"Caudillismo". Eine mögliche Abgrenzung des Begriffes von seinen Synonymen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rosas: Caudillo oder Diktator
2.1. Merkmale des klassischen Caudillo
2.2. Beziehung Rosas mit den anderen Provinzen der Konföderation
2.3 Die Ökonomie
2.4 Die Außenbeziehungen
2.5 Die Politische Ordnung

3. Abgrenzung des Begriffs Caudillo vom Begriff Diktator

4. Abgrenzung des Begriffs Caudillo von dem Begriff Cazique

5. Kann man heute noch vom Caudillos sprechen?

Literaturhinweise

1. Einleitung

Das Wort Caudillo gehört seit Jahrhunderten zum gebräuchlichen Vokabular. Heute findet man es sowohl in Zeitungen, in allgemeiner Literatur als auch in der gesprochenen Sprache. Oft wird von irgendeiner besonderen Person des öffentlichen Lebens behautet, dass sie ein Caudillo unserer Zeit sei. In der Wissenschaft ist dennoch der Begriff widersprüchlich. Es gibt Wissenschaftler, die von einer engen Definition ausgehen und daher das Phänomen Caudillismo auf eine bestimmte Epoche begrenzen. Es wird z.B. in bestimmten lateinamerikanischen Lernbüchern vermieden vom Caudillos zu sprechen oder ihre Erscheinung auf die Zeit der Unabhängigkeitsbestrebungen zu begrenzen, wie Riekenberg in seiner Untersuchung über Caudillos und caudillismo[1] erläutet hat. Demgegenüber befinden sich andere Wissenschaftler, die den Caudillismo als ungebrochenes Phänomen der lateinamerikanischen Politik betrachten. Aus diesem Grund werden teilweise gewisse Persönlichkeiten der zweiten Hälfte des zwanzigen Jahrhunderts als Caudillos bezeichnet. Diese Arbeit setzt sich mit dem Begriff Caudillismo auseinander und versucht, den Begriff von anderen Begriffen, die oft auch in der Wissenschaft als Synonyme verwendet werden, zu unterscheiden.

Um eine Abgrenzung des Phänomens des Caudillismos zu erlangen, werde ich mich anhand des Beispiels von Juan Manuel de Rosas in Argentinien mit dem klassischen Caudillismo auseinandersetzen. Von diesem Beispiel ausgehend werde ich versuchen, allgemeine Aussagen zu treffen, die ähnlichen lateinamerikanischen Phänomenen nicht widersprechen, um herauszufinden, wo die Grenzen zwischen den Begriffen Caudillo, Diktator und Cazique gesetzt werden könnten. Zuletzt werde ich einen kurzen Blick auf die Gegenwart werfen, um eine Meinung darzustellen, über die mögliche Verwendung des Begriffes in der heutigen Zeit in der lateinamerikanischen politischen Realität.

2. Rosas: Caudillo oder Diktator

2.1. Merkmale des klassischen Caudillo

Im folgenden Abschnitt versuche ich, die wichtigen Merkmale darzustellen, die ermöglichen, Rosas als klassischen Caudillo zu bezeichnen. Ich gehe zuerst von der Definition von Peter Waldmann aus. Er schlägt in Anlehnung an Francisco Moreno folgende Definition von Caudillismo vor: “Caudillismo soll heißen ein Typus autoritärer Herrschaft, der nicht institutionell verankert ist, sondern primär auf den persönlichen Führungsqualitäten des bzw. der herrschenden beruht[2] Das erste Merkmal, das man hier feststellen kann, ist die charismatische Persönlichkeit der Anführer, der als „Institutionersatz“ fungiert.

Wenn man im Rahmen der Typologie Max Webers zu arbeiten versucht, stellt man fest, dass es sich bei der Herrschaft von Juan Manuel de Rosas nicht um traditionelle Herrschaft handelt. Die Familie Rosas war eine seit Generationen etablierte Landfamilie, die hohes Ansehen genossen hat. Dennoch gab es vor Juan Manuel Rosas keine Familienmitglieder, die ein Amt innehatten, an das Rosas hätte anschließen können.

Über den zweiten Typus Legitimationsherrschafts, die Weber unterscheidet, die wertrationale Form, kann in der rosistischen Regierungszeit in gewissem Sinn gesprochen werden. Rosas wurde im Nachhinein, als Folge militärischer Erfolge, zum obersten Befehlshaber des Militärs in der Provinz berufen. Er wurde 1829 vom Repräsentantenhaus zum Gouverneur von Buenos Aires gewählt, um dem herrschenden chaotischen Zustand der Provinz nach der Ermordung von Dorrego ein Ende zu setzen. Er wurde als einzige mögliche Person angesehen, um Disziplin und Ordnung wieder herzustellen. Dennoch gegen diese Form von Legitimationsherrschaft spricht die Tatsache, dass Rosas sein Amt nur unter Vorbehalt von „facultades extraordinarias“ akzeptierte. Das Parlament verleiht Rosas im Jahr 1829 diese unbeschränkte Macht als vorläufige Lösung. Als diese Macht von dem Repräsentantenhaus nicht erneut wurde, akzeptierte Rosas kein Amt mehr. Nur als er endlich 1832 das Parlament bewegen konnte, diese `Facultades` zu erneuen, akzeptierte er die Wiederwahl. Dadurch machte er das Wahlverfahren zu einen Art Inszenierung, die keine ernsthafte Relevanz hatte. Myers sagt über die durchgeführten Plesbizite: „De allí en más los rituales cívicos que se seguirían celebrando, como las periódicas renovaciones de la legislatura, y las cada vez más espaciadas (por la ampliación del período de gobierno) reelecciones, tendrían a vaciarse de todo contenido real[3]. Obwohl man einen gewissen Grad von wertrationaler Legitimation nicht ausschließen kann, gilt dieser daher nur für bestimmte Teile der führenden Elite von Buenos Aires.

Die rosistische Herrschaft genoss vor allem eine charismatische Legitimation. Die Anhängerschaft Rosas, die Unterschicht und weite Teil der Oberschicht, erkannten ihn freiwillig als ihren Anführer und Repräsentanten an. Dazu half sein Ruhm als strickter Verfolger der Gesetze. „El régimen rosista nacía de ese modo fuertemente identificado con la defensa de la legalidad[4].Charismatische Herrschaft half Rosas bei Aufbau und Festigung seiner Klientel. Es bestand vermutlich eine große Identifikation mit Rosas.

Die charismatische Herrschaft stellt ein wichtiges Merkmal des klassischen Caudillismo dar. Dennoch soll das Modell des Caudillo nicht auf eine einzige Eigenschaft reduziert werden, wie dies heutzutage oft in der nichtwissenschaftlichen Welt zu beobachten ist. Ein weiteres wichtiges Merkmal, das ich hier erwähnen möchte, ist die Machtbasis des Caudillos. Diese Machbasis bestand ursprünglich aus der eigenen Estancia und den eigenen finanziellen Mitteln, d.h. die Machtbasis der meisten Caudillos war auf einer lokalen Dimension beschränkt. Nicht alle bedeutsamen Caudillos genossen eine privilegierte Sozialstellung, dennoch gehörten viele zu den mittleren oder reichen und einflussreichen Familien der damaligen Gesellschaft.

In Argentinien stammten die meisten Caudillos aus reichen Familien, sie besaßen große Ländereien und hohes Ansehen. So auch im Fall der Familie Rosas, die zu der kreolischen Elite gehörte. Die Ehefrau Rosas, Doña Encarnación Ezcurra, stammte aus der Oberklasse von Buenos Aires. Rosas selbst hatte zwei große `Estancias` in der Nähe von Rio Salado im Süden von Buenos Aires, an der Grenze zum Siedlungsgebiet der Indigene. Dort konnte er seine Eigenschaften als Führer und effizienter Verwalter beweisen. Er pflegte auch Kontakt mit den Indigenen des Gebietes, lernte ihre Sprache und kannte ihre Gewohntheiten. Die Estancia war ein Mittel sozialer Kontrolle. Sie sicherte auch die Unterstützung der anderen Estancieros, weil Rosas anhand der strengen Leitung seiner Estancia seine Fähigkeit, dauerhaft Sicherheit und Frieden schaffen zu können, demonstrierte.

[...]


[1] Riekenberg, M.: “Caudillos y Caudillismo. La presentación del tema en los libros escolares latinoamericanos de historia”, in: Boletín del instituto de historia Argentina y Americana Dr. Emilio Ravignani; 3 (1991), S. 123-138.

[2] Peter Waldman: „Caudillismo als Konstante der politischen Kultur Lateinamerikas?“, in: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas 15, 1978, S. 194.

[3] Myers, J.: “Rosas (1793-1877)”, in: Lafforgue, Jorge (Hg.): Historia de los Caudillos Argentinos, Alfaguara, 1999, S 356.

[4] Myers J.: “Rosas (1793-1877)”, in: Lafforgue, Jorge (Hg.): Historia de los Caudillos Argentinos, Alfaguara, 1999, S 349.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
"Caudillismo". Eine mögliche Abgrenzung des Begriffes von seinen Synonymen
Hochschule
Universität zu Köln  (Iberische und lateinamerikanische Abteilung des Historischen Seminars)
Veranstaltung
Caudillos und Caziquen in Lateinamerika im 19. Jh.
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V85084
ISBN (eBook)
9783638005760
ISBN (Buch)
9783638916059
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Caudillismo, Caudillos, Caziquen, Lateinamerika
Arbeit zitieren
Viviana Marcela Alvarez-Schüller (Autor:in), 2004, "Caudillismo". Eine mögliche Abgrenzung des Begriffes von seinen Synonymen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85084

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