische Denken des Mittelalters durchzusetzen und die gezielte Beobachtung von Naturphänomenen führt zu einer Revolution in den Kenntnissen und Auffassungen von der Natur. (WAGNER-WINTERHAGER 1981, S. 55) Es entwickelt sich z.B. die Heilkunde, die hygienischen Verhältnisse verbessern sich allmählich und außerdem beginnt man sich für die Entwicklung der Kinder zu interessieren. Man fängt an, auch Kinder genauer zu beobachten, und entwickelt langsam eine Vorstellung davon, dass die Art und Weise, wie ein kleines Kind aufwächst, etwas mit seiner Persönlichkeit und seinen späteren Lebensmöglichkeiten als Erwachsener zu tun hat. (ebd. S. 55) In diesem Zusammenhang steigt auch sehr breit das Interesse an der Gestaltung der Kindheit. Insbesondere die Kreise des Bürgertums im 18. Jahrhundert, die die Gedanken der Vernunft und der Aufklärung vertreten, fangen an, ein detailliertes Interesse am Aufwachsen ihrer Kinder zu entwickeln. „ An die Stelle der Desinteressiertheit am Kind tritt nun eine Haltung, in der der Bildung des Kindes großes Interesse beigemessen wird, das Kind aber auch immer energischer vom Leben der Erwachsenen ausgeschlossen, ihm ein eigener Lebensbereich, eine eigene »Folklore« zugewiesen wird, das Kind zwar behütet, aber auch scharfer Kontrolle unterworfen wird.“ (ebd. S. 57) Es wird die Metapher der Pflanze gebräuchlich, die vom Gärtner (Erzieher) gehegt und gepflegt wird (Kindheit mit Kinderstube, Spielzeug, besonderer Kinderliteratur, großes Interesse an Schulbildung usw.), deren „schlechte Triebe“ aber auch frühzeitig zurechtgestutzt bzw. entfernt werden müssen. „Durch Zucht und Züchtigung – so meint man – müssen Kinder von früh dazu gebracht werden, »Vernunft anzunehmen«, ihre Affekte zu beherrschen und sich gehorsam und ohne »Eigensinn« in die von den Erwachsenen vorgezeichneten Lebenswege zu fügen.“ (ebd. S. 57)

Dies alles betrifft jedoch nur den Teil der Kinder, der in bürgerlichen Familien im urbanen Raum aufwächst. Also da, wo man Zeit hat, sich um die Kinder zu kümmern.

Auf dem Land gibt es „Kindheit“ im 19. Jahrhundert für eine große Zahl von Kindern nach wie vor nicht. Zwar werden jetzt auch hier (Dorf-)Schulen eingeführt, doch lernen die Kinder nur wenig oder garnichts, da Schule und Arbeiten im elterlichen Bauernbetrieb meist nicht miteinander vereinbar sind.

Die Kinder der Industriearbeiter finden auch jetzt noch keine Beachtung. Sie werden in Fabriken und Bergwerken bereits vom achten Lebensjahr an beschäftigt, ausgebeutet und häufig ohne jeden Unterricht gelassen.

„Erst allmählich, als das Elend dieser Kinder zu einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu führen droht, als sich zeigt, daß sie gesundheitlich und charakterlich häufig so gschädigt sind, daß man sie z.B. nicht zum Militärdienst einziehen kann, erst als der Einsatz komplizerter Maschinen und Geräte die Arbeitskraft von Kindern unrentabel und überflüssig macht, wird auch für die Kinder des Indurstrieproletariats die Teilnahme am Volksschulunterricht verpflichtend gemacht und von Seiten des Staates durchgesetzt.“ (ebd. S. 59/60)

Erst im 20. Jahrhundert wird Kindheit in Mitteleuropa als ein eigener von Arbeit befreiter, dem Spielen und Lernen gewidmeter Lebensabschnitt für die Kinder aller gesellschaftlichen Gruppen anerkannt, wenn auch noch nicht überall durchgesetzt. (ebd. S. 60) Kindheit wurde aber nicht nur als Zeit ohne Arbeit definiert, sie wurde auch aus der Welt der Erwachsenen verbannt

Das Ende des Zweiten Weltkrieges brachte dann, mit der Zerstörung der Systeme gesellschaftlicher Arbeitsteilung, die kurzfristige Rückkehr zu gleichsam vorindustriellen Lebensformen, in denen es für Kinder keine besonderen Räume, keine besonderen Gegenstände und außer der Schule keine besonderen Institutionen gab (PREUSS-LAUSITZ u.a. 1995, S. 21; ZEIHER/ZEIHER 1994, S. 18)

„Kinder verdanken ihre relativ große Freiheit in der unmittelbaren Nachkriegszeit wohl mehr der Tatsache, daß die Erwachsenen wenig Zeit für sie hatten, als der vorübergehenden Lockerung konventioneller Denkweisen und Lebensformen nach dem Zerbrechen der ideologischen Zwänge des Nationalsozialismus.“ (PREUSS-LAUSITZ 1995, S. 21)

„Im Ganzen läßt sich sagen, daß sich die bundesrepublikanische Gesellschaft in den fünfziger Jahren weder materiell noch pädagogisch besonders mit Kindern und Jugendlichen befaßte.“ (ebd. S. 22)

Gegen Mitte der 60er Jahre fanden Kinder und Jugendliche dann wieder Beachtung:

1. als neue Konsumgruppe – Kinder und Jugendliche werden seitdem überschwemmt mit Spiel- und Sportgegenständen, es gibt eigene Textilmoden, Esswaren, Möbel, Musik usw.
2. aufgrund der ökonomischen Entwicklung, die eine qualifizierte Ausbildung des Nachwuchses dringend erforderlich macht
3. durch die Expansion der pädagogischen Wissenschaften, „die die Vorstellung darüber wie Kinder zu sein und was sie zu lernen haben, verwissenschaftlichten und in ungeheuerem Umfang vermehrten; sowie die breite Popularisierung dieser Vorstellungen.“ (PREUSS-LAUSITZ 1995, S. 22)

Es wurden neue Erziehungskonzepte formuliert und popularisiert, die gegen die starren autoritär-patriarchalischen Normen der Adenauer-Ära waren und die Entfaltung kindlicher Bedürfnisse, Emanzipation und Kritikfähigkeit in den Mittelpunkt stellten. Dies führte zu einem veränderten Umgang der Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen, zumindest aber zu einer gewissen Verunsicherung. (ebd S. 22/23), die bis in die heutige Zeit anhält.

Etwa 1960 setzte dann auch noch eine neue Phase des Wohnungsbaues ein, in deren Verlauf Städte und Dörfer ihre alten Grenzen sprengten. (ZEIHER&ZEIHER 1994, S. 20) Dies führte – wie bereits in der Einführung erwähnt – zu Nivellierungstendenzen zwischen Stadt- und Landleben: „Trennung von Arbeitswelt und Wohnen, Rückgang der Beschäftigung im produktiven Sektor zugunsten von Erwerbstätigkeit in Dienstleistungsberufen, Technisierung und Zunahme des Verkehrs, weitverbreitete Konsum- und Freizeitverhaltensmuster, Entmischung von Generationen sowie hohe Bildungsmotivation. (…) Die meisten Kinder erleben heute ihre Eltern nicht mehr an deren Arbeitsplatz, wissen über Abläufe in der Natur ebenso diffus Bescheid wie ihre Altersgenossen in den Städten, und sind gleich ihnen zum »Inselsprigen« zwischen verschiedenen »kindgerechten« Umgebungen und Arrangements gezwungen.“ (BERGER/KRUG 1993, S.263)

Fazit

Die Entwicklung der Lebensphase „Kindheit“ fand also immer nur dann statt, wenn es Erwachsene gab die - neben ihrer Arbeit - Zeit hatten, sich mit dieser Idee „Kindheit“ auseinanderzusetzen. Und immer hatte dies zur Folge, dass die Kinder vom allgemeinen Leben der Erwachsenen separiert wurden. „Die Verbannung der Kinder brachte ihnen zwar Schutz vor Willkür und extremer Vernachlässigung, sie bedeutete aber zunehmend auch den Verlust erlebnisgesättigter Teilhabe an wesentlichen Bereichen menschlichen Lebens. Arbeit, Geselligkeit, Krankheit, Geburt, Alter und Tod sind unter den Bedingungen, unter denen Kinder gegewärtig aufwachsen, für sie kaum noch wirklich erfahrbar.“ (WAGNER-WINTERHAGER 1981, S. 61) Wenn POSTMAN (1987, S. 8) die Erfindung der Kindheit als „die wahrscheinlich humanste Erfindung der Menschheit bezeichnet“, so sehen dies nicht alle so. WAGNER-WINTERHAGER geht sogar soweit zu behaupten, dass, seitdem Kindheit für alle Kinder zur Lern- und Schulzeit geworden ist, Kindlichkeit als disfunktionaler Störfaktor in steigendem Maße vom gesellschaftlichen Leben der Erwachsenen verbannt wird. (S. 61) Ob daher eine pädagogisierte Kindheit auch zu einer Humanisierung der Kindheit geführt hat, darüber streiten die Wissenschaften derzeit noch.

Sprechen wir also heutzutage von „der“ Kindheit, sollte uns bewußt sein, dass wir von einem Kindheitsbegriff ausgehen, der sich so erst in den letzten 40 Jahren entwickelt hat. Und diese Entwicklung des Kindheitsbegriffs wird so lange andauern, wie Menschen leben, denn: „Kindheit wird als eigenständiger sozialer Status verstanden, der nach WILK (1994, S.13) »in einem permanenten gesellschaftlichen Prozeß geschaffen und rekonstruiert« wird. Wenn man den Zeitraum der Kindheit betrachtet, kann dies niemals isoliert geschehen, sondern muß im Bezugsrahmen von gesamtgesellschaftlicher Entwicklung verstanden werden. Kinder sind immer auch Kinder ihrer Zeit, d.h. sie werden von den gleichen sozialen, politischen und ökonomischen Faktoren beeinflußt wie die Erwachsenen und sind in gesellschaftliche Wandlungsprozesse einbezogen. Alles was sich in der Gesellschaft der Erwachsenen verändert, wirkt sich auch auf das Teilsystem der Kindheit aus. Daher ist es wichtig, bei einer Analyse moderner Kindheit gesellschaftliche Trends zu berücksichtigen." (SCHWELGER-BEISHEIM 2000, S.13)

3. Beschreibung der Erhebung von OTTERSTÄDT

„ Um festzustellen, welchen täglichen und jahresdurchschnittlichen örtlichen Spielraum zehn- bis vierzehnjährige Kinder benötigen, solange sie sich noch einigermaßen verkehrsungehindert bewegen können, wurden etwa 70 Schulkinder beobachtet, überprüft und befragt.“ (S. 276) so die einleitenden Worte von Herbert OTTERSTÄDT zu seiner Erhebung, die er 1962 in einer Ortsgemeinde am Südostrand des Taunus durchführte.

Der nicht namentlich genannte Ort liegt ca. 2,5 km vom Zentrum einer ebenfalls nicht namentlich benannten Mittelstadt (ca 35000 Einwohner) entfernt und fungiert als Vorort zur Stadt. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass die Landwirtschaft abnimmt, die Anzahl der Bevölkerung aber durch die ständig wachsenden Baugebiete zunimmt.

Dadurch „zerfällt die Gemeinde in die Arbeiter, Angestellten, Gewerbetreibenden und Handwerker des alten Ortsteiles sowie die Villen- und Bungalowbesitzer der Randstraßen und Wege, die aus der nahen Großstadt zugezogen sind und hier nun abgeschlossen für sich leben.“ ( ebd. S. 276)

Die Schule bildet den Schnittpunkt zwischen dem alten und dem neuen Ortsteil.

Bei den befragten Kindern handelt es sich somit nicht mehr nur um Bauernkinder, „sondern um Kinder, die Stadtleben und Verkehr gewöhnt sind, teilweise aus der Großstadt zugezogen, teilweise als Arbeiter- und Handwerkskinder hier geboren sind.“ (ebd S. 276 )

Die Untersuchung erstreckte sich auf folgende Bereiche:

1. Wo diese Kinder am liebsten spielen (Örtlichkeiten)
2. Wie oft durchschnittlich pro Tag der Spielort gewechselt wird
3. Wie der Spielort der Kinder beschaffen sein soll
4. Inwieweit die nahe Stadt als Spielraum gewählt wird
5. Welcher Art die Freizeitspiele sind
6. Mit welchen Gegenständen besonders gern gespielt wird
7. Inwieweit Vorliebe zu Beobachtungen besteht und wo sie ausgeführt werden
8. Verlauf des Spielweges im Laufe eines Tages
9. Durchschnittlicher Raumumfang eines Spieltages
10. Welche Örtlichkeiten als Spielraum ausfallen oder gemieden werden
11. Wie weit diese Spielräume vom Elternhause entfert liegen
12. In welchem Verhältnis Einzelspiel und Gruppenspiel stehen
13. Welche Unterschiede in den vorstehenden Untersuchungsbereichen zwischen Knaben und Mädchen bestehen

Wie bereits eingangs erwähnt, war das Ziel der Untersuchung herauszufinden, welchen Spielraum Kinder benötigen, um ungehindert und harmonisch aufzuwachsen. Mit Spielraum ist nach OTTERSTÄDT der Lebensraum der Kinder gemeint, den sie zur Entfaltung ihrer Freizeitspielwünsche benötigen. (ebd S. 277)

[...]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Vergleichende Untersuchung über die Spielgewohnheiten von Vorortkindern einer mittleren Stadt damals (1962) und heute (2005)
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Ökologische Psychologie)
Note
bestanden
Autor
Jahr
2006
Seiten
29
Katalognummer
V67229
ISBN (eBook)
9783638601955
ISBN (Buch)
9783638937740
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In gut gelungener Weise greift die Arbeit eine Untersuchung von OTTERSTÄDT(1962)auf, um durch eine eigene Erhebung zu klären, ob Kinder einer Kleinstadt inzwischen andere Spielwelten nutzen als damals. Insgesamt eine überzeugende eigenständig durchgeführte Studie.
Schlagworte
Vergleichende, Untersuchung, Spielgewohnheiten, Vorortkindern, Stadt
Arbeit zitieren
Annegret Krüppel (Autor:in), 2006, Vergleichende Untersuchung über die Spielgewohnheiten von Vorortkindern einer mittleren Stadt damals (1962) und heute (2005), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67229

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