Integration. Orientierungskurse als eine Methode der Unterstützung von Integrationsprozessen


Diplomarbeit, 2005

136 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Fragestellung und Aufbau der Arbeit

Hauptteil I: Integration
3. Begriffsklärungen und Stand der Zuwanderung in Deutschland
3.1. Einleitung
3.2. Aktueller Stand und von der schwierigen Verwendung des Begriffes „Ausländer“
3.3. Migration, Zuwanderung und Einwanderung
3.3.1. Migration
3.3.2. Migrationsursachen und –verläufe
3.3.3. Die Begriffe Zuwanderung und Einwanderung
4. Integration
4.1. Einleitung
4.2. Definition
4.3. Dimensionen der Integration
4.4. Zusammenfassung
5. Geschichte der Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland
5.1. Einleitung
5.2. Nachkriegsjahre
5.3. Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer
5.3.1. Anwerbeabkommmen mit Arbeitsmigranten
5.3.2. Konsolidierung des Arbeitsmarktes und der Niederlassung
5.3.3. Kurze Phase halbherziger Integrationsbemühungen
5.3.4. Weiterer Verlauf: Stagnationsphase ab 1982
5.4. Flüchtlingspolitik
5.5. Zuwanderung von Aussiedlern und Spätaussiedlern
5.6. Wandel ab Ende der 90er Jahre
5.7. Die Entwicklung eines neuen Zuwanderungsgesetzes
5.8. Schlusslicht
6. Das neue Zuwanderungsgesetz
6.1. Überblick über das neue Zuwanderungsgesetz
6.1.1. Die wichtigsten Änderungen
6.1.2. Kurze Stellungnahme zum neuen Zuwanderungsgesetz
6.2 Integration im neuen Zuwanderungsgesetz
6.2.1 Darstellung des Bereiches Integration nach §§ 43-45 AufenthG
6.2.2 Kurze Bewertung/Stellungnahme
6.3. Integrationskurse nach § 43 AufenthG

Hauptteil II: Integrations- und Orientierungskurse
7. Integrationskurse nach § 43 AufenthG
8. Methoden
9. Darstellung bereits durchgeführter Integrations- und Orientierungskurse
9.1. Das Verständnis von Integrations- und Orientierungskursen für die vorliegende Arbeit
9.2. Einführung
9.3. Exemplarische Darstellung auserwählter Städte
9.3.1. Frankfurt
9.3.2. München
9.3.3. Baden-Württemberg
9.4. Zusammenfassung der Erkenntnisse
10. Interviews
10.1. Einführung
10.2. Darlegung der verwendeten Methoden
10.2.1. Erhebungsverfahren
10.2.2. Aufbereitungsverfahren
10.2.3. Auswertungsverfahren
10.3. Porträts
10.3.1. Porträt 1: Frau A.
10.3.2. Porträt 2: Herr P.
10.3.3. Porträt 3: Frau G.
10.3.4. Porträt 4: Frau E.
10.4. Vergleich der Interviewergebnisse mit den aus den Kursevaluationen gewonnenen Ergebnissen
10.4.1. Bestätigung bislang gewonnener Erkenntnisse
10.4.2. Abweichende Aussagen
10.4.3. Neue Erkenntnisse

Hauptteil III: Auswertung, Rolle der sozialen Arbeit und Ausblick
11. Auswertung der Fragestellungen
11.1. Klärung der ersten Frage
11.2. Klärung der zweiten Frage
12. Die Rolle der Sozialen Arbeit bei der Integration von Zuwanderern
12.1. Einleitung
12.2. Aufgaben und Ziele Sozialer Arbeit
12.3. Die Integration von Zugewanderten als Aufgabe und Ziel Sozialer Arbeit
13. Vorschläge, eigene Stellungnahme und Schlussbemerkung

Quellenverzeichnis

Literatur

Internet

Zeitungen

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:
Verlaufsmuster der Migration (Quelle: Sluzki, in: Hegemann/Salman 2001: 101)

1. Einleitung

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind die Probleme, die sich aus sozialen Ungleichheiten ergeben, weder global noch national gelöst. Im Gegenteil: Die Menschheit sieht sich nach wie vor mit der Herausforderung konfrontiert, die wirtschaftlich und sozial ungleiche Güter- und Chancenverteilung in einer für den globalen und gesellschaftlichen Frieden notwendigen Balance zu halten. Geschichtliche Erfahrungen vergangener Zeit konnten kein friedliches Zusammenleben schaffen. Vorurteile, Rassismus und Benachteiligungen sind auch in unserer wie in anderen Gesellschaften nach wie vor vorhanden und werden in Zeiten wirtschaftlicher Knappheit noch verstärkt. Auch die aktuellen Ereignisse in den Niederlanden, welche bislang als Vorbild der Integration verschiedener Kulturen betrachtet wurden und wo nun nach dem Tod des islamkritischen Regisseurs van Gogh durch einen mutmaßlichen Moslemextremisten das Klima von einem Tage zum nächsten kippte, Moscheen brannten und Muslime diskriminiert werden, zeigt, dass man sich nicht auf den Lorbeeren vermeintlicher Sicherheit ausruhen darf. Eine zentrale Rolle für ein friedliches Zusammenleben kommt dabei meines Erachtens einer Verständigung und dem Dialog verschiedener Völker, Religionen und Kulturen zu. Wenn ein positives Grundverständnis von einem Miteinander vermittelt wird und zusätzlich eine gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit aller zumindest angestrebt wird, könnte dies zu einer verbesserten Ausgangssituation führen, die die zuvor gebundenen Kräfte für die positive Gestaltung aller Teilbereiche einer Gesellschaft freisetzt. Dabei erscheint mir wichtig, welche Haltung von Seiten der Politik eingenommen wird, da sich diese auf alle gesellschaftlichen Bereiche wie auf Recht, öffentliche Ordnung und Medien und somit letztendlich auf den einzelnen Bürger auswirkt.

Die Integration von Migranten in unsere Gesellschaft stellt auch in Deutschland seit einigen Jahren eines der zentralsten Themen dar, welches in den verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Kreisen heiß diskutiert wurde. Besonders seit die Diskussion um das neue Zuwanderungsgesetz entfacht wurde, war auch die Integration der Minderheiten zentraler Bestandteil dieser Gespräche. Seit den letzten Ereignissen in den Niederlanden wird in den vergangenen Tagen nun auch hierzulande wiederum die Integration der Zugewanderten, die Unterschiede und Gleichheiten der Kulturen wie Religionen, verstärkt thematisiert. Aktuell entfacht sich – angestoßen vor allem von Seiten der Christlich- Demokratischen Union - nun eine emotional geführte Debatte um den undifferenzierten Begriff der Leitkultur und des Patriotismus. Das Thema Integration stellt ein absolut aktuelles Thema dar, dass sich nach wie vor verändert und fortentwickelt.

Die Integrationskurse, die für eine Vielzahl von Migranten, besonders für Neuzugewanderte, in Deutschland ab dem kommenden Jahr eingeführt werden sollen, nehmen dabei innerhalb der Integrationsdebatte einen zentralen Stellenwert ein und sind in Politik und im Migrationsbereich von großer aktueller Relevanz. In anderen Ländern, wie beispielsweise den Niederlanden, gibt es derartige Kurse bereits. Für Deutschland stellen sie ein neues Terrain dar. Die vorliegende Arbeit bezieht sich nur auf die Debatte innerhalb Deutschlands. Um auf Integrationskurse und Integrationsdebatten anderer Länder einzugehen, müsste meiner Ansicht nach eine umfassende Auseinandersetzung mit Vergleichbarkeit und Unterschieden zwischen den Ländern und deren Sozialsystemen erfolgen, die in diesem Rahmen nicht zu leisten ist.

Der Bereich der Integration und das Thema der Integrationskurse befinden sich im Umbruch und entwickeln sich ständig fort. Da die vorliegende Arbeit ein zeitliches Dokument ist, kann nur ein begrenzt zeitlicher Ausschnitt der Wirklichkeit dargelegt werden. Die Recherche dieser Arbeit wurde am 12. Dezember 2004 abgeschlossen.

2. Fragestellung und Aufbau der Arbeit

Die Integrationskurse sind Hauptthema der vorliegenden Arbeit. Die beiden Fragestellungen hierbei lauten: 1. Sind die Integrationskurse in Umsetzung des neuen Zuwanderungsgesetzes sinnvoll gestaltet? 2. Welche Auswirkung haben diese Kurse an sich auf den Integrationsprozess?

Da jedoch bis kurz vor Abgabe dieser Arbeit noch nicht hinreichend bekannt war, wie die Kurse tatsächlich gestaltet werden, da die Durchführungsverordnung noch nicht erlassen war, musste eine Vorgehensweise gefunden werden, die der Aktualität der Umstände entspricht. Dafür ergeben sich für diese Arbeit zwei Bereiche, die behandelt werden sollen: Den Bereich der Integration und den der Integrationskurse.

Erstens soll also der Stand der Integration in Deutschland beleuchtet werden (Hauptteil I). Dafür erfolgen gleich am Anfang dieser Arbeit in Kapitel 3 zum besseren Verständnis Begriffsklärungen und Hintergrundwissen: Was sind die aktuellen Formen von Migration und Zuwanderung in Deutschland? Was bedeutet der Begriff Ausländer? Was bedeutet Migration und wie kann ein Migrationsverlauf aussehen? Was ist Zuwanderung und Einwanderung? In diesem Kapitel wird auch geklärt werden, um welche Zielgruppe es sich in der vorliegenden Arbeit handelt. Im Weiteren soll der Begriff der Integration in Kapitel 4 erklärt werden. Dies geschieht durch eine ausführliche Definitionsbeschreibung, durch Abgrenzung zu anderen Eingliederungsformen und durch die Erläuterung verschiedener Dimensionen und Faktoren der Integration. In Kapitel 5 erfolgt ein geschichtlicher Abriss der Einwanderungsgeschichte ab dem zweiten Weltkrieg. Dies erfolgt entgegen der üblichen Literatur sowohl in chronologischer Reihenfolge als auch in einer Aufteilung der Geschehnisse nach den drei Hauptgruppen deutscher Zuwanderung, den Arbeitsmigranten, Flüchtlingen und den Aussiedlern. Hierbei werden jeweils spezifische Legitimationshintergründe für deren Aufenthalt wieder gegeben. Die Darstellung soll dem Leser einen Eindruck vermitteln, wie in der deutschen Bundesrepublik mit dem Thema Zuwanderung im Laufe der Geschichte bis heute umgegangen wurde. Ein positiver Umgang mit Zuwanderung als entscheidende Voraussetzung für Integrationsentwicklungen wird von mir als wichtig angesehen. Das Kapitel gibt außerdem einen Einblick in die drei Hauptgruppen deutscher Zuwanderung - eine Aufteilung in verschiedene Gruppen, die bis heute noch relevant ist. Die geschichtliche Entwicklung der vergangenen Jahre führt hin auf die Entwicklung eines neuen Zuwanderungsgesetzes, welches dann gesondert in Kapitel 6 behandelt wird. Hierbei werden zuerst die zentralen Neuerungen des Gesetzes wieder gegeben und anschließend beurteilt. Dann wird speziell der Bereich Integration im neuen Zuwanderungsgesetz erklärt und bewertet. In diesem Bereich wiederum sind ein Baustein die Integrationskurse, welche als zentraler Bestandteil dieser Arbeit im zweiten Teil erörtert werden.

Der zweite Teil dieser Arbeit ist somit den Integrations- und Orientierungskursen gewidmet (Hauptteil II). Hierfür wird zuerst in Kapitel 7 auf die Aspekte der zukünftigen Integrationskurse des Bundes nach § 43 Aufenthaltsgesetz eingegangen, welche nach aktuellem Stand der Dinge bekannt waren. Da es sich hierbei um ein Vorhaben handelt, wurden im weiteren Verlauf für die Klärung der ersten Frage, wie die Kurse sinnvoll zu gestalten seien, einerseits Evaluationen von Projektkursen betrachtet als auch Interviews mit Experten durchgeführt. Diese methodische Vorgehensweise wird in Kapitel 8 erläutert. Anschließend erfolgt in Kapitel 9 eine Darstellung bereits durchgeführter Integrations- und Orientierungskurse. Hierfür wird zunächst geklärt, was das Verständnis solcher Kurse für diese Arbeit beinhalten soll. Danach werden die Ergebnisse von Projektkursen verschiedener Städte einzeln dargestellt, die zentralen Aussagen sondiert sowie am Schluss alle gewonnenen Einsichten zusammengefasst. Das zweite Standbein zur Klärung der Frage einer sinnvollen Gestaltung der Kurse stellen die Interviews mit Experten in Kapitel 10 dar. Erhebungsmethode und Verfahren werden zuerst erklärt und begründet. Dann folgen Zusammenfassungen der einzelnen Interviews in Form von Portraits der Befragten. Um den Umfang dieser Arbeit bei gleichzeitiger Nachprüfbarkeit der transkribierten Interviews zu reduzieren, sind die gesamten Interviews auf CD-Rom im Anhang verfügbar. Nach den Portraits mit einer Zusammenfassung der jeweiligen Aussagen wurden die Ansichten der Interviewpartner auf Übereinstimmungen, Abweichungen und Ergänzungen bereits gewonnener Ergebnisse untersucht.

Der letzte Teil der Arbeit (Hauptteil III) beantwortet die beiden Fragestellungen dieser Arbeit, geht auf die Rolle der Sozialen Arbeit ein und gibt einen abschließenden Ausblick. Kapitel 11 soll Antwort auf die genannten Fragen leisten, welche an Hand von Inhalten und Ergebnissen dieser Arbeit ausgewertet werden. In Kapitel 12 wird Bezug zur Sozialen Arbeit genommen, da diese Diplomarbeit im Rahmen des Studiums Sozialarbeit absolviert wird. In Kapitel 13 erfolgt eine eigene Stellungnahme und Schlussbemerkung.

Der Aufbau dieser Arbeit folgt einer offenen Herangehensweise an das Thema, in der sich Inhalte, Strukturen und Methoden nach Beschäftigung mit Materialien und Recherchen zum Thema entwickelten. In der vorliegenden Arbeit verzichte ich in der Regel auf die Nennung der männlichen und der weiblichen Form. Bei Nennung der männlichen Form ist auch die weibliche Form mit inbegriffen.

Hauptteil I: Integration

3. Begriffsklärungen und Stand der Zuwanderung in Deutschland

3.1. Einleitung

Migrationen[1] begleiten seit Anbeginn die Geschichte der Menschheit. Große Wanderungsbewegungen wie der biblische Exodus[2], überdimensionale Kolonisationen in Afrika, Amerika und Australien oder die Flüchtlingsströme der aktuellen Zeit haben ganze Kontinente und Regionen verändert[3]. Auch jede „kleine“, persönliche Migrationsgeschichte eines jeden Einzelnen trägt dazu bei, die Dynamik einer Gesellschaft aufrecht zu halten und das Gesicht eines Landes zu verändern. Dabei war Deutschland auf Grund seiner Mittellage in Europa schon immer ein Ein-, Aus- und Durchwanderungsland[4]. Zum besseren Verständnis, wie die Formen von Migration nach Deutschland heute aussehen, was die Begriffe Ausländer, Migration, Zuwanderung und Einwanderung beinhalten, soll nun im Folgenden ein Überblick gegeben werden.

3.2. Aktueller Stand und von der schwierigen Verwendung des Begriffes „Ausländer“

„Wir sind alle Ausländer, fast überall.“

Die Formen von Migration und Zuwanderung[5] nach Deutschland sind vielfältig und heterogen. In dem letzten Bericht des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge werden im Jahre 2002 als Gruppen legaler Zuwanderung genannt[6] :

- Asylzuwanderer,
- Spätaussiedler,
- Arbeitsmigranten,
- EU-Binnenmigranten,
- rückkehrende deutsche Staatsbürger,
- ausländische Studierende,
- Ehegatten und Familienangehörige aus Drittstaaten,
- jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen UdSSR.

Der Ausländertatbestand wird vom Statistischen Bundesamt auf über 7,3 Millionen Personen zum Jahresende 2002 angegeben. Dies entspricht 8,9 % der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland.

Dabei ist Ausländer nach Maßgabe des Kapitels 1 §2 (1) des neuen Aufenthaltsgesetzes jeder, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat und „der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist“. Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG wiederum ist, „wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“

Die Ausländerbestandszahl ist also nicht mit den Zahlen von Migrationsbewegungen gleichzusetzen, da Ausländer in diesem Sinne ebenso Personen sein können, die beispielsweise der zweiten und dritten Migrantengeneration angehören, selber aber nie migrierten und zum Teil seit Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland leben, ohne die deutsche Staatsbürgerschaft zu haben. 20,9 %, das heißt jeder fünfte als Ausländer aufgeführte Person, ist in Deutschland geboren[7]. Bis zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes 1999 erhielten die Kinder von Zuwanderern nur die Staatsangehörigkeit der Eltern[8], sie sind also keine Migranten, jedoch Ausländer im Sinne des Aufenthaltsgesetzes. Ferner ist zu bedenken, dass es von den jeweiligen Einbürgerungen und der dazugehörigen Politik abhängig ist, wer als Aus- und wer als Inländer bezeichnet wird. Es gibt viele Personen, die zugewandert sind, jedoch inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben. Darüber hinaus haben (Spät-)Aussiedler[9] in der Regel die deutsche Staatsangehörigkeit, obwohl sie über Migrationshintergrund verfügen.[10] Über die Staatsbürgerschaft definiert sich also, wer als „Ausländer“ und wer als „Inländer“ bezeichnet wird, und der Begriff Ausländer kann somit als Abgrenzungstatbestand und somit als politische „Schlagwaffe“ verwendet werden[11]. Der rechtliche Terminus „Ausländer“ wird auch von den Betroffenen als ausgrenzend empfunden, da er ihre soziale Integration in die Gesellschaft nicht zur Kenntnis nimmt und der Begriff mit vielen negativen Assoziationen besetzt ist.

Aus diesen und weiteren Gründen wird der Begriff „Ausländer“ in der aktuellen Migrationsliteratur und nach meiner Auffassung als unzulänglich betrachtet. Folglich werde ich in der vorliegenden Arbeit den Begriff „Ausländer“ nur dann verwenden, wenn es sich um Fachbegriffe oder alle Personen mit nicht-deutschem Pass handelt. Welche Begriffe mir im Migrationszusammenhang adäquater erscheinen, wird im nächsten Kapitel verdeutlicht.

3.3. Migration, Zuwanderung und Einwanderung

„Wieso bist du noch hier?“

„Wo sollte ich sonst sein?“

„Zu Hause!“

„Willst Du damit sagen, dass ich hier nicht mehr zu Hause bin?“

Milan Kundera: Die Unwissenheit

3.3.1. Migration

Migration Stammt von dem lateinischen Wort „migrare bzw. migratio“, was so viel bedeutet wie wandern, wegziehen bzw. Wanderung[12].

Anette Treibel legt einen weit gefassten Migrationsbegriff zu Grunde:

Migration ist der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region von einzelnen oder mehreren Menschen.“[13]

Dauerhaftigkeit heißt dabei, dass ein mehr oder weniger kurzfristiger Aufenthalt wie etwa zu touristischen Zwecken ausgeschlossen ist und von einer permanenten Wanderung auszugehen ist[14]. Die Begrifflichkeit des „dauerhaft werdenden Wechsels“ ist ein gelungener Terminus, der beispielsweise auch rückblickend die Geschichte der sogenannten „Gastarbeiter“ berücksichtigt, deren Bleibeabsicht anfangs nicht intendiert war, und auch Asylsuchende, deren Aufenthalt eventuell noch zu einem von Dauer werden wird[15], mit einschließt.

Blahusch führt in seiner Definition zwar auch den vorübergehenden Wechsel des Wohnortes mit auf, zieht eine Abgrenzung jedoch dahin gehend, dass mit „dem Wechsel des Territoriums (...) auch ein Wechsel der sozialen Zugehörigkeit - zumindest zur Wohnbevölkerung - verbunden (ist).“[16]

Eine weitere Unterscheidung in der Typologie des Migrations-Begriffes wird häufig auch unter räumlichen Aspekten vollzogen. Hierbei unterscheidet man zwischen[17] :

- Binnenwanderung oder interner Wanderung und
- internationaler oder externer Wanderung[18].

Im Hinblick auf die Zielgruppe der Zugewanderten im neuen Zuwanderungsgesetz möchte ich an die oben angeführte Definition eine Ergänzung mit Hilfe von Blahuschs Verständnis von Migration anführen. Blahusch versteht unter Migration „eine Bewegung [... ] im geographischen Raum über nationale Grenzen hinweg („transnationale“ Wanderung)“[19]. Demnach ist Migration für die vorliegende Arbeit also zu verstehen als: der auf Dauer angelegte bzw. dauerhaft werdende Wechsel in eine andere Gesellschaft bzw. in eine andere Region über nationale Grenzen hinweg von einzelnen oder mehreren Menschen.

Migration und Wanderung werdend gleichwertig verwendet[20].

3.3.2. Migrationsursachen und -verläufe

„Wer seinen Ort verändert, verändert sein Schicksal.“

Talmud

Die Ursachen und Auslöser für Migrationen sind so heterogen, dass sie hier nicht eingehend erläutert werden können. Als weiterführende Literatur möchte ich auf ein Modell der „push“- und „pull“- Faktoren verweisen, welches sowohl die Gründe zum Verlassen eines Landes anführt, wie auch die Anreize, in ein neues Landes zu migrieren, mit einschließt[21]. Es lässt sich insgesamt festhalten, dass Millionen Menschen jedes Jahr weltweit aus den unterschiedlichsten Motiven mit den unterschiedlichsten Verläufen migrieren: als Flucht vor Naturkatastrophen und Kriegen oder in Aufnahme eines neuen Arbeitsplatzes, im Zuge des Familiennachzugs, um bei ihren Vertrautesten zu sein, alleine oder in Gruppen, erste Klasse im Flugzeug oder auf Schleuserbooten, einige aus Ländern mit hoher Mobilität, andere aus Ländern, in denen Migration einer völligen Entwurzelung gleichkommt. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Dadurch wird deutlich, wie unterschiedlich Zugewanderte betreffs ihrer Migrationsmotive, ihrer Träume und ihres Herkunftshintergrundes sind. Lediglich gemein ist diesen Personen, dass sie es schaffen, ihre vertrauten Netzwerke mit Menschen und Orten abzubrechen und sich in eine komplett neue Umgebung zu versetzen. Ich möchte explizit darauf hinweisen, dass Migrationen Prozesse über lange Zeiträume hinweg sind, die mit der rein physischen Bewegung lediglich beginnen, und die viele inner-psychischen Anforderungen auf den verschiedensten Ebenen nach sich ziehen. Es ist eine Herausforderung besonderer Art, die nicht zu unterschätzen ist, wenn man sich selbst in ein neues Land, eine neue Kultur, eine neue Umgebung mit anderem Werte- und Normensystem, mit anderen Umgangs- und Verhaltensweisen sowie gegebenenfalls einer anderen Sprache begibt und sich selbst und seine Identität dadurch neu definieren muss.

Wenn Menschen äußerlich in Bewegung geraten, so verändert sich häufig auch ihr Selbstverständnis. Man denke nur an die erstaunliche Transformation von Selbstbild und Identitätsgefühl, die die Folge einer simplen Wohnsitzveränderung sein kann.“[22]

Migrationsverläufe spielen sich dabei extrem unterschiedlich und subjektiv ab. Da sich der Inhalt dieser Arbeit nicht auf den gesamten Verlauf, sondern lediglich die Eingliederung in das Leben in Deutschland bezieht und Integration in einem eigenen Kapitel behandelt werden wird, möchte ich diesen Punkt nur randständig erwähnen. Trotzdem möchte ich betonen, dass bereits vor dem oft abstrakt abgehandelten Punkt der Integration bereits zahlreiche Prozesse durchlaufen werden und Migration ein Prozess ist, der vielfältige Anforderungen verlangt.

Der Psychologe Sluzki[23] untersuchte Eingliederungsprozesse von mehreren Tausend Migranten und hat diese in einem abstrakten Modell zusammengefasst:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Verlaufsmuster der Migration (Quelle: Sluzki, in: Hegemann/Salman 2001: 101)

Die Verlaufsmuster der Migrationen seien unabhängig vom Migrationsmotiv und deshalb für alle Zuwanderergruppen gleich verwertbar. Individuell können die Phasen allerdings sehr unterschiedlich ablaufen und die Dauer sowie die Höhe des Amplitudenausschlages sind individuell verschieden. Sluzki gliedert den Migrationsverlauf auf in:

- eine Vorbereitungsphase : einzelne Schritte, um sich mit einer Auswanderung zu beschäftigen; (zeitlicher) Ablauf variiert je nach Umständen und Ursachen;
- den eigentlichen Migrationsakt: variiert von sehr kurzem bis zu sehr langem Zeitraum; Ablauf und Stil unterscheiden sich ebenfalls individuell (z. B. spontan/geplant, etc.);
- eine Phase der Überkompensierung: in erster Phase häufig noch kein Bewusstsein über Schwierigkeit der Prozesse; häufig Höchstmaß an Anpassung; eigene Wahrnehmung und Annahmen werden von Personen zunehmend in Frage gestellt; unterschiedliche Bewältigungsstrategien von Diskrepanzen zwischen Erwartungen und Realität; oberstes Bedürfnis: Erfüllung der Basisbedürfnisse;
- eine Phase der Dekompensation: Ambivalenz zwischen Anpassung und Erhaltung eigener Gewohnheiten verbunden mit Konflikten und Problemen; Regeln werden überprüft; teilweise Idealisierung oder Verleumdung von Herkunfts- oder Aufnahmeland; innerfamiliäre Konflikte;
- die Phase der generationsübergreifenden Anpassungsprozesse : Versuch, interkulturelle und interfamiliäre Spannungen erfolgreich zu bewältigen.

Integration beginnt also nach diesem Modell mit der Realisierung des Migrationsaktes. Aus Sicht der Sozialen Arbeit[24] gilt es dabei, die Migranten in diesen Phasen erfolgreich bei den jeweiligen Bewältigungsstrategien zu unterstützen und Netzwerke zur Verfügung zu stellen. Die hierbei besonders wichtigen Interventionspunkte sind in der Abbildung hervorgehoben.

3.3.3. Die Begriffe Zuwanderung und Einwanderung

Die Begrifflichkeiten der Zuwanderung - als zeitlich begrenztem Zuzug[25] - und Einwanderung - einem auf Dauer angelegten Zuzug[26] -, lassen im Vergleich zur Terminologie der Migration Abwanderungs- und Auswanderungsbewegungen außen vor und betrachten nur die jeweiligen Einwanderungen, in diesem Fall in die Bundesrepublik Deutschland. Blahusch führt dem Begriff der Einwanderung noch die „Zustimmung beider Staaten“[27] hinzu, also eine geplante und überlegte Maßnahme[28]. Der Begriff der Zuwanderung wird jedoch, gegensätzlich der hier angeführten Definition, sowohl im Alltagsgebrauch als auch in seiner politischen Verwendung für Einwanderungsakte benutzt, die auch von längerer Dauer sind. Der Begriff Zuwanderung hat sich im Migrationsbereich etabliert.

In der vorliegenden Arbeit verwende ich hauptsächlich den Begriff „Zugewanderte“, Gleichbedeutend sollen auch die Begriffe „Eingewanderte“ und „Migrant“ gehandhabt werden. Diese beinhalten nach meinem Verständnis Einwanderungsbewegungen in die Bundesrepublik Deutschland und schließen die drei Hauptgruppen deutscher Zuwanderung, die der Arbeitsmigranten, die der Aussiedler/Spätaussiedler und die der Flüchtlinge, mit ein.

In Anlehnung an den oben verwendeten Migrationsbegriff zähle ich also auch die Flüchtlinge hinzu, die (noch nicht) asylberechtigt sind, da für einige von ihnen eventuell der Aufenthalt zu einem auf Dauer werden kann. Dabei konzentriere ich mich aber auf jene, für die eine Bleibeberechtigung in Aussicht ist.

Damit werden die oben genannten Begriffe der Zielgruppe der Integrationskurse nach dem neuen Zuwanderungsgesetz gerecht, die über Migrationshintergründe verfügen, meist neu nach Deutschland eingewandert sind und ihr Aufenthalt mit einer Bleibeaussicht verbunden sein muss. Im Gegensatz zum Begriff „Ausländer“ können somit auch Spätaussiedler zur Zielgruppe gerechnet werden.

4. Integration

„Integration heißt einfach für mich ein friedliches Zusammenleben von verschiedenen Menschen aus verschiedenen Kulturen. Ein friedliches Zusammenleben, ein gemeinsames Zusammenleben.“[29]

4.1. Einleitung

Der Begriff der „Integration“, hierbei bezogen auf den Bereich der Migration und Migrationspolitik, ist in den vergangenen Jahren vermehrt in den Blickwinkel der Öffentlichkeit geraten. Besonders seit Zuwanderung und Migration ab Ende der 90er Jahre vermehrt in Politik und Gesellschaft diskutiert wurden[30], erhielt die Integration der Zugewanderten einen neuen Stellenwert und wird im neuen Zuwanderungsgesetz zum ersten Mal eine rechtliche Legitimation erfahren. Diese aktuelle Brisanz ist darauf zurückzuführen, dass es durchsetzungsfähigen Personen gelungen ist, auf Grund ihrer jeweiligen Interessen die von ihnen wahrgenommenen Desintegrationserscheinungen von Minderheiten in unserer Bevölkerung erfolgreich zu problematisieren, einen öffentlichen Handlungsbedarf zu formulieren und diesen dem staatlichen Verantwortungsbereich zuzuschreiben und ihn somit auf die (politische) Tagesordnung zu bringen[31]. Dabei bestehen Desintegrationserscheinungen nicht erst, seit „das Kind einen Namen hat“. Zudem sind mit einer rein abstrakten Begriffsdefinition von Integration bestehende ungleiche Zustände unserer Gesellschaft natürlich nicht gelöst. Jedoch trifft die Begrifflichkeit meines Erachtens zum einen am ehesten die gemeinten Umstände und zum anderen bestimmt Sprache stark die Konstruktionen unserer Weltsicht und Einstellungen.

Im politischen Sprachgebrauch oft als populistische Waffe, im Alltagsgebrauch oft unbestimmt, diffus und unreflektiert verwendet, liegen dem Integrationsbegriff konträre Bewertungen und unterschiedliche Konnotationen zu Grunde. Aus den genannten Gründen soll im Folgenden nun geklärt werden, was Integration meiner Ansicht nach bedeutet und was der Begriff für die vorliegende Arbeit beinhalten soll. Dabei habe ich bewusst auf eine vollständige Darstellung wissenschaftlicher Definitionen und einer geänderten Verwendung des Begriffs im Wandel der Zeit verzichtet und nur die für die Arbeit zentralen Aussagen sondiert und durch eigene Ansichten ergänzt.

4.2. Definition

Der Begriff „Integration“ stammt von dem lateinischen Wort „integratio“ und bedeutet in seiner ursprünglichen Form: „Wiederherstellung oder Einfügung zu einem größeren Ganzen“[32]. Der Begriff bezieht sich sowohl auf das Zusammenfügen an sich, als auch auf den Zustand, der daraus resultiert. Die ursprüngliche Bedeutung von integrieren heißt also, dass verschiedene Teile zu einem Ganzen zusammengefügt erst das Ganze ausmachen.

Die meisten Definitionen bezogen auf den aktuellen Migrations- und Integrationsdiskurs weisen große Ähnlichkeit auf. Integration könnte demnach bezeichnet werden als:

„ein [ mehrdimensionaler ] gesamtgesellschaftlicher Prozess, der jeden Einzelnen, wenn auch in unterschiedlichem Maße, betrifft“ [und dessen Ziel es sein muss, ] „Migranten und Migrantinnen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.“[33]

Somit werden also vor allem folgende Hauptaspekte betont:

1. Gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit

Als Ziel des Integrationsprozesses wird gleichrangige Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und gleichberechtigter Zugang zu gesellschaftlichen Positionen angestrebt. Somit sollte sich bei gelungener Integration eine Angleichung der Lebenslagen von einheimischen Deutschen und Zugewanderten vollziehen[34]. Im Grundgesetz der Bundesrepublik sind unveräußerliche Grundlagen unserer Gesellschaft wie Schutz der Menschenwürde[35] und Gleichwertigkeit und -behandlung aller Menschen[36] vorgegeben. Diese sind Ausgangspunkt für ein gleichberechtigtes Zusammenleben verschiedener Menschen unserer Gesellschaft.

Deshalb muss eine gleichwertige Teilhabe aller am Integrationsprozess Beteiligten besonders in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt, in ihrem Lebensumfeld und der politischen Partizipation ermöglicht werden. Somit kann Integration als „Prüfstein“ einer funktionierenden demokratischen Verfassung betrachtet werden[37], für die Partizipation und Chancengleichheit wichtige Merkmale darstellen. Da sich in Deutschland Alltagsdiskriminierungen und Ungleichheiten zwischen Zugewanderten und den schon zuvor hier Lebenden besonders bezogen auf Arbeits- und Bildungsmarktpositionen erkennen lassen[38], ist es besonders wichtig, auf gleichberechtigte Teilhabe Aller in allen Bereichen hinzuwirken, um Integration erfolgreich zu gestalten und ein friedliches Zusammenleben zu fördern. Denn „[...] letztlich ist eine Gruppe nur integriert, wenn zu ihr ebenso Ärzte, Rechtsanwälte, Journalisten, Richter, Lehrer und politische Entscheidungsträger gehören, also Personen, die an einer Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse teilhaben.“[39]

Da alle Menschen gleich sind, haben sie deshalb auch die gleichen Rechte. Ebenso sind aber alle Menschen verschieden und haben das Recht, unterschiedlich zu sein, was von allen akzeptiert werden muss[40]. Dass Integration also ein Prozess ist, der nur bei gegenseitigem Respekt und Anerkennung gelingen kann, soll auch der nächste Aspekt beleuchten.

2. Eine Aufgabe, die alle betrifft

Ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben kann nur gelingen, wenn Integration als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe angesehen wird, für die alle Mitglieder einer Gesellschaft Verantwortung tragen. In einer Gesellschaft ist jeder Einzelne mit dem anderen verbunden und trägt somit auch unbewusst und ungewollt zur Gestaltung des Integrationsprozesses bei. Für das Gelingen des Integrationsprozesses bedarf es also sowohl der Integrationsbereitschaft der Hinzukommenden als auch der der Aufnahmegesellschaft!

Von den Zugewanderten wird beispielsweise erwartet, ein Mindestmaß an Bereitschaft zur kulturellen Integration[41], wie das Erlernen der deutschen Sprache, oder die Respektierung der deutschen Grundrechte und Gesetze, aufzubringen. „Auf die Migranten bezogen denke ich ist für die Integration wichtig, dass man die Sprache lernt, dass man die hiesige Kultur kennen lernt, man muss sie nicht übernehmen, man muss sie kennen lernen. [...] Ich finde es sehr wichtig dass man natürlich die gesetzlichen Rahmenbedingungen akzeptiert [...], dass man hier sich auf den Vorgaben des Grundgesetzes natürlich bewegt [...und] dass man sich engagiert in dem Stadtteil, in dem man lebt.“[42] Leider wurde vor allem in der Vergangenheit und zu Teilen heute noch Integration als eine einseitige Anpassungsleistung der Migranten verstanden und „Integration als große Leistung und Anstrengung der Zuwanderer [...] zu wenig wahrgenommen“[43].

Aber Integration ist ein wechselseitiger Prozess, in den alle mit eingebunden sind. Deshalb ist es Aufgabe der Politik , Zugewanderten eine „gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben zu ermöglichen“[44] und Ausgrenzungstendenzen zu unterbinden. Erst wenn strukturelle Voraussetzungen für eine Integration geschaffen werden, können sich Zugewanderte integrieren.

Aber nicht nur die staatlichen Strukturen, sondern auch die aufnehmende Gesellschaft , also jeder Einzelne, muss Integrationsleistungen im Sinne von aktiver Auseinandersetzung mit seinem Gegenüber, im Sinne der Akzeptanz unterschiedlicher Lebensentwürfe und Herkünfte sowie einer Bereitschaft zur Teilung von Gütern und Rechten erbringen. „Aus meiner Sicht ist die Integration nicht von einer Seite zu sehen, sondern von beiden, also von der einheimischen Bevölkerung sowie von denen, die neu hinzukommen.“[45] „Von der Aufnahmegesellschaft erwarte ich, dass sie sich auch dafür interessiert was sind das für Menschen, die hier her gekommen sind, dass sie Hilfestellungen anbieten [...], dass man nicht von vorn herein die Dinge ablehnt oder die Dinge ganz toll findet...sondern sich damit befasst und sich damit auseinandersetzt in einer Begegnung.“[46] Viele Zugewanderte, die formal alle Kriterien für Integration erfüllen, fühlen sich dennoch nicht integriert. Dies lässt vermuten, dass sie sich von dem gesellschaftlichen Klima hierzulande nicht angenommen und akzeptiert fühlen[47]. Erst wenn eine offene Haltung und Engagement der Mehrheitsgesellschaft besteht und diese auch ihre Angst verliert, privilegierte Rechte zu verlieren, ist die Voraussetzung für eine Integration der Zugewanderten geschaffen. Erst dann kann Integration als Bereicherung unserer Gesamtgesellschaft auch realisiert und nicht nur debattiert werden.

3. Integration als Prozess

Integration ist nicht eine einmalige Aktion oder Leistung, sondern ein langfristiger Prozess, der nicht an einem Punkt irgendwann abgeschlossen ist, sondern immer wieder neu gefördert werden muss[48]. Auf ihn wirken nicht nur unterschiedlichste Faktoren und Dimensionen, sondern er wird von den unterschiedlichsten Personen immer wieder neu aktiv gestaltet und läuft je nach Einflussfaktoren unterschiedlich. Dabei spielen sowohl die momentanen als auch die zukünftigen Partizipationsmöglichkeiten eine Rolle.

Dieser Aspekt ist daher wichtig, da auch die langfristigen Auswirkungen von Integrationsbemühungen, Forderungen und Förderungen betrachtet werden müssen. Im Bericht der Unabhängigen Kommission Zuwanderung[49] ist dazu zu finden: „Integration ist ein langfristig angelegter Prozess, der anstrengend aber lohnend ist. Wir werden in Zukunft noch viel stärker als bisher darauf angewiesen sein, gemeinsam mit Menschen anderer Herkunft neue Problemlösungen, Denk- und Arbeitsweisen zu entwickeln.“[50] Da der Integrationsbegriff in der Öffentlichkeit zunehmend als problematisierend erfahren wird, gibt es eine neue Tendenz dahin gehend, den Begriff zu umgehen und beispielsweise von „Anerkennung und Gleichheit aller, ungeachtet der Herkunft“[51] zu sprechen. Schramkowski, welche eine qualitative Befragung von Expert(inn)en mit Migrationshintergrund zum subjektiven Integrationsverständnis durchführte, betont, dass mit dem Begriff aber auch negative Assoziationen von Seiten der befragten Expert(inn)en einhergehen und ständige Integrationsdebatten eher zu einer Verstärkung ethnischer Differenzen beitragen. „...Integration [hat] wahrscheinlich erst dann wirklich statt gefunden [...],wenn der Begriff nicht mehr debattiert wird.“ Ich stimme zu, dass es als erstrebenswertester Zustand angesehen werden kann, wenn der Begriff der Integration eines Tages vollständig aus dem Wortschatz gestrichen werden kann und er nicht mehr zu einer Verfestigung von Differenzierungstendenzen beiträgt, sondern überflüssig geworden ist.

Um eines Tages an den Punkt zu gelangen, dass Integration als etwas Selbstverständliches und nicht mehr problematisiert wird, müssen solche Debatten aber erst einmal geführt werden. Meines Erachtens ist es als positiv zu werten, dass durch die häufige Thematisierung und vielerlei Diskussionen die Chancen erhöht werden, langfristig und nachhaltig Zustände in der Gesellschaft zu verändern und zu verbessern und dadurch zu mehr Akzeptanz und Respekt in unserer Gesellschaft beizutragen. Auch eine reine Begriffsänderung würde nicht zu einer Lösung ungleicher Verhältnisse beitragen. Deshalb halte ich eine aktuelle Thematisierung für notwendig, und verwende im Rahmen der vorliegenden Arbeit den Begriff der „Integration“.

Je nachdem, wie Eingliederungsprozesse in der Gesellschaft verlaufen, kann es zu unterschiedlichen Eingliederungsformen kommen[52] :

Im Idealfall der Integration sollen Einwanderer, wie wir gesehen haben, wie jeder Angehörige der Mehrheitsgesellschaft gleich behandelt werden und „einerseits ihre kulturelle Integrität aufrecht erhalten und dennoch zu einem integrativen Teil der Mehrheitsgesellschaft werden“[53].

Assimilation dagegen meint nach Han die vollständige Angleichung der Zugewanderten an die Aufnahmegesellschaft durch Aufgabe der eigenen kulturellen Identität und somit ein sich Auflösen der Minderheit in der Mehrheitsgesellschaft. Überwiegend wird aber angenommen, dass diese völlige Angleichung weder erstrebenswert ist noch in Realität so statt findet. Segregation meint soziale und territoriale Isolation der Zugewanderten bei Beibehaltung der eigenen kulturellen Identität, wenn „keine substantielle Beziehung zwischen Einwanderungsminderheiten und der Mehrheitsgesellschaft“[54] entsteht.

Mariginalität bedeutet im Zuge des Eingliederungsprozesses sowohl den Anschluss an die eigene ethnische Gruppe verloren, als auch eine Zugehörigkeit zum Aufnahmeland nicht erreicht zu haben. Dieser doppelte Ausschluss führt häufig zu Orientierungs- und Identitätsproblemen.[55]

4.3. Dimensionen der Integration

Welche Teilaspekte sich auf den Integrationsprozess auswirken, soll im Folgenden erläutert werden. Ein nach dem Europäischen Forum für Migrationstudien (efms) in Bamberg entwickeltes Modell[56] unterscheidet vier Hauptdimensionen, in denen sich die gesellschaftliche Integration der Zugewanderten vollzieht. Diese „Dimensionen der Integration“ beeinflussen sich zwar gegenseitig und sind unabdingbar miteinander verwoben, laufen aber nicht unbedingt gleichzeitig ab.

1. Kulturelle Integration

Diese bezeichnet die Entwicklung neuer kultureller Muster seitens der Zugewanderten, die das Erlernen neuer kognitiver Fähigkeiten sowie verhaltens- und einstellungsbezogener Veränderungen mit sich bringt. Als Grundlage zur gemeinsamen Verständigung wird das Erlernen der deutschen Sprache genannt. Laut Strassburger sei in Deutschland ein „hoher Grad kultureller Integration“ zu verzeichnen[57]. Der an anderen Stellen auch als „Akkulturation“ bezeichnete Prozess setzt zwar auch kulturelle Anpassungen und Veränderungen der aufnehmenden Gesellschaft voraus, wird jedoch in erster Linie als Lern- und Sozialisationsprozess von Seiten der Zugewanderten gesehen. Akkulturation beschreibt dabei vor allem die erste Phase des Integrationsprozesses, in dem neu Zugewanderte auf Grund eines Lebensortwechsels eine externe, situative Verhaltensadaption als Basiskompetenz vorweisen müssen, um interaktions- und arbeitsfähig zu werden. Auch Hamburger[58] sieht ein Mindestmaß an Übernahme kultureller Muster von Seiten der Zugewanderten, vor allem durch Erlernen der deutschen Sprache, als notwendig und als Voraussetzung zur Erreichung struktureller Integration[59]. Er bezeichnet die Kompetenz, die dabei anzuwenden ist, als „Funktionale Assimilierung“. Allerdings wird häufig übersehen, wie groß die Leistung der Zugewanderten ist: Je nach Vorgeschichte und Migrationsursachen haben die Personen schon viele Anstrengungen überwunden und müssen sich nun in einem komplett neuen Werte- und Normensystem orientieren und ihre Identität neu definieren. In dieser Phase sind individuelle Hilfsmaßnahmen von besonderer Bedeutung und können sich positiv auf den weiteren Verlauf des Eingliederungsprozesses auswirken.

Kulturelle Integration darf weder die oft von politischer Seite betitelte „Assimilation“ anstreben, also die (illusionäre) völlige Anpassung oder Angleichung der Zugewanderten an die deutsche Kultur, noch auf reinen Spracherwerb reduziert werden. Vielmehr sollte es eher um ein Bemühen seitens der Zugewanderten gehen, neue kulturelle Muster in die eigene Kultur zu integrieren und als Signal des Interesses und als Voraussetzung für ein selbstständiges Leben die deutsche Sprache zu erlernen.

Hierbei sei randständig auf die Notwendigkeit einer sensiblen Verwendung des “Kultur”-Begriffes hingewiesen, da das Festhalten an kulturellen Unterschieden und einer kulturellen Identität oft auch Trennungslinien aufwerfen kann. Zudem ist es schwierig, in einer zunehmend pluralisierten Gesellschaft die typisch deutsche Kultur zu konstatieren. Nach dem Grundgesetz darf außerdem die kulturelle Identität deutscher Staatsbürger nicht vom Staat normiert werden. „Es bleibt den Bürgern Deutschlands überlassen, ob sie deutsche oder englische Romane, den Koran oder die Bibel lesen, ob sie Bach oder Louis Armstrong hören, ob sie in ihrer Freizeit in Museen gehen oder Sport treiben und ihren Urlaub in Deutschland oder im Ausland verbringen“[60].

Da die Integrationskurse im neuen Zuwanderungsgesetz, die das Erlernen der deutschen Sprache sowie die Eingliederung in das „wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche“[61] Leben in Deutschland erleichtern sollen, besonders auf kulturelle Integration ausgerichtet sind, wurde diese Dimension hier eingehender erläutert. Die geplanten Integrationskurse sollen in der anfänglichen Akkulturationsphase stattfinden und somit vor allem einen Beitrag zur kulturellen Integration darstellen.

2. Strukturelle Integration

Diese bezieht sich auf die Eingliederung in die gesellschaftlichen Kerninstitutionen der Aufnahmegesellschaft und den Erwerb von Rechten.

Dazu gehört die Integration in:

- den Bereich Wirtschaft und Arbeit sowie Selbstständigkeit als Unternehmer (da wirtschaftliche Tätigkeit Einkommen, soziale Beziehungen, Sozialprestige und Selbstwertgefühl verschafft);
- Bildungs- und berufliche Qualifikationssysteme;
- den Wohnungsmarkt;
- die politische Gemeinschaft, vor allem durch Zugang zur Staatsangehörigkeit, und somit eine rechtliche Integration.

Strukturelle Integration drückt sich dadurch aus, ob und inwieweit Zugewanderte in der Struktur einer Gesellschaft positioniert und an „der Verteilung gesellschaftlich hoch bewerteter Güter und Ressourcen“[62] beteiligt werden. Strassburger wertet die strukturelle Integration von Zugewanderten in Deutschland trotz zahlreicher Ungleichheiten in diesem Bereich als weitaus gelungen, da besonders im Bildungsbereich Integrationserfolge zu erkennen seien und auch die rechtliche Integration weiter zunähme. Meiner Ansicht nach liegt die erfolgreiche Realisierung dieser Dimension stärker als die der anderen drei in den Händen der Politik, da letztere die Strukturen bereitstellen und umsetzen muss. Ebenso ist die Gesellschaft in dieser Dimension besonders angesprochen, da die gesellschaftliche Haltung und Anerkennung gegenüber „Fremden“ als zentral für das Gelingen struktureller Integration angesehen wird.

3. Soziale Integration

Diese Dimension beinhaltet die sozialen Kontakte und Mitgliedschaften in privaten Sphären der Aufnahmegesellschaft, besonders bezogen auf soziale Gruppierungen, Freundschaften, Partnerwahl und Teilhabe an Gruppen- und Vereinsmitgliedschaften.

Die Aufnahmegesellschaft kann durch Offenheit und Bereitschaft solcher Kontakte sowie Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung ihren Beitrag zur sozialen Integration leisten.

Auch die soziale Integration könne laut Strassburger als weitestgehend gelungen bezeichnet werden[63], obwohl bei anderen Autoren gegensätzliche Aussagen zu finden sind.

4. Identifikatorische Integration

Diese bedeutet das Gefühl der Zugehörigkeit zur Aufnahmegesellschaft. Dabei scheint die Identifikation mit Deutschland als Land, also eine ethnisch-nationale Identifikation, geringer ausgeprägt zu sein als Zugehörigkeitsgefühle zu regionalen und /oder lokalen Strukturen. Außerdem scheint sich die identifikatorische Integration im Gegensatz zu den anderen drei Dimensionen langsamer zu entwickeln und braucht viel Zeit im Laufe des Integrationsprozesses. Da sich Zugehörigkeitsgefühle nicht erzwingen lassen, scheint es eindeutig, dass ein deutliches Identifizierungsangebot von Seiten der Aufnahmegesellschaft gemacht werden muss, damit sich die Eingewanderten willkommen heißen, sich für neue Mitgliedschaftsgefühle zu öffnen.

Laut Hamburger[64] sind im Gegensatz zu den steckengebliebenen sozialen und identifikatorischen Eingliederungsprozessen die kulturelle und strukturelle Integration in Deutschland zwar weit fortgeschritten. Genau dies führt seiner Meinung nach aber gerade bei jungen Migranten zu dem Problem, dass sie kulturelle „deutsche“ Werte verinnerlicht hätten und deshalb ebenso strukturelle Erwartungen haben, die sie jedoch auf Grund niedrigerer Berufspositionen und Einkommen nicht realisieren könnten.

Es stellt sich nun die Frage, inwieweit ein Deutscher in jeder Dimension auf allen Ebenen eingebunden ist und wie viele desintegrierte Deutsche es dementsprechend geben müsste. Bei der Anforderung einer Einbindung in allen Dimensionen würde durch geänderte Verhältnisse wie Arbeitslosigkeit oder Berufsunfähigkeit oder durch gegebene Faktoren wie Sprachbehinderungen eine Integration auf allen Ebenen ins Wanken geraten oder niemals erreicht werden. Deshalb ist festzuhalten, dass ich das erläuterte Dimensionenmodell für anschaulich und absolut verwertbar für die vorliegende Arbeit halte, es jedoch nur eine theoretische Erklärung dafür leisten kann, in welchen Dimensionen Integration im Idealfall ablaufen könnte. Dabei wird es als erstrebenswert angesehen, prinzipiell Integration in allen Dimensionen und auf allen Ebenen zu ermöglichen. Jedoch bedeutet der Wegfall eines Kriteriums oder die bewusste Entscheidung einer Person, nicht an einer Ebene teilhaben zu wollen, bei weitem nicht, dass eine Person nicht integriert sei. So warnt Schramkowsi[65] zu Recht davor, Integration an objektiven, pauschalen Bewertungskriterien festzumachen. Vielmehr geht es darum, individuell jede Person als Individuum zu betrachten und jeden Menschen mit seinem persönlichen Hintergrund subjektiv wahrzunehmen. „Die Integration muss wahrscheinlich für jeden Einzelnen definiert werden“[66].

Den Zugewanderten gibt es ebenso wenig, wie es den Deutschen gibt. Jeder Mensch hat einen anderen Hintergrund, andere Bedürfnisse und andere Lebenslagen. Deshalb muss meiner Meinung nach bei Integrationsprozessen davon ausgegangen werden, dass jeder Prozess andersartig verläuft und jeweils unterschiedliche Integrationsdimensionen im Vordergrund stehen. Wenn erforderlich und gewünscht, muss daher eine individuell unterschiedliche Prozessbegleitung gewährt werden. Mit „gewünscht“ möchte ich verdeutlichen, dass es subjektiv vom Einzelfall abhängig ist, ob und inwieweit jemand Hilfestellungen beim Eingliederungsprozess benötigt. Dabei ist von einem pauschal defizitären Integrationsverständnis zu warnen, da dieses immer noch zu stark „den Ausländer“ als hilfsbedürftigen Bürger in den Mittelpunkt stellt. Es gibt zu denken, dass immer von „Integrationsproblemen“ der Zugewanderten gesprochen wird und kaum einer der schon zuvor hier Lebenden Neid auf Zugewanderte zeigt, weil sie erweiterte Kompetenzen, z. B. sprachlicher oder interkultureller Art, besitzen.

Über die vier Dimensionen hinaus möchte ich nun noch einige speziellere Faktoren anführen, die positiv auf den Integrationsprozess einwirken können. In der Studie des Antirassistischen Informationszentrums ARIC in Berlin[67], die 204 Berliner ausländischer Herkunft zu ihrem persönlichen, im wesentlich als gelungen bezeichneten Integrationsprozess befragten, werden folgende Faktoren genannt:

- Gute Deutschkenntnisse
- Offenheit und gegenseitige Akzeptanz, beidseitiger Wille zur Integration
- Integration fördernde Gesetze und Projekte
- Kontakte mit der Mehrheitsbevölkerung (Arbeit, Nachbarschaft, Beruf)
- Erwerbstätigkeit und „normale“ Wohnverhältnisse
- Rechtliche Gleichbehandlung
- Medienberichterstattung
- Keine Passivität, sondern Eigeninitiative sowie persönliches Interesse für die Kultur des Landes

Abschließend möchte ich einige subjektive Aussagen der Studie wiedergeben:

„Integration - das kann man nicht beschreiben. Es ist, wie ein Mensch akzeptiert zu werden und nichts anderes.“ (Berliner, thailändischer Herkunft)

„Wenn es keine Rolle mehr spielt, woher und warum du gekommen bist, sondern nur zählt, wer du bist und was du kannst.“ (Berliner, Spätaussiedler aus Kasachstan)

„Integration ist ein wechselseitiger Austausch zwischen Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen. Es ist das Recht zu haben, ein genau so schlechter Mensch zu sein wie ein Deutscher ein schlechter Mensch sein kann und trotzdem nicht abgeschoben wird.“

(Berliner, kroatischer Herkunft)

Integration ist, sich hier zu Hause zu fühlen, und wenn man in seinem Heimatland ist, Sehnsucht nach zuhause, nach Deutschland zu haben.“ (Berlinerin, türkischer Herkunft )

4.4. Zusammenfassung

Um die zentralen Aussagen des Integrationsbegriffes für diese Arbeit wiederzugeben, lässt sich sagen, dass Integration ein lang andauernder Prozess ist, der darauf abzielt, gleichberechtigte Partizipation und Chancengleichheit für alle Bürger dieses Landes zu erreichen. Dies ist nur möglich, wenn alle ihren Beitrag leisten, und daher wird Integration nicht als einseitige Anpassungsleistung verstanden. Zuwanderer wirken an diesem Prozess beispielsweise durch Erlernen der deutschen Sprache oder kultureller Muster, was vermehrt in der Anfangsphase geschieht, mit. Die gesamte Gesellschaft und die Politik tragen ebenso Verantwortung und müssen notwendige Strukturen bereitstellen, um Integration zu ermöglichen. Integration kultureller, struktureller, sozialer und identifikatorischer Art ist dabei anzustreben. Auch können die zusätzlichen Faktoren der ARIC-Studie als fördernde Faktoren betrachtet werden. Jedoch ist davor zu warnen, pauschal und objektiv Kriterien anzuwenden. Vielmehr geht es darum, jede Person subjektiv mit ihrem persönlichen Hintergrund als Individuum wahrzunehmen.

5. Geschichte der Einwanderung in die Bundesrepublik Deutschland

5.1. Einleitung

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Es ist ein Einwanderungsland ganz „besonderer Art.“[68] Die einleitenden Worte des Berichtes der Unabhängigen Kommission Zuwanderung, deren Aufgabe es ab dem Herbst 2000 war, Empfehlungen für eine künftige Zuwanderungspolitik vorzulegen, waren wie folgt zu lesen: „Deutschland braucht Zuwanderinnen und Zuwanderer.“[69]

Diese Stellungnahme ist bezeichnend dafür, dass in Deutschland ein neues Zeitalter im Umgang mit Zuwanderung angebrochen ist. Auch wenn die Bundesrepublik kein klassisches Einwanderungsland ist, wie zum Beispiel die USA, Kanada oder Australien, für die Migration ein fester Bestandteil ihrer Nationenbildung ist und die somit ein positives Verhältnis hierzu haben, so ist sie doch eines der bedeutendsten Einwanderungsländer der Welt.[70] Rückblickend auf die ca. 50jährige Geschichte der Ausländerpolitik in der BRD ist festzuhalten, dass diese faktisch gesehen schon seit langer Zeit ein Einwanderungsland ist und Einwanderungspraktiken betrieben, Zuwanderung also nicht nur abgewehrt oder in Teilen geduldet, sondern zuweilen auch durchaus gefördert hat. Integration der Zugewanderten hat vor allem in kultureller, struktureller und sozialer Hinsicht durchaus statt gefunden. Klar ist, dass die Zuwanderungen in die BRD bei weitem die Abwanderungen überwogen[71]. Dies wurde inoffiziell akzeptiert, politisch und juristisch jedoch eindeutig dementiert. Die abwehrende, restriktive Haltung der deutschen Bundesregierung, eine offizielle symbolische Abschottungspolitik und ein Festhalten an ethno-nationalen[72] Traditionslinien drückte sich oft in geäußerten Formulierungen wie „das Boot ist voll“, „die Belastungsgrenze ist überschritten“ und „Deutschland ist kein Einwanderungsland“ aus. Dieses Ignorieren der Realität führte dazu, dass ein Gesamtkonzept für Migrations- und Integrationspolitik in der Vergangenheit fehlte und lediglich punktuell auf Situationen und Problemlagen reagiert und auf aktuelle Einwanderungsentwicklungen eingegangen wurde. Besonders bei der Arbeitsmarktpolitik für die Anwerbung von Gastarbeitern seit 1955[73] kam es zu einer Mehrzahl von nebeneinander stehenden Einzelentscheidungen bezüglich Zugangs- und Aufenthaltsregelungen.

[...]


[1] Definition siehe Kapitel 3.3.1.

[2] siehe Die Bibel, 2. Mose 12

[3] vgl. Blahusch 1999: 18

[4] vgl. Brucks, in: Hegemann/Salman 2001: 2

[5] Begrifflichkeiten siehe Kapitel 3.3.

[6] Stand: Juli 2003; vgl. BAFL 2003: 10

[7] vgl. BAFL 2003: 90

[8] vgl. Stefan Bender, in: Bade, Münz 2000: 60

[9] Definition siehe Kapitel 5.5.

[10] dies waren Ende 1997 nochmals rund 3,8 Millionen Menschen, vgl. Blahusch 1999: 112

[11] vgl. Hamburger 2002

[12] vgl. Han 2000: 7

[13] Treibel 1999: 21

[14] vgl. ebd.

[15] so zählt beispielsweise Blahusch in Anlehnung an den Buchtitel von Thränhardt auch Flüchtlinge zu „unerklärten“ Einwanderern, auch wenn ihr Aufenthalt eigentlich nur ein vorübergehender sein sollte. Denn auf Grund der langen Anerkennungsverfahren bzw. Gerichtsverfahren in der BRD sowie dem besonderen Rechtsstatus, den Flüchtlinge inne haben, die nicht abgeschoben werden dürfen, kann bei diesen ein kurzfristiger, vorübergehender Aufenthalt nicht mehr nahe gelegt werden; vgl. Blahusch 1999: 15

[16] ebd. S. 17

[17] Treibel 1999: 20

[18] und hierbei nochmals nach kontinentaler und interkontinentaler Wanderung

[19] Blahusch 1999: 17

[20] vgl. Treibel 1999: 18: „Migration oder Wanderung (ich verwende diese Begriffe synonym) [...]“

[21] zur weiterführenden Information: Lee: Eine Theorie der Wanderung, in: Regionale Mobilität 1966

[22] Berger 1977: 68

[23] vgl. Sluzki, in: Hegemann/Salman 2001: 101

[24] siehe Kapitel 12

[25] vgl. Mehrländer 2001: 24/ BMI 2001: 2

[26] ebd.

[27] Blahusch 1999: 15

[28] auch wenn dies bei den Flüchtlingen nicht wirklich zutrifft, möchte ich diese ebenso zu den Zuwanderern zählen

[29] Expertin Interview 1 Z 7-9

[30] siehe Kapitel 5.6.

[31] vgl. Sidler 1999

[32] Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 1997: 492

[33] BAGFW (Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände), in: Ökumenischer Vorbereitungsausschuss 2004: 54

[34] vgl. Strassburger 2001: 20

[35] vgl. Art. 1 GG

[36] vgl. Art. 3 GG

[37] vgl. Caritas 1999: 16

[38] Schramkowski, in: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik 2004: 300

[39] ebd. S. 299

[40] dies entspricht dem Konzept der „Vielfalt“ (diversity)

[41] siehe Kapitel 5.4.

[42] Expertin, Interview 1 Z 11 ff

[43] ARIC e. V. 2001: 3

[44] BMI 2003: 11

[45] Expertin, Interview 3 Z 4-6

[46] Expertin, Interview 1 Z 26 ff.

[47] vgl. ARIC e. V. 2001: 7

[48] vgl. hierzu auch Kapitel 3.3.2.

[49] Die Kommission wurde im Herbst 2000 von dem Bundesminister des Inneren gegründet. Den Vorsitz übernahm die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth. Mitglieder waren 21 Vertreter unterschiedlichster gesellschaftlicher Gruppen, vor allem aber Politiker, Wissenschaftler, Vertreter der Kirchen und Wirtschaftsverbände.

[50] BMI 2001

[51] Auernheimer 2003

[52] die folgenden Begriffe werden je nach Literatur unterschiedlich verwendet, hier in Anlehnung an Han 2000

[53] ebd. S. 201

[54] ebd.

[55] ebd. S. 222 f.

[56] vgl. Strassburger 2001: 20 ff.; auch zu finden bei Heckmann 1999

[57] ebd. S. 12

[58] Hamburger 2002: 25

[59] siehe nächster Abschnitt

[60] Oberndörfer, in: Bade 2001: 11

[61] § 43 Abs. 1 AufenthG

[62] Hoffmann-Nowotny 1992

[63] vgl. Strassburger 2001: 13

[64] vgl. Hamburger 2002: 26

[65] vgl. Schramkowski, in: Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik 2004: 298

[66] Expertin in: Schramkowski 2004: 302

[67] ARIC Berlin e. V. 2001: 3 f.

[68] Blahusch 1999: 9

[69] BMI 2001: 1

[70] Je nach Angaben bezogen auf Bevölkerungsgröße oder in absoluten Zahlen sind verschiedene Angaben zu finden. Jochen Welt bezeichnet Deutschland sogar neben den USA als bedeutendstes Einwanderungsland der Welt, vgl. Jochen Welt, in: Mehrländer/Schultze 2001: 24. Bei Blahusch ist zu finden: „Innerhalb Europas ist seit Jahrzehnten die Bundesrepublik das Land mit den höchsten Zuwanderungsraten.“; Blahusch 1999: 9

[71] von 1950-1993 sind ca. 32 Mio. Menschen zugewandert und ca. 19 Mio. abgewandert; vgl. Blahusch 1999: 26

[72] Besinnung auf die ethnische Einheitlichkeit der (hier) deutschen Gesellschaft sowie auf ein nationales Gesamtinteresse; vgl. Blahusch 1999: 56

[73] siehe Kapitel 5.3.

Ende der Leseprobe aus 136 Seiten

Details

Titel
Integration. Orientierungskurse als eine Methode der Unterstützung von Integrationsprozessen
Hochschule
Katholische Hochschule Freiburg, ehem. Katholische Fachhochschule Freiburg im Breisgau
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
136
Katalognummer
V86414
ISBN (eBook)
9783638003667
ISBN (Buch)
9783638913270
Dateigröße
956 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Strukturierte Arbeit. Themengebiete: Migration/ Integration, Begrifssklärungen, Geschichte der Einwanderung n die BRD, das neue Zuwanderungsgesetz, Pilotphase der Integrationskurse (Orientierungskurse)"
Schlagworte
Integration, Orientierungskurse, Methode, Unterstützung, Integrationsprozessen
Arbeit zitieren
Gabriele Kißling (Autor:in), 2005, Integration. Orientierungskurse als eine Methode der Unterstützung von Integrationsprozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/86414

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