Ansätze zur Bewertung im Financial Sourcing


Diplomarbeit, 2005

114 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Banken auf der Suche nach dem optimalen Sourcing-Modell
1.1 Relevanz des Themas
1.2 Ziele der Arbeit
1.3 Vorgehensweise und Aufbau

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Financial Sourcing
2.2 Bewertung und Auswahl von Sourcing-Modellen
2.3 Entscheidungstheoretische Fundierung
2.3.1 Grundmodell der Entscheidungstheorie
2.3.2 Berücksichtigung verschiedener Informationsstände
2.4 Begriffliche Abgrenzung

3 Anforderungen an Bewertungsmethoden
3.1 Methodische Anforderungskriterien
3.1.1 Informationsberücksichtigung
3.1.2 Operationalisierung
3.1.3 Betrachtungshorizont
3.1.4 Automatisierung
3.2 Inhaltliche Anforderungskriterien
3.2.1 Business Engineering
3.2.2 Erfolgsmessung
3.2.3 Risikomessung
3.2.4 Interaktion Sourcing-Modell und Partnerwahl
3.2.5 Ablauf eines Sourcing-Projekts
3.2.6 Bankspezifische Anforderungen
3.3 Empirische Studien zum Financial Sourcing
3.4 Ableitung des Kriterienrasters

4 Methoden der Bewertung und Auswahl von Sourcing-Modellen
4.1 Bewertungsansätze
4.1.1 Qualitative Bewertungsansätze
4.1.1.1 Ansätze des Strategischen Managements
4.1.1.1.1 Market-based View
4.1.1.1.2 Resource-based View
4.1.1.1.3 Wertorientierte Unternehmensführung
4.1.1.1.4 Balanced Scorecard
4.1.1.2 Neue Institutionenökonomik
4.1.1.2.1 Prinzipal-Agenten-Theorie
4.1.1.2.2 „Property Rights“-Theorie
4.1.1.2.3 Transaktionskostentheorie
4.1.1.3 Kritische Analyse der qualitativen Bewertungsansätze
4.1.2 Quantitative Bewertungsansätze
4.1.2.1 Kostenrechnung
4.1.2.1.1 Total Cost of Ownership
4.1.2.1.2 Prozesskostenrechnung
4.1.2.2 Investitionsrechnung
4.1.2.2.1 Statische Verfahren
4.1.2.2.2 Dynamische Verfahren
4.1.2.3 Kritische Analyse der quantitativen Bewertungsansätze
4.2 Bewertungstechniken
4.2.1 Übersicht über Bewertungstechniken
4.2.2 Argumentenbilanz
4.2.3 Business Cases
4.2.4 Nutzwertanalyse
4.2.5 Portfoliotechnik
4.2.6 Kritische Analyse der Bewertungstechniken
4.3 Multitheoretische Entscheidungsmodelle
4.3.1 Strategic Sourcing Framework
4.3.2 IBI-Kubus – Multikausales Entscheidungsmodell
4.3.3 Sourcing-Optimierungsmodell
4.3.4 Bankbetriebliches Produktionsentscheidungsmodell
4.3.5 Zusammenfassende kritische Analyse der multitheoretischen Entscheidungsmodelle

5 Sourcing-Entscheidungen in der Praxis
5.1 Bankhaus Wölbern
5.2 Landesbank Baden-Württemberg

6 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang A: Unternehmensprofile
Anhang B: Interviewverzeichnis
Anhang C: LBBW-Vorgehensmodell
Anhang D: Versicherung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Aufbau der Arbeit

Abbildung 2 Übersicht über verschiedene Sourcing-Begriffe

Abbildung 3 Elemente eines Entscheidungsmodells

Abbildung 4 Entscheidungen bei unterschiedlichen Informationsständen

Abbildung 5 Strukturierung der Untersuchungsobjekte

Abbildung 6 Business Intelligence

Abbildung 7 Gestaltungsebenen des Business Engineering

Abbildung 8 Interaktion zwischen Sourcing-Modell und Partnerwahl

Abbildung 9 Auszug rechtlicher Anforderungen an Banken

Abbildung 10 Transformation des Geschäftsmodells bei Banken

Abbildung 11 Perspektiven der Balanced Scorecard

Abbildung 12 Grundmodell Sourcing-Entscheidungen nach dem Transaktionskostenansatz

Abbildung 13 Normstrategien unter Berücksichtigung von Know-how-Barrieren

Abbildung 14 Vorgehensweise Prozesskostenrechnung am Beispiel des Produkts Wertpapierorder Inland

Abbildung 15 Elemente einer Kostenvergleichsrechnung im Sourcing

Abbildung 16 Auszug aus einer Argumentenbilanz für Outsourcing

Abbildung 17 Komponenten eines Business Case im Financial Sourcing

Abbildung 18 Vorgehen der Nutzwertanalyse

Abbildung 19 Strategic Sourcing Framework

Abbildung 20 Ableitung von Normstrategien anhand des IBI-Kubus

Abbildung 21 Einsparungspotenziale durch Sourcing-Optimierung im Bankenvergleich

Abbildung 22 „Soreon Research Sourcing“-Optimierungsmodell

Abbildung 23 Bankbetriebliches Produktionsentscheidungsmodell

Abbildung 24 Sourcing-Entscheidungsprozess Bankhaus Wölbern

Abbildung 25 Kapitalwertberechnung pro Insourcer

Abbildung 26 Entscheidungsgrundlage Sourcing LBBW

Abbildung 27 Inhalte eines Business Case bei der LBBW

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Übersicht Sourcing-Studien im Banking

Tabelle 2 Bewertungsskala

Tabelle 3 Kriterienraster

Tabelle 4 Kernkompetenzen und Sourcing-Modelle ausgewählter Banken

Tabelle 5 Kritische Analyse der qualitativen Bewertungsansätze

Tabelle 6 Kritische Analyse der quantitativen Bewertungsansätze

Tabelle 7 Übersicht über Bewertungstechniken

Tabelle 8 Übersicht über Portfoliomodelle im Financial Sourcing

Tabelle 9 Kritische Analyse der Bewertungstechniken

Tabelle 10 Kurzübersicht Strategic Sourcing Framework

Tabelle 11 Bewertung methodischer Anforderungen (Strategic Sourcing Framework)

Tabelle 12 Bewertung inhaltlicher Anforderungen (Strategic Sourcing Framework)

Tabelle 13 Kurzübersicht IBI-Kubus

Tabelle 14 Bewertung methodischer Anforderungen (IBI-Kubus)

Tabelle 15 Bewertung inhaltlicher Anforderungen (IBI-Kubus)

Tabelle 16 Kurzübersicht „Soreon Research Sourcing“- Optimierungsmodell

Tabelle 17 Bewertung methodischer Anforderungen („Soreon Research Sourcing“-Optimierungsmodell)

Tabelle 18 Bewertung inhaltlicher Anforderungen („Soreon Research Sourcing“-Optimierungsmodell)

Tabelle 19 Kurzübersicht Bankbetriebliches Produktionsentscheidungsmodell

Tabelle 20 Bewertung methodischer Anforderungen (Bankbetriebliches Produktionsentscheidungsmodell)

Tabelle 21 Bewertung inhaltlicher Anforderungen (Bankbetriebliches Produktionsentscheidungsmodell)

Tabelle 22 Kritische Analyse der multitheoretischen Entscheidungsmodelle

1 Banken auf der Suche nach dem optimalen Sourcing-Modell

1.1 Relevanz des Themas

„Hätte die Automobilindustrie die gleiche Wertschöpfungstiefe wie die deutsche Kreditwirtschaft, müsste sie für die Lederausstattung der Sitze eine Rinderzucht unterhalten.“

Ernst Welteke, Bundesbankpräsident a. D.

Dieses Zitat spiegelt die aktuell in der Finanzbranche weit verbreitete Meinung wider, Banken betrieben ein nicht mehr zeitgemäßes Wertschöpfungsmodell. Zahlen belegen, dass diese Einschätzung zutreffend zu sein scheint: Noch immer liegt die Wertschöpfungstiefe von Banken bei etwa 70 Prozent, während sie sich in der Automobilindustrie je nach Quelle inzwischen bei 25 bis 35 Prozent eingependelt hat [vgl. Nakamura 2004, S. 13]. Hieraus resultiert die Forderung, dass nun auch Banken das umsetzen sollten, was Autohersteller bereits vor Jahrzehnten begonnen haben: die tief greifende Restrukturierung ihrer Wertschöpfungskette, verbunden mit einer Senkung der Wertschöpfungstiefe. Es ist somit nicht verwunderlich, dass befragte Bankenvertreter mit einer Reduzierung der Wertschöpfungstiefe um mindestens zehn Prozentpunkte allein in den nächsten fünf Jahren rechnen [vgl. Accenture 2004, S. 16]. Insofern stehen Banken vor der schwierigen Entscheidung darüber, welche Bereiche und Prozesse künftig noch innerhalb des eigenen Geschäftsmodells und welche durch externe Dienstleister beziehungsweise in Kooperation mit Dritten erbracht werden sollten. Die Suche nach der optimalen Sourcing-Strategie beziehungsweise dem optimalen Sourcing-Modell im Banking hat begonnen.

1.2 Ziele der Arbeit

Sourcing-Entscheidungen werden meist auf die Frage des „Make or Buy“ reduziert. Die Komplexität von Sourcing-Entscheidungen, speziell im Banking, ist jedoch wesentlich umfassender. Bei der Auswahl des optimalen Sourcing-Modells ist das klassische „Make or Buy“ nur eine von vielen zu treffenden Entscheidungen. Aufgrund dieser Komplexität erfordern Sourcing-Entscheidungen einen ganzheitlichen Bewertungsrahmen, der dieser Vielschichtigkeit gerecht wird [vgl. Soreon 2004a, S. 8]. Geleitet von diesem Gedanken verfolgt die vorliegende Arbeit das Ziel, Bewertungsmethoden zu analysieren, die diesen Rahmen ausfüllen könnten.

1.3 Vorgehensweise und Aufbau

Ausgehend von diesem Ziel werden in dieser Arbeit verschiedene Forschungsfragen thematisiert. Erstens: Welche Bewertungsmethoden für Sourcing-Modelle gibt es? Zweitens: Welche Anforderungen sind an diese Methoden allgemein und speziell im Financial Sourcing zu stellen? Drittens: Welche der dargestellten Bewertungsmethoden werden den erarbeiteten Anforderungen gerecht und sind im Financial Sourcing anwendbar? Letztlich soll noch die Frage erörtert werden, wie die Entscheidungsfindung im Rahmen von Sourcing-Aktivitäten in der betrieblichen Praxis stattfindet.

Diese Fragen liefern den Leitfaden für den Aufbau dieser Arbeit. Im ersten Schritt werden theoretische Grundlagen zur Begrifflichkeit des Financial Sourcing sowie der Bewertung und Entscheidung gelegt. In einem zweiten Schritt wird zunächst ein Kriterienraster für Bewertungsmethoden auf der Grundlage gängiger betriebswirtschaftlicher Konzepte und branchenspezifischer Erfordernisse entwickelt. Im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgt eine umfassende Darstellung und Analyse von Methoden der Bewertung, gegliedert nach Bewertungsansätzen, Bewertungstechniken und Entscheidungsmodellen. Diese werden dann jeweils anhand des zuvor entwickelten Kriterienrasters untersucht. Zwei Praxisfälle runden die im Rahmen dieser Arbeit angestellten Analysen ab. Sie sollen zeigen, welche Bewertungsmethoden in der Praxis Anwendung finden und welche Erfahrungen mit ihnen gemacht wurden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit [eigene Darstellung]

2. Theoretische Grundlagen

2.1 Financial Sourcing

In der Literatur werden die Begriffe „Outsourcing“ und „Sourcing“ häufig als gleichbedeutend verwendet [hierzu beispielhaft Lamberti 2005, S. 73]. Outsourcing setzt sich hierbei aus den englischen Begriffen „outside“, „resource“ und „using“ zusammen [vgl. Riedl 2003, S. 7]. Direkt übersetzt bedeutet Outsourcing somit „Nutzung externer Ressourcen“. Wie Abbildung 2 zeigt, stellt Outsourcing jedoch nur eine Dimension von Sourcing dar. Der Begriff des Sourcing ist demnach weitaus umfassender. Unter Sourcing-Konzepten sind die Kombinationen vielfältiger beschaffungspolitischer und strategischer Elemente und Prinzipien zu verstehen [vgl. Arnold 1996, S. 1861]. Des Weiteren legt Sourcing ein verändertes Verständnis der Unternehmung bezüglich der Wertschöpfung zugrunde. Dieses beinhaltet neben Beschaffungsaspekten auch die Gestaltung der gesamten Beziehungen zu Zulieferern und die Optimierung der Wertschöpfungskette [vgl. Kaufmann 1995, S. 277].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Übersicht über verschiedene Sourcing-Begriffe [eigene Darstellung]

Für die weiteren Betrachtungen soll unter Sourcing die „Gestaltung und Realisierung arbeitsteiliger Kunden-Lieferanten-Beziehungen verstanden werden, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen internen oder externen Leistungserbringer handelt“ [Alt et al. 2005, S. 7]. Die wichtigsten Unterbegriffe von Sourcing werden wie folgt definiert:

- Outsourcing bezeichnet die Externalisierung bestimmter Teilleistungen oder Funktionen einer Unternehmung und deren Übernahme durch externe Anbieter [vgl. Bruch 2000, S. 22].
- Externes Outsourcing beziehungsweise „Outsourcing im engeren Sinn“ wird oftmals direkt mit dem Outsourcing-Begriff gleichgesetzt. Hierunter versteht man die auf Dauer angelegte Übertragung von Leistungen an unternehmensexterne Wirtschaftseinheiten [vgl. Kang 2003, S. 18].
- Unter internem Outsourcing beziehungsweise „Outsourcing im weiteren Sinn“ wird die auf Dauer angelegte Übertragung von Leistungen und Vermögen auf ein oder mehrere Unternehmen verstanden [vgl. Bruch 2000, S. 56].
- Insourcing bedeutet die Erweiterung oder Neuaufnahme einer Leistungsfunktion, die bisher vollständig oder teilweise extern wahrgenommen wurde [vgl. Zahn et al. 1999, S. 9]. Wird eine Unternehmensfunktion, die bereits ausgegliedert wurde, wieder in die Wertschöpfung integriert, spricht man von Re-Insourcing [vgl. Hodel et al. 2004, S. 25 f.].

Unternehmen, die Überlegungen über ein mögliches Outsourcing anstellen, müssen neben der Auswahl einer der bisher vorgestellten Sourcing-Formen noch eine Vielzahl weiterer Entscheidungen treffen. In diesem Zusammenhang muss beispielsweise die Frage nach der Art der institutionellen Einbindung des Sourcing-Partners, dem Standort der Leistungserbringung und der Zahl der Leistungserbringer beantwortet werden [vgl. Zahn et al. 1999, S. 9]. Eine vertiefende Darstellung und Erläuterung der einzelnen Ausgestaltungsformen von Sourcing soll jedoch nicht Schwerpunkt dieser Arbeit sein. Hierzu sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen [zur weiteren Vertiefung Bongard 1994, Dittrich/Braun 2004, Kang 2003].

Financial Sourcing bezieht sich im Rahmen dieser Arbeit auf Sourcing bei Banken. Banken nehmen in der Volkswirtschaft eine spezielle Schlüsselposition ein. Als klassischer Finanzintermediär übernehmen sie auf den Finanzmärkten einerseits Funktionen im Bereich der Transaktion, andererseits aber auch im Rahmen der Transformation. Die klassische Aufgabe des Finanzintermediärs im Rahmen der Transaktion ist es, Angebot und Nachfrage auf den Kapitalmärkten zusammenzuführen. Hierbei vermitteln sie zwischen Anbietern und Nachfragern, indem sie die einzelnen Marktteilnehmer prüfen (Such- und Informationsfunktion) und die Kosten des Interessenausgleichs (Verhandlungs- und Abschlussfunktion) senken. Des Weiteren übernehmen die Finanzintermediäre auch Aufgaben der Finanzdienstleistung beziehungsweise der Transformation. Hierzu gehört die Umwandlung von Beträgen, Fristen und Risiken. Finanzdienstleister transformieren große Summen in kleine Beträge, indem sie beispielsweise große Einlagevolumen in kleine Kredite stückeln. Bei der Fristentransformation wird das von Anlegern kurzfristig angelegte Geld vom Finanzintermediär an einen Kapitalnehmer mit langfristigem Bedarf bereitgestellt. Schließlich übernehmen Finanzintermediäre auch Risiken der Form, dass sie für die von Anlegern eingebrachten Gelder haften, selbst wenn der Kapitalnachfrager, dem das Geld bereitgestellt wurde, seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt [vgl. Tolkmitt 2004, S. 3 ff.].

2.2 Bewertung und Auswahl von Sourcing-Modellen

Eine der zentralen Aufgaben dieser Arbeit ist die Untersuchung, welche Methoden vorhanden sind, um verschiedene Sourcing-Modelle zu bewerten und somit eine Entscheidung für das optimale Wertschöpfungsmodell zu treffen. Sourcing-Modelle stehen in diesem Zusammenhang für eine mögliche Ausgestaltungsvariante der Architektur der Leistungserstellung, bezogen auf einen oder mehrere Prozesse [vgl. Alt et al. 2005, S. 16]. Ein Sourcing-Modell beschreibt somit die Zuordnung einzelner Prozesse zu den im letzten Abschnitt dargestellten Sourcing-Formen. Wie tief und detailliert ein Sourcing-Modell die Ausgestaltung der Leistungserbringung eines Prozesses beschreibt, ist, wie sich im Weiteren noch zeigen wird, je nach Autor sehr unterschiedlich.

Die Möglichkeit, aus verschiedenen Sourcing-Modellen das Optimale auszuwählen, stellt letztlich ein Entscheidungsproblem dar, welches es zu lösen gilt. Entscheidungsprobleme liegen allgemein immer dann vor, wenn unter verschiedenen Umweltzuständen beziehungsweise Szenarien aus mehreren Handlungsalternativen diejenige Alternative auszuwählen ist, die am besten zur Zielerfüllung beiträgt [vgl. Bea 2004, S. 311]. In der Regel beziehen sich Entscheidungsprobleme auf die Gestaltung komplexer realer Systeme wie beispielsweise Unternehmen. Bei einer solchen Entscheidung ist es jedoch kaum möglich, sämtliche Sachverhalte und Zusammenhänge zu erfassen und zu berücksichtigen. Insofern ist es sinnvoll, die Entscheidung anhand eines vereinfachten Modells vorzunehmen. Bei der Lösung von Entscheidungsproblemen kommen aus diesem Grund Entscheidungsmodelle zum Einsatz [vgl. Klein/Scholl 2004, S. 29]. Entscheidungsmodelle sind verknüpfte Systeme von Entscheidungsobjekten, Handlungsalternativen, Umwelteinflüssen, Zielen, Ergebnissen und Präferenzen des Entscheidungsträgers [vgl. Kang 2003, S. 26 ff.]. Entscheidungsmodelle bilden ein Entscheidungsproblem ab und ermöglichen damit die Problemerkennung und Problemlösung [vgl. Bea 2004, S. 322]. Je nach Schwierigkeitsgrad des Entscheidungsproblems bietet es sich an, dieses in einzelne Komponenten zu zerlegen. Anstatt das Problem als Ganzes zu behandeln, analysiert man seine Komponenten und erzeugt Modelle dieser Komponenten. Danach aggregiert man die Teilmodelle zu einem Gesamtmodell der Situation [vgl. Eisenführ/Weber 2003, S. 16].

In Abhängigkeit von der Menge der Handlungsalternativen lassen sich zwei grundlegende Ausprägungen von Entscheidungsmodellen unterscheiden:

- Ein Entscheidungsmodell im engeren Sinne beziehungsweise ein Auswahlmodell liegt dann vor, wenn die Menge der Handlungsalternativen explizit vorgegeben ist. In diesem Fall liegt die Aufgabe in der Bewertung der vorliegenden Handlungsalternativen und, darauf aufbauend, in der Auswahl der bestbewerteten.
- Bei Optimierungsmodellen sind die Handlungsalternativen implizit durch ein System von Restriktionen beziehungsweise Nebenbedingungen gegeben, d. h. die Menge der Handlungsalternativen ist durch die Restriktionen eingeschränkt. Aufgabe des Modells ist es hierbei, die Zielfunktionen im zulässigen Bereich der Alternativen zu optimieren und so eine optimale Lösung zu finden.

Optimierungsmodelle müssen grundsätzlich vollständig quantitativ dargestellt werden. Diese Art der Problemlösungsverfahren ist Gegenstand des Operations Research. Bei Auswahlmodellen hingegen muss es sich nicht zwangsläufig um quantitative Modelle handeln. Hier können auch Mischformen angewandt werden [vgl. Klein/Scholl 2004, S. 37].

2.3 Entscheidungstheoretische Fundierung

2.3.1 Grundmodell der Entscheidungstheorie

Auf den ersten Blick erscheinen Entscheidungsprobleme aufgrund der Vielzahl möglicher Entscheidungssituationen als sehr heterogen. Dennoch gibt es eine gemeinsame Struktur, auf die alle Entscheidungsprobleme zurückgeführt werden können. Entsprechend beinhalten auch Entscheidungsmodelle gleiche Bausteine, auch wenn sich diese im Detail von Fall zu Fall unterscheiden. Die Entscheidungstheorie hat, von dieser Erkenntnis geleitet, grundlegende Modelle zusammengestellt und strukturiert. Aufgrund ihrer allgemeinen Form und der Tatsache, dass sie nicht explizit auf eine spezifische Entscheidungssituation zugeschnitten sind, werden sie als A-Modelle bezeichnet. Um ein konkretes Entscheidungsproblem mithilfe eines Entscheidungsmodells zu lösen, ist zunächst ein geeigneter Modelltyp (A-Modell) auszuwählen. Werden nun die Modellelemente des Modelltyps problembezogen definiert, entsteht daraus ein K-Modell. K-Modelle bilden eine konkret vorliegende Entscheidungssituation in spezifischer und detaillierter Form ab [vgl. Laux/Liermann 2003, S. 37]. Spezielle K-Modelle, die für Entscheidungen im Financial Sourcing entwickelt wurden, werden im Abschnitt 4.3 dieser Arbeit untersucht.

Die allgemeine Klasse von Entscheidungsmodellen (A-Modelle) wird durch das Grundmodell der Entscheidungstheorie definiert. Trotz seiner theoretischen Fundierung ist es auch in der Praxis geeignet, um bei der Lösung von Entscheidungsproblemen zu helfen. So stellen beispielsweise SIEBEN/SCHILDBACH Entscheidungsmodelle auf Basis der Kostenrechnung, der Unternehmensbewertung und der Investitionsrechnung vor, die anhand der Komponenten dieses Grundmodells entwickelt wurden [vgl. Sieben/Schildbach 1990, S. 115 ff.]. Ausgehend von Abbildung 3 sollen im Folgenden die Hauptkomponenten des Grundmodells der Entscheidungstheorie detailliert dargestellt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Elemente eines Entscheidungsmodells [eigene Darstellung, in Anlehnung an: Klein/Scholl 2004, S. 40; Bamberg/Coenenberg 2004 S. 1; Dinkelbach/Kleine 1996, S. 2]

Zielsystem

Das Zielsystem spezifiziert die vom Entscheider angestrebten Zielgrößen. Diese Ziele übernehmen im Rahmen der Lösung des Entscheidungsmodells die Funktion von Entscheidungskriterien für die Bewertung der einzelnen Alternativen [vgl. Bea 2004, S. 319 f.]. Die Alternativen werden anhand von Zielgrößen daraufhin überprüft, inwieweit sie zur Erfüllung der gesteckten Ziele beitragen. Weiterer Bestandteil des Zielsystems sind die Präferenzen, die zusammen mit den Zielgrößen die Präferenzrelationen abbilden. Diese stellen die Einstellung des Entscheiders zu den Ergebnissen der unterschiedlichen Handlungsalternativen dar [vgl. Bamberg/Coenenberg 2004, S. 29].

Entscheidungsfeld

Die Komponenten eines Entscheidungsmodells, die durch Aktionen des Entscheiders direkt oder indirekt beeinflusst werden können beziehungsweise als Informationsbasis in das Modell einfließen, werden als Entscheidungsfeld bezeichnet [vgl. Bamberg/Coenenberg 2004, S. 15 f.]. Konkret handelt es sich hierbei um die zur Wahl stehenden Alternativen, die möglichen Umweltzustände und die aus beiden Faktoren resultierenden Wirkungszusammenhänge:

- Die zur Wahl stehenden Alternativen werden in ihrer Gesamtheit als Alternativenmenge beschrieben. Jede der einzelnen Alternativen schließt die jeweils anderen aus. Die Handlungsalternativen stellen jeweils für sich eine mögliche Lösung des zu betrachtenden Entscheidungsproblems dar.
- Die Umweltzustände, auch Szenarien genannt, stellen reale Sachverhalte dar. Sie sind durch den Entscheidungsträger innerhalb des betrachteten Zeithorizonts nicht beeinflussbar (beispielsweise konjunkturelle Entwicklung). Im Idealfall sind zu den einzelnen Umweltzuständen Eintrittswahrscheinlichkeiten gegeben.
- Aus der Verknüpfung jeder Alternative mit den einzelnen Umweltzuständen ergeben sich Wirkungszusammenhänge. Die Darstellungen dieser Zusammenhänge in Form von Attributen werden als Ergebnisse bezeichnet [vgl. Klein/Scholl 2004, S. 39 f.].

Diese drei Komponenten des Entscheidungsfeldes werden in Form einer Ergebnismatrix zusammengefasst. In den einzelnen Feldern der Ergebnismatrix werden dann, unter Berücksichtigung der jeweiligen Alternative und des jeweiligen Umweltzustandes, die dieser Kombination entsprechenden Ergebnisse dargestellt [vgl. Laux/Liermann 2003, S. 45]. Wird die aus dem Entscheidungsfeld resultierende Ergebnismatrix mit dem Zielsystem hinterlegt, so ergibt sich die entsprechende Entscheidungsmatrix. Sie gibt unter Berücksichtigung der jeweiligen Ziele die optimale Alternative an [vgl. Bea 2004, S. 321].

2.3.2 Berücksichtigung verschiedener Informationsstände

Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, können verschiedene Informationsstände bezüglich des Eintretens der unterschiedlichen Umweltzustände vorliegen. So können die in Abbildung 4 dargestellten Informationsstände unterschieden werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Entscheidungen bei unterschiedlichen
Informationsständen [vgl. Bea 2004, S. 326; Laux 2004, S. 23]

Das Grundmodell geht davon aus, dass sich der Entscheidungsträger grundsätzlich einem der zwei Dimensionen „Sicherheit“ oder „Ungewissheit“ bezüglich des Eintritts verschiedener Umweltzustände gegenübersieht. Von Entscheidungen bei Sicherheit wird dann gesprochen, wenn der Entscheidende nur mit einem Umweltzustand zu rechnen hat. In diesem Fall sind die Ergebnisse beziehungsweise die Auswirkungen der einzelnen Alternativen bekannt, d. h. sie sind sicher. Der Entscheidungsträger wählt dann die Alternative, die, seinen Präferenzen entsprechend, den höchsten Zielwert liefert [vgl. Eisenführ/Weber 2003, S. 19 ff.].

Die Annahme, dass der Entscheidungsträger nur mit dem Eintritt eines Umweltzustandes zu rechnen hat, ist jedoch als relativ unrealistisch einzuschätzen. Geht man nun davon aus, dass er mehrere mögliche Umweltzustände einkalkulieren muss, so wird er seine Entscheidung unter Ungewissheit darüber treffen, welches Szenario eintreten wird. Sind die Eintrittswahrscheinlichkeiten dieser Szenarien bekannt, so liegt ein Risiko vor. Um die Alternativen in diesem Fall zu vergleichen, müssen deren Verteilungsfunktionen analysiert werden. Werden Entscheidungen unter Unkenntnis der Wahrscheinlichkeiten getroffen, wird von Entscheidungen unter Unsicherheit gesprochen [vgl. Sieben/Schildbach 1990, S. 51 ff.].

In der Literatur existieren verschiedenste mathematische Regeln zur Lösung dieser Entscheidungsprobleme. Diese sollen an dieser Stelle jedoch nicht vertieft werden [hierzu vertiefend Bamberg/Coenenberg 2004, S. 43 ff.; Bea 2004, S. 331 ff.].

2.4 Begriffliche Abgrenzung

Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass ein Entscheidungsmodell der Bewertung und Auswahl möglicher Handlungsalternativen dienen kann. Insofern bietet es sich an, ein Entscheidungsmodell beziehungsweise speziell ein Auswahlmodell zu nutzen, um aus verschiedenen möglichen Sourcing-Modellen das Optimale auszuwählen. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur teilweise auch von Bewertungsmodellen gesprochen, welche aber letztlich in ihren methodischen und inhaltlichen Grundzügen den Entscheidungsmodellen entsprechen [vgl. Rieper 1992, S. 150 f.; Alt/Zerndt 2005, S. 66 ff.].

Wie der weitere Verlauf der Untersuchungen dieser Arbeit zeigen wird, bestehen Entscheidungsmodelle im Financial Sourcing aus einer Kombination von Bewertungsansätzen und Bewertungstechniken. Insofern handelt es sich bei den betrachteten Entscheidungsmodellen um multitheoretische Modelle, da sie sich inhaltlich und methodisch auf mehrere unterschiedliche Theorien stützen [vgl. Amberg et al. 2005, S. 2].

Unter Bewertungsansätzen sollen im Weiteren Theorien verstanden werden, die sich dadurch auszeichnen, dass sie inhaltliche Aspekte von Sourcing betrachten. So liefern sie beispielsweise Aussagen über eine mögliche optimale Ausgestaltung von Sourcing-Modellen. Bewertungstechniken hingegen sind Anleitungen oder Vorschriften zur Entscheidungsfindung. Darüber hinaus unterstützen sie die gestalterische Komponente der Ergebnisdarstellung. Sie selbst enthalten keine inhaltlichen Empfehlungen, sondern stellen letztlich Vorgehensweisen und Darstellungsformen der Entscheidungsunterstützung dar [vgl. Gutzwiller 1994, S. 13 ff.].

Aufbauend auf dieser Abgrenzung werden im Rahmen dieser Arbeit Bewertungsansätze, Bewertungstechniken und Entscheidungsmodelle getrennt voneinander analysiert. Ziel ist, sie hierbei auf ihre Relevanz und Anwendbarkeit für Entscheidungen im Financial Sourcing zu überprüfen. Wie bereits beschrieben, bestehen Entscheidungsmodelle im Financial Sourcing aus einer Kombination von Bewertungsansätzen und Bewertungstechniken. Aufgrund dieser Tatsache soll der Schwerpunkt der Analysen auf den Entscheidungsmodellen liegen. Bei den Bewertungsansätzen und Bewertungstechniken hingegen liegt der Fokus mehr auf der Darstellung derselben als auf ihrer Analyse. Zunächst jedoch soll auf die Anforderungen eingegangen werden, die an Bewertungsmethoden zu stellen sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Strukturierung der Untersuchungsobjekte (Bewertungsmethoden) [eigene Darstellung]

3 Anforderungen an Bewertungsmethoden

Bevor im nächsten Kapitel die zu untersuchenden Bewertungsansätze, -techniken und Entscheidungsmodelle vorgestellt werden, wird im Folgenden ein Kriterienraster entwickelt, das ihrer späteren Analyse dienen soll. Der Kriterienkatalog gliedert sich nach methodischen und inhaltlichen Anforderungen.

3.1 Methodische Anforderungskriterien

3.1.1 Informationsberücksichtigung

Um zur Lösung einer Entscheidungssituation beizutragen, muss eine Bewertungsmethode diese vollständig, d. h. isomorph abbilden. Vollständigkeit ist eine der wichtigsten, aber auch eine der in der Praxis am schwierigsten zu erfüllende Anforderung an Bewertungsmethoden [vgl. Dan/Wenzel 2005a, S. 18]. Unter Vollständigkeit ist jedoch nicht zu verstehen, dass alle die Entscheidungssituation betreffenden Informationen verarbeitet werden müssen. Letztlich sollten nur die für die Problemlösung wesentlichen Faktoren Berücksichtigung finden [vgl. Bea 2004, S. 336].

Die Art der Informationsberücksichtigung in Bewertungsmethoden kann grundsätzlich nach quantitativen und qualitativen Vorgehensweisen unterschieden werden. So werden in quantitativen Modellen sämtliche zu berücksichtigende Aspekte durch intervall- oder rational skalierte Informationen beschrieben. Die Elemente des darzustellenden Problems werden durch Daten und Variablen beschrieben und miteinander verknüpft. Die optimale Lösung eines quantitativen Modells kann mit mathematischen Methoden bestimmt werden [vgl. Klein/Scholl 2004, S. 34].

Bei qualitativen Modellen hingegen müssen zwei Unterklassen unterschieden werden. Die erste Teilklasse erfasst generelle Einflussgrößen und Richtungen des Einflusses dieser Größen auf die zu erreichenden Ziele, ohne das genaue Ausmaß oder die Stärke des Einflusses angeben zu können. Hierzu gehören organisationstheoretische Aussagen, die mit Variablen wie Motivation, Frustration und Macht zusammenhängen und von generellen Wirkungsrichtungen ausgehen. Anwendung findet diese Teilklasse qualitativer Modelle insbesondere in der strategischen Planung. Die Umsetzung erfolgt meist in Form von Portfoliomethoden. Die zweite Teilklasse qualitativer Modelle arbeitet mit subjektiven Einschätzungen und Meinungen. Diese werden mithilfe von Punktbewertungsmethoden, wie beispielsweise Nutzwertanalysen und Scoring-Modellen, transformiert. Als Ergebnis dieser Methoden ergibt sich eine verdichtete, mehrdimensionale, subjektive Bewertung in Form einer Rangfolge der möglichen Vergleichsobjekte [vgl. Adam 1996, S. 82].

Bewertungsmethoden, die das Ziel haben, die Entscheidungssituation im Financial Sourcing zu unterstützen, sollten einerseits alle relevanten Informationen berücksichtigen, andererseits aber nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte ins Entscheidungskalkül mit einbeziehen. Letztlich sollten jedoch auch die qualitativen Aspekte quantifiziert werden, um sie zwischen den einzelnen zur Wahl stehenden Sourcing-Modellen vergleichen zu können.

3.1.2 Operationalisierung

Damit eine Bewertungsmethode in der Praxis einen hohen Anwendungsgrad findet, müssen mehrere Teilaspekte erfüllt sein. Grundvoraussetzung hierfür ist die Verständlichkeit. Dies bedeutet, dass Struktur, Sprache und Erläuterungen der verwendeten Ansätze und Instrumente klar kommuniziert und letztlich auch verstanden werden müssen [vgl. Barth 2003, S. 41 f.]. Diesen Gedanken folgend, stellt auch die Akzeptanz ein wichtiges Anforderungskriterium dar. Ist eine Bewertungsmethode zu zeitaufwendig, zu teuer oder zu kompliziert, ist davon auszugehen, dass sie von den entsprechenden Entscheidungsträgern nicht akzeptiert werden wird. Insofern spielt auch die Effizienz beziehungsweise die Wirtschaftlichkeit der angewandten Bewertungsmethode eine wichtige Rolle. Unter Wirtschaftlichkeit wird das Verhältnis zwischen den Kosten und dem Nutzen der angewandten Methode verstanden. Kosten können hierbei beispielsweise Personalkosten (Kosten der Bearbeitung des Bewertungsproblems) und Materialkosten (Hardware- und Softwarekosten bei EDV-unterstützten Problemlösungen) bei der Entwicklung, Einführung und Anwendung des Bewertungsverfahrens sein. Insofern sollte eine effiziente Bewertungsmethode ein optimales Kosten/Nutzen-Verhältnis aufweisen [vgl. Bea 2004, S. 336].

3.1.3 Betrachtungshorizont

Je nachdem, ob ein Modell mehrere Perioden abbildet oder nicht, lassen sich statische und dynamische Modelle unterscheiden. Ist die zeitliche Entwicklung des betrachteten Problems irrelevant oder lässt sich von ihm abstrahieren, liegt ein statisches Modell vor. Statische Modelle können dann sinnvolle Ergebnisse liefern, wenn der Planungshorizont sehr kurz ist und die zu treffende Entscheidung keinen Einfluss auf Folgeentscheidungen hat [vgl. Klein/Scholl 2004, S. 36]. Da jedoch alle realen Systeme im Zeitablauf existieren, ist die Betrachtung mehrerer Perioden ein Merkmal, das grundsätzlich in einem Modell abgebildet werden sollte. Diesem Gedanken folgend, beziehen dynamische Modelle mehrere Perioden in die Betrachtung ein [Adam 1996, S. 88 f.]. Sourcing-Entscheidungen sind nur schwer beziehungsweise in begrenztem Maße reversibel, d. h. sie sind langfristiger Natur. Insofern sollte bei der Entscheidung für ein entsprechendes Sourcing-Modell auch ein mittel- bis langfristiger Entscheidungshorizont gewählt werden [vgl. Rebouillion/Bauer 2001, S. 137].

3.1.4 Automatisierung

Unter dem Aspekt der Automatisierung soll verstanden werden, inwieweit die in einem Modell verarbeiteten Informationen automatisch aus den Informationssystemen des Unternehmens entnommen werden können. Dies ist gerade dann wichtig, wenn eine Bewertungsmethode nicht nur einmalig zur Unterstützung einer Sourcing-Entscheidung genutzt wird, sondern auch langfristig das gewählte Sourcing-Modell kontrollieren und auf Optimalität prüfen soll. Als Grundlage zur Realisierung dieses Gedankens bietet sich der „Business Intelligence“-Ansatz an. Unter Business Intelligence ist der IT-gestützte Zugriff auf Informationen sowie die IT-gestützte Analyse und Aufbereitung von Informationen mit dem Ziel der Unterstützung betrieblicher Entscheidungen zu verstehen [vgl. Strauch/Winter 2002, S. 440]. Hierbei nutzt der „Business Intelligence“-Ansatz nicht nur unternehmensinterne, sondern auch externe Daten [vgl. Hannig 2002, S. 7 ff.]. So wäre es beispielsweise denkbar, ein regelmäßiges Monitoring der eigenen Wertschöpfungskette durchzuführen. Hierbei könnten Daten aus den Kostenrechnungssystemen automatisch einem Benchmarking mit Angeboten potenzieller Insourcer unterzogen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Business Intelligence [Strauch/Winter 2002, S. 442]

3.2 Inhaltliche Anforderungskriterien

3.2.1 Business Engineering

Bei der Auswahl eines Sourcing-Modells sollten die Auswirkungen auf die gesamte Unternehmensarchitektur einer Bank integrativ betrachtet werden. Gemäß den Grundgedanken des Business Engineering lässt sich die Unternehmensarchitektur in mehrere Dimensionen und Ebenen untergliedern [vgl. Winter 2005, S. 580]. Grundsätzlich unterscheidet das Business Engineering eine fachliche und eine politisch-kulturelle Dimension [vgl. Österle/Winter 2003, S. 11 f.]. Unter die fachliche Dimension werden die folgenden Ebenen subsumiert [vgl. Winter 2003, S. 93 f.]:

- Ebene der Geschäftsstrategie: Die strategische Ebene stellt die oberste Ebene der „Business Engineering“-Landkarte dar. Sie enthält eine Formulierung der Ziele und Kernkompetenzen des Unternehmens, der Rolle des Unternehmens im Wertschöpfungsnetzwerk sowie die Festlegung langfristiger Strategien.
- Ebene der Geschäftsprozesse: Die Prozessebene beschreibt die Geschäftsprozesse, die für die Umsetzung der Strategie und des Geschäftsmodells nötig sind sowie deren Zusammenwirken. Des Weiteren spezifiziert diese Ebene Informationsobjekte und -flüsse.
- Ebene der Informations- und Kommunikationssysteme: Die Systemebene gibt Auskunft darüber, welche Teilprozesse beziehungsweise Aktivitäten in welcher Form mit Applikationen unterstützt werden. Zudem beschreibt sie die einzelnen Softwarekomponenten und Datenstrukturen sowie die Infrastruktur.

Im Fokus der politisch-kulturellen Dimension stehen die so genannten Human Factors. Hierzu gehören beispielsweise Motivation, Führung, Kommunikation oder Machtverhältnisse [vgl. Österle/Winter 2003, S. 11]. Eine Bewertungsmethode sollte beide Dimensionen mit ihren Ebenen und Sichtweisen integrativ berücksichtigen. Im Bankensektor kommt hierbei der Systemebene eine besondere Bedeutung zu, da die Produkte von Banken im Gegensatz zu denen von Unternehmen der Konsum- oder Investitionsgüterbranche virtuell sind. So basieren Produktentwicklung, Vertrieb und Abwicklung zum größten Teil auf informationsverarbeitenden Systemen. Bei strategischen und organisatorischen Veränderungen, wie beispielsweise Sourcing-Entscheidungen, müssen aus diesem Grund die Informationssysteme spezielle Berücksichtigung finden [vgl. Winter 2005, S. 577].[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]

Abbildung 7: Gestaltungsebenen des Business Engineering
[in Anlehnung an Österle/Winter 2003, S. 12; Winter 2003, S. 94]

3.2.2 Erfolgsmessung

Bei Sourcing-Vorhaben wird es immer wichtiger, deren Auswirkungen auf bestimmte Erfolgsgrößen zu messen. Diese Erfolgsgrößen werden aus den einzelnen Bestandteilen der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Bilanz beziehungsweise aus der Kosten- und Leistungsrechnung abgeleitet. Da in der Literatur Kostenmotive als wichtigste Beweggründe für Outsourcing Erwähnung finden, werden im Folgenden die kostentheoretischen Aspekte einer vertiefenden Betrachtung zugeführt [vgl. Bernet 1998, S. 54].

Fixe und variable Kosten

Letztlich verursacht jede betriebliche Leistungserstellung Kosten im Sinne des Werteverzehrs. Diese Kosten können unabhängig vom angewandten Kostenrechnungssystem in fixe und variable Kosten unterteilt werden. Das Verhältnis dieser beiden Kostentypen innerhalb der Gesamtkosten wird als Kostenstruktur bezeichnet [vgl. Franze 1998, S. 36]. Die Kostenstruktur ist von großer Bedeutung für eine Entscheidung auf Kostenbasis. Als Beispiel seien hier die rückläufigen Stückzahlen im beleghaften Zahlungsverkehr genannt. Aufgrund des hohen Fixkostenanteils in diesem Bereich steigen hierdurch die Stückkosten pro verarbeitetem Beleg. Dieser Anstieg lässt eine Eigenerstellung der betrachteten Leistung zunehmend unattraktiver werden [vgl. Blaschke 2005, S. 22].

Laufende und einmalige Kosten

Bei Sourcing-Projekten ist es wichtig, neben laufenden Kosten wie beispielsweise Personal-und Sachkosten auch einmalige Kosten zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit der Durchführung des Sourcing-Vorhabens stehen. Dies können beispielsweise Umsetzungs- oder Projektkosten sein [vgl. Dan/Wenzel 2005a, S. 17]. Sourcing-Entscheidungen, die auf Kostenbasis getroffen werden, einmalige Kosten allerdings vernachlässigen, können leicht zu einem falschen Ergebnis führen. In der betriebswirtschaftlichen Literatur werden diese einmaligen Kosten, die im Rahmen der Koordination eines Sourcing-Projektes anfallen, auch als Transaktionskosten bezeichnet [vgl. Sjurts/Stieglitz 2004, S. 6]. Das Thema Transaktionskosten soll im Abschnitt 4.1.1.2 einer vertiefenden Betrachtung zugeführt werden.

Gemeinkosten und Einzelkosten

Mit einem durchschnittlichen Anteil von mehr als 20 Prozent an den operativen Kosten stellen IT-Kosten einen gewichtigen Kostenfaktor bei Banken dar [vgl. Skudelny 2005, S. 17]. Problematisch an dieser Tatsache ist, dass sich IT-Kosten meist nur schwer einem Produkt beziehungsweise einem Prozess direkt zurechnen lassen. Als typisches Beispiel sind hierfür die Kosten des Rechenzentrums einer Bank zu nennen. Insofern ist es gerade bei Banken nur schwer möglich, einem zu überprüfenden Prozess alle Kosten zuzurechnen, die er durch seine Leistungserstellung verursacht [vgl. Bernet 1998, S. 34]. Die betriebswirtschaftliche Literatur wird diesem Aspekt der Kostenrechnung durch die Unterscheidung in Einzel- und Gemeinkosten gerecht. Unter Gemeinkosten sind hierbei Kosten zu verstehen, die sich keiner bestimmten Bezugsgröße (Produkt, Kunde etc.) zurechnen lassen [vgl. Ließmann 1997, S. 248]. Einzelkosten stellen das Gegenstück zu Gemeinkosten dar und können somit einer Bezugsgröße direkt zugerechnet werden [vgl. Ließmann 1997, S. 171]. Um das Problem der erschwerten Zurechenbarkeit zu lösen, wurden in der Unternehmenspraxis bereits Instrumente entwickelt. Als Beispiel hierfür sei die Prozesskostenrechnung erwähnt (siehe Abschnitt 4.1.2.1) [vgl. Steinle/Bruch 2003, S. 545].

Erlöse

Veränderte Sourcing-Modelle haben langfristig nicht nur Auswirkungen auf die Kosten, sondern auch auf die Ertragsstruktur. So kann eine Bank, beispielsweise durch Gründung einer eigenen Transaktionsbank, ihre Leistungen Dritten anbieten und somit Zusatzerlöse erzielen. Eine reine Kostenbetrachtung bei Sourcing-Entscheidungen erscheint somit unzureichend, weshalb Bewertungsmethoden auch die erzielbaren Erträge und Erlöse berücksichtigen sollten [vgl. Bernet 1998, S. 34].

Wertorientierte Unternehmensführung

Der Begriff „wertorientierte Unternehmensführung“ beziehungsweise Value-based Management hat bereits in den frühen 1990er-Jahren Einzug in die Managementpraxis gehalten. Die Bankenwelt hat jedoch erst in den letzten Jahren verstärkt begonnen, nach den Grundsätzen des Value-based Management zu führen und entsprechende Kennzahlen zur Unternehmenssteuerung zu implementieren [vgl. Fischer 2004, S. 6]. Value-based Management erweitert die bisherige Betrachtung von Kosten und Erlösen um die Perspektive des eingesetzten Kapitals. Eine Bank gilt dann als wertschaffend, wenn sie mindestens ihre Cost of Capital, also die Kosten des zur bankbetrieblichen Tätigkeit notwendigen Kapitals, verdient. Letztlich sollte eine Bank ihr Wertschöpfungsmodell auf wertvernichtende und wertschaffende Bereiche überprüfen und entsprechend optimieren [vgl. Böhnke 2004, S. 393 ff.]. Eine vertiefende Betrachtung des „Value-based Management“-Konzepts soll in Abschnitt 4.1.1.1 erfolgen.

3.2.3 Risikomessung

In Ergänzung zu den bisher betrachteten Erfolgsgrößen sind auch die eingegangenen Risiken umfassend zu berücksichtigen. Bankbetriebliche Risiken können sich aus Risiken im Wertbereich oder im Betriebsbereich ergeben. Im Betriebsbereich ergeben sich sowohl auf strategischer als auch auf operativer Ebene Risiken. Auf strategischer Ebene stehen vor allem Fehlentscheidungen oder zukunftsgerichtete Fehleinschätzungen der Bankenführung, die die Position der Bank langfristig gefährden können, im Vordergrund [vgl. Vettiger 1996, S. 175 ff.]. Die direkten Auswirkungen von Outsourcing betreffen hauptsächlich den Bereich der operativen Risiken. Operative Risiken sind definiert als die Gefahr von Verlusten, die infolge von Unangemessenheit oder Versagens interner Verfahren, Menschen und Systemen eintreten. Sie unterscheiden sich deutlich von allen anderen Risiken einer Bank. Im Gegensatz zu vielen anderen Risiken, wie beispielsweise Ausfallrisiken, werden operative Risiken nicht im Gegenzug für einen erwarteten Gewinn eingegangen, sondern stellen einen Teil des normalen Geschäftsbetriebes dar. Dennoch haben sie deutlichen Einfluss auf das Risiko- und Ertragsprofil einer Bank und können erhebliche Verluste verursachen [vgl. Dutz/Rheiner 2003, S. 272]. Meist wird durch Outsourcing die Minimierung beziehungsweise komplette Verlagerung von operativen Risiken angestrebt. Jedoch zeigt die Vielzahl von Fehlschlägen und Problemen in Sourcing-Projekten deutlich, dass auch durch das Outsourcing selbst erhebliche Risiken entstehen können [vgl. Petzel 2005, S. 75]. Hierzu zählen einerseits projektbedingte und infrastrukturelle Risiken, wie beispielsweise Rechtsrisiken oder Organisationsrisiken. Andererseits können aber auch vom laufenden Outsourcing-Prozess selbst Risiken ausgehen [vgl. Szivek 2004, S. 47 f.].

3.2.4 Interaktion Sourcing-Modell und Partnerwahl

Sourcing-Modelle können nach zwei verschiedenen Betrachtungsebenen unterschieden werden. Die erste Betrachtungsebene gibt Antworten auf die Frage, wie die untersuchten Leistungen beziehungsweise Prozesse überhaupt erbracht werden sollten. Hierbei geht es grundsätzlich darum, welche Prozesse im Unternehmen selbst und welche mittels Outsourcing oder in Kooperation mit einem Partner erbracht werden sollten. Die zweite Betrachtungsebene beantwortet die Frage, mit wem konkret die betrachteten Prozesse abgewickelt werden sollen. Hierbei soll entschieden werden, welcher Kooperationspartner beziehungsweise welcher Leistungserbringer als Partner infrage kommt. Ein weiterer Aspekt der zweiten Betrachtungsebene ist die Entscheidung über die Anzahl der Sourcing-Partner [vgl. Arnold 1996, Sp. 1872].

Da sich erst in den letzten Jahren ein eigener Sourcing-Markt für Banken herausgebildet hat, ist es noch nicht allen Anbietern möglich, die gesamte Leistungspalette anzubieten [vgl. Kearney 2004, S. 16]. Insofern wirkt sich die Auswahl des Sourcing-Partners direkt auf die mögliche Ausgestaltung des Sourcing-Modells und umgekehrt aus. So ist es beispielsweise üblich, dass manche Insourcer die Mitarbeiter, die bisher mit den auszulagernden Abläufen der Bank betraut waren, in ihr Unternehmen übernehmen. Dies ist jedoch nicht mit jedem möglichen Partner zu realisieren. Dieses Beispiel zeigt, welche Interdependenzen zwischen dem Leistungsangebot der einzelnen Insourcer und der Gestaltungsmöglichkeit des Sourcing-Modells der Bank bestehen können [vgl. Schumann/Severidt 2004, S. 295 ff.]. Aus diesem Grund sollte bei Sourcing-Entscheidungen neben der Wahl des Sourcing-Modells auch die „Partnerwahl“ integrativ berücksichtigt werden. Diese Anforderung unterstreicht auch der in Kapitel fünf dieser Arbeit dargestellte Praxisfall des Bankhauses Wölbern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Interaktion zwischen Sourcing-Modell und Partnerwahl
[eigene Darstellung]

3.2.5 Ablauf eines Sourcing-Projekts

Generell unterliegen Sourcing-Projekte keiner einheitlichen Vorgehensweise. Dennoch lassen sich gewisse Phasen erkennen, die für die meisten Sourcing-Entscheidungen kennzeichnend sind. Aufgrund der Interdependenz der einzelnen Phasen werden die Prozessschritte in der Realität selten sequenziell erfolgen [vgl. Krcmar 2005, S. 379].

Der Sourcing-Prozess kann in die drei Phasen Pre-Contract-Phase, Contract-Phase und Post-Contract-Phase unterteilt werden. In der Pre-Contract-Phase werden vier Teilschritte unterschieden: Entscheidung über Outsourcing, Bestimmung des optimalen Zeitpunkts, Bestimmung der Outsourcing-Strategie und die Partnerwahl. In der daran anschließenden Contract-Phase erfolgen dann die eigentlichen Vertragsverhandlungen. Hierbei wird die Leistungsgestaltung in Form von Service Level Agreements (SLA) konkretisiert. Des Weiteren kann eine vertiefende Datenbeschaffung im Rahmen der Due-Diligence durchgeführt werden. Due-Diligence nennt man die detaillierte Prüfung einer Sache durch den Partner, der diese in seinen Geschäftsprozess übernehmen möchte. Konkret handelt es sich hierbei um ein gegenseitiges „Beschnuppern“ der beiden Vertragspartner in der Form, dass sie ihre Bücher einer gegenseitigen Prüfung unterziehen. In der darauf folgenden Post-Contract-Phase erfolgt die Kontrolle der Vertragserfüllung. Treten eventuelle Änderungen in der Leistungsbeziehung auf, werden diese in den Verträgen entsprechend geändert. Die Post-Contract-Phase endet schließlich mit einer eventuellen Auflösung des Vertragsverhältnisses [vgl. Krcmar 2005, S. 379 f.].

Eine Bewertungsmethode beziehungsweise ein Entscheidungsmodell sollte den Sourcing-Prozess umfassend abbilden. Sie sollte dabei nicht nur die Entscheidung selbst begleiten, sondern neben der Unterstützung der Entscheidungsvorbereitung (Pre-Contract-Phase) auch die Möglichkeit bieten, getroffene Entscheidungen langfristig zu kontrollieren (Post-Contract-Phase). Im Rahmen dieser Arbeit sollen die betrachteten Modelle, Ansätze und Techniken aus diesem Grunde auf ihre Anwendbarkeit in den drei vorgestellten Phasen des Projektablaufs untersucht werden.

3.2.6 Bankspezifische Anforderungen

Die bisher betrachteten inhaltlichen Aspekte waren lediglich auf allgemeine Sourcing-Interaktionen bezogen. Im Folgenden werden nun spezifische Aspekte beleuchtet, die es speziell im Financial Sourcing, d. h. im Sourcing bei Banken, zu berücksichtigen gilt.

Rechtliche Rahmenbedingungen und Aufsichtsrecht

Aufgrund ihrer speziellen volkswirtschaftlichen Mittlerfunktion müssen Banken eine Vielzahl rechtlicher Regelungen berücksichtigen. So beklagen Banken seit längerer Zeit die zu hohe Regelungsdichte ihrer Branche, speziell durch aufsichtsrechtliche Regelungen [vgl. Kipker 2005, S. 145]. In den letzten Jahren wurde das Spektrum der Richtlinien in regelmäßigen Abständen um neue Anforderungen erweitert. Die Umsetzung dieser Anforderungen in der Organisation und insbesondere den Datenverarbeitungssystemen verursacht erhebliche Aufwendungen, die sich mit steigender Komplexität nahezu exponentiell entwickelt haben [vgl. Kallewege 2003, S. 16 f.].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Auszug rechtlicher Anforderungen an Banken
[vgl. Kallewegge 2003, S. 17]

Die Auslagerung von Geschäftsprozessen tangiert eine Vielzahl an rechtlichen Regelungen. Entscheidungsträger, die ein Sourcing-Vorhaben steuern, müssen für diese Richtlinien sensibilisiert werden, um sie in ihrem Entscheidungskalkül zu berücksichtigen [vgl. Lackhoff 2003, S. 103 ff.]. Die im Rahmen von Sourcing-Entscheidungen zu beachtenden Regelungen erstrecken sich über die folgenden Rechtsbereiche:

- Allgemeines Vertragsrecht
- Bankenaufsichts- und Wertpapierhandelsrecht
- Datenschutz und Bankgeheimnis
- Gesellschaftsrecht
- Arbeitsrecht
- Steuerrecht
- Sonstige Rechtsgebiete

Einerseits stellen diese Regelungen einen beschränkenden Rahmen für Sourcing-Aktivitäten dar, andererseits können sie aber auch Treiber von Outsourcing-Bemühungen sein. So haben gerade kleinere Banken damit begonnen, Bereiche auszugliedern, die sich aufgrund der hohen aufsichtsrechtlichen Regelungsdichte nicht mehr rentabel „inhouse“ betreiben ließen [vgl. Fuchs 2005, S. 183; Szivek 2004, S. 46 ff.].

Marktumfeld und Geschäftsmodell

Banken verlieren mehr und mehr den Charakter des klassischen Finanzintermediärs. Ihre Geschäftsmodelle befinden sich in einem permanenten Fluss der Transformation. Das sich ändernde Marktumfeld ist hierbei wichtigster Treiber dieser Entwicklung. Der technologische Wandel beseitigt Markteintrittsbarrieren und öffnet dadurch die Märkte für neue Anbieter [vgl. Bernet 2005a, S. 2]. So werden Bankdienstleistungen heute nicht mehr ausschließlich durch Banken selbst, sondern auch durch so genannte Non- und Nearbanks erbracht [vgl. Naujoks/Kinder 2003, S. 51 ff.]. Autokäufe werden beispielsweise nicht mehr, wie bis vor wenigen Jahren üblich, über die eigene Hausbank, sondern direkt bei der konzerneigenen Banktochter des Automobilherstellers finanziert. Diese Tatsache trägt unter anderem maßgeblich dazu bei, dass die Erlöse aus dem Zins- und Provisionsgeschäft in den letzten Jahren bei vielen Banken eingebrochen sind. Weitere Gründe hierfür sind die verminderte Immunisierungsmöglichkeit aufgrund fehlender Differenzierungsmöglichkeiten und eine abnehmende Kundenbindung [vgl. Bernet 2005b, S. 3]. Auf der anderen Seite drückt jedoch auch die steigende Kostenbasis auf die Gewinne. Diese resultiert zu einem großen Teil aus einem neuerlichen Investitionsschub im Bereich der Informationstechnologien. Dieser wurde ausgelöst, um die weitestgehend noch aus den 1990er-Jahren stammenden Kernapplikationen von Banken durch neue Architekturen abzulösen [vgl. Bernet 2005b, S. 2].

Auf diese neuerlichen marktseitigen Herausforderungen haben Banken mit einer verstärkten Fokussierung auf ihr Kerngeschäft, verbunden mit der Optimierung ihrer Wertschöpfungs- und Geschäftsmodelle, reagiert. Die Frage, was die künftige Kernkompetenz einer Bank sein wird, ist nicht eindeutig zu beantworten. Letztendlich wird es künftig nicht „die“ Kernkompetenz geben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine verstärkte Segmentierung der Wertschöpfungskette in der Finanzdienstleistungsbranche stattfinden wird. Dies führt dazu, dass die traditionell monolithische Struktur von Kreditinstituten zugunsten einer modulartigen Bankenlandschaft aufgebrochen wird [vgl. Ade/Moormann 2004, S. 157 f.]. Hierbei wird die ursprüngliche Wertschöpfung auf mehrere Bankentypen verteilt. In der Literatur werden verschiedenste Grundszenarien der künftigen Bankenlandschaft und der damit verbundenen bankenindividuellen Geschäftsmodelle vorgestellt [vgl. Ade/Moormann 2004, S. 156 ff.; Bernet 2003, S. 186 f.; Hamoir et al. 2002, S. 115 ff.]. Abbildung 10 stellt drei mögliche Grundszenarien der künftigen modularisierten Wertschöpfungskette bei Banken dar. Diese werden nach der Anzahl der sich herausbildenden Module unterschieden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Transformation des Geschäftsmodells bei Banken
[eigene Darstellung, in Anlehnung an Ade/Moormann 2004, S. 156 ff.; Bernet 2003, S. 186 f.; Hamoir et al. 2002, S. 115 ff.; Tolkmitt 2004, S. 2]

Sourcing wird künftig ein zentrales Instrument zur Gestaltung der Wertschöpfungsmodelle bei Banken sein. Diese werden, entsprechend ihrer neu definierten Kernkompetenzen, wertschaffende Bereiche insourcen beziehungsweise wertvernichtende Bereiche outsourcen. Bewertungsmethoden sollten diesen dynamischen Entwicklungen Rechnung tragen. Sie müssen einerseits das aus der speziellen volkswirtschaftlichen Schlüsselfunktion von Banken resultierende grundlegende Geschäftsmodell berücksichtigen, andererseits sollten sie aber auch dem permanenten und dynamischen Wandel der Wertschöpfungsmodelle und der damit verbundenen Konzentration in der Bankenbranche gerecht werden.

Bankkunden

Aus dem Geschäftsmodell von Banken resultiert eine spezielle Kundenbeziehung, welche von Diskretion und Vertrauen geprägt ist. Kundenbeziehungen waren schon seit jeher und sind auch heute noch das wichtigste Gut einer Bank [vgl. Caspritz 2001, S. 98]. Dennoch sind Bankkunden in den letzten Jahren viel kritischer und preissensibler geworden als je zuvor. Durch die neuen Medien wurde es ihnen möglich, die ihnen angebotenen Leistungen auf sachlicher Basis zu vergleichen [vgl. Bernet 1995, S. 34]. Dies führt dazu, dass Banken nicht nur ihre Preismodelle, sondern als Konsequenz aus dieser Vergleichbarkeit auch ihr Wertschöpfungsmodell überdenken müssen. Nachdem die meisten Banken ihr Vertriebsnetz bereits stark ausgedünnt haben, stehen nun die internen Bereiche auf dem Prüfstand. Ziel ist es, die Betriebskosten im Produktionsbereich und im Transaction Banking zu senken. Letztendlich hat die Preissensibilität der Kunden dazu geführt, dass viele Banken inzwischen verstärkt Anstrengungen unternehmen, durch neue Sourcing-Modelle diesem Preisdruck standhalten zu können [vgl. Bartmann 2005, S. 13 ff.]. Aus Kostengesichtspunkten scheint Outsourcing also durchaus im Sinne der Kunden zu sein. Auf der anderen Seite bestehen jedoch Befürchtungen bezüglich des Schutzes von Kundendaten. Durch das Outsourcing geht ein Großteil der Arbeitsabläufe und Prozesse auf den Insourcer über. Die Bank nutzt dabei große Teile des Systems des Insourcer und speichert dort wesentliche Daten. Hierzu gehören auch hochsensible Kundendaten, die sich bisher nur im direkten Einfluss- und Zugriffsbereich der Bank befanden. Diese Daten müssen einem besonderen Schutz unterliegen und dürfen durch Outsourcing nicht beeinträchtigt oder gefährdet werden. Obwohl auch die an einen Partner übertragenen Daten den Bestimmungen des Datenschutzes und des Bankgeheimnisses unterliegen, verschlüsseln dennoch bereits viele Banken ihre Kundendaten, bevor sie an den Insourcer übermittelt werden [vgl. Caspritz 2001, S. 98].

3.3 Empirische Studien zum Financial Sourcing

In den vergangenen Jahren haben einige Beratungsgesellschaften empirische Studien zum Thema „Sourcing im Banking“ durchgeführt. Eine Analyse dieser Studien soll helfen, die Hauptgründe für Outsourcing zu ermitteln. Dies ist nicht zuletzt deshalb sinnvoll, weil diese Gründe einen Anhaltspunkt liefern können, welche Anforderungen inhaltlich an Bewertungsmethoden im Financial Sourcing zu stellen sind. Hierdurch können für das im nächsten Schritt zu entwickelnde Kriterienraster inhaltliche Schwerpunkte abgeleitet werden. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über die drei in den jeweiligen Studien meistgenannten Argumente für Outsourcing.

Grundsätzlich lassen sich die genannten Gründe in die drei Dimensionen „Strategie“, „Politik“ und „Kosten“ unterteilen. Die Kostendimension stellt nach Ansicht der Befragten hierbei den gewichtigsten Aspekt für Outsourcing dar. In diesem Zusammenhang werden hauptsächlich die Gründe Kostensenkung, höhere Kostentransparenz und Variabilisierung von Fixkosten angegeben. Diese Argumente decken sich mit den in der Literatur erwähnten Hauptgründen für Outsourcing [vgl. hierzu beispielhaft Schrauth 2004, S. 58]. Auf der strategischen Ebene sind die Fokussierung auf Kernkompetenzen beziehungsweise die Trennung von Geschäftsbereichen, die nicht als Kernkompetenz identifiziert wurden, die bedeutendsten Argumente. Als weiterer wichtiger Aspekt werden politische Gründe genannt. „Politik“ bezieht sich hierbei einerseits auf Politik innerhalb der betreffenden Bank selbst, andererseits aber auch auf politische Verknüpfungen innerhalb der Branche beziehungsweise innerhalb des jeweiligen Bankenverbands [vgl. Kearney 2004, S. 11].

Aufgrund der starken Präsenz von Kostengesichtspunkten sowie strategischen und politischen Aspekten werden die Kriterien „Erfolgsmessung“ und „Business Engineering“ des im nächsten Abschnitt dargestellten Kriterienrasters einer vertiefenden Untergliederung unterzogen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Übersicht Sourcing-Studien im Banking

3.4 Ableitung des Kriterienrasters

Die im bisherigen Verlauf der Arbeit hergeleiteten Anforderungskriterien werden nun zu einem Kriterienraster verdichtet. Die Ableitung der Kriterien erfolgt entsprechend der Gliederung der Abschnitte 3.1 und 3.2. So werden beispielsweise die bankspezifischen Anforderungen (Abschnitt 3.2.6) im Kriterium „Financial Sourcing“ zusammengefasst. Anhand dieses Rasters werden die im weiteren Verlauf darzustellenden Ansätze, Techniken und Modelle beurteilt und analysiert. Die einzelnen Kriterien werden gemäß Tabelle 2 bewertet. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die drei Erfüllungsgrade „Kriterium vollständig erfüllt“, „Kriterium teilweise erfüllt“, und „Kriterium nicht erfüllt“ unterschieden. Eine unterschiedliche Gewichtung der verschiedenen Anforderungskriterien erfolgt nicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Kriterienraster

[...]

Ende der Leseprobe aus 114 Seiten

Details

Titel
Ansätze zur Bewertung im Financial Sourcing
Hochschule
Universität Hohenheim  (Institut für Wirtschaftsinformatik/ Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen)
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
114
Katalognummer
V85344
ISBN (eBook)
9783638907170
ISBN (Buch)
9783638911313
Dateigröße
1078 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ansätze, Bewertung, Financial, Sourcing
Arbeit zitieren
Dipl. oec. Roman Simschek (Autor:in), 2005, Ansätze zur Bewertung im Financial Sourcing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/85344

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ansätze zur Bewertung im Financial Sourcing



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden