Eintritt in den Ruhestand - Freudiges Ereignis oder Auslöser einer Krise?


Hausarbeit, 2005

19 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Altersdefinitionen
2.1. Biologisches Alter(n)
2.2. Kalendarisches/chronologisches Alter(n)
2.3. Bürokratisches/formales Alter(n)
2.4. Soziales/funktionales Alter(n)
2.5. Psychologisches Alter(n)

3. Alterstheorien
3.1. Defizitmodell
3.2. Disengagementtheorie
3.3. Aktivitätstheorie
3.4. Kontinuitätstheorie
3.5. Etikettierungsansatz (Alter als Stigma)
3.6. Stratifikations- und Kohortenansatz

4. Übergang in den Ruhestand
4.1. Erwerbstätigkeit
4.2. Rentenbestand in Deutschland
4.3. Der Alterungsprozess als Phasenmodell nach Robert Atchley
4.4. Rollenveränderungen (am Beispiel Mann)
4.5. Negative Auswirkungen des Ruhestandes
4.6. Zeitverwendung / Zeitstrukturierung im Ruhestand
4.7. Offene Altenhilfe

5. Schlussgedanken

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Der einzige Mensch, der sich vernünftig benimmt, ist mein Schneider. Er nimmt jedes Mal neu Maß, wenn er mich trifft, während alle anderen immer alte Maßstäbe anlegen in der Meinung, sie passten auch heute noch.“ (George Bernard Shaw, Hervorhebung durch den Autor)

Jederzeit neu Maß zu nehmen, ist anscheinend das Geheimnis und vielleicht der beste Rat, den man allen Menschen geben könnte, die kurz vor der Verrentung stehen. Neu Maß nehmen deshalb, weil sich das Leben mit dem Eintritt in den Ruhestand gezwungenermaßen ändert. Nichts wird mehr so sein wie vorher. Für uns Menschen ist die Berufsphase eine sehr wichtige Sozialisationsinstanz. Warum die Erwerbstätigkeit für den Menschen so wichtig ist und inwieweit sie Individuen sozialisiert, darauf möchte ich in dieser Arbeit noch näher eingehen.

Auch darauf, dass es einerseits Menschen gibt, die mit ihrer nun total neuen Situation im Ruhestand, ihrer neu gewonnenen Freizeit, gut zurechtkommen. Andererseits gibt es auch jene, welche die Ent-beruflichung nicht gut verkraften. Die positiven bzw. negativen Auswirkungen der Entberuflichung und die damit verbundenen sozialen Folgen möchte ich in dieser Arbeit näher thematisieren.

Ich möchte Alternativen aufzeigen und somit beweisen, dass ein sinnvolles Leben auch als Rentner möglich ist. Neben den verschiedenen Arten von Altersdefinitionen werde ich einige Alterstheorien vorstellen. Theorien sind Denkmodelle, die versuchen Phänomene zu beschreiben und zu erklären. Ich möchte untersuchen, inwieweit diese noch aktuell und zutreffend sind und ihre Erklärungskraft auf den Alterungsprozess hin überprüfen.

Fakt ist, dass es immer mehr alte Menschen geben wird. Deshalb wird es zunehmend wichtiger, sich mit den möglichen individuellen und soziologischen Auswirkungen des Alter(n)s auseinanderzusetzen, diese nicht zu verdrängen oder runter zu spielen, sondern sich Gedanken über sinnvolle Rollen-alternativen für ältere Menschen zu machen.

Ich möchte die positiven und negativen Folgen der Verrentung für den Einzelnen beschreiben. Ein Rentner erfährt zunächst einen Bruch in seiner Lebensbiographie, begleitet durch Statusänderung und Verlust der bisherigen beruflichen Rolle. Der Rentenbeginn konfrontiert einen plötzlich mit einer ganz anderen, neuen und ungewohnten Alltagssituation. Das Wochenende geht auf einmal nicht mehr von Freitagabend bis Sonntagabend, sondern die ganze Woche lang. Diese Umstellung kann in manchen Fällen recht schmerzhaft und schwierig sein, da das Loslassen und Verändern der bisherigen Lebens-situation einem nicht immer ganz leicht fällt.

Noch dazu kommt, dass Rentner gesellschaftlich stigmatisiert werden, d. h. mit Vorurteilen und Etikettierungen behaftet werden. Oft werden Rentner, auf Grund altersbedingter Defizite, belächelt - was die zahlreichen Rentnerwitze belegen. Rentner gelten allgemein als antriebslos, verwirrt, ver-gesslich, vereinsamt, isoliert und hilfsbedürftig. Auch beschreiben Stereotype Rentner als Menschen mit sehr viel Freizeit, mit der sie aber nichts anfangen können (außer auf Parkbänken zu sitzen). Auf-grund dieser Stereotype wird von Rentnern nach ihrem Berufsaustritt nichts anderes erwartet, als dass sie sich ausruhen und passiv ihr restliches Leben verbringen wollen.

Die Pensionierung muss aber nicht immer in einer Krise ausarten. Es gibt Menschen, die sich über ihre Rentnerrolle freuen und froh mit ihrer neuen Situation sind, weil sie nun nicht mehr diesem Druck des kräftezährenden Berufsleben ausgesetzt sind, oder weil sie nun endlich die Zeit haben, die sie vorher nicht hatten, um sich lang gehegte Wünsche erfüllen zu können. Es gilt die zusätzlich ver-fügbare Freizeit positiv zu nutzen. Damit man als Rentner nicht in ein Loch stürzt, muss man sich seinen Tag strukturieren, ihn mit Aktivität füllen, nur so erlangt man Lebenszufriedenheit und Lebens-qualität. Wie dies geschehen kann, möchte ich am Schluss dieser Arbeit gerne aufzeigen.

2. Altersdefinitionen

„Das Alter ist zwar von seinem Ende, dem Tod, nicht aber von seinen Anfängen her ein-deutig bestimmbar“ (Böhnisch, 1997, S. 252).

Menschen zwischen 60 und 75 Jahren werden als die jungen Alten, jene zwischen 75 und 90 Jahren als die alten Alten, die zwischen 80 und 100 Jahren als Hochbetagte und die Überhundertjährigen als Langlebige bezeichnet und benannt (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 45).

In der Umgangssprache hört man oft die Floskel, dass jemand ganz schön alt aussehe. Wann ist man denn überhaupt alt, welche Definitionsmöglichkeiten gibt es für den Begriff Alter? Dazu gibt es fol-gende Möglichkeiten:

2.1. Biologisches Alter(n)

Von Geburt an vollzieht sich mit dem Menschen ein Alterungsprozess, „der sich kontinuierlich bis zum Tode fortsetzt“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 46).

Es gibt einige Veränderungen wie Stimmbruch, Geschlechtsreife bzw. Wechseljahre, die den Eintritt in ein neues Lebensalter einleiten und signalisieren. Da die Geschlechtsreife immer früher einsetzt und die Wechseljahre immer später beginnen, geben Veränderungen des Körpers keine eindeutigen Hin-weise mehr auf das Altwerden und Altsein.

Nicht nur Alte, sondern auch Jüngere können Seh- oder Hörschwächen, graues Haar, schwindende Muskulatur und nachlassende sexuelle Aktivität aufzeigen. Deshalb sind solche körperlichen Funk-tionseinbußen keine sicheren Altersindikatoren (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 46).

2.2. Kalendarisches/chronologisches Alter(n)

Mit dem Wort „Alter“ ist umgangssprachlich gewöhnlich das kalendarische Lebensalter gemeint. Es ist „die seit der Geburt vergangene Zeit“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 48).

Der europäische Kalender, nach welchem wir in Europa unser kalendarisches Alter bestimmen, bein-haltet bekannterweise 365 Tage im Jahr. Außerhalb Europas gibt es aber auch Kulturen, deren Kalen-derjahr nur 355 Tage enthält. Andere Jahreszahlen gibt es beim jüdischen, aber auch beim chine-sischen Kalender. Deshalb kann man weltweit das kalendarische Alter nicht eindeutig bestimmen (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 46).

2.3. Bürokratisches/formales Alter(n)

Mit dem bürokratischen/formalen Alter wird z. B. die Religionsmündigkeit, die Wahlmündigkeit oder das Rentenalter festgelegt, ebenso werden die, dem kalendarischen Alter entsprechenden Rechte, Pflichten und Mündigkeiten, manifestiert.

Der Begriff Alter wird in Gesetzen, Verwaltungsvorschriften, Versicherungsverträgen und Gerichts-urteilen festgelegt. Das Alter ist, wie die Kindheit auch, ein soziales Konstrukt (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 46-48).

2.4. Soziales/funktionales Alter(n)

Das soziale/funktionale Alter ist eine soziale Deutung. Es bestimmt die altersgemäße Funktionalität, aber auch die Leistungsfähigkeit im gesellschaftlichen Arbeitsteilungssystem.

Das Alter(n) wird durch gesellschaftliche Einflüsse, durch soziale Werte, Normen und Regeln, geformt. All das hat Auswirkungen auf das soziale Alter bezüglich der Rollenkonformität, der Interaktions-fähigkeit, der Integration/Segregation, der sozialen Wertschätzung, der sozialen Kontrolle, etc. (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 47-48).

2.5. Psychologisches Alter(n)

Das psychologische Alter ist das Verhältnis des Individuums zu sich selbst, das kalendarische Alter kann anders sein, als das psychologische Alter; man kann sich z. B. viel jünger oder älter fühlen, als man tatsächlich ist. Somit „[stimmt] das individuelle Erleben des Alters nur in Ausnahmefällen mit dem kalendarischen Alter überein“ (Voges, 1990, S. 17).

Das allgemeine Befinden im Alter kann durch vermehrte Ängste, Depressionen, Trauerzustände und Verlustgefühle belastet sein. Hier verdichten sich oft kritische Ereignisse der Lebensgeschichte, die je-weilige soziale Situation und der körperliche Zustand zu einem Syndrom, welches das subjektive Ge-fühl vom Altsein beeinflusst (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 47-48). Deshalb mehren sich mit „dem Alter (...) für jeden spürbar die körperlichen und sozialen Verlusterfahrungen. Im Altern rückt das Ende unabweisbar näher“ (Doehlemann, 2003, S. 115). Man wird sich bewusst, dass man nur noch eine begrenzte Zeit zu leben hat, das kann einen entweder motivieren, d. h. man versucht so angenehm wie möglich zu leben, oder beunruhigen bzw. sogar ängstigen, was sich demotivierend auswirken würde.

„Die Erhaltung eines positiven Selbstbildes im Alter ist damit ein hohes, aber auch zer-brechliches Gut, das geschützt und gepflegt werden muss, besonders dann, wenn Kom-petenzeinbußen (...) es stark gefährden“ (Doehlemann, 2003, S. 89).

3. Alterstheorien

Alterstheorien dienen dazu, bestimmte soziologische Aspekte erklären und bewerten zu können. Es gibt viele verschiedene Alterstheorien, neue und alte.

„Altern ist heute nicht mehr primär als biologischer Prozeß (sic!) zu sehen, als Ab-nahme gewisser funktioneller und körperlicher Fähigkeiten, sondern Altern ist heut-zutage primär ein soziales Schicksal“ (Lehr in Voges, 1990, S. 23).

Deshalb versucht die Soziologie speziell dieser Altersphase diese Schicksalhaftigkeit zu nehmen, So-ziologie klärt und denkt über wichtige gesellschaftliche Zusammenhänge nach (vgl. Voges, 1990, S. 23).

Die früheren Theorien sind das Defizitmodell, die Kontinuitäts-, Disengagement- und Aktivitätstheorie. Diese haben ihren Focus auf die individuellen Probleme bei der Altersanpassung. Sie betrachten also verstärkt den einzelnen Menschen.

Die neueren Theorien wie Etikettierungs-, Stratifikations- und Kohortenansatz haben ihr Augenmerk vermehrt auf die soziale Organisation altersbezogener Statuspositionen gelegt. Auf diese Theorien möchte ich nun im dritten Kapitel näher eingehen (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 102).

3.1. Defizitmodell

In dieser Theorie wird das Altern mit Beeinträchtigungen, Verlusten und Defiziten, sowohl physischer als auch psychischer Art gleichgesetzt.

Aufgrund früherer gerontologischer Studien, entstand ein negatives Bild des defizitären Alters, welches sich bis heute noch in den Köpfen der Menschen und in wissenschaftlichen Aussagen ver-ankert hat. Die geistige Entwicklung des Menschen vollzieht sich nach einem so genannten Drei-Phasen-Modell:

- die Entwicklung im Kindes- und Jugendalter gestaltet sich allgemein positiv
- mit ca. 30 Jahren erreicht der Mensch seinen Leistungshöhepunkt
- danach geht es mit der geistigen Entwicklung langsam aber sicher bergab

Mit zunehmendem Alter verliert der Mensch bestimmte Fähigkeiten, wie z. B. die Kombinations-fähigkeit, das logische Denken und seine Merkfähigkeit.

Dieses Modell war in den 50er Jahren sehr beliebt, es ist mitverantwortlich für die heutige abwertende Einstellung dem Alter(n) gegenüber (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 102).

3.2. Disengagementtheorie

Die Disengagementtheorie kam in den 60er Jahren auf. Diese Theorie unterstellt den alten Menschen, dass sie, was ganz natürlich wäre, den Wunsch verspüren sich aus ihren bisherigen Aufgaben und Rollenverpflichtungen zurückzuziehen.

Mit diesem Disengagement, also einem Rückzug aus sozialen, zwischenmenschlichen Beziehungen, können sich Alte verstärkt auf sich selbst, ihre Vergangenheit, aber auch auf ihren bevorstehenden Tod besinnen.

Da der alte Mensch psychisch und physisch - naturgemäß - abbaut, vermeidet er mit seinem Rück-zug, dass er von seinen Mitmenschen enttäuscht oder abgelehnt wird.

So ein Rückzug ist psychologisch recht sinnvoll. Nur so können die verbliebenen sozialen Kontakte in-tensiver ausgelebt werden. Da alte Menschen rasch mit Informationen überflutet werden, werden die nun selektiven Kontakte als Entlastung empfunden.

Ein Rückzug sei nach dieser Theorie gesellschaftlich notwendig, damit die Jüngeren eine Chance be-kommen und nachrücken können. Die persönlichen Interessen der Alten stimmen somit mit den ge-sellschaftlichen Interessen überein.

Diese Theorie ist heute kaum mehr plausibel, denn die meisten Alten möchten ihre Kontakte weiter pflegen, gegebenenfalls sogar ausbauen. Von einem Rückzug ist gar nicht die Rede. Man darf den vorübergehenden Wunsch nach Rückzug als Reaktion auf eine kritische Lebensphase, z. B. dem Renteneintritt, nicht überbewerten und nicht als Dauerzustand ansehen. Arbeitsmarktpolitisch mag diese Theorie aber plausibel sein (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 103-104).

3.3. Aktivitätstheorie

Laut der Aktivitätstheorie besteht bei alten Menschen ein Zusammenhang zwischen Lebenszufrieden-heit und dem Grad ihrer Aktivität. Baut der alte Mensch seine sozialen Bindungen aus und setzt er diese erfolgreich fort, dann vergrößert sich seine subjektive Zufriedenheit.

Ältere Menschen sind, wie empirische Untersuchungen belegen, auch noch im hohen Alter aktiv und an sozialen Kontakten interessiert. Bedingt durch die Auflösung der Großfamilie und dem Berufsaus-tritt erleiden ältere Menschen einen Rollen- und Funktionsverlust. Daraus kann eine Identitätskrise entstehen.

Da Ältere von der Gesellschaft nur eingeschränkt akzeptiert werden, ist es für alte Menschen nicht leicht diese Identitätskrise mit neuen Aktivitäten zu kompensieren. Sollte das Kompensieren dank neu aufgenommener Aktivitäten gelingen, stiege wieder die subjektive Lebenszufriedenheit. Deshalb hat die Gesellschaft die Aufgaben, alte Menschen zu akzeptieren, ihnen Interesse entgegenzubringen und ihnen entsprechende Rollenbilder und Funktionen anzubieten (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 105-105).

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Eintritt in den Ruhestand - Freudiges Ereignis oder Auslöser einer Krise?
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart, früher: Berufsakademie Stuttgart
Note
1,8
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V43929
ISBN (eBook)
9783638416115
ISBN (Buch)
9783638908009
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eintritt, Ruhestand, Freudiges, Ereignis, Auslöser, Krise
Arbeit zitieren
Daliborka Horvat (Autor:in), 2005, Eintritt in den Ruhestand - Freudiges Ereignis oder Auslöser einer Krise?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43929

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