Heinrich Bölls Figuren Käte, Marie und Leni - Vertreterinnen eines konservativen Frauenbilds?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

29 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung
I. „Und sagte kein einziges Wort“ – Käte Bogner
I.1 Die doppelte Ich-Perspektive
I.2 Aktive Frau, passiver Mann
II. „Ansichten eines Clowns“ – Marie Derkum
II.1 „Die abwesende Heldin“
II.2 Der Beginn der Liebesgeschichte
II.3 Das gemeinsame Leben
II.4 Die Trennung
III. „Gruppenbild mit Dame“ – Leni Pfeiffer geb. Gruyten
III.1 Der Verfasser
III.2 Leni als Madonna und „verkanntes Genie der Sinnlichkeit“
III.3 Leni und die Bildung
III.4 Leni und die Liebe
III.5 Leni und die Kunst
III.6 Leni und die Politik

Schluss

Literatur

Einleitung

Beschäftigt man sich mit feministischer Sekundärliteratur zu Frauenfiguren im Werk von Heinrich Böll, stößt man häufig auf negative Urteile, die seine Darstellung der Frauen als zu unemanzipiert und klischeehaft kritisieren. Diese Bewertungen differenzieren zumeist nicht zwischen den Frauen in den verschiedenen Texten, sondern beziehen sich pauschal auf die Gesamtheit der untersuchten Werke und nivellieren so Besonderheiten der einzelnen Figuren zugunsten einer allgemeinen Typisierung.

So konstatiert Graßmann, dass Böll „trotz seiner Einordnung als gesellschaftskritischer Autor [...] in seinen Romanen ein konservatives Frauenbild [entwirft]“[1], „die Frau ausschließlich als Gegenüber des Mannes [imaginiert]“[2] und sie als Heilige und Retterin des Mannes verklärt.[3] Clasen resümiert: „Weil Bölls Heldinnen Trägerinnen von Eigenschaften sind, die in der patriarchalischen Gesellschaft [...] hoch im Kurs stehen, sind sie aus feministischem Gesichtspunkt nicht emanzipatorisch zu nennen.“[4] Sie sieht Bölls Protagonistinnen als „Projektionen männlicher Sehnsüchte und Behälter patriarchalischer Wunschvorstellungen.“[5] Analog hierzu vertritt Grandell die Ansicht, dass Böll

die weiblichen Gestalten in seinen Werken an uralte patriarchalische Vorstellungen von der Weiblichkeit gefesselt hält. In dieser Hinsicht hat sein gesamtes Schaffen hindurch keine Veränderung stattgefunden.[6]

Römhild weist darauf hin, dass Bölls Frauenfiguren tradierte Weiblichkeitszuschreibungen wie Altruismus, Opferbereitschaft und Mitmenschlichkeit transportieren und sieht die Gefahr einer ideologischen Überfrachtung des Weiblichen.[7] Kramer Moeller beobachtet in Bölls Werk eine Entwicklung der Frauengestalten: Die Frauen in den frühen Werken, eingeschlossen Ansichten eines Clowns, lassen sich ihrer Ansicht nach mit Attributen wie „non-intellectual“ und „passive“ beschreiben und „love forms he core of [...] [their, J.B.] existence“.[8] Seit Gruppenbild mit Dame sieht sie die Frauenfiguren als „intelligent, independent, and strong individual[s]“[9] gezeichnet.

Als problematisch werden solche literarischen Frauenfiguren primär deshalb angesehen, weil befürchtet wird, dass die

unkritische Adaption tradierter weiblicher Wesensmerkmale [...] deren unbewußte Reproduktion in den Köpfen der Rezipienten [forciert] und [...] die Gefahr der Verinnerlichung solcher Rollenbilder [birgt].[10]

Gefragt wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit mit dem Titel Käte, Marie und Leni – Vertreterinnen eines konservativen Frauenbilds?, ob Urteile dieser Art über Bölls Frauenfiguren angemessen sind. Grundlage für die Untersuchung bilden die Werke Und sagte kein einziges Wort[11] (Kapitel I), Ansichten eines Clowns[12] (Kapitel II) und Gruppenbild mit Dame[13] (Kapitel III). In die Analyse einbezogen werden nur die jeweiligen Protagonistinnen – also Käte, Marie und Leni. Nebenfiguren werden außer Acht gelassen; zwar wäre es interessant, auch extrem negativ gezeichnete Figuren wie Frau Schnier und Frau Franke einzubeziehen, dies würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit übersteigen.

Bei der Charakterisierung der jeweiligen Figur wird unter anderem untersucht, ob sie Trägerin von traditionell dem weiblichen Geschlecht zugeschriebenen Eigenschaften wie zum Beispiel Emotionalität, Intuition, Altruismus und Liebesfähigkeit ist. Auch das Geschlechterverhältnis wird mit einbezogen – welche Bedeutung spielt der Partner für die Frau, und kommt ihr in der Beziehung eher eine aktive oder eine passive Rolle zu? Wichtig erscheint es immer darauf zu achten, wer über die Frau spricht, ob sie selbst oder ein (eventuell nicht neutraler) Erzähler zu Wort kommt. Essentiell ist es ebenfalls, beim Nachdenken über die Emanzipiertheit bzw. Nicht-Emanzipiertheit einer Frauenfigur die Zeit einzubeziehen, in der sie geschaffen wurde. So kam es mit der Gründung der BRD in Bezug auf die Rolle der Frau zu einer Restauration traditioneller Zuschreibungen und einer Wiederbelebung patriarchalischer Strukturen.[14] Es wäre also zum Beispiel verfehlt, als Kriterium für eine selbstbestimmte und selbständige Frau in den 50er Jahren unbedingt das Innehaben einer Erwerbstätigkeit anzusehen.

I. „Und sagte kein einziges Wort“ – Käte Bogner

I.1 Die doppelte Ich-Perspektive

Fred Bogner, der traumatisiert aus dem Krieg zurückgekehrt ist, hat sich räumlich von seiner Ehefrau Käte und den drei gemeinsamen Kindern getrennt, weil er das beengte Wohnen in einem Zimmer der Wohnung der bigott-christlichen Frau Franke nicht mehr ertragen konnte. Zu Intimitäten trifft er sich mit Käte in Hotels oder Parks. Käte, die erneut schwanger ist, erträgt diesen Zustand nur schwer und denkt darüber nach, sich von ihrem Mann zu trennen.

Käte und Fred erzählen abwechselnd aus der eigenen Perspektive über ihre Eheprobleme und ihren Alltag, in genauer Abfolge bleibt immer je ein Kapitel dem Mann und der Frau als Erzähler vorbehalten – Käte kommt demnach selbst zu Wort und kann ihre Sicht der Dinge schildern. Zwar beginnt und beendet Fred die Erzählung, aber dennoch kann man Laude zustimmen, dass Käte den gleichen Raum erhält wie ihr Ehemann, um ihre Ansichten mitzuteilen.[15] Eine Dominanz der männlichen Perspektive aus diesem Rahmen herzuleiten erscheint verfehlt, weil dies vom Inhalt des Romans her nicht gestützt wird. In der Mitte des Romans (10. Kapitel bis Anfang 12. Kapitel) werden die beiden Erzählperspektiven beim Treffen des Paares zusammengeführt, die Monologe gehen in die Form des Dialogs über.[16]

Diese doppelte Ich-Erzählung zeigt die Isolation der beiden Hauptfiguren und die fehlende Kommunikation zwischen ihnen – die Thematik wird also im Erzählen umgesetzt. So denkt Fred nach dem Treffen mit Käte darüber nach, dass niemand wisse, wie sehr er sich nach seiner Frau und seinen Kindern sehne – alle außer ihm „[verstanden] so schön zu reden [...], und ich fand nie Worte“ (KW, 181). Man kann vermuten, dass Freds Kriegserlebnisse für diese Störung verantwortlich sind, er scheint nicht in der Lage zu sein, über seine Erfahrungen zu sprechen. Auf diese Kommunikationsstörung weist auch der Titel des Romans hin: Und sagte kein einziges Wort. Hummel zufolge

übernimmt das titelgebende Zitat aus einem Negrospiritual leitmotivische Bedeutung: Sprachlosigkeit als Nichtsprechenkönnen oder -wollen einerseits, und das permanente Geschwätz der Umwelt (Radio, Werbung, Prozession) andererseits.[17]

I.2 Aktive Frau, passiver Mann

Auch Käte ist durch den Krieg, vor allem durch den Tod ihrer Zwillinge, traumatisiert, sie ist sich „der Bitternis des Lebens bewußt geworden“ (KW, 44). Anders als Fred, der sich einfach von seinen Verpflichtungen für die Familie zurückgezogen hat und sich einredet, seine Familie sei ohne ihn glücklicher (KW, 121), sorgt Käte bis an die Grenzen ihrer Leitungsfähigkeit für diese. Hess-Liechti zufolge wird Kätes Mütterlichkeit auch unter den schwersten Bedingungen nie in Frage gestellt.[18] Bellmann schreibt über Fred und Hans Schnitzler, den Protagonisten aus Der Engel schwieg:

Den beiden männlichen Romanfiguren eignet etwas Unstetes und Unbehaustes, es mangelt ihnen an Vitalität und Lebens-Energie, beide sehen ihre Existenz durch eine lähmende ‚Langeweile’ bestimmt und haben Schwierigkeiten, sich in der Alltagsrealität zurechtzufinden. Die Frauen Regina und Käte verbindet hingegen ein durchaus pragmatischer Zug, der Mut und das Bemühen, das Leben nicht nur auszuhalten, sondern ungeachtet aller Widrigkeiten zu meistern.[19]

Allerdings weist das titelgebende Lied, das sich auf die Leiden Jesu bezieht, eher in die Richtung eines stillen Ertragens: „...sie schlugen ihn ans Kreuz, schlugen ihn ans Kreuz [...] ...und er sagte kein einziges Wort“ (KW, 50).

Käte leidet darunter, dass ihren Kinder durch die beengte Wohnsituation ein normales Kinderdasein nicht möglich ist: „Die Kinder spielen im Flur. Sie sind so daran gewöhnt still zu sein, daß sie nicht einmal mehr laut werden, wenn es gestattet ist.“ So vermischt sich Kätes Schmerz über den Tod ihrer Zwillinge auch mit „Genugtuung“ darüber, dass ihnen ein solches Leben erspart geblieben ist (vgl. KW, 44). Käte erlebt schöne Momente mit ihren Kindern, in denen sie ihr Mutter-Sein positiv erleben kann:

Der Kuchen war wohlgeraten. Als ich ihn aus dem Ofen zog, strömte der warme und süße Backgeruch in unser Zimmer. Die Kinder strahlten. Ich schickte Clemens nach Sahne, füllte sie in eine Spritze und malte den Kindern Ranken und kleine Kreise, kleine Profile auf den pflaumenblauen Grund (KW, 84).

Oft ist die Hausarbeit, die sich als unendlicher „Kampf gegen den Schmutz“ (KW, 45) darstellt, für sie jedoch nur schwer zu ertragen.

Käte möchte, dass Fred wieder zurück zu ihr und den Kindern kommt, allerdings nur unter der Bedingung, dass er nicht wieder „herumbrüll[.]t, die Kinder schlägt, obwohl [...] [er , J.B.] weiß[.], daß sie unschuldig sind“ (KW, 149). Den jetzigen Zustand erträgt sie nicht: Sie hat Angst um ihre Kinder, wenn sie sie bei ihren Treffen in der Obhut eines Babysitters zurücklassen muss (vgl. KW, 86), und fühlt sich häufig wie eine Prostituierte (vgl. KW, 150). Sie wirft Fred vor, dass er sie allein lässt: Auf seine Bemerkung „Ich bin sicher, daß ihr ohne mich glücklicher seid“ (KW, 121) entgegnet sie: „Wenn du wüßtest“ (KW, 121). Sie fragt ihn, was er überhaupt erst nehmen würde im Leben (vgl. KW, 127) und konstatiert, „jeder Mann sollte wissen, was er tut, wenn er heiratet“ (KW, 152). Freds Begründung, er würde nur wegen Armut und Enge nicht mit ihnen zusammenleben können, nimmt sie nicht ernst. Ihrer Ansicht nach würde er sich mehr erschrecken als freuen, wenn sie ihm sagen würde, dass sie eine Wohnung für die Familie gefunden hat (vgl. KW, 152). Ganz klar kritisiert sie seinen Egoismus und seine Rücksichtslosigkeit ihr gegenüber, wenn sie ihn darauf hinweist, „daß ein Zustand, der dir so unerträglich ist, daß du ihn fliehst – uns langsam mordet, weil du nicht bei uns bist“ (KW, 154). Aus Kätes Sicht ist die Ehe primär eine Annehmlichkeit für die Männer. In diesem Sinne ist auch ihre Solidaritätserklärung mit den anderen Frauen dieser Welt zu verstehen:

Ich sehe dort hinten Frauen, [...] sehe schwarze Frauen in spröder Erde graben, höre das sinnlose und so reizvolle Getrommel nichtstuender Männer im Hintergrund, braune Frauen sehe ich, wie in steinernen Trögen Körner zerstampfen, den Säugling auf dem Rücken, während die Männer stupide um ein Feuer hocken, die Pfeife im Mund – und meine weißen Schwestern in den Mietskasernen von London, New York und Berlin [...] die erschreckt auf die Rufe eines Trunkenboldes horchen (KW, 49).

Obwohl sie weiß, dass ein Leben als alleinerziehende Mutter schwer ist, macht sie schlussendlich den Vorschlag zur Trennung (vgl. KW, 150). Selbst in diesem Moment ist Fred nur zu der Aussage bereit, er werde zwar irgendwann zu seiner Familie zurückkehren, aber nicht unter Zwang und nur aus freien Stücken (vgl. KW, 165). Dies wertet Käte als Ende der Beziehung (vgl. KW, 172).

Manchmal beneidet Käte Fred darum, dass er tun und lassen kann, was er will: „Ja, ich beneide dich weil du nicht schwanger bist. Du kannst einfach abhauen, und ich kann es sogar verstehen“ (KW, 154). In diese Richtung muss man wohl auch Kätes Traum von der „Verheißung eines anderen Lebens, das ehelos sein sollte“ (KW, 164) verstehen. Graßmann sieht in dem Aufbegehren der Protagonistin gegen die „ihr qua Geschlecht aufgezwungene Rolle“ einen für die damalige Zeit sehr kritischen Gedanken.[20] Allerdings sei sie als katholische Frau in der Gesellschaft der fünfziger Jahre noch weit davon entfernt, selbst über eine Schwangerschaft entscheiden zu können.[21] Käte weiß, dass sie ihre Schwangerschaft gemäß der kirchlichen Doktrin begrüßen müsste. Deshalb hat sie während ihres Gebets darum, nicht schwanger zu sein, auch „Angst [...] darum zu beten“ (KW, 115).

Die Darstellung der Geschlechterrollen in Und sagte kein einziges Wort ist sehr progressiv: Gerade aus der Entstehungszeit des Romans heraus gesehen, in der klar von einer dominanten Position des Mannes in der Geschlechterbeziehung ausgegangen wurde, erscheint die Zeichnung einer starken, aktiven Frau wie Käte, die im Text selbst zu Wort kommt, als zukunftsweisend. Zwar erfüllt Käte die typische Hausfrauenrolle, kümmert sich also um die Kinder und ist nicht erwerbstätig. Sie ist jedoch klar der bestimmende Part in der Beziehung: Während Fred eher als lethargischer „Anti-Mann“ gezeichnet ist, trifft Käte die Entscheidungen und bewältigt den familiären Alltag. Auch sie hat im Krieg traumatische Erlebnisse erleben müssen, die ihr gegenwärtiges Leben noch sehr bestimmen. Anders als Fred, der Probleme mit der Rückkehr ins „normale“ Leben hat und sich zurückzieht, beschäftigt sich Käte jedoch aktiv mit den Problemen der Gegenwart. Auch Reid weist darauf hin, dass Böll dadurch, dass Käte der dynamischere und aktivere Part der Beziehung ist, die traditionell-bürgerlichen Geschlechterrollen in Frage stellt.[22] Deshalb erscheint die folgende Ansicht von Kramer Moeller als unzutreffend: „In the relationship between a man and a woman, the woman bears the burden and fate without hostility, but she does not act. This is nowhere better depicted than in Böll’s Und sagte kein einziges Wort.“[23]

II. „Ansichten eines Clowns“ – Marie Derkum

II.1 „Die abwesende Heldin“

Der Roman Ansichten eines Clowns umfasst einige Stunden des Lebens des Clowns Hans Schnier. Die Handlung setzt damit ein, dass dieser ohne Geld und Aussicht auf neue Engagements in seine Heimatstadt Bonn zurückkehrt. Der Auslöser für den Niedergang seiner Karriere war, dass Marie Derkum, mit der er fünf Jahre lang in „wilder Ehe“ zusammengelebt hat, ihn verlassen und einen anderen Mann, den Katholiken Züpfner, geheiratet hat. In Rückblicken rekapituliert er sein bisheriges Leben, Kontakt zur Außenwelt nimmt er primär durch Telefonate auf. Das Denken des Clowns kreist vor allem um die Fragen, wie er Maries Aufenthaltsort erfahren und an Geld kommen kann. Bittere Kritik übt er in seinen Monologen und Dialogen an der restaurativen Gesellschaft der deutschen Nachkriegszeit und dem Katholizismus.[24]

Anders als Käte Bogner in Und sagte kein einziges Wort kommt die weibliche Protagonistin Marie Derkum nicht selbst zu Wort. Römhild bezeichnet sie deshalb wie schon in der Kapitelüberschrift zitiert als „die abwesende Heldin.“[25] Der Roman wird monoperspektivisch aus dem Blickwinkel der männlichen Hauptfigur Hans Schnier erzählt: „Ich bin ein Clown, offizielle Berufsbezeichnung: Komiker, keiner Kirche steuerpflichtig, siebenundzwanzig Jahre alt“ (AC, 8). Es handelt sich demnach um eine „nichtauktoriale Ich-Erzählung“[26]: Der Clown Hans Schnier ist sowohl erzählendes Medium als auch handelnde Person in der Welt des Romans. Diese Erzählform hat zur Folge, dass die Wahrnehmungsmöglichkeiten des Clowns räumlich und zeitlich eingeschränkt sind und er über keinen Einblick in das Innenleben anderer Figuren verfügt, jedoch sehr subjektiv und emotional die eigenen Gedanken und Gefühle mitteilen kann. Lehnick spricht von einer „intensive[n] wie konsequente[n] perspektivische[n] Beschränkung“.[27] Der Leser erhält alle Informationen über die Persönlichkeit Maries, das Zusammenleben von Marie und Hans und Maries Gründe, den Clown zu verlassen, nur vermittelt über die Perspektive von Hans Schnier. Römhild sieht in dieser Erzählstruktur die geschlechtsrollenspezifische Polarität von „‚weiblichen’ Passiva und ‚männlichen’ Aktiva“ gewahrt.[28] Die wenigen Äußerungen Maries „fließen zensiert, gefiltert und kommentiert von einem männlichen Erzähler-Ich in den Text mit ein.“[29] Aus diesem Grund dürfen die übermittelten Fakten nicht als objektive Wahrheiten verstanden werden, sondern müssen als das gesehen werden, was sie sind: Ansichten eines Clowns. Zusätzlich zu der in dieser Erzählform per se gegebenen subjektiven Perspektivierung des Erzählten weist der Ich-Erzähler selbst darauf hin, dass nicht alles, was er erzählt, der Realität entsprechen muss: „Immer wieder erliege ich meiner Phantasie [...] Manchmal ergeht es mir auch umgekehrt: daß mir das, was ich wirklich erlebt habe, als unwahr und nicht real erscheint“ (AC, 198ff.).

[...]


[1] Graßmann, Ellen: Frauenbilder im deutschen Roman der fünfziger Jahre. Frankfurt 2004, 26.

[2] Graßmann (2004), 33.

[3] Vgl. Graßmann (2004), 26.

[4] Clason, Synnöve: Der andere Blick. Studien zur deutschsprachigen Literatur der 70er Jahre. Stockholm 1988, 83.

[5] Clason (1988), 84.

[6] Grandell, Ulla: Marie, Leni, Katharina und ihre Schwestern. Eine Analyse des Frauenbilds in drei Werken von Heinrich Böll. Schriften des Deutschen Instituts der Universität Stockholm (12) 1982, 98. Zitiert nach Clason (1988), 74.

[7] Römhild, Dorothee: Die Ehre der Frau ist unantastbar. Das Bild der Frau im Werk Heinrich Bölls. Paffenweiler 1991, 1ff.

[8] Kramer Moeller, Aleidine: The Woman as Survivor. The Evolution of the Female Figure in the Works of Heinrich Böll. New York 1991, 3.

[9] Kramer Moeller (1991), 5.

[10] Römhild (1991), 2.

[11] Böll, Heinrich: Und sagte kein einziges Wort. Roman. München 2004. Im Folgenden wird das Werk mit der Sigle KW im Text zitiert.

[12] Böll, Heinrich: Ansichten eines Clowns. Roman. Mit einem Nachwort des Autors. München 1997. Im Folgenden wird das Werk mit der Sigle AC im Text zitiert.

[13] Böll, Heinrich: Gruppenbild mit Dame. Roman. München 1996. Im Folgenden wird das Werk mit der Sigle GmD im Text zitiert.

[14] Vgl. hierzu Graßmann (2004), 1.

[15] Laude, Kristina: Das Bild der Frau in ausgewählten Romanen und Erzählungen Heinrich Bölls von „Kreuz ohne Liebe“ bis „Gruppenbild mit Dame“. Bonn 2005 (Magisterarbeit). Auszüge im Internet: http://www.boell-frauenbild.de, „Käte Bogner“, 23.10.2006.

[16] Vgl. Bellmann, Werner: Von ‚Der Engel schwieg’ zu ‚Und sagte kein einziges Wort’. In: Bellmann, Werner (Hg.): Heinrich Böll, Romane und Erzählungen. Stuttgart 2000, 82-108, hier 87.

[17] Hummel, Christine: Intertextualität im Werk Heinrich Bölls. Trier 2002, 214.

[18] Vgl. Hess-Liechti, Linda M.: Leidend, subversiv und kinderlos. Eine Untersuchung zur Rolle und zum Bild der Muttergestalten im Werk Heinrich Bölls. Stuttgart 2000, 97.

[19] Bellmann (2000), 90.

[20] Graßmann (2004), 27.

[21] Graßmann (2004), 28.

[22] Vgl. Reid, J.H.: Heinrich Böll. Ein Zeuge seiner Zeit. München 1991, 127f.

[23] Kramer Moeller (1991), 16.

[24] Römhild (1991), 38

[25] Römhild (1991), 38.

[26] Lehnick, Ingo: Der Erzähler Heinrich Böll. Änderungen seiner narrativen Strategie und ihre Hintergründe. Frankfurt/Main 1997, 79.

[27] Lehnick (1997), 83.

[28] Römhild (1991), 41.

[29] Römhild (1991), 41.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Heinrich Bölls Figuren Käte, Marie und Leni - Vertreterinnen eines konservativen Frauenbilds?
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Veranstaltung
Heinrich Böll
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
29
Katalognummer
V69223
ISBN (eBook)
9783638613118
ISBN (Buch)
9783638920957
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heinrich, Bölls, Figuren, Käte, Marie, Leni, Vertreterinnen, Frauenbilds, Heinrich, Böll, Thema Ansichten eines Clowns
Arbeit zitieren
Judith Blum (Autor:in), 2006, Heinrich Bölls Figuren Käte, Marie und Leni - Vertreterinnen eines konservativen Frauenbilds?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69223

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