Criminal poisoning I: Autopsien und post-mortale Untersuchungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz


Wissenschaftliche Studie, 2008

25 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einführung

2. Globalisierung und Kriminalisierung

3. Das „ideale Gift“

4. Die Anwendung des „idealen Gifts“: Die Troja-Methode

5. Die rechtsmedizinische und forensisch-toxikologische Landschaft: Autopsien in Deutschland, Österreich und der Schweiz
5.1 Fallstudie 1: Autopsien und Forensische Toxikologie in Deutschland
5.2 Fallstudie 2: Autopsien und Forensische Toxikologie in Österreich
5.3 Fallstudie 3: Autopsien und Forensische Toxikologie in der Schweiz

6 Diskussion und Ausblick

Literaturverzeichnis

Vorwort

Im Jahre 1840 wurde in Frankreich ein Prozess gegen Marie Fortunée Lafarge geführt, die beschuldigt wurde, ihren Mann Charles Lafarge mittels Arsenik vergiftet zu haben.

Dieser Prozess wurde weltweit zum ersten Gerichtsverfahren mit einem Urteil auf der Grundlage eines toxikologisch-chemischen Beweises. Das Gerichtsverfahren spaltete Frankreich in zwei Lager, in die Lafargisten und die Anti-Lafargisten. Noch einige Jahre nach der Verurteilung erschienen Streitschriften und Bücher, in denen Anhänger beider Lager leidenschaftlich für ihre jeweilige Sache eintraten.

Marie Lafarge konnte in dem zweiten gegen sie geführten Prozess durch den Toxikologen Mathieu Orfila überführt werden, der bewies, dass der Körper Charles Lafarges Arsenik enthielt.

Bereits unter Heinrich VIII., geboren am 28. Juni 1491 in Greenwich, † 28. Januar 1547 im Whitehall-Palast (vom 22. April 1509 bis zu seinem Tod König von England), wurde ein Gesetz erlassen, demzufolge Giftmörder zu Tode gebrüht werden sollten. Nachweismethoden von Giften kannte man damals aber noch nicht.

Das 17. Jahrhundert war definitiv das Jahrhundert der systematischen Giftmorde durch Arsen in Italien und Frankreich, und der Nachweis dieser Substanz war ebenfalls immer noch nicht möglich. Erst im 19. Jahrhundert etablierten sich die ersten chemischen Nachweismethoden von Giften, so die „ Marsh´sche Probe “, die 1836 durch den Engländer James Marsh entwickelt wurde und mit der man jetzt Arsen-Morde aufklären konnte. Orfila hatte diese Analysemethode in dem Prozess gegen Marie Fortunée Lafarge angewendet und damit dem Gericht den entscheidenden Beweis geliefert, welcher zur Verurteilung der Lafarge führte.

Man kann behaupten, dass Orfila der weltweit erste Forensische Toxikologe war, der sich mit den kriminalistischen und juristischen Aspekten von Gifteinwirkungen auf den menschlichen Organismus als auch mit der Aufdeckung von Vergiftungen beschäftigt hatte und dieses Wissen in einem Gerichtsprozess erstmalig anwendete.

Bis heute ist das zentrale Thema der Forensischen Toxikologie der Nachweis, aber auch der Ausschluss von Vergiftungen. Natürlich haben sich Untersuchungstechniken, Analysemethoden und speziell das Wissen über Gifte bis heute mannigfaltig erweitert, das zentrale Thema der Forensischen Toxikologie ist aber immer noch dasselbe.

In dieser Arbeit („Criminal poisoning I “) werden speziell die Möglichkeiten beschrieben, die ein hochmotivierter potentieller Giftmörder (m/w) in einer globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts hat, möchte er sein(e) Ziel(e) konsequent verfolgen. Basierend auf diesen Ergebnissen wurde untersucht, inwieweit die Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz das Potential besitzen, komplizierte Giftmorde mit exotischen Giften aufzuklären. Als Untersuchungsparameter wurden die Autopsieraten in den jeweiligen Ländern sowie die Untersuchungsraten an grundlegenden und erweiterten post-mortalen toxikolo-gischen Untersuchungen herangezogen. Auch der Zustand der Rechtsmedizinischen Institute sowie Stellenwert und Zustand der „Toxikologie“ wurden in den jeweiligen Ländern untersucht. Der Faktor „Polizeiliche Emittlungsarbeit“ konnte als Untersuchungsparameter nicht mit in diese Arbeit einfließen.

Abschließend soll noch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass alle personen-bezogenen Aussagen grundsätzlich auf beide Geschlechter (m/w) bezogen sind. Zur Vereinheitlichung wurden in dem nachfolgenden Text die Begriffe „Rechtsmediziner“ bzw. „Rechtsmedizin“ verwendet (vergl. Gerichtsmediziner/ Gerichtsmedizin).

Heidelberg, im März 2008

Bernd Tünnesen

1. Einführung

Man kann sicher behaupten, dass es Giftmörder (m/w) immer innerhalb einer Gesellschaft gab, dass sie auch heute noch unter uns sind und auch zukünftig sein werden. In vielen Kriminalromanen lenkt der Autor das Interesse seiner Leser von Zeile zu Zeile auf Giftmörder, und Geschichtsbücher belegen, dass in den unterschiedlichsten Kulturen, von der Antike bis zum Alten Rom, recht unterschiedliche Personen mit dem Wissen über die „Hohe Kunst des Giftmischens“ ausgestattet waren und nur wenige davor zurückschreckten, ihr Wissen anzuwenden. [1]

Seit vielen Jahrhunderten bis zum heutigen Tag hat sich das Wissen über Gifte, deren Wirkungsmechanismen, Handhabung und Beschaffung ständig weiterentwickelt, wenn auch die Motive von Giftmördern sich in diesem Zeitraum kaum geändert haben. Nie war es so einfach wie heute, sich innerhalb kürzester Zeit Informationen aus dem Internet zu besorgen, die sich mit Giften beschäftigen, mit deren Besorgung, Anwendung, Nachweisbarkeit oder eben ihrer Nicht – Nachweisbarkeit. Und wer im Internet das notwendige Wissen nicht ad hoc findet, kann sich die dementsprechende Literatur bei wissenschaftlichen Verlagshäusern innerhalb Europas oder in Übersee bestellen. Für potentielle Giftmörder oder an Toxikologie interessierte Personen bestehen ganz neue Möglichkeiten, die die Verwendung von Arsen oder Zyankali plötzlich als mittelalterliche Mordwaffe erscheinen lassen.

In Deutschland, Österreich und der Schweiz obliegt es den jeweiligen Rechtsmedizinischen Instituten, eine mögliche Vergiftung bei einem Verstorbenen (m/w) auszuschließen oder eben zu bestätigen. Besitzen diese Rechtsmedizinischen Institute aber überhaupt noch die formalen sowie inhaltlichen Möglichkeiten, komplizierte Vergiftungen mit fremdartigen Noxen qualitativ und quantitativ nachzuweisen? Wann und wie häufig werden gezielte Autopsien in den genannten Ländern durchgeführt, einschließlich einer umfangreichen toxikologischen post-mortem Untersuchung? Wie häufig werden Forensische Toxikologen zu Autopsien hinzugerufen, besteht ein Zweifel an dem natürlichen Tod einer Person (m/w) bzw. besteht ein Anfangsverdacht auf Vergiftung?

Unter den Begriffen „fremdartige Noxe“ oder „exotisches Gift“ sollen grundsätzlich die Gifte verstanden werden, die in den o.g. Ländern nicht endemisch sind, so z.B. Afrikanische Jagd- u. Pflanzengifte und/oder Gifte, die aus anderen Teilen der Erde stammen.

Diese Publikation beschäftigt sich mit den Möglichkeiten von potentiellen Giftmördern in der heutigen globalisierten Welt und versucht, vorangegangene Fragen mittels Fallstudien zu beantworten.

2. Globalisierung und Kriminalisierung

Den wirtschaftlichen Begriff der Globalisierung prägte Theodore Levitt (1925-2006), ein deutscher Emigrant und ehemaliger Professor an der Harvard Business School, 1983 mit dem Artikel „The Globalization of Markets“ [2] in der Harvard Business Review [3]. Unter dem Begriff Globalisierung an sich ist der Prozess einer zunehmenden internationalen Verflechtung in allen Bereichen zu verstehen, der durch Staaten, Unternehmen und Institutionen, Kultur und Politik, Wirtschaft und Kommunikation, Wissen und Forschung aber auch auf der Ebene von einzelnen Individuen realisiert werden kann.

Dass sich Globalisierung auch in organisierter Kriminalisierung ausprägen kann, zeigte u.a. Hans – Ludwig Zachert, ehemaliger Präsident des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA) in seiner Analyse „Die internationale organisierte Kriminalität“ [4]. Zachert beschreibt, dass sich viele Straftäter zusammengeschlossen haben, ihre Methoden sich ständig verfeinern und sich viele Straftäter fortwährend modernstes technisches, kaufmännisches, wissenschaftliches und juristisches Know – how aneignen, um ihre Ziele zu erreichen. Gerade unter diesem Focus schlägt Zachert zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit ein umfassendes Gesamtkonzept vor, mit den Zielen „ Verhütung und Bekämpfung von Straftaten “ sowie eine „ delikt- und staatenübergreifende Orientierung von Justiz und Polizei“. Zachert postuliert in seiner Analyse, dass „ Die Gewährleist-tung der Inneren Sicherheit, so auch der Schutz der Bürger vor Straftaten, zu den zentralen staatlichen Aufgaben gehört“. [4]

Nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch in Österreich und der Schweiz, mit bedingt durch die Anschläge vom 11. September 2001 auf die USA, sind seit einigen Jahren umfassende Gesamtkonzepte gegen internationalen Terrorismus zum einen und gegen organisierte Kriminalität zum anderen verschärft zu beobachten.

Widersprüchlicherweise sind es aber auch genau dieselben Staaten, die die Autopsieraten an den jeweiligen Rechtsmedizinischen Instituten mitunter dramatisch zurückgefahren haben bzw. in denen solche Institute aus Kostengründen schließen oder fusionieren mussten. Dem ambitionierten, mit wissenschaftlichen und technischen Verständnis ausgerüsteten Einzeltäter wurde somit indirekt signalisiert, dass die dementsprechenden Rechtssysteme weniger potent gegen gezielte Giftmorde zu Felde ziehen können, da gerade die toxikologischen post-mortem Untersuchungen von der Entwicklung der Rechtsmedizinischen Institute betroffen sind.

Das grundsätzlich Paradoxe an diesem Sachverhalt ist, dass hochmotivierte potentielle Giftmörder, die im Regelfall immer als Einzeltäter auftreten, sich die Werkzeuge der Globalisierung (Internet, globalisiertes Wissen, Beschaffung von fremdartigen Giften im Ausland, vereinfachtes Reisen ohne Kontrollen etc.) zu Eigen machen, ohne dabei in das Fahndungsmuster des „organisiert Kriminellen“ oder des „Terrorverdächtigen“ zu tappen.

Der heutige Giftmörder (m/w) ist durch angelesenen Wissensstand und durch unzählige weiterführende Informationsquellen in der Lage zu beurteilen, welche Gifte an den jeweiligen Rechtsmedizinischen Instituten überhaupt analysiert werden können, welche davon tatsächlich analysiert werden und welche Gifte „durchs Raster fallen“, da eine Analyse nicht oder nur unter erheblichen Einsatz möglich ist. Er ist ferner in der Lage, sich über effektive Wirkungsmechanismen von exotischen Giften zu informieren, nach denen noch nicht einmal in den drei genannten Staaten im Rahmen einer forensischen Standardanalytik gesucht wird. Und er wird in der Lage sein, will er sein Ziel konsequent erreichen, solche Gifte in Afrika, Asien oder anderen Teilen der Erde zu beschaffen.

Ausschließlich gezielte und regelmäßig durchgeführte rechtsmedizinische Unter-suchungen mit nachgeschalteten toxikologischen post-mortem Untersuchungen wären in der Lage, die Anwendung eines solchen fremdartigen Giftes aufzudecken und qualitativ nachzuweisen. In diesem Zusammenhang muss und kann die Autopsie als die letzte Hürde angesehen werden, die über Erfolg bzw. Misserfolg der Handlung eines Giftmörders entscheidet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Criminal poisoning I: Autopsien und post-mortale Untersuchungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V88819
ISBN (eBook)
9783638034722
ISBN (Buch)
9783638931083
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Criminal, Autopsien, Untersuchungen, Deutschland, Schweiz
Arbeit zitieren
Dipl.-LabChemiker und Fachtoxikologe (postgrad.) Bernd Tünnesen (Autor:in), 2008, Criminal poisoning I: Autopsien und post-mortale Untersuchungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88819

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