Neue Geschäftsmodelle in der Musikindustrie

Erfolgspotenziale unterschiedlicher Spieler vor dem Hintergrund von Marktanforderungen und Kompetenzprofilen


Masterarbeit, 2007

116 Seiten, Note: 1,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungen

Zusammenfassung

Summary

1 Einleitung
1.1 Erosion bestehender Geschäftsmodelle in der Musikindustrie
1.2 Abgrenzung zentraler Begriffe
1.3 Ziel und Gang der Untersuchung

2 Branchenstruktur und Wettbewerbskräfte in der Musikindustrie
2.1 Grundlagen der Branchenstrukturanalyse nach PORTER
2.2 Ursachen der Umwälzung in der Musikindustrie
2.2.1 Marktentwicklung und Rivalität unter bestehenden Wettbewerbern
2.2.2 Markteintrittsbarrieren und potentielle neue Konkurrenten
2.2.3 Verhandlungsmacht der Konsumenten
2.2.4 Verhandlungsmacht der Zulieferer
2.2.5 Bedrohung durch Substitute
2.2.6 Zusammenwirken der Triebkräfte des Wettbewerbs
2.3 Ableitung eines geeigneten Kompetenzprofils auf Anbieterseite
2.3.1 Das Konstrukt des Komparativen Konkurrenzvorteils
2.3.2 Generische Wettbewerbsdimensionen
2.3.3 Kompetenzanforderungen in der Effektivitätsdimension
2.3.4 Kompetenzanforderungen in der Effizienzdimension
2.4 Zusammenfassende Darstellung der Kompetenzanforderungen

3 Überprüfung zukünftiger Marktchancen in der Musikindustrie
3.1 Ableitung des Suchraums für relevante Marktteilnehmer
3.1.1 Traditionelle Wettbewerber
3.1.2 Neue Wettbewerber
3.1.3 Potentiell neue Wettbewerber
3.2 Analyse der Kompetenzen verschiedener Marktteilnehmer
3.2.1 Kompetenzen der Effektivitätsdimension
3.2.2 Kompetenzen der Effizienzdimension
3.3 Zwischenfazit
3.4 Implikationen für die Etablierung neuer Geschäftsmodelle

4 Zusammenfassung und Ausblick

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 01: Evolution mobiler Musikspieler von 1979 - 2007

Abbildung 02: Ressourcenpyramide eines Unternehmens

Abbildung 03: Ressourcen und Fähigkeiten als Basis von Kernkompetenzen

Abbildung 04: Darstellung zum Gang der Untersuchung

Abbildung 05: Wettbewerbskräfte in einer Branche nach PORTER

Abbildung 06: Branchenstrukturanalyse der Musikindustrie nach PORTER

Abbildung 07: Weltweite Marktanteile der Major-Labels nach Verkäufen

Abbildung 08: Weltweiter Umsatz der Musikindustrie in Mrd. US $ (1969 - 2009)

Abbildung 09: Netto-Nutzen-Vorteil als relativer Wettbewerbsvorteil

Abbildung 10: Anforderungen an einen KKV

Abbildung 11: Verhältnis von sach-inhaltlichen und informatorischen Leistungsmerkmalen

Abbildung 12: Entwicklung bei Breitband-Internet-Anschlüssen in Bezug zur Tauschbörsennutzung in Europa

Abbildung 13: Tonträger-orientierte Wertschöpfungsarchitektur

Abbildung 14: Aufteilung des Ladenpreises einer CD

Abbildung 15: Digitale Wertschöpfungskette und Marktteilnehmer

Abbildung 16: Nachteile durch DRM im Gegensatz zum MP3-Format

Abbildung 17: Entwicklung von Unternehmen zu Konkurrenten

Abbildung 18: Strategische Gruppen mit digitalen Geschäftsmodellen

Abbildung 19: Kompetenzprofile der strategischen Gruppen in der Effektivitäts- und Effizienzdimension

Tabellenverzeichnis

Tabelle 01: Beurteilung der Marktveränderungen in der Musikbranche

Tabelle 02: Mögliche Nutzenfaktoren von digitalen Musikservices

Tabelle 03: Zusammenfassung wichtiger Kompetenzanforderungen

Tabelle 04: Kompetenzmessung in der Effektivitätsdimension

Tabelle 05: Kompetenzmessung in der Effizienzdimension

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassung

Seit einigen Jahren kommt es zu einem dramatischen Umsatzrückgang und einer hohen Veränderungsdynamik in der bisher überwiegend auf den Verkauf von Ton­trägern konzentrierten Musikindustrie. Trotz rückläufiger Absatzzahlen von CDs kann davon ausgegangen werden, dass mehr Musik als je zuvor gehört wird. Durch die Digi­ta­lisierung und das Internet hat das Kultur- und Konsumgut Musik erheblich an Rele­vanz gewonnen. Insbesondere die traditionellen Marktteilnehmer stehen vor der Her­aus­forderung, in diesem Umfeld innovative Geschäftsmodelle zu finden, die den ge­än­derten Lebens­ge­wohn­heiten der Musiknutzer entsprechen und ihnen gleichzeitig das wirtschaft­liche Überleben sichern. Der optimalen Vermarktung von digitaler Musik wird zugetraut, die negative Gesamt­ent­wicklung der Brache teilweise zu kompensie­ren.

Im Rahmen dieser Arbeit werden unter Verwendung des 5-Kräfte-Modells von PORTER die Triebkräfte für die gegenwärtige und zukünftige Wettbe­werbs­intensität in der Musikindustrie untersucht. Basierend auf der beschriebenen Markt­- und Wettbe­werbssituation werden durch die Operationalisierung des Komparativen Konkurrenz­vorteil-Konstruktes (KKV) von BACKHAUS/SCHNEIDER wichtige Kompetenz­en für die Erlangung eines Wett­be­werbs­vorteils in diesem Markt abgeleitet. Die Kompetenzen lassen sich in zwei Dimensionen unterscheiden, Effektivität und Effizienz. In der Effektivitäts­dimension geht es darum, welche Kompetenzen wichtig sind, um ein überragendes Leistungs­angebot zu schaffen. Weiterhin geht es um Kompetenzen die hilfreich sind, um von dem gewünschten Kundensegment auch als überragend im relativen Vergleich zu den Wettbewerbern wahrgenommen zu werden. In der Effizienzdimension werden Kompetenzen beleuchtet, die für einen Wirtschaft­lich­­keits­vorteil auf der Anbieterseite bedeutsam sind.

Auf Basis der Wert­schöpfungs­kette werden die bedeutendsten Marktteilnehmer identi­fiziert und in fünf strategische Gruppen mit ähnlicher Ressourcenausstattung und Markt­be­arbeitungsstrategie zusammen­gefasst. Bei den strategischen Gruppen (Techno­logieanbieter, Musik-Communities, Major-Labels, Endgerätehersteller und Online-Musikservices) wird die Ausprägung der erarbeiteten Kompetenz­an­forderungen zur Erzielung von KKVs analysiert und bewertet. Im Ergebnis zeigt sich, dass Musik-Communities wie MYSPACE oder LAST.FM als Online-Plattformen für die Interaktion von Nutzern untereinander neben der Gruppe der Endgerätehersteller als Anbieter integrierter Services (z. B. APPLE, SONY, NOKIA, MICROSOFT) über das höchste Potenzial zur Erzielung eines KKVs im digitalen Musikmarkt verfügen. Mit integrierten Produkt-Service-Kombina­tionen besteht für Hardwarehersteller die Möglichkeit, eine über­zeugende Leistung anzubieten. Sie vereinen verschiedene Ressourcen und Fähig­keiten, wie:

- Technologie: Digital Rights Management (DRM, Applikationen, Endgeräte)
- Infrastruktur: Rechte an digitalen Inhalten, Hosting, Distribution
- Services: Marketing, Bezahlverfahren

Klassische Kommunikations­aktivitäten sind nicht mehr im Einklang mit dem Lebensstil vieler Konsumenten und erweisen sich als immer ineffizienter. Auch die Gewohnheiten und das Freizeitverhalten junger Menschen, die früher einen großen Teil ihres Budgets für Tonträger ausgaben, haben sich geändert. Von außen lässt sich das Markt­segment junger online- und musikaffiner Konsumenten über große Fernseh­shows, bekannte Serien, erfolgreiche Kinofilme und Video-Spiele beeinflussen. Alles andere wie z. B. Plattenläden, Musikpresse, Musiksender, was neben dem Radio lange für den Erfolg eines Titels oder Albums ausschlaggebend war, funktioniert bei dieser Zielgruppe heute zunehmend weniger.

Internet und Fernsehen allein können den anhaltenden Umsatzrückgang in der Musik­industrie nicht stoppen. Zu gering ist der Ertrag. Erfolgreiche Künstler machen einen Großteil der Gewinne mit ihren Konzert-Tourneen. Auch die Major-Labels möchten als Partner bei Live-Konzerten, beim Sponsoring oder Merchandising mitverdienen. Die sinkenden Umsatz­zahlen beim bisherigen Hauptgeschäft, dem Verkauf von Ton­trägern, soll so zumindest teil­weise kompensiert werden. In Zeiten des »alles-jederzeit-überall-für-jeden-verfüg­baren« suchen viele Musikhörer ihren eigenen Stil und erkunden Musik fern der Hits in den aktuellen Chartlisten. Durch diese Entwicklung werden musikalische Nischen immer bedeut­samer. Dabei ist Mund-zu-Mund-Propaganda das Entscheidende, um neue Musik bekannt zu machen.

Trotz großer Hoffnung wird der digitale Musikverkehr kaum wieder die 40 Milliarden Dollar weltweiten Gesamtumsatz kompensieren, die der Markt zu seinem Höhepunkt im vergangenen Jahrzehnt erreicht hatte, als viele ihre Lieblingsschallplatten erneut auch auf CD kauften. Selbst wenn es gelänge, sämtliche Online-Transaktionen von Musik in Geld zu verwandeln, käme man nicht annähernd auf den Stand von vor zehn Jahren.

Das Ende der Musikindustrie wird das nicht bedeuten. Es stehen jedoch weiterhin dyna­mische Verände­rungen bevor. Die zunehmende Internationalisierung des Wettbewerbs und eine schnelle Verbreitung der Internet­technologien stellen nicht zuletzt auch in der Musik­industrie eine große Heraus­forderung für die permanente Überprüfung der Unter­neh­mens­strategie dar. Die Etablierung erfolg­reicher Geschäfts­modelle erfordert ein Denken außerhalb von Schablonen, eine flexible Anpassung an wechselnde Spielregeln und die Fähigkeit, global zu agieren ohne lokale Besonderheiten aus dem Blickfeld zu verlieren. Einiges deutet daraufhin, dass sich in Zukunft die Erlöspotenziale neben dem Verkauf digitaler Inhalte hin zu Konzerten und Live-Auftritten verschieben. Mit dem so genannten 360-Grad-Ansatz werden unter­schied­liche Marktteilnehmer versuchen, Künstler optimal zu vermarkten und die Erträge aus z. B. Merchandising, digitalen Produkten, Tonträgern und Konzert­ein­nah­men zu optimieren und besser aufeinander abzustimmen. Als weltweit erster Topstar hat MADONNA nicht nur die Vermarktung ihrer Live-Auftritte, sondern auch die ihrer nächsten drei Studioalben einem Konzertveranstalter zugesichert und ihre Plattenfirma WARNER MUSIC GROUP nach über 20 Jahren verlassen. Der Vertrag umfasst alles, was MADONNA in den nächsten zehn Jahren produzieren wird. Es ist durchaus realistisch, dass mittelfristig andere Spieler zu attraktiven Vertriebspartner für Künstlern werden. Das könnten sowohl Musik-Communities wie MYSPACE mit weltweit 200 Millionen Teilnehmern oder auch Technologieanbieter wie NOKIA mit 400 Millionen jährlich verkauften Mobiltelefonen sein.

Auch wenn diese Arbeit nicht abschließend beantworten kann, wie neue Geschäfts­modelle in der Musikindustrie erfolgreich etabliert werden, stellen die Ausführungen einen Bezugrahmen dar, um Geschäftsmodelle ver­schie­­dener Markt­teilnehmer besser zu verste­hen und differenziertere Aussagen zu den Erfolgspotenzialen unter­schied­licher Spieler treffen zu können.

Summary

The overall downturn and pace of transformation of the traditional business model for the music industry has been accelerating for several years now. It remains an innovative and vibrant industry, but there are real challenges for traditional players as music labels to survive long-term in this dynamic environment. The music industry will transform and the current business model is beginning to fail. As a result of downturn in physical media sales, digitalization and the availability of broadband internet access the industry has entered an unstable period of innovation and experimentation with new business models following a trial and error path.

One promising option to compensate the dramatically shrinking total revenue is the digital music business. By 2006 there are in over forty countries nearly five hundred online music services available, offering a wide variety of choice. The number of tracks available online increased to reach over five million on leading services this year. Mobile services provide customers the ability to download tracks directly to their handsets, even while on the move.

The growth in fact it is relatively slow at most online retailers.

Consumers could be seen as the main winners in the rise of digital music with the exception of the complexity around non standardisation of digital right management (DRM). They have effectively been given access to 24-hour music stores and services with unlimited shelf space. They can buy, sort, categorise and consume music in new ways and formats – a download, a video, a ringtone or a subscription library to rent millions of songs for a fix amount of money. New features of online and mobile music offerings are designed to help users share their taste in music and satisfy the inherent desire that music fans have to share their favourite music. Additionally, these tools have important potential cultural benefits that reinforce the value of music and the music economy. So far the split between online and mobile remains fairly equal, but varies substantially across markets. Already today there are more mobile phones than personal computers existing in the world. It can be expected the multimedia phone with included music player and internet browser will be a preferred device for various activities. At least by young online connected group of users and their music consumption.

Many thought the digital downloads would work in replacing lost CD sales and the industry would slip into this mode – but with the current business models it is not working well enough. Initially mainly piracy was blamed but meanwhile this is not the full truth. Young consumers have higher expenditures than ever before, but comparatively fewer of them are buying music. Items, such as competing entertainment formats cannibalizing the disposable income. The resultant drop in recorded music sales could make the current stagnation look like the calm before the storm.

This thesis makes use of an industry analysis as the basis to understand and help develop new business models in the digital music businesses. By using PORTER’s five forces theory the main drivers for competition in digital music industry are defined. Based on the current situation and expected further developments of the industry, a set of important core capabilities required to establish new digital music business models are examined. The relevant core resources and competencies can be separated into two operational dimensions in order to reach a sustainable competitive advantage; effectiveness and efficiency. In terms of effectiveness, core capabilities are defined by doing the right things in the right priority. In terms of efficiency, core capabilities are defined by getting things done with quality.

The analysis outlines young online connected group of users in Europe as the main target group for innovative digital music services. This ambitious demographic have learned from their past experience in the digital world that they can access any music they want for free at illegal peer-to-peer file sharing sites. Especially in this group, buying a CD to experience new artists and their music is on a downward trend. Asking friends or using the web are the preferred methods. Meanwhile, high profile legal actions by the music industry against file-sharers seem to work slowly.

Online illegal file-sharing in Europe was contained last year against a 30 per cent increase in broadband household penetration. But the millions of illegal downloads every day are still a mass phenomenon. In order to significantly capture this potential customer segment, any legal digital music services need to offer a superior value proposition at reasonable pricing and minimal hassle. The margins of retailers offering online music services are typically low. Many players are in competition for just a few customers, who are buying digital music online. To reach a sustainable competitive advantage there is additionally a need to achieve return targets by the business owner.

Still, the major record labels dominate the European digital music value chain, accounting for approximately two thirds of total revenues. Their challenge is to build up proactively digital growth and identify new digital opportunities that furthermore extend the reach of their artists. To increase average revenue per customer labels should offer more flexible pricing schemes for reducing the average costs of digital content.

Furthermore there are strong brand competitors such as the device manufacturers (e.g. APPLE, NOKIA), network operators (e.g. VODAFONE), retailers (e.g. AMAZON), online portals (e.g. GOOGLE) and technology giants (e.g. MICROSOFT) which are battling ever harder to win a share of the total digital music business. While advertising-supported business models emerged as a potentially new revenue stream for record companies, social networking sites exploded in popularity mainly among young users around the world and also entered the battle. By comparing the most relevant players in the digital music market five strategic groups are classified. To what extent the different groups possess the defined core capabilities has been analysed in the following steps.

This analysis comes to the conclusion that hardware vendors combine the strongest core capabilities in order reach a competitive advantage in the music industry. They represent a strong combination of business efficiency, technological proficiency and an attractive value proposition. With easier access to their large base of existing customers they have a higher probability to generate economies of scale in order to optimize the overall cost structure. Furthermore, they can leverage their broad international brand awareness. Companies like APPLE, NOKIA, MICROSOFT and SONY primarily deploy digital music as a tool for selling their devices.

By offering an integrated digital music experience they are perceived to have the best position, straddling the following key links:

- Technology: digital rights management (DRM), applications, devices
- Infrastructure: negotiating rights, hosting, distribution
- Services: marketing, billing

The second most promising strategic group are music communities. Consumer surveys show that personal recommendation by friends is one of the most powerful ways how people discover music. Online consumers have access to unprecedented, ever-increasing music catalogues from many sources. Consumers might need help to refine their searches, be made aware of new or unfamiliar music or be reminded of old favourites. Consumer-to-consumer recommendation platforms which enable consu­mers to actively present their individual tastes to each other, are becoming increasingly common. Large online communities as MYSPACE or LAST.FM are highly frequented virtual places that actively encourage consumer-to-consumer communication. Used as tools that improve the consumer experience and drive transactions they have an apparent importance as part of the music information-gathering experience by millions of young online- and music-oriented consumers.

Even when this thesis can not finally answer how new digital music business models can be successfully developed; it will help better understanding the strategy of different competitors and their potential for success in this complex market.

1 Einleitung

1.1 Erosion bestehender Geschäftsmodelle in der Musikindustrie

Durch die Digitalisierung und die zunehmende Verbreitung des Internet ist die Musik­industrie in den letzten Jahren einschneidenden Veränderungen ausge­setzt worden. Online-Musikangebote und eine steigende Zahl von Breitband­an­schlüssen erleichtern den Zugang zu Musik und haben einen Strukturwandel ausgelöst.

Der Großteil der 50 meistverkauften Musikalben aller Zeiten wurde in den 70er- und 80er-Jahren aufgenommen. Obwohl Hits und Megaseller die größte Aufmerksamkeit erhalten, stellen sie nicht mehr die wirtschaftliche Kraft dar, die sie einst waren. Die musikalischen Interessen der Verbraucher verteilen sich im Markt auf unzählige Nischen. Diese Nischen hat es immer gegeben, doch erst jetzt, da sie leichter und günstiger zu erreichen sind, entwickelt sich daraus eine kulturelle und wirtschaftliche Kraft. Der Nischenmarkt ersetzt nicht den traditionellen Markt mit seinen Hits, er teilt sich nur zum ersten Mal mit ihm die Aufmerksamkeit. In der Vergangenheit war es nötig, kostspielige Regalfläche in Musikgeschäften, den begrenzten Sendeplatz im Radio, die wenigen Übertragungsmöglichkeiten und die Aufmerksamkeit so effektiv wie möglich zu nutzen. Das Vertriebsmodell der großen Musiklabels, das im Gefolge der Radio-Hitmaschinerie entstand, basiert auf dem Geschäftsmodell, das auf Megahits angewiesen ist.

Mittlerweile hat das Internet die Funktion des Radios übernommen, um neue Musik zu entdecken. Unter den Musikhörern hat sich ein Wandel vollzogen; man orientiert sich nicht mehr am Massengeschmack und hört nur die Titel an der Spitze der Charts, sondern sucht sich seinen eigenen Stil und erkundet Musik fern des Einheitsbreis der Radiosender, wagt sich an relativ unbekannte Titel heran oder geht in der Zeit zurück und hört Oldies. Je mehr sich Musikhörer von ausgetretenen Pfaden entfernen, entdecken sie, dass ihr Geschmack gar nicht so massentauglich ist, wie sie immer dachten.

Die auf Hits basierende Wirtschaft ist das Produkt einer Zeit, in der nicht genügend Platz zur Verfügung stand, um jedem alles zu bieten.

Heute hat sich die Ökonomie des Musikvertriebs deutlich verändert. Während Musik allgegenwärtig ist, geht der Absatz von CDs seit Jahren zurück. Die Hersteller von Tonträgern bzw. Major-Labels,[1] die sich in der quasi-monopolistischen Schlüssel­position zwischen Musik­schaffen­den und Musik­konsumenten befinden, sind davon besonders betroffen. Während die traditionellen Marktteilnehmer erheb­liche Umsatz- und Gewinneinbußen hinnehmen müssen, bilden sich gleichzeitig neue Wettbewerber auf dem Markt heraus. Als schlichte Ursache hierfür wurde lange die Piraterie verantwortlich gemacht. Die Behauptung lässt sich nicht von der Hand weisen. P2P-Tauschbörsen im Internet und das Brennen von CDs ließen Wege entstehen, auf dem jeder Titel jederzeit kostenlos zu haben ist. Trotz unzähliger gerichtlicher Prozesse seitens der Musikindustrie, werden die P2P-Tauschbörsen weiterhin intensiv genutzt.

Das Aufkommen der Internettauschbörsen war nicht die einzige gravierende Veränderung in der Musikbranche. 2001 brachte APPLE den ersten iPod heraus, einen schlichten weißen MP3[2] -Spieler. Dieses Gerät war keinesfalls der erste Musikspieler dieser Art auf dem Markt. Es wurde aufgrund seiner Einfachheit, des eleganten Designs und einer effektiven Marketingkampagne zum ersten tragbaren digitalen MP3-Player, den viele kauften.[3] Damit können bis heute ca. 110 Millionen Menschen[4] erst­mals tausende Titel unterwegs auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei der Arbeit mit sich führen und jederzeit abrufen. Einen iPod legal mit bezahlten Musiktiteln zu füllen, würde mehrere Tausend Euro kosten. Im Vergleich dazu ist das kostenlose Herunterladen eine bequeme Alternative, die sich auch mit Billigpreisen nicht unterbieten lässt. Die neuen Möglichkeiten der Musikbeschaffung sorgen auch für ungeahnte Vielfalt, wenn es darum geht, neue Musik zu entdecken. Während es sich beim Brennen und Tauschen von CDs unter Freunden um eine besonders wirksame Form des viralen Marketings handelt, ist das Tauschen von Playlisten eine Art der Mund-zu-Mund-Propaganda in großem Stil. Es gibt zwischen­zeitlich Musik-Empfeh­lungsdienste die einerseits angesagte Under­ground-Künstler bekannt machen und andererseits daran arbeiten, den persön­lichen Geschmack mit zunehmender Genauigkeit zu treffen.[5]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Recherchen

Abbildung 01: Evolution mobiler Musikspieler von 1979 - 2007

Als Reaktion auf den Markteintritt des einstigen Computerherstellers APPLE sind viel­fältige neue Anbieter auf dem digitalen Musikmarkt aktiv. Der legale Download-Markt wird für immer mehr Anbieter[6] interessant und gehört zwischenzeitlich zu einem Hoffnungs­träger der Industrie.[7] Weltweit werden die digitalisierten Titel millionenfach verkauft. Sie haben sich insbesondere bei Singles als Alternative zum Kauf physischer Tonträger etabliert. Während der Umsatz mit CDs bestän­dig rückläufig ist, verzeichnen die Ein­nah­men aus digitalen Down­loads zweistellige Wachstumsraten.[8]

Noch befindet sich der Markt für digitale Musik in der Frühphase und die Marktteil­nehmer testen verschiedene Erlös­quellen nach dem »Trial and Error«-Prinzip. Die rasante Entwicklung der Branche vor, während und nach der Bearbeitung dieser Arbeit unterstreicht die Bedeutung und Aktualität des Themas. Trotzdem vielseitig experi­men­tiert wird ist bisher kein nachhaltiger Weg gefunden worden, die weiter schrum­pfenden Erlöse aus den nachlassenden CD-Verkäufen auch nur annähernd zu kompensieren.[9]

Auf Seiten der Major-Labels wird das Internet nicht mehr ausschließlich als Gefahr gesehen. Auch die Chancen sollen jetzt nach dem Motto genutzt werden: »Wenn Du einen Feind nicht besiegen kannst, dann mach ihn dir zum Freund«. Allerdings erfolgte diese Erkenntnis recht spät. Es sind nicht nur viele kleine Spieler die im Markt mitmischen. Inzwischen konkurrieren auch ressourcenstarke Marktteil­nehmer aus der Technologie­brache um die Vorherrschaft. Neben reinen Musikportalen finden sich Endgerätehersteller mit integrierten Services aber auch Mobilfunkprovider sowie Handyhersteller, die attraktive Teile der digitalen Wertschöpfungskette besetzen wollen. Die einst übermächtigen Musikkonzerne verdienen zwar auch daran, wenn andere die Musik ihrer Künstler verkaufen, doch sie haben es versäumt, den Markt selbst zu entwickeln. Jetzt müssen sie sich das Geschäft teilen und sich die Preise von ver­handlungsstarken Partnern diktieren lassen. Zudem könnte den einst dominieren­den Major-Labels drohen, zu reinen Lieferanten der digitalen Inhalte aus ihren be­stehenden Katalogen degradiert zu werden. Doch auch alle anderen Markt­teil­nehmer stehen vor der Heraus­forderung, ein Leistungsangebot zu gestalten, welches von jungen internet-affinen Jungendlichen, die Hauptnutzer von illegalen Tausch­börsen, als attraktive Alterna­tive angenommen wird. Der Download kompletter Titel und Alben auf musikfähige Mobiltelefone gilt bereits seit Jahren als eines der viel­ver­sprech­end­sten neuen Geschäftsfelder der Musikindustrie. Insbesondere da die Nutzer von Handys bereits daran gewöhnt sind, für mobile Inhalte und Dienste zu bezahlen. Ein weiterer Vorteil besteht für die Anbieter darin, dass der kostenlose Tausch von Musik, die direkt auf das Mobiltelefon heruntergeladen wurde, durch Kopierschutz verhindert werden kann. Für neue Impulse könnten jetzt der Start von neuen Geräten und Musikdiensten durch das finnische Unternehmen NOKIA[10] oder das amerikanische Unternehmen APPLE sorgen.

Grundsätzlich gilt für alle Anbieter, dass die Geschäfts­modelle permanent den sich dynamisch ändernden Gege­ben­­heiten der digitalen Realität anzupassen sind. Welche Kompetenzen einerseits wichtig sind, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufzubauen und welche Spieler andererseits die besten Voraussetzungen besitzen, um in diesem Markt neue Ge­schäfts­­modelle erfolgreich zu etablieren, soll im Rahmen dieser Arbeit beleuchtet werden. Dabei wird hier davon ausgegangen, dass spezifische Kompeten­zen eine not­wendige aber noch keine hinreichende Voraussetzung sind, um eine vorteilhafte Wett­bewerbsposition in einem Markt zu besetzten. Jedoch drückt das Vor­han­densein wichtiger Kompetenzen das grundsätzliche Potenzial eines Marktteil­nehmers aus, Wettbewerbsvorteile aufzubauen.

1.2 Abgrenzung zentraler Begriffe

Begriffe, die für das bearbeitete Thema von zentraler Bedeutung sind, werden nachfolgend beschrieben und abgegrenzt.

Musikindustrie: Dieser Begriff beschreibt die industriell organisierte Herstellung musikbezogener Träger­medien, Musik­instrumente und Phonogeräte und deren massenhafte Verbreitung durch die Medien sowie den Handels­sektor.[11] Bis Ende der 90er Jahre galt noch, dass erst durch die Kombination (eines Werkes) der Musik als Immaterialgut mit einem Informations­träger (dem Tonträger) ein verkäufliches Produkt entsteht.[12] Durch den Tonträger wurde Musik speicherbar, beliebig oft wiederholbar und als Ware handelbar. Innerhalb der Musikindustrie ist der Tonträgermarkt ein Teil­markt, der aus der Speicherung von Musik auf Tonträgern sowie der Verviel­fältigung und Ver­brei­tung derselben besteht.[13] Trotz der vielfältigen Abhängig­keiten zu neben- und nachgelagerten, sowie komplementären und substitutiven Märkten, ist der Kern­bereich Tonträger der wesentliche Treiber für die Entwicklung.[14] Die CD ist mit etwa 70 Prozent des Markt­ab­satzes (ein­schließ­lich Downloads) immer noch eines der belieb­testen Formate für Tonträger.[15] Die stärksten Zuwächse ver­zeich­net die Musik­industrie beim Absatz von digitaler Musik, die ohne Tonträger über Online- und Mobil­funk­platt­formen verkauft wird.[16] Durch diese neuere Ent­wick­lung wurde Musik allein, d. h. ohne Informations­träger, zu einer handel­baren bzw. vielfach frei verfüg­baren Ware.

Geschäftsmodell: Die Verwendung des Begriffs erfolgt in der Literatur nicht ein­heit­lich. Auch in der Praxis findet oftmals eine Verwechslung mit Strategie­begriffen, wie Unternehmens-, Produkt-, Marketing- oder Preisstrategie statt.[17] Anhand eines Geschäfts­­modells wird in ver­ein­fachter Form abgebildet, welche Ressour­cen in die Unter­nehmung einfließen. Weiter­hin wird abstrakt beschrie­ben, wie diese durch den innerbe­trieblichen Leistungs­erstellungs­prozess in Infor­ma­tionen, Produkte und/oder Dienst­leistungen umgewandelt werden.[18] »A business model is defined as the organization (or »architecture«) of product, service and information flows, and the sources of revenues and benefits for suppliers and customers.«[19] Dieser Definition folgend, handelt es sich um ein Modell auf hoher Abstraktions­stufe (Architektur). Waren-, Dienstleistungs- und Infor­mationsflüsse werden ab­ge­bildet. Außerdem beschreibt das Modell den möglichen Nutzen für die Akteure sowie Umsatz­quellen, die sich ergeben. Geschäfts­modelle dienen der »Aggregation wesentlicher, rele­vanter Aspekte aus den betriebs­­wirtschaftlichen Teildisziplinen, um hierdurch zu einem ein­fachen, kompri­mierten Überblick der Geschäftsaktivitäten in Modellform zu gelangen.«[20] Ein inte­griertes Geschäftsmodell setzt sich wiederum aus einzelnen Teil­mo­­dellen zusam­men. Bei integrierten E-Business-Geschäftsmodellen handelt es sich grund­sätz­lich immer um eine Ansammlung von verschiedenen Teilmodellen.[21] Die drei Haupt­­kompo­nenten von Geschäftsmodellen, die STÄHLER[22] anführt, werden im Folgenden kurz erläutert.

Value-Proposition: Geschäftsmodelle enthalten eine Beschreibung, welchen Nutzen Kunden oder andere Partner des Unternehmens aus der Verbindung mit diesem Unternehmen ziehen können. Dieser Teil eines Geschäftsmodells wird Value-Proposition genannt. Nach ANDERSON/NAURUS ist »Value-Proposition der Wert von ökonomischen, technischen, dienstleistungsbezogenen und sozialen Nutzen­ele­men­ten, die ein Nachfrager im Austausch für den bezahlten Preis bekommt. Das Ganze wird in Geldeinheiten ausgedrückt.«[23] Die Value-Proposition richtet sich an zwei unterschiedliche Anspruchsgruppen. In Bezug auf den Kunden geht es um die Nutzen­generierung und Bedürfnisbefriedigung. Weiterhin beinhaltet die Value-Proposition den Nutzen, den die Wertschöpfungspartner aus der Teilnahme am Geschäftsmodell ziehen und sie motiviert, sich daran zu beteiligen.[24]

Architektur der Leistungserstellung: Ein Geschäftskonzept ist gleichzeitig die Architektur der Wertschöpfung. Sie beschreibt, wie der Nutzen für den Kunden generiert wird und beinhaltet eine Beschreibung der verschiedenen Stufen der Wert­schöpfung. Um die Value-Proposition effizient umzusetzen, sind die Komponenten ent­sprech­end zu konfigurieren. Drei wesentliche Komponenten sind zu differenzieren: der Produkt-/Marktentwurf, die interne Architektur und die externe Architektur.

Produkt-/Marktentwurf: Das Geschäftsmodell enthält das Design des Produktes oder Produktbündels. Hierzu gehören Entscheidungen, welches Produkt in welcher Konfi­gu­ra­tion das Unternehmen anbieten möchte. Das Unternehmen kann sich durch den Produktentwurf von möglichen Wettbewerbern differenzieren.[25] Die Architektur der Leistungs­erstellung enthält weiterhin eine Abgrenzung des Marktes. Diese kann über geographische Kriterien oder über Kundensegmente erfolgen. Zwischen der Value-Proposition und der internen und externen Architektur der Leistungserstellung bildet der Designprozess die Schnittstelle.[26]

Interne Architektur der Leistungserstellung: Die interne Architektur dient der Erstellung des Produktes. Sie besteht aus den vorhandenen Ressourcen. Weiter­hin beinhaltet sie die unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfung, die Kommunikations­kanäle und Koordinationsmechanismen zwischen den Wert­schöpfungsstufen und eine Abgrenzung, welche Aktivitäten innerhalb des Unter­nehmens und welche von externen Partnern erbracht werden. Die Kern­kompetenzen und strategischen Vermögenswerte bilden die internen Ressourcen eines Unternehmens.[27] Sie umfassen das Wissen und die strategischen Vermögenswerte wie z. B. Marken, Patente, Kundenbeziehungen oder Vertriebskanäle.[28] Das Geschäftsmodell definiert die Stufen der Wertschöpfung. Neben den Stufen und ihrer Reihenfolge beschreibt es die Akteure und deren Rollen.

Die einzelnen an der Wertschöpfung beteiligten Akteure werden durch die Kommuni­kationskanäle verbunden. Die Koordinationsmechanismen hingegen bestimmen, wie die einzelnen Akteure ihre Aktivitäten untereinander abstimmen. Aus der Kombination der Stufen der Wertschöpfung, der Kommunikationskanäle und Koordinations­mecha­nis­men ergeben sich die Kernprozesse des Unternehmens.[29]

Externe Architektur: Die externe Architektur des Geschäftsmodells umschließt zwei Hauptbereiche. Die Schnittstellen des Unternehmens zum Kunden und die Wert­schöpf­ungs­partner. Das Geschäftsmodell enthält Informationen, welche externen Wirt­schafts­­subjek­te welche Wertschöpfung generieren. Mögliche Partner sind Lieferanten, Anbieter von komplementären Produkten, Kunden und Wettbe­werber. Die Kunden­schnitt­­stelle setzt sich zusammen aus den Distributions­kanälen, den Informationen, die das Unternehmen über den Kunden hat und die wiederum in den Wert­schöpfungs­prozess mit einfließen, den Kommunikations­kanälen zwischen Kunde und Unter­neh­men, umgekehrt und zwischen den Kunden selbst. Die Verbindung zwischen der Wert­schöpfungs­architektur und dem Ertragsmodell bildet der Preis­bil­dungs­mechanismus. Weiterer Bestandteil der externen Architektur sind die Kommuni­ka­tionskanäle und Koordi­nations­mechanismen. Durch die Koordinations­mechanismen werden insbe­son­dere die Regeln zwischen den Partnern bestimmt.[30]

»Im Geschäftsmodell wird auch verankert, welche Stabilität oder Dynamik die Architektur der Leistungserstellung aufweisen soll, d. h. wie langfristig die Beziehungen zwischen den Bausteinen der Leistungsarchitektur sind. Hier wird festgelegt, wie flexibel die Architektur aufgebaut werden soll, ob sie bewusst langfristig stabil oder flexibel ausgestaltet werden soll.«[31]

Ertragsmodell: Das Ertrags- bzw. Erlösmodell stellt einen wesentlichen Teil des Geschäfts­mo­dells einer Unternehmung dar. Es bildet die Methoden ab, aufgrund welcher Leistungen und von welchen Akteuren das Unternehmen Einnahmen erzielt.[32] Im Zentrum steht die Frage, »wie und in welcher Höhe Erträge zur Finanzierung der Geschäftstätigkeit erzielt werden sollen.«[33] WIRTZ klassifiziert Erlöse zum einen nach dem Akteur und zum anderen nach den Preiskonditionen.[34] Direkte Erträge werden vom Nutzer der Leistung be­zo­gen, indirekte Erträge dagegen von Dritten. Nutzer (Rezipienten von Medienprodukten) zahlen bei trans­aktions­abhängigen Entgelten nur für die tatsächlich in Anspruch genom­mene Leistungsmenge bzw. -dauer. Dem gegenüber bemessen sich trans­aktions­un­ab­hängige Entgelte nur an der Möglichkeit der Nutzung.[35] Beispiele für Ertragsquellen sind Abonnentengebühren, Werbe­ein­nah­men, Trans­aktionsgebühren, Provision für die Weiterleitung von Kunden oder Verk­aufs­­kommissionen. Ein Ertragsmodell kann aus einem Mix von Erträgen bestehen oder nur eine Quelle von Erträgen besitzen.[36]

Ein Geschäftsmodell ist immer eine abstrakte Annäherung an die Wirklichkeit. Es beschreibt grob wie ein Geschäft funktioniert. Der Abstraktionsgrad der Beschreibung hängt immer von den Zielen ab, die mit dem Geschäftsmodell verfolgt werden. Der Begriff des Geschäftsmodells bezieht sich im eigentlichen Sinne des Wortes auf ein Geschäft eines Unternehmens. Gerade bei reiferen Branchen wird auch von einem Ge­schäftsmodell einer Branche oder einer strategischen Gruppe gesprochen. In diesem Zusammen­hang bezieht sich der Begriff auf eine Branche und beschreibt, wie die Unter­nehmen als Gruppe welchen Nutzen für ihre Kunden generieren.[37] Das Ge­schäfts­modell eignet sich besonders für die Analyse von sich schnell verändernden Unter­nehmensumfeldern. Es kann ein besseres Verständnis für die Veränderungen und Wechselwirkungen bieten und Ansatzpunkt für potentielle Veränderungen
aufzei­gen.[38]

Ressourcen: Als Ressourcen bezeichnet man in der betriebs­wirtschaftlichen Literatur alle materiellen und immateriellen Güter, Vermögensgegenstände sowie Einsatz­faktoren, über die eine Organisation verfügt. Materielle Ressourcen lassen sich unterteilen in finanzielle, physische und IT-basierte Ressourcen. Beispiele für materielle Ressourcen sind Eigenkapital, Fremdkapital, Maschinen, Anlagen, Gebäu­de, Rohstoffe, Software und Hardware. Immaterielle Ressourcen lassen sich unter­teilen in Bestands-Ressourcen, Human-Ressourcen, strukturelle Ressourcen und kulturelle Ressourcen unterteilen. Beispiele für immaterielle Ressourcen sind insbe­sondere das Know-how der Mitarbeiter aber auch andere Objekte, wie Patente, Unter­nehmens­­kultur, Leistungsbereitschaft und die Marke.[39] Verbindet man die materiellen und die immateriellen Ressourcen, lässt sich eine Pyramide wie in Abbildung 02 darstellen.[40]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Müller-Stewens, G. /Lechner, C.(2005), S. 214

Abbildung 02: Ressourcenpyramide eines Unternehmens

Fähigkeiten: Im Gegensatz zu den dargestellten Ressourcen sind die Fähigkeiten eines Unternehmens ein Ergebnis von langsamen Lernprozessen.[41] Sie beschreiben, inwieweit eine Organisation in der Lage ist, die eigenen Ressourcen durch eine ziel­orientierte Ausrichtung und Koordination auch zu nutzen. D. h. die isolierte Betrachtung der einzelnen Ressourcen steht nicht im Vordergrund, sondern die Bündelung und Kombination von Ressourcen. Fähigkeiten finden ihren Ausdruck in der Organisation des Unternehmens, den Prozessen, die im Unternehmen ablaufen, und den Führungs­systemen (zum Beispiel Planungs- und Kontrollsysteme, Anreizsysteme), die dabei zum Einsatz kommen.[42]

(Kern-)Kompetenzen: In der Literatur liegt kaum ein einheit­liches Verständnis von den Begriffen Fähigkeiten, Kompetenzen und Kern­kompe­ten­zen vor. Die Begriffe werden in der ökonomischen Literatur in ver­schie­denen Kontexten thematisiert. Es wird hier der Auffassung von HUNGENBERG gefolgt, wonach Fähigkeiten neben Ressour­cen die zweite Kompetenzart darstellen. Sie geben darüber Aus­kunft, ob die vorhan­denen Ressourcen sinnvoll genutzt werden und ob das Wettbe­werbs­potenzial der Ressourcen ausgeschöpft wird. Mangelt es dem Unter­nehmen an Fähigkeiten, bleiben Ressourcen – und die damit verbundenen Potenziale – unge­nutzt.[43] »Fähigkeiten finden ihren Ausdruck in der Organisation des Unter­nehmens, den Prozessen, die im Unternehmen ablaufen und den Füh­rungs­­systemen… die dabei zum Einsatz kommen.«[44] »Kernkompetenzen bilden ein übergreifendes Potenzial, das seine produktiven Konsequenzen in den verschiedenen Unternehmens­bereichen gleichzeitig entfaltet und nicht länger auf einzelne organisatorische Subsysteme beschränkt. Sie sind spezifische, schwer imitierbare generelle Wissens- und Handhabungsressourcen einer Unternehmung, sie sind erfolgs­relevant, entstehen aus kollektiven Lernprozessen und ihre Bedeutung ist über­indi­viduell.«[45]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an Hungenberg, H. (2004), S. 36

Abbildung 03: Ressourcen und Fähigkeiten als Basis von Kernkompetenzen

Kernkompetenzen sind diejenigen Kompetenzen, die eine Differenzierung gegen­über der Konkurrenz ermöglichen und einen nach­haltigen Wettbewerbs­vorteil darstellen.[46] Der im Englischen recht technische Begriff der »core competencies« wurde über die Zeit allgemeiner gefasst. Es geht darum, dass ein Unternehmen dank seiner überlegenden Fähigkeiten in der Lage ist, strategisch relevante Positionen zu besetzten. Damit sind Kernkompetenzen, die in der Literatur auch als strategische Erfolgspositionen bezeichnet werden, die Grundlage des Unternehmenserfolgs. Die Fähigkeit zur Erbringung einer überlegenden Qualität im relativen Vergleich zu den Wettbewerbern kann daher als eine Kernkompetenz bezeichnet werden.[47]

Wertekette: Die Schaffung und Steigerung von Werten ist Ziel des unter­nehmerischen Handelns. Nach PORTER sind Werte die Beträge, die Abneh­mer für die Erzeugnisse des Unternehmens zu zahlen bereit sind.[48] Produkte oder Dienst­­leistungen werden unter Einsatz eigener wertsteigernder Produktions­faktoren erschaffen oder veredelt, und anschließend den Märkten zugeführt. Die Kombination verschiedener Produktions­faktoren innerhalb dieses Prozesses, der Erschaffung von Werten, wird als Wert­schöpf­ung bezeichnet. Innerhalb eines Unternehmens erfolgt die Wertschöpfung selten in einem einzigen Prozess, sondern zumeist gestuft in mehreren, aufeinander folgen­den Prozessen.[49] Neben den primären Aktivitäten sind unterstützende Aktivitäten notwendig, wobei diese der Aufrechterhaltung der Primäraktivitäten dienen.[50] Primär­aktivitäten erbringen die marktbezogenen Wertschöpfungen von der physischen Leistungs­­erstellung des Produkts, dessen Verkauf und Über­mitt­lung an den Abnehmer sowie dem Kundenservice nach Kauf.[51] Auf Basis der Werte­kette kann beurteilt werden, in welchem Verhältnis der Wert jeder einzelnen Aktivität zu den Kosten für die Durch­führung steht. Dadurch wird der geschaffene Wert der vorhandenen Kompeten­zen transparent.[52] Ein Ziel liegt darin, Ansatzpunkte für die Verbes­serung von Qualität, Produkten und Pro­zes­sen zu identifizieren. Wettbewerbsvorteile gegenüber den Konkurrenten bestehen dann, wenn Aktivitäten von der eigenen Unter­neh­mung besser und/oder billiger durchgeführt werden. Davon unabhängig ist jede Aktivität daraufhin zu prüfen, ob sie nicht noch kostengünstiger anderweitig erbracht oder bezogen werden kann.[53]

1.3 Ziel und Gang der Untersuchung

Die Arbeit beschäftigt sich, vor dem Hintergrund der seit einigen Jahren im Umbruch befind­lichen Musikindustrie, mit der Marktentwicklung und geänderter Anforderungen an die Marktteilnehmer. Unter Anwendung des Konstrukts des Kompara­tiven Konkurrenzvorteils (KKV) werden wichtige Kompetenzen auf der Anbieterseite abgeleitet. Ziel ist es, entscheidende Ressourcen und Fähigkeiten zu identifizieren, die wichtig erscheinen, erfolgreiche Geschäfts­modelle in der Musikindustrie auszu­ge­stal­ten. Die Arbeit soll einen Beitrag leisten, bestehende Geschäftsmodelle besser zu verste­hen bzw. helfen, differenziertere Aussagen zu den Erfolgspotenzialen unter­schied­licher Spieler, in einer Phase sich dynamisch verändernder Markt­gegeben­heiten, zu treffen. Im Speziellen geht es bei den hier betrachteten Geschäftsmodellen um Angebote von Musik in digitaler Form für ein junges internet-affines Kundensegment.

Das Kapitel 2.1 beginnt mit einer Beschreibung des 5-Kräfte-Modells der Triebkräfte des Wettbewerbs, welches PORTER in die Strategische Management­forschung eingebracht hat. Die wesentlichen Ursachen für die gegenwärtige Erosion der bisherigen Markt­struktur in der Musikindustrie werden in Kapitel 2.2 mit Hilfe von PORTERs Modell der Wettbewerbskräfte beschrieben. Die Branchenstruktur wird dabei anhand von fünf Bestimmungs­faktoren untersucht, die nach PORTER die Wett­be­werbsintensität und somit die Rentabilität einer Branche maßgeblich bestimmen.[54] Der Fokus soll dabei auf der technologischen Entwicklung im Zusammenhang mit der Digitalisie­rung liegen, da diese Einfluss auf das Nutzer­ver­halten, die Marktstruktur und die bisherigen Geschäfts­modelle haben. Basierend auf der Branchenstrukturanalyse wird die engere ökono­mische Umwelt der Musikindustrie strukturiert. Zudem werden relevante Einflussfaktoren in ihren Auswirkungen auf die ökonomische Situation der traditionellen Unternehmen der Branche analysiert. Es wird gezeigt, wie sich die Gewinnpotenziale innerhalb der Branche aufteilen und wie sich die bestehenden Branchenstrukturen durch das Internet und neue Marktteilnehmer verändern.

Basierend auf der beschriebenen Markt­- und Wettbewerbssituation werden in Kapitel 2.3 durch die Operationalisierung des KKV-Konstrukts wichtige Kompetenz­en abgeleitet. Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass eine Korrelation zwischen dem Vorhandensein spezifischer Kompetenzen und dem Aufbaupotenzial eines KKVs in einem bestimmten Markt besteht. Dabei wird auf das Spannungsverhältnis zwischen den Erwartungen und Ansprüchen der Kunden einerseits (Effektivitätsdimension[55]) und Ansprüchen des Anbieters, entsprechende Gewinne zu erwirtschaften (Effizienz­dimension[56]) andererseits eingegangen. Nach einer thematischen Einordnung des KKVs innerhalb des strategischen Marketings findet eine Anwendung auf die Musik­industrie statt. Der Fokus liegt dabei auf dem Bereich legaler Vermarktung digitaler Musik als einem der wachstumsstärksten Segmente innerhalb der Musik­industrie.

Darauf aufbauend fasst Kapitel 2.4 wichtige Kompetenzen zusammen, die für die Etablierung erfolgreicher Geschäftsmodelle in diesem Bereich identifiziert wurden. Im Anschluss erfolgt in Kapitel 3 eine Überprüfung der zukünftigen Marktchancen bei unterschiedlichen Typen von Marktteilnehmern anhand der zuvor aufgestellten Kompetenz­anforderungskriterien. Hierbei wird zunächst in Kapitel 3.1 der Suchraum der relevanten Marktteilnehmer abgesteckt, indem basierend auf der Wert­schöpfungs­kette die verschiedenen relevanten Spieler analysiert werden. Aufgrund der ähnlichen Ressourcenausstattung und Marktbearbeitungsstrategie verschiedener Typen von Spielern wird eine Gruppierung in mehrere strategische Gruppen gleichartiger Markt­teil­nehmer vorgenommen. Auf dieser Basis werden fünf Arten von Marktteilnehmern hinsichtlich ihrer Kompetenzen zur Erzielung von KKVs in Kapitel 3.2 überprüft.

Es wird darauf hingewiesen, dass durch die externe Perspektive des Autors auf die betrachteten Marktteilnehmer Limitierungen bei der Daten­be­schaffung zur Folge haben. Durch diese Rahmenbedingungen lassen sich nicht alle Bereiche in einem Maße beleuchten, wie es im Idealfall wünschens­wert wäre. Vor diesem Hintergrund kommt es bei Analyse und Bewertung zu einer modellhaften subjektiven Vereinfachung der vorhandenen Mehr­dimensio­na­li­tät. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in Kapitel 3.3 zusammen­ge­fasst.

Die Implikationen, die sich aus den Ergebnissen für die Etablierung neuer Geschäfts­konzepte bzw. die Anpassung bestehender Geschäftsmodelle ableiten lassen, werden in Kapitel 3.4 beschrieben. Die Arbeit schließt in Kapitel 4 mit einer Zusammen­fassung und einem Ausblick.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 04: Darstellung zum Gang der Untersuchung

2 Branchenstruktur und Wettbewerbskräfte in der Musikindustrie

2.1 Grundlagen der Branchenstrukturanalyse nach PORTER

Die Annahme, dass der Erfolg eines Unternehmens auf die Branchenstruktur und auf bestimmte Branchencharakteristika zurückgeführt werden kann, entstammt der Industrieökonomie und kommt im »Structure-Conduct-Performance-Paradigma« zum Ausdruck.[57] Es versucht dauerhafte, strategiebe­dingte Renten (Performance) durch die spezifische Struktur der jeweiligen Branche und das dadurch determinierte Verhalten des Unternehmens zu erklären.[58] PORTER hat diesen Ansatz mit dem Modell der Triebkräfte des Wettbewerbs in die strategische Managementforschung eingebracht.[59] Die Wett­be­werbsintensität innerhalb einer Branche, für deren Einschätzung PORTER sein Konzept der »fünf Kräfte«[60] vorschlägt, gilt dabei als Indikator für deren Attraktivität. Nach seiner Auffassung können Unternehmen durch die richtige Positio­nie­rung in einer attraktiven Branche nachhaltig verteidi­gungsfähige Wett­­be­­werbs­positionen einnehmen. Die Struktur dieser Märkte und die Ver­hal­tens­weisen der beteiligten Akteure sind demnach entscheidend für die Erzielung von Erfolg.[61] Damit liegt ein großer Schwer­punkt seiner Argumentation auf dem externen Umfeld, also auf den Möglichkeiten und Bedrohungen für das Unternehmen von außen. PORTER zufolge ist das Kennenlernen und Verstehen der Spielregeln der eigenen Branche Vor­aus­setzung für eine erfolgreiche Strategieauswahl. Genau zu analysieren sind neben den Konkurrenten auf gleicher Geschäftsfeldebene sämtliche Branchenkräfte. Insgesamt bestimmen fünf Wettbewerbskräfte die Branchenstruktur (siehe Abbildung 05). Neben den Positionskämpfen unter den gegenwärtigen Wettbewerbern sind dies die Verhandlungsmacht der Lieferanten, die Verhandlungsmacht der Abnehmer, die Bedrohung durch Substitutionsgüter und -dienstleistungen sowie sinkende Markt­ein­tritts­barrieren, die mit der Gefahr neuer Wettbewerber einhergehen.[62] Die möglichen Rentabilitätspotenziale von Unternehmen werden durch die jeweilige Struktur der fünf Branchenkräfte bestimmt.[63] Das Zusammenspiel der Wettbewerbskräfte unterliegt einem dynamischen Prozess. »Die fünf Determinanten der Wettbewerbssituation sind zugleich Indikatoren für sich abzeichnende krisenhafte Veränderungen«.[64] Der Harvard-Professor leitet drei generische Strategietypen für das Agieren innerhalb einer gewählten Branche ab:

- Kostenführerschaft,
- Differenzierung oder
- Fokussierung (Strategie der Kostenführerschaft oder Differenzierung konzentriert auf ein Marktsegment).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Porter, M. E. (1996), S. 23, Porter, M. E. (1997), S. 26

Abbildung 05: Wettbewerbskräfte in einer Branche nach PORTER

Aufbauend auf der Analyse kann eine Marktpositionierung entwickelt werden, die zu Wett­bewerbsvorteilen[65] führt. Diese können dauerhaft sein, wenn das Unter­nehmen seine Position durch Mobilitätsbarrieren verteidigen kann. Die grund­legenden Annah­men dieses marktorientierten Ansatzes lauten:

1. Unternehmen sind in Bezug auf ihre strategisch relevanten Ressourcen identisch;
2. Die Heterogenität der Ressourcen ist von kurzer Dauer, da Ressourcen mobil sind.

Auf der anderen Seite kann es bei einer ausschließlichen Ausrichtung am Markt zu einer mangelnden Berücksichtigung von internen Strukturen, Prozessen und Ressour­cen als wichtige Faktoren für den Unternehmenserfolg kommen.[66] Diesem Umstand folgend werden seit Anfang der 90er Jahre ressourcen­theo­retische Ansätze des Strategischen Managements, auch als »Resources-Conduct-Performance-Paradigma« bekannt, diskutiert.[67]

Ursprünglich als Alter­native[68] zur reinen Marktorientierung aufgestellt, basieren Wettbe­werbs­vor­teile wesentlich mehr auf dem überlegenen Wert von internen Ressourcen und Kern­kompe­tenzen als auf einer bestimmten Position auf dem Markt.[69] Dabei haben die unternehmenseigenen Potenziale sowie strukturelle und kulturelle Faktoren den größten Anteil am Erfolg. Die Hauptaufgabe eines Unternehmens liegt daher im Aufbau und Erhalt von spezifischen Fähigkeiten und Kompeten­zen.[70] Beim ressourcen­orientierten Ansatz sind die unter­nehmens­internen Ressourcen der Aus­gangs­­punkt für Wettbe­werbs­vorteile. Die alternative Grundannahme lautet daher, dass auch Unter­neh­men innerhalb einer Branche dauerhaft verschiedene strategische Ressourcen besitzen können. Trotzdem darf die Ressourcen­orientierung nicht als Gegen­position zur Markt­orien­tie­rung ver­standen werden, sondern ist eher als eine komplementäre Sicht­weise zu betrachten.[71] Aus der Berücksichtigung markt­be­zogener Faktoren zur Bewer­tung des im Unternehmen gegebenen Res­sourcen­portfolios wird letztlich deutlich, dass eine komplett isolierte Betrachtung von »Resource-based View« und »Market-based View« weder möglich noch sinnvoll erscheint. Für eine realistische Beurteilung der Fähigkeit zur Nutzen­stiftung einer Ressource ist Klarheit über die Bedürfnisse im Markt und dessen Entwicklung unabdingbar. Auch wenn die Erstellung eines Res­sour­cen­profils sinnvoll ist, stellt diese eine gegen­warts­bezogene Aussage über vorhandene Ressourcen dar. Wie diese entsprechend geschützt und weiter­ent­wickelt werden können oder wie noch nicht vorhandene Res­sour­cen intern aufgebaut oder anderweitig beschafft werden können, bleibt offen.[72]

Aus der isolierten Gegenüberstellung von ressourcenorientierten Unternehmens­strategien und marktorientierten Wettbewerbsstrategien wird deutlich, dass die res­sourcen­orientierte Betrachtung hierarchisch der marktorientierten Betrachtung über­ge­ordnet ist.[73] Während zu den Aufgaben der Gesamt­unter­nehmens­strate­gie u. a. die Ver­knüpfung, Nutzbarmachung und Weiterentwicklung von Res­sour­cen über alle einzelnen Geschäftsfelder steht, wird im jeweiligen Geschäftsfeld auf Basis des gegebenen Ressourcenportfolios über die Marktpositionierung entschieden.[74]

2.2 Ursachen der Umwälzung in der Musikindustrie

Im Rahmen der folgenden Branchenstrukturanalyse wird die von der digitalen Revolution besonders betroffene Musikindustrie auf ihre Merkmale und Besonderheiten untersucht. Dies geschieht um Unternehmensgewinnpotenziale aufzudecken und erfolgt vor dem Hintergrund der durch Online-Musikangebote ausgelösten Ver­ände­rungs­prozesse innerhalb der Branche. Ohne hierfür wirksame Gegen­maß­nahmen entwickelt zu haben, stehen die traditionellen Unternehmen der Musikindustrie einer zuneh­menden Macht- und Gewinnpotenzialverlagerung zum Kunden gegenüber.[75]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an Porter, M. E. (1997), S. 26. und Emes, J. (2004), S. 45

Abbildung 06: Branchenstrukturanalyse der Musikindustrie nach PORTER

2.2.1 Marktentwicklung und Rivalität unter bestehenden Wettbewerbern

Der Musikmarkt wird seit Jahren mit Umsatz­ein­brüchen konfrontiert (siehe Abbildung 08). Unter den vier großen Major-Labels SONY BMG (25,2 Prozent), UNIVERSAL MUSIC GROUP (25,9 Prozent), EMI (12 Prozent) und WARNER MUSIC GROUP (11,9 Prozent) sind ca. 75 Prozent des Marktes aufgeteilt, die restlichen 25 Prozent bestrei­ten kleinere Anbieter, die so genannten Independent-Labels, gemeinsam mit den wenigen mittel­großen Unternehmen, den Major Independents.[76] Anhand der Stärke der Positionierungs- und Markt­an­teils­kämpfe lässt sich die Wettbe­werbs­in­ten­sität zwischen Unternehmen einer Geschäftsfeldebene beurteilen. Größe, Anzahl und Macht der Wettbewerber, das Branchenwachstum, die Herkunft, die Strategien und die Persön­lich­keit der Rivalen sowie die Differenzierung der Produkte und Dienst­leistungen sind entsprechende Indikatoren.[77]

Im Folgenden wird in einem ersten Schritt die allgemeine Marktentwicklung dargestellt. Dies geschieht um die gegenwärtige Konkurrenz­situation in der Musikindustrie näher untersuchen zu können. Im Jahr 2006 setzte die Branche weltweit insgesamt 19,6 Milliarden Dollar um. In 2005 waren es noch 20,7 Milliarden Dollar. Somit hatte die Musikindustrie im siebten Jahr in Folge einen Umsatzrückgang zu verzeichnen. Dieser dürfte sich auch in 2007 fortsetzen.[78]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Spiegel (46/2003), S. 220

Abbildung 07: Weltweite Marktanteile der Major-Labels nach Verkäufen

Bei dem Verkauf digitaler Musik ist hingegen ein deutliches Wachstum zu verzeichnen. Der Anteil am Gesamtumsatz beläuft sich mit 2,1 Milliarden US Dollar auf 11 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einem Anstieg um rund 85 Prozent. Im Jahr 2004 lag der Anteil noch bei zwei Prozent.[79] Inzwischen besitzen die Major-Labels hunderte Verträge mit Partnern für die digitale Vermarktung ihrer Musik. Die führenden legalen Anbieter für die digitale Vermarktung verfügen über mehr als fünf Millionen lizenzierter Titel. Dazu gehören auf der ganzen Welt über 500 legale Online-Services, soziale Netzwerkplattformen, legale P2P-Services und Mobilfunkbetreiber. Bisher hat sich die Hoffnung, dass die Umsätze aus dem digitalen Geschäft den Rückgang bei den physischen Produkten überkompensieren, nicht erfüllt.[80]

[...]


[1] Dabei handelt es sich um die vier großen Tonträgerhersteller in der Musikbranche Universal Music, Sony BMG, EMI und Warner Music.

[2] Das MP3-Format steht stellvertretend für alle digitalen Audiokomprimierungsverfahren.

[3] Vgl. Anderson, C. (2006), S. 39

[4] Vgl. o. V. (2007h)

[5] Vgl. Anderson, C. (2006), S. 40

[6] Weltweit geht die IFPI von 498 kommerziellen Online-Musikservices in über 40 Ländern aus. Vgl. IFPI (2007b), S. 4

[7] Vgl. Altig, U./Clement, M. (2005), S. 22

[8] Auf allen Märkten zusammen wurden 2006 ca. 10 Prozent aller Umsätze durch digitale Verkäufe generiert. Bis 2010 wird ein Anstieg auf mindestens 25 Prozent erwartet. Vgl. IFPI (2007b), S. 3

[9] Vgl. IFPI (2007b), S. 4

[10] NOKIA wird zukünftig auch internetbasierte Multimedia-Dienste anbieten. Vgl. Heuzeroth, T. (2007)

[11] Vgl. Wicke, P. (2005), S. 121

[12] Vgl. Kulle, J. (1998), S. 118

[13] Vgl. Kulle, J. (1998), S. 118

[14] Vgl. Steinkrauß, N. (2005), S. 25

[15] Vgl. IFPI (2006b), S. 28

[16] Vgl. o. V. (2006a)

[17] Vgl. Picard, R. (2000), S. 62

[18] Vgl. Wirtz, B. W. (2002), S. 74

[19] Timmers, P. (1999), S. 31

[20] Wirtz, B. W. (2000), S. 82

[21] Vgl. Schwickert, A. (2004), S. 6

[22] Stähler, P. (2002)

[23] Anderson, J. C. /Narus J. A. (2004), S. 6

[24] Vgl. Stähler, P. (2002), S. 42 f.

[25] Wettbewerb ist Rivalität zwischen mindestens zwei Subjekten, die nach etwas streben, das nicht alle bekommen können. Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S. 186

[26] Vgl. Stähler, P. (2002), S. 43

[27] Vgl. Hamel, G. (2000), S. 77

[28] Vgl. Hamel, G. (2000), S. 75 f.

[29] Vgl. Stähler, P. (2002), S. 44

[30] Vgl. Stähler, P. (2002), S. 45 f.

[31] Stähler, P. (2002), S. 46

[32] Vgl. Amit, R. /Zott, C. (2001), S. 515

[33] Zerdick, A. (2001), S. 24

[34] Vgl. Wirtz, B. W. (2000), S. 86

[35] Vgl. Wirtz, B. W. (2005), S. 69

[36] Vgl. Stähler, P. (2002), S. 47

[37] Vgl. Stähler, P. (2002), S. 41 f.

[38] Vgl. Stähler, P. (2002), S. 48

[39] Vgl. Venzin, M./Rasner, C./Mahnke, V. (2003), S.100 ff.

[40] Vgl. Müller-Stewens, G. /Lechner, C.(2005), S. 212 ff.

[41] Vgl. Venzin, M./Rasner, C./Mahnke, V. (2003), S. 99

[42] Vgl. Hungenberg, H. (2004), S.134 f.

[43] Vgl. Hungenberg, H. (2004), S. 135

[44] Hungenberg, H. (2004), S. 135

[45] Staehle, W. (1999), S. 898 f.

[46] Vgl. Schneider, D. (1997), S. 61

[47] Vgl. Pümpin, C./Amann, W. (2005), S. 30 f.

[48] Vgl. Porter, M. E. (1996), S. 21

[49] Vgl. Keuper, F. (2001), S. 200

[50] Vgl. Keuper, F. (2001), S. 200

[51] Vgl. Porter, M. E. (1996), S. 65 f.

[52] Vgl. Hungenberg, H. (2004), S. 146

[53] Vgl. Staehle, W. (1999), S. 649 f.

[54] Porter, M. E. (1996), S. 33 ff.

[55] Effektivität ist ein externes Leistungsmaß, das angibt, inwieweit ein Unternehmen den Erwartungen und Ansprüchen seiner Kunden gerecht wird. Vgl. Plinke, W. (2000), S. 86

[56] Effizienz ist ein internes Leistungsmaß. Das das Verhältnis von Output zu Input angibt. Vgl. Plinke, W. (2000), S. 86

[57] Das »Structure-Conduct-Performance-Paradigma« basiert auf Arbeiten von Bain, J. S. (1956, 1968) und Mason E. S. (1949).

[58] Vgl. Carlton, D. W./Perloff, J. M. (1999), S. 2 ff.

[59] »Competitive Strategy« (1980) in der deutschen Übersetzung »Wettbewerbsstrategie« und »Competitive Advantage« (1985) in der deutschen Übersetzung »Wettbewerbsvor­teile«, vgl. Porter (1996) und Porter (1997)

[60] Vgl. Porter, M. E. (1997), S. 23 ff.

[61] Vgl. Hungenberg, H. (2004), S. 114

[62] Vgl. Porter, M. E. (1996), S. 23

[63] Vgl. Porter, M. E. (1996), S. 23 f.

[64] Staehle, W. (1999), S. 907

[65] Ein Wettbewerbsvorteil ist die Fähigkeit eines Anbieters, im Vergleich zu seinen aktuellen Konkurrenten nachhaltig effektiver und/oder effizienter zu sein. Vgl. Plinke, W. (2000), S. 89

[66] Vgl. Staehle, W. (1999), S. 625 ff.

[67] Vgl. Kühn, R./Grünig, R. (1998), S.141

[68] Vgl. Steinmann, H. /Schreyögg, G. (1997), S. 220 f.

[69] Vgl. Welge, M./Al-Laham, A. (2003), S. 49

[70] Vgl. Rasche, C./Wolfrum, B. (1994), S. 502

[71] Vgl. Krallmann, H. (2000), S. 253

[72] Vgl. Keuper, F./Hans, R. (2003), S. 87 f.

[73] Vgl. Börner, C. J. (2000), S. 817 ff.

[74] Vgl. Keuper, F./Hans, R. (2003), S. 97

[75] Vgl. Emes, J. (2004), S. 44

[76] Vgl. Kulle, J. (1998), S. 138

[77] Vgl. Porter, M. E. (1997), S. 26 ff.

[78] Vgl. IFPI (2007a), S. 3

[79] Vgl. Pilzweger, M. (2007)

[80] Vgl. IFPI (2007a), S. 3

Ende der Leseprobe aus 116 Seiten

Details

Titel
Neue Geschäftsmodelle in der Musikindustrie
Untertitel
Erfolgspotenziale unterschiedlicher Spieler vor dem Hintergrund von Marktanforderungen und Kompetenzprofilen
Hochschule
Steinbeis-Hochschule Berlin  (School of Management and Innovation)
Note
1,6
Autor
Jahr
2007
Seiten
116
Katalognummer
V87662
ISBN (eBook)
9783638014472
ISBN (Buch)
9783638923828
Dateigröße
1619 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die vorliegende Master-Thesis überzeugt durch eine gut aufgebaute und gut strukturierte Gliederung und der daraus entstandenen stringenten Argumentationslinie.
Schlagworte
Neue, Geschäftsmodelle, Musikindustrie, Nokia, Sony, digital, Apple, Musik, Business, Marketing, Wertschöpfungskette, iPod, Walkman, SonyEricsson
Arbeit zitieren
Michael Warm (Autor:in), 2007, Neue Geschäftsmodelle in der Musikindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87662

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