Haus und Haushalt der Patrizier im Spätmittelalter


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

26 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Zur Deutung des Begriffs Patriziat in der mittleren Geschichte
2.1. Die spätmittelalterliche Stadt
2.2. Die Patrizier im sozialen Aufbau der spätmittelalterlichen Stadt

3. Die prestigeträchtigen Fassaden der patrizischen Häuser
3.1. Hausstrukturen der patrizischen Häuser

4. Die funktionelle Gliederung des Patrizischen Hauses und Haushalts
4.1. Die Innenausstattung
4.2. Die Inneneinrichtung der Stube
4.3. Die Inneneinrichtung der Kammer
4.4. Die Inneneinrichtung der Küche

5. Heizung und Beleuchtung der Räume

6. Hausrat

7. Essgewohnheiten

8. Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Raritäten wie Silbergabeln, Konfekt und importierte venerische Trinkgläser geben Aufschluss darüber, wie sehr die Patrizier von den prosperierenden wirtschaftliche Verbindungen des Spätmittelalters profitierten und wie sie sich mit der Repräsentation ihres Reichtums mit ihrem Haus und Haushalt zu den unteren Schichten abzugrenzen wussten. Das Haus der reichen Kaufleute war Wohnstätte, Versammlungsort und Verkaufsraum in Einem. Daher erfolgte eine Präsentation der Patrizier vor allem durch die Ausstattung ihrer Häuser und Haushalte.

„Haushaltung war Teil der mittelalterlichen Ökonomik, vom ganzen Haus, das die Gesamtheit der menschlichen Beziehungen und Tätigkeiten umfasste.[1] “ Haushaltung vereinte daher die Aufgaben im Haus, die die Aufwendung für Hausrat, Beheizung, Licht, Ernährung, Bekleidung, Entsorgung und Körperhygiene betrafen. Patrizische Haushalts- und Rechnungsbücher zeigen den Aufwand, mit dem wohlhabende Stadtbürger ihre Häuser ausstatteten und umbauten. Aufgrund des fehlenden Rückhalts der Abstammung der Patrizier, die sich, Neuaufsteigern gegenüber offen, nur über den Reichtum und Beziehungen definierten, wurde die Repräsentation dieses Reichtums besonders wichtig. Der Reichtum war der Status definierende Faktor, mit welcher die Patrizier ihre privilegierte Stellung in der Öffentlichkeit legitimierten.

Wie spiegelt sich patrizisches Selbstverständnis und Repräsentationsformen in deren Häusern und Haushalten wieder? Welche Merkmale haben patrizische Haushalte im Gegensatz zu den einfacheren Schichten der Handwerker gemeinsam? Wie sah sich das Leben patrizischer Familien in deren Häusern und Haushalten aus? Mit diesen Fragen beschäftigt sich diese Arbeit auf der Grundlage von einschlägiger Fachliteratur, die intensiv Merkmale des Haus und Haushalts der Patrizier des Spätmittelalters untersucht hat.

Die Führung von Haushalts, Rechnungsbücher und Nachlassinventare wurden im Spätmittelalter, mit zunehmender Alphabetisierung der sozialen Oberschichten intensiviert und verbessert. Die wirtschaftlichen Aufzeichnungen Hans Prauns[2] für die Zeit von 1471 bis 1478 sind als wichtiges Zeugnis neben anderen Quellen der Verwaltung zu nennen. Diese Arbeit widmet sich nach der Klärung des Begriffs Patriziat der kurz der spätmittelalterlichen Stadt und ihrer sozialen Schichtung. Hausstrukturen und Funktionen der Häuser der Patrizier werden im Folgenden immer in Abgrenzung zu den Häusern der Handwerker dargestellt. Die Luxusgegenstände in Hausrat und Inneneinrichtung, sowie der patrizische Speisezettel und deren Esskultur werden in ihrer Besonderheit gegenüber den unteren Schichten aufgezeigt.

2. Zur Deutung des Begriffs Patriziat in der mittleren Geschichte

Die Bezeichnung Patriziat fand im Zeitalter des Humanismus und der Renaissance in Anknüpfung an die Antike Verbreitung. Das Wort Patriziat stand für die privilegierte Oberschicht des städtischen Adels in Rom. Im Mittelalter ist der älteste Beleg für die Verwendung des Begriffs dem Klausenburger Ratsbuch aus dem Jahre 1587 zu entnehmen: in numerum ceterorum huius civitatis verorum civium patriciorum[3]. Die Wortwahl echt patrizischer Bürger gibt Hinweis auf eine schon länger bestehende Sozialisierung dieser Gruppe[4].

Weitere Bezeichnungen einer geschlossenen Führungsgruppe in den Städten des Mittelalters findet man als generationes und veri cives[5] wobei die cives mit rathmäßigen Männern gleichzusetzen sind. Während in Nürnberg die Führungsschicht im Spätmittelalter als Meliores bezeichnet wurde, bezeichnete man diese in Nürnberg als Nobiles[6]. Aufgrund dieser vielfältigen Erscheinungsformen der Stadtherrschaft als soziale Gruppe oder Oberschicht kann der Überbegriff Patriziat nicht den unterschiedlichen mittelalterlichen Realitäten in den Städten gerecht werden. Jede mittelalterliche Stadt hatte ein, für sie typisches, Wirtschaftsleben, eine eigentümliche Rechtsprechung und Verfassung, die sich in ihrer spezifischen Sozialstruktur widerspiegelte.

Trotz der verschiedenen Färbungen der Bezeichnung Patriziat und deren vielfältigen Begrifflichkeiten, ist das Phänomen des Patriziats der deutschen Städte in seinen Gemeinsamkeiten darzustellen. Das Wort Patriziat findet seit mehr als einem Jahrhundert in der Geschichtsschreibung der deutschen Städte Verwendung[7]. Das Patriziat wird inzwischen in der historischen Forschungsliteratur gemeinhin als Terminus dargestellt, der „die wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorrangstellung bestimmter Bürger assoziiert, die sich in der Ausübung politischer Macht über die anderen städtischen Einwohner äußert.“[8] Der Stadtforscher Erich Maschke definierte das Patriziat als städtische Oberschicht des Mittelalters, die als „eine geburtsständisch niemals völlig abgeschlossene Führungsgruppe von Fern- und Geldhändlern sowie Rentnern,... den ausschließlichen Anspruch auf die Verteilung der Ratssitze erhob.“[9]

2.1. Die spätmittelalterliche Stadt

Viele der deutschen Städte wurden im Spätmittelalter durch eine Vergrößerung der Ummauerung oder der Bebauung von Freiflächen erweitert. Vorstädte entstanden und insbesondere die größeren Städte verzeichneten einen Bevölkerungszuwachs. Anlass für die Stadterweiterungen waren, dass die Wirtschaft der größeren Städte aufgrund deren guten Verkehrslagen, deren differenzierten Wirtschaftsstrukturen und deren weit reichenden Handelsradien florierte[10].

Ein Preisverfall der landwirtschaftlichen Produkte, die schlechten Lebensbedingungen auf dem Land sowie die gleichzeitig steigenden Produktions- und Lebenserhaltungskosten verstärkten die Landflucht.[11] Die Menschen vom Land erhofften sich ein besseres Einkommen in der Stadt, denn der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften war aufgrund der Pest und der Erschließung neuer Absatzmärkte im Fernhandel so weit gestiegen, dass das Spätmittelalter von vielen Autoren als „das goldene Zeitalter des Handwerks und der Lohnarbeit“ bezeichnet wird[12].

Seit dem 13. Jahrhundert entwickelten die Städte eine eigenständige Außen- und Bündnispolitik. Die wachsende wirtschaftliche und politische Bedeutung der Städte machte einen Ausbau interner Verwaltungs- und politischer Strukturen notwendig. Die Ausweitung an Ratsverfassungen, zunächst am Oberrhein am Ausgang des 13. Jahrhunderts, waren erste Schritte hin zu einem Zuwachs an städtischer Autonomie. Im staufisch-welfischen Thronstreit von 1197-1212 profitierten die Städte von der Absetzung Friedrichs II. im Jahre 1245[13]. Die meist kaisertreuen Städte ließen sich ihren Übertritt auf die Seite des Papstes durch Sonderrechte begleichen, die unter anderem den Aufbau und die Sicherung kommunaler Strukturen nach sich zogen[14]. Die Bürger emanzipierten sich, indem sie sich vom Stadtherren frei machten. Das Spätmittelalter gilt als Blütezeit der großen deutschen Stadt, die trotz Pestwellen, Kriegen und Krisen im 14. und 15. Jahrhundert einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung verzeichnen konnte[15].

2.2. Die Patrizier im sozialen Aufbau der spätmittelalterlichen Stadt

In Konstanz teilten sich zwölf Prozent der Familien drei Viertel des städtischen Vermögens während sich in Basel die Hälfte des Vermögens unter fünf Prozent der städtischen Familien angesammelt hatte[16]. Aus dieser Vermögensverteilung wird deutlich wie groß die Spanne zwischen reich und arm in vielen Städten gewesen ist. Nur die Mittel- und Oberschichten sahen sich als rechtmäßige Bürger der Stadt: „Wir Bürger reich und arm“ (potens und pauper)[17]. Zu den armen Bürgern zählen die Handwerksfamilien, die zwar ein Einkommen hatten, aber dafür arbeiten mussten[18]. Im Gegensatz zu den Patriziern, die wohlhabend waren und daher Zeit hatten einem politischen Amt nachzugehen. Zu den untersten Schichten der Stadt zählen Handwerksgesellen, Tagelöhner, Hausgesinde, Bettler und Prostituierte, die kein Bürgerrecht besaßen und daher zahlenmäßig nicht erfassbar sind[19].

Die Ausübung eines politischen Amtes war sehr zeitaufwendig, daher blieb die politische Entscheidungsfindung nur den patrizischen Oberschichten und Zunftvorstehern vorbehalten, die zusätzlich fähig sein mussten sich an den Verteidigungsausgaben zu beteiligen[20]. Da die Reichen Familien im Rat saßen, hatten sie politischen Einfluss und Macht, weiterhin stellten sie das berittene Aufgebot der Stadt[21]. Trotz dieser Voraussetzung waren die Standesgrenzen durchlässig und viele der erfolgreichen Zunftmitglieder konnten bis zum 15. Jahrhundert in die patrizischen Oberschichten aufsteigen und ihren Rang mittels Heirat festigen. Im Verlauf des 15. Und beginnenden 16. Jahrhunderts verfestigten sich die Standesgrenzen und das Patriziat wurde zusehends geburtsständisch bestimmt.[22]

Die Patrizier kennzeichnete das Bedürfnis sich von unteren Schichten abzugrenzen indem sie ihre besondere Rangstellung offen zur Schau stellten .

„Ihr Grad an Sozialprestige war abhängig vom gesellschaftlichen Ansehen, Reichtum und ihrer dadurch bedingten Stellung im Stadtrat.“[23]

Das Pendant zu den bürgerlichen Zünften und Gilden bildeten die patrizischen Gesellschaften, die das Stadtleben prägten. Die Oberschicht traf sich in Trinkstuben, in denen man zusammen aß, trank und Veranstaltungen wie Tanz und Literatur beiwohnte[24]. Die Patrizier identifizierten sich gerne mit dem Landadel und ahmten dessen Lebensformen und Verhaltensweisen nach. Sie veranstalten regelmäßig ritterliche Turniere, trugen die Kleider der Adligen und bauten ihre Häuser nach dem Vorbild ländlicher Adelsresidenzen[25].

Die Einnahmen aus dem Fernhandel und die wachsende Macht des Stadtrats ermöglichte es den Patriziern ihre Vormachstellung vor allem mittels einer Status definierenden Präsentation ihres Reichtums zu festigen. Der wirtschaftliche und kulturelle Aufschwung der Städte im Spätmittelalter prägte das Stadtbild, denn im 15. Jahrhundert ließen viele der Handwerker und Patrizier ihre Häuser modernisieren und nach der neuesten Mode umbauen. Das Haus der reichen Kaufleute war Wohnstätte, Versammlungsort und Verkaufsraum in Einem. Daher erfolgte eine Präsentation der Patrizier vor allem durch die Ausstattung ihrer Häuser und Haushalte.

[...]


[1] Harry Kühnel, Die Sachkultur bürgerlicher und patrizischer Nürnberger Haushalte des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, S. 15.

[2] Horst Pohl, Das Rechnungsbuch des Nürnberger Großkaufmanns Hans Praun von 1471 bis 1478, S. 77-136.

[3] AK, Div. III, S. 65 f.

[4] Konrad Gündisch, Das Patriziat siebenbürgischer Städte im Mittelalter, S. 20.

[5] Zit. n. Erich Maschke, Das Problem der Entstehung des Patriziats in den südwestdeutschen Städten, S. 6 ff. und 10 f. Über die Gleichsetzung cives-Patrizier.

[6] Zit. n. Ingrid Bátori, Das Patriziat der deutschen Stadt, S. 24f.

[7] Seit dem Erscheinen des Buches 1856, K. H. Roth von Schreckenstein, Das Patriziat, wurde dieser Begriff u.a. von Bátori und Berthold in der Stadtgeschichtsforschung bevorzugt verwendet.

[8] Gündisch, S. 22.

[9] Erich Maschke, Verfassung und soziale Kräfte in der deutschen Stadt, S. 289 f.

[10] Vgl. n. Mathias Kälble, Verfassung und soziale Schichtung in oberrheinischen Städten, S. 259.

[11] Wilhelm Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur, S. 58-60.

[12] Vgl. Wilhelm Abel, Strukturen und Krisen der spätmittelalterlichen Wirtschaft, S. 58-60. Vgl. Erich Maschke, Deutsche Städte am Ausgang des Mittelalters, S. 56-99

[13] Knut Schulz, Verfassungsentwicklung der deutschen Städte um die Mitte des 13. Jahrhunderts, S. 54.

[14] Bernhard Töpfer, Stellung und Aktivitäten der Bürgerschaft von Bischoffstädten während des staufisch-welfischen Thronstreits, S. 20.

[15] Kälble, Verfassung, S. 259.

[16] Gustav Schönberg, Finanzverhältnisse der Stadt Basel im 14. Und 15. Jahrhundert, S. 180-183. Klaus D. Bechtold, Zunftbürgerschaft und Patriziat, S. 28-32.

[17] Zit. nach Karl Bosl, Potens und Pauper, S.120.

[18] Kälble, Verfassung, S. 260.

[19] Erich Maschke, Die Unterschichten der mittelalterlichen Städte Deutschlands, S. 370.

[20] Kälble, Verfassung, S. 260.

[21] Vgl. Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250- 1500. S. 247.

[22] Batori, S. 8.

[23] Jürgen Ellermmeyer, „Schichtung“ und „Sozialstruktur“ in spätmittelalterlichen Städten, S. 130.

[24] Mathias Kälble, Patrizische Gesellschaften, S. 287.

[25] Kälble, Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit, S. 21.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Haus und Haushalt der Patrizier im Spätmittelalter
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Haushalte und Haushalten im Mittelaler
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
26
Katalognummer
V87640
ISBN (eBook)
9783638013024
ISBN (Buch)
9783638916912
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haus, Haushalt, Patrizier, Spätmittelalter, Haushalte, Haushalten, Mittelaler
Arbeit zitieren
Linda Raible (Autor:in), 2006, Haus und Haushalt der Patrizier im Spätmittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/87640

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