Fiktionalität als rhetorisches Mittel


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

18 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zu Wolfgang Hildesheimer

3 Mimesis in der Literatur

4 Fiktionale und faktuale Texte
4.1 Erkenntnistheoretische Begriffsunterscheidung von Faktizität und Realität
4.2 Fiktionaler Text
4.3 Faktualer-Text
4.4 Hinweise auf fiktionalen- oder faktualen Text
4.5 Auswirkungen fiktionaler Texte auf die Realität ihrer Leser und Hörer

5 Biografie und Konstruktion sozialer Wirklichkeit

6 Hildesheimers Stellungnahme zu Marbot

7 Fazit

8 Literatur

1 Einleitung

Wolfgang Hildesheimer hat, nachdem er bereits die 1977 erschienene Biografie von Wolfgang Amadeus Mozart veröffentlichte, 1981 das Werk: „Marbot. Eine Biographie“ herausgebracht. Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei tatsächlich um keine Biografie des Sir Andrew Marbot, sondern um einen Roman.

In dieser Hausarbeit werde ich der Frage nachgehen, was die Absicht von Hildesheimer gewesen sein könnte, eine fiktive Biografie zu schreiben und diese als faktualen Text zu emittieren. Dabei werde ich nicht inhaltlich auf das Werk eingehen. Mir geht es tatsächlich rein um den Effekt des rhetorischen Einsatzes des fiktionalen Textes. Es sei an dieser Stelle festgestellt, dass die Leser von Hildesheimers „Marbot“ durch die bewusste Bezeichnung des Werkes als Biografie getäuscht wurden. Diese mussten annehmen, dass die Figur Sir Andrew Marbot wirklich existiert hat.

Zur Hinführung zu der Problematik werde ich ein Kapitel darauf verwenden die allgemeine Bedeutung der Mimesis in der Literatur darzustellen.

Um die Komplexität und den Reiz des Gegenstands der Biografie, nämlich die Beschreibung des Lebens eines Menschen, zu demonstrieren, werde ich das Thema aus sozialwissenschaftlicher Perspektive skizzieren.

Mithilfe der „Zeitschrift für Literatur“ aus dem Jahre 1989/90 mit dem Titel: „Wolfgang Hildesheimer“ werde ich Hildesheimers Beweggründe für das Täuschungsmanöver des Emittierens der fiktiven Biografie aus seiner Sicht darstellen.

2 Zu Wolfgang Hildesheimer

Wolfgang Hildesheimer wurde am 9-Dezember-1916 als Sohn jüdischer Eltern in Hamburg geboren. Er lebte in Hamburg, Berlin, Cleve, Njimegen (Niederlande) und Mannheim bis er 1933 nach Palästina emigrierte. Zwischen 1934 und 1937 absolvierte er eine Tischlerlehre und nahm darüber hinmaus Unterricht in Möbeldesign und Innenarchitektur. Anschließend studierte er in London bis 1939 Malerei und Bühnenbildnerei an der „Central School of Arts and Crafts“. Nach darauffolgenden Tätigkeiten als Englischlehrer am „British Council“ in Tel Aviv und Informationsoffizier in Jerusalem wirkte er bei den Nürnberger Prozessen (1946-1949) als Simultanübersetzer und später als Redakteur. 1950 tritt Hildesheimer der Gruppe 47 (Forum für literarische Diskussion) bei. Nach einigen Jahren am Starnberger See siedelte er 1957 ins schweizerische Poschiavo (Graubünden). Dort verstarb er am 21-August-1991. Seit seiner ersten Erzählung, die 1950 in der Süddeutschen Zeitung erschien, veröffentlichte er zahlreiche literarische Werke und Hörspiele, wirkte an Fernsehspiel und Theaterstücken mit und stellte Zeichnungen und Collagen aus. Besonders möchte ich zum einen die 1977 erschienene Biografie von Wolfgang Amadeus Mozart, welche der Mozart-Forschung neue Impulse gab und wegen fiktiver Elemente in die Kritik geriet, erwähnen. Zum anderen ist zu erwähnen, dass Hildesheimer 1982 den Literaturpreis der schönen Künste für das 1981 erschienene Werk, „Marbot. Eine Biographie“, erhielt.

(vgl. Köster 2006/Suhrkamp Verlag 2006)

3 Mimesis in der Literatur

An dieser Stelle soll auf die Mimesis als poetologische Kategorie eingegangen werden. Dabei wird weder der Anspruch verfolgt, die Bedeutung dieser Kategorie für die Literatur der verschiedenen Epochen gänzlich zu beleuchten, noch werde ich differenziert auf die Entwicklung der weitreichenden semantischen Bedeutung von „Imitatio“ eingehen. Durch dieses Kapitel soll lediglich verdeutlicht werden, dass es zu allen Zeiten als eine besondere Herausforderung der Literatur galt, die Natur in ihrer Gänze, also nicht nur das Tatsächliche, die empirische Wirklichkeit, sondern ebenfalls das Mögliche darstellen zu können.

„Die Mimesis (älteres Griechisch μίμησις, „die Nachahmung“, heute μίμηση, mímisi) bezeichnet das Vermögen, mittels einer körperlichen Geste eine Wirkung zu erzielen. Mimesis heißt eigentlich nicht Nachahmung, sondern Vorahmung. Für den Romanisten Erich Auerbach ist die Mimesis die "Interpretation des Wirklichen durch die literarische Darstellung". - Im Gegensatz dazu steht die Diegesis (griechisch διήγησις), das Zeigen und Erzähle.“ (Wikipedia 2006).

Innerhalb der deutschen Literaturgeschichte wird der Nachahmungsgedanke bereits bei Martin Opitz (1597-1639), dem Begründer der schlesischen Dichterschule, thematisiert.

Das ferner die Poeten mit der warheit nicht allzeit vbereinstimmen / ist zum theil oben deßenthalben Vrsache erzehlet worden / vnd soll man auch wissen / das die gantze Poeterey im nachäffen der Natur bestehe / vnd die dinge nicht so sehr beschreibe wie sie sein / als wie sie etwan sein köndten oder sollten.“ (Opitz 1624, S. 350, zitiert nach Petersen 2000, S. 137)

Martin Opitz greift dabei auf die Worte Aristoteles zurück, aus dessen Sicht die Poetik die Wirklichkeit auch unter dem Aspekt der Möglichkeit und nicht nur der Wirklichkeit erörtert. (vgl. Petersen 2000, S. 138)

Seit der römischen Antike ist die Imitatio im literarischen Bewusstsein Mitteuropas fest etabliert und wird seit dem als eine Kategorie der Rhetorik eingeordnet. Im Verlauf der Geschichte und der Epochen entwickelt sich die Bedeutung der Imitatio als poetologische Kategorie aber unterschiedlich.

In der Spätantike und im Mittelalter verliert sie, da durch das Christentum moralische, theologische und religiöse Probleme in den Vordergrund traten, an Bedeutung. Dadurch wurden poetologische Überlegungen und Kontroversen verdrängt. Die angemessene Vermittlung der „rechten Lehre“ erlaubte keine rhetorisch-poetische Imitatio.

Durch die Verabschiedung des Mittelalters durch Renaissance und Humanismus wird das literarische Imitatioprinzip neu entdeckt (vgl. ebd. S. 81ff.).

Im Rationalismus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Poetik durch Begriffe wie, „Verstand“, „Vernunft“ und „Geist“ geprägt. Die Realität, die empirische Wirklichkeit und die Natur galten als Maßstab für das Denken und für die Dichtung. Doch auch für Rationalisten stellte die Natur nicht den Inbegriff des Vorhandenen, sondern nur ein Muster vernünftiger Ordnung dar, der in der Dichtung nicht durch die Beschreibung des einzelnen „Dings“ nachzukommen sei (vgl. ebd. S. 171). Unter der Verwendung des Begriffs Wahrscheinlichkeit im Sinne von „Schein der Wahrheit“ also als Naturnachahmung unterscheidet Gottsched die unbedingte Wahrscheinlichkeit, nämlich die „Aehnlichkeit des Erdichteten, mit dem, was wirklich zu geschehen pflegt“ (Gottsched 1730, S. 198, zitiert nach Petersen 2000, S. 176), von der bedingten „hypothetischen Wahrscheinlichkeit“, welche von bestimmten Bedingungen abhängig ist. Um diese hypothetische Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen, darf sich der Poet partiell ausgedachten Figuren und partiell ausgedachter Handlungen bedienen. Gottsched setzt aber voraus, dass der Poet in dem Fall die Voraussetzung, die zur Gültigkeit seiner Darstellung gelten muss, nennt. Somit gilt die bekannte Formel, mit der z.B. ein Märchen beginnt: Es war einmal eine Zeit …, als erforderlicher Hinweis auf fiktive Elemente (vgl. Gottsched 1730, S. 200, zitiert nach Petersen 2000, S. 176).

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Fiktionalität als rhetorisches Mittel
Hochschule
Private Fachhochschule für Wirtschaft und Technik Vechta-Diepholz-Oldenburg; Abt. Vechta  (Anglistik und Germanistik)
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V55492
ISBN (eBook)
9783638504195
ISBN (Buch)
9783638902595
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit wurde im Rahmen eines Hauptseminares in Germanistik geschrieben. Darin wird Fiktionalität als rhetorisches Mittel betrachtet. Anhand von Hildesheimers "Marbot" wird exemplarisch untersucht, welches Ziel der Autor mit der Verwendung von Fiktionalität als rhetorisches Mittel verfolgt und welche Wirkung dieses beim Rezipienten erzeugen kann.
Schlagworte
Fiktionalität, Mittel
Arbeit zitieren
Axel Kelm (Autor:in), 2006, Fiktionalität als rhetorisches Mittel , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/55492

Kommentare

  • Angelika Otto am 1.10.2010

    Leider bin ich von dieser Hausarbeit sehr enttäuscht. Sie ist tendenziell oberflächlich und berührt das eigentliche Thema, auf welches der Titel verweist, nur am Rande. Auch stilistisch entspricht sie nicht meinen Erwartungen an eine Hauptseminarsarbeit.

Blick ins Buch
Titel: Fiktionalität als rhetorisches Mittel



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