Canis Lupus Therapeuticus und anderes Getier

Möglichkeiten und Grenzen tiergestützter Therapie und Pädagogik auf der Basis bindungstheoretischer Erkenntnisse


Diplomarbeit, 2007

80 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Die Mensch-Tier-Beziehung
1. 1 Die Historie der Mensch-Tier-Beziehung mit Bezugnahme auf die Domestikation des Haushundes
1.2 Die Biophilie-Hypothese
1.3 Der Begriff der Du–Evidenz
1.4 Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier
1.5 Die Bindungstheorie
1.5.1 Darstellung der Bindungstheorie
1.5.2 Die Fremden Situation und das Erwachsenen–Bindungsinterview (AAI)
1.5.3 Die Entstehung von Bindungsqualität
1.5.4 Die Psychobiologie des Bindungsverhaltens bei Mensch und Tier

2 Tiergestützte Therapie und Pädagogik
2.1 Die Historie der tiergestützten Arbeit
2.2 Erklärung verschiedener Begriffe der tiergestützten Arbeit
2.2.1 Tiergestützte Aktivitäten (AAA, Animal-Assisted-Activities)
2.2.2 Tiergestützte Erziehung/Pädagogik (AAE, Animal-Assisted-Education/AAP, Animal-Assisted-Pedagogy)
2.2.3 Tiergestützte Therapie (AAT, Animal-Assisted-Therapy)
2.3 Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes verschiedener Spezies in der tiergestützten Arbeit
2.3.1 Allgemeine Auswahlkriterien der Tiere
2.3.2 Hunde
2.3.3 Katzen
2.3.4 Nagetiere
2.3.5 Vögel und Fische
2.3.6 Pferdeartige
2.3.7 Nutztiere
2.3.8 Kameliden
2.3.9 Delfine
2.4 (Aus-) Wirkungen der tiergestützten Arbeit
2.4.1 Physische Auswirkungen
2.4.2 Psychische Auswirkungen
2.4.3 Soziale Auswirkungen

3 Möglichkeiten und Auswirkungen des Einsatzes tiergestützter Arbeit in ausgewählten Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit
3.1 Die Auswirkungen des pädagogischen Einsatzes von Tieren auf die Arbeit mit Kindern
3.2 Der Einsatz von Tieren bei Arbeit mit Senioren
3.3 Behinderte Menschen und der Einsatz von Tieren
3.4 Möglichkeiten der Tiergestützten Arbeit in der Therapie
3.5 Die Resozialisation von Strafgefangenen unter zur Hilfenahme der Tiergestützten Arbeit
3.6 Probleme und Grenzen beim Einsatz tiergestützter Arbeit
3.6.1 Artgerechte Tierhaltung und Tierschutz
3.6.2 Ausbildung
3.6.3 Kontraindikationen
3.6.4 Grenzen der tiergestützten Arbeit

4 Zusammenfassung der Ergebnisse

Abkürzungsverzeichnis

Bibliografie

Abstract

Einleitung

Egal ob Hund, Katze, Vogel oder Pferd – Haustierhaltung und tiergestützte Arbeit bedeuten einen Zuwachs an Lebensqualität. Dass die Nähe zu Tieren heilen hilft, ist inzwischen wissenschaftlich bewiesen. Viele Studien belegen den positiven Einfluss des Einsatzes von Tieren im therapeutischen, pädagogischen und sozialen Bereich, aber reicht alleine die Anwesenheit eines Tieres für die pädagogische, soziale oder therapeutische Wirkung beim Klienten[1] aus oder liegt der „heilende Moment“ in der Beziehung zwischen Mensch und Tier, vergleichbar mit einer Bindung zwischen Mutter und Kind, so wie Bowlby sie in der Bindungstheorie darstellt, und welche Faktoren bedingen den Erfolg des Einsatzes eines „tierischen Co – Therapeuten“ in der Sozialen Arbeit?

Zudem gibt es neben den auch in den Medien immer stärker betonten positiven Ef­fekten des Tieres auf den Menschen noch eine andere Seite. Die tiergestützte Arbeit birgt sowohl Vor- wie auch Nachteile und weist Grenzen bzgl. ihrer Einsatzmöglich­keiten auf.

In der vorliegenden Arbeit sollen die Möglichkeiten und Grenzen tiergestützter The­rapiearbeit unter bindungstheoretischen Gesichtspunkten betrachtet und deren Er­folge erklärt werden. Teilweise bin ich weniger differenziert auf die verschiedenen psychologischen Prozesse und Wirkungsweisen eingegangen. Dies hätte ich mir tief­gründiger gewünscht, hätte aber den vorgegebenen Rahmen der Arbeit gesprengt.

Zunächst werden die Grundlagen der Beziehung und Kommunikation zwischen Mensch und Tier dargelegt. Als theoretische Basis wird sodann die Bindungstheorie en detail erläutert.

Das zweite Kapitel befasst sich mit der tiergestützten Arbeit. Es werden die Ur­sprünge und Voraussetzungen derselben erläutert und ihre Wirkweise erklärt.

Im dritten Kapitel werden die Einsatzmöglichkeiten der tiergestützten Arbeit und ihre Grenzen aufgezeigt.

Zum Abschluss werden dann die gewonnenen Ergebnisse und Betrachtungen der Wirkweise der Mensch-Tier Beziehung unter entwicklungspsychologischen Aspek­ten und die Möglichkeiten und Grenzen tiergestützter Arbeit und ihres Einsatzes im sozialen, pädagogischen und therapeutischen Bereich zusammengefasst.

1 Die Mensch-Tier-Beziehung

„Wer kein Haustier besitzt, sieht es meist als Luxus, eine Laune oder ein Spielzeug an und versteht nicht, welch außerordentliches Interesse man ihm entgegenbringt. Das Tier, ob klein oder groß, ist eine Quelle des Vergnügens und wird dem Men­schen immer nützlich sein (...). Die Nützlichkeit hat nur insofern einen Wert, als sie Vergnügen bringt oder Schmerz lindert“ ( Bercovitch 2001, S. 55).

Was hat es mit der Beziehung zwischen Mensch und Tier auf sich?

Um den Erfolg des Einsatzes von Tieren in der Pädagogik und Therapie zu verste­hen, muss zuerst verstanden werden, was es mit der Verbundenheit von Mensch und Tier auf sich hat. Aus diesem Grund werde ich die Mensch-Tier Beziehung in diesem Kapitel sehr ausführlich behandeln.

Im Folgenden soll zunächst die Frage geklärt werden, welcher Art die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist und ob es sich hierbei um eine Bindung im Sinne der Bindungstheorie handelt. Auch sollen die Faktoren beleuchtet werden, die eine Rolle in der Beziehung zwischen Mensch und Tier spielen.

Hierzu werde ich in den nächsten Abschnitten die Grundlagen der Mensch-Tier-Be­ziehung darstellen und dafür zuerst die Historie der Mensch-Tier Beziehung sowie die Ursprünge der Domestikation – mit besonderem Augenmerk auf dem Hund – erläutern. Danach werde ich die Biophilie–Hypothese von Wilson präsentieren und sodann den Begriff der Du–Evidenz erklären. Anschließend gehe ich auf die Kom­munikation zwischen Mensch und Tier ein. Im letzten Punkt schließlich wird die Bindungstheorie ausführlich vorgestellt, u. a. mit einem psychobiologischen Ver­gleich der Bindungsprozesse bei Mensch und Tier.

1. 1 Die Historie der Mensch-Tier-Beziehung mit Bezugnahme auf die Domestikation des Haushundes

Das Tier wurde vom Menschen mal vergöttert, mal verachtet, aber schon immer ist es Dialogpartner des Menschen gewesen. So ist die Beziehung des Menschen zum Tier sowie dessen Stellung und Nutzung ein Abbild seiner kulturellen und sozialen Entwicklung gewesen. Entsprechend gestaltet sich auch die Haltung des Menschen gegenüber dem einzelnen Tieres und seiner Spezies. In den Hochkulturen hatten die Haustiere folglich immer einen sehr hohen Stellenwert, was sich in der Zucht vieler unterschiedlicher Hunderassen und auch der verstärkten Zucht und Haltung von „Schoßhunderassen“ zeigte, welche in schlechteren Zeiten wieder verschwanden (vgl. Otterstedt 2003, S. 15). Demzufolge ist „das Verhalten zwischen Mensch und Tier (...) immer ein Spiegel der menschlichen Kultur und des Umganges des Men­schen mit sich selbst“ (Otterstedt 2001, S. 121).

Der Prozess der „Haustierwerdung“ wird als Domestikation bezeichnet. Es handelt sich um einen Jahrtausende währenden Prozess, der mit einer genetischen Verände­rung der Tiere einhergeht und nichts mit der Zähmung von Wildtieren zu tun hat. Durch die isolierte Haltung von Wildtiergruppen und deren gezielte und damit selek­tive Vermehrung kommt es zu einer Veränderung des Genpools. Das heißt, die na­türliche Selektion dieser isoliert gehaltenen Gruppen wird durch eine künstliche, vom Menschen herbeigeführte Selektion ersetzt. So kam und kommt es zu einer vom Menschen gewünschten genetischen und damit verbundenen morphologischen, phy­siologischen und psychologischen Veränderung der domestizierten Tiere im Ver­gleich zur Wildart (vgl. Feddersen-Petersen 1989, S. 27 f.).

Für die Domestikation eigneten sich nur wenige Tierarten. Einerseits mussten die Tiere einfach zu halten und zu vermehren sein, einen Nutzen für den Menschen ha­ben und grundsätzlich einer Versorgung nicht abgeneigt und nicht scheu oder aggres­siv gegenüber dem Menschen sein. Dazu boten sich Herdentiere wie Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde sowie Schweine an. Auch Enten, Hühner und Gänse entsprachen die­sen Anforderungen (vgl. Sheldrake 1999, S. 30).

Obwohl der Wolf nicht alle der oben genannten Bedingungen erfüllte, wurde seine domestizierte Form, der Hund, das erste „Haustier“[2] des Menschen.

Die Domestikation des Hundes begann in der Zeit zwischen 12.000 und 10.000 v. Chr., was anhand von verschiedenen Funden belegt werden kann. Das bisher älte­ste Fundstück ist der Unterkieferknochen eines Haushundes, der in Oberkassel ge­funden und auf ein Alter von 14.000 Jahren geschätzt wird. Die Domestikation von anderen Haustieren wie Ziege, Schaf, Kuh, Schwein u. a. erfolgte seit dem Beginn des 8. Jahrtausend v. Chr. nach und nach.

Es besteht die Annahme, dass der Wolf dem Menschen zunächst als Nahrung diente. Aber als Fleischfresser war er gleichzeitig Nahrungskonkurrent. Somit konnte dies nicht die einzige Ursache für seine Zucht und Haltung sein.Vermutlich spielte das ausgeprägte Sozialverhalten des Wolfes die größte Rolle für dessen Domestikation. Menschen wie Wölfe leben in Gruppen und haben eine ähnliche soziale Organisati­onsform (vgl. Feddersen-Petersen 1989, S. 28). Sowohl der Hund als auch der Mensch sind soziale Lebewesen. Beide Arten können nur deshalb in einer solchen Nähe miteinander und mit ihren Artgenossen leben, weil sie ähnliche soziale Bedürf­nisse haben und sich aus diesem Grund intuitiv verstehen (vgl. Heidenberger 2004, S. 90).

Im Zuge der Domestikation wurde der Mensch Hauptsozialpartner für die meisten Hunderassen (vgl. Feddersen-Petersen 1992, S. 175). Der Hund passt sich in die menschliche Familie ähnlich ein wie in ein Rudel von Artgenossen und sicherlich führt dies zu der großen Vertrautheit zwischen Mensch und Hund. Es entsteht ein wechselseitiges Verhältnis, in dem sich beide Partner gegenseitig beeinflussen.

Inzwischen hat sich die „Nutzung“ der Haustiere grundlegend geändert. Eine ameri­kanische Studie von Voith (1985) ergab, dass die meisten Haustierhalter in der mo­dernen Gesellschaft der Industrienationen ihre Tiere nicht mehr als „Nutztiere“, son­dern als Familienmitglieder halten, und dass deren primärer Zweck im sozialen Be­reich liegt (vgl. Askew 1997, S. 7).

1.2 Die Biophilie-Hypothese

Die Biophilie, eine auf der Evolutionstheorie basierende Theorie wurde von dem Soziobiologen Edward O. Wilson in seinem 1984 erschienenen Buch „Biophilia: The human Bond with Other Species“ vorgestellt. Die Hypothese besagt, dass dem Menschen eine besondere Affinität zur evolutionsbedingten Vielfalt der Formen des Lebens angeboren ist, die nach wie vor biologisch präsent ist. Wilson stellt fest, dass sich die Menschen im Verlauf der Evolution gemeinsam mit anderen Lebewesen entwickelt haben und dass sie so vermutlich eine biologisch fundierte Zuneigung zum Leben und zur Natur ausgebildet haben. Evolution bedeutet aber nicht nur eine Weiterentwicklung von morphologischen oder physiologischen Merkmalen, sondern auch eine Weiterentwicklung von sozialen oder psychischen Prozessen wie der Bin­dung oder dem archetypischen Erleben.

Kellert (1997) analysiert die Biophilie in der menschlichen Evolution und der Bio­grafie. So definiert er Biophilie als „eine psychische, emotionale und kognitive Hin­wendung zu Leben und Natur“ (Kellert, zit. n. Olbrich 2001, S. 5). Wilson und Kellert betonen in ihrem 1993 erschienen Sammelwerk, dass Menschen das Bedürf­nis haben, mit der belebten und unbelebten Natur in Verbindung zu treten. Diese Verbundenheit kann sich in Verwandtschaft, Neugierde, Empathie, Wertschätzung, gegenseitiger Hilfe, Nutzung, aber auch Angst und Furcht vor dem Andersartigen ausdrücken (vgl. Olbrich 2001, S. 5). Auch heute ist es kein Luxus, Beziehungen zur Natur und zu Tieren einzugehen. Mutmaßlich ist es sogar notwendig für eine geistige und emotional gesunde Entwicklung. Denn Beobachtungen haben gezeigt, dass sich Menschen, die in einer nur urban und technologisch geprägten Umwelt aufwachsen, nicht vollständig emotional und kognitiv entwickeln können (vgl. Olbrich 1998, S. 118). Nach Rene Dubos ist „(...) der Kult um Wildnis kein Luxus; er ist notwendig zur Bewahrung unserer geistigen Gesundheit (...). Wir müssen die Vielfalt und die Harmonie in der Natur erhalten, und sei es auch nur aus egoistischen Gründen“ (Dubos zit. n. Beetz 2000, S. 12).

In Sinne der Biophilie sind die positiven Effekte von Tieren so zu verstehen, dass sie unsere Lebenssituation ergänzen oder auch vervollständigen. Sie tragen zur Schaf­fung einer „evolutionär bekannten“ Situation bei. Dementsprechend zeigen sich die deutlichsten Effekte der Anwesenheit von Tieren in Form von Einflüssen im sozialen Bereich (vgl. Olbrich 2003, S. 76).

1.3 Der Begriff der Du–Evidenz

Der Begriff der Du-Evidenz bezeichnet die Möglichkeit einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen Mensch und Tier, die einer innerartlichen Beziehung ähnlich sind (vgl. Greiffenhagen 1993, S. 26). Die ist gleichzeitig die Voraussetzung für den therapeutischen bzw. pädagogischen Einsatz von Tieren.

Die Du-Evidenz gelingt zwischen dem Menschen und den für ihn ausdrucksfähigen Tierarten, deren Emotionen wie Wut, Freude, Trauer, um nur einige zu nennen, er an ihrem Ausdrucksverhalten (wieder-) erkennen kann.

Bevorzugt werden vom Menschen Tierarten, die in ähnlich organisierten sozialen Verbänden wie der Mensch leben und folglich auch das Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung haben, also ihre emotionalen und sozialen Grundbedürfnisse in der Be­ziehung mit dem Menschen stillen können. Hierzu gehören besonders die Säugetier­arten, welche in Gruppen, Rudeln, Familien u. ä. leben, und von diesen insbesondere die domestizierten Haustiere (Bauer o. J., S. 7). Anscheinend hat schon immer eine tiefe emotionale und soziale Beziehung zwischen Mensch und Tier bestanden, wel­che im Domestikationsprozess bestimmter Arten einen weiteren Schritt auf der Leiter des engeren Zusammenlebens erklommen hat.

Der Mensch gibt seinem Tier einen Namen, um ihn so aus der Masse seiner Artge­nossen hervorstechen zu lassen. Deshalb wird das Tier für ihn zu etwas Besonderem. Er sieht in ihm einen Kameraden und schätzt ihn Wert als seinen Dialogpartner (vgl. Otterstedt 2001, S. 17).

1.4 Die Kommunikation zwischen Mensch und Tier

In unserer „menschlichen Welt“ nimmt die digitale Kommunikation einen zentralen Raum ein. Gerade am Telefon, in E-Mails, Briefen u. ä. sind die analogen Anteile der Kommunikation nicht zu klassifizieren und können zu Missverständnissen beim Empfänger führen. Ähnliches geschieht bei Double-Bind-Botschaften[3]. Dabei sendet der Sender inkongruente Nachrichten an den Empfänger, welche vom Empfänger oft nicht adäquat verstanden werden können. Insofern ist der von Angesicht zu Ange­sicht stattfindende Nachrichtenaustausch der verständlichste, da sowohl die verbal-digitale als auch die nonverbal-analoge Kommunikation vom Empfänger parallel empfangen werden können (vgl. Förster 2005, S. 23 f.).

Watzlawick unterscheidet digitale und analoge Kommunikation. Bei der digitalen Kommunikation ist die Beziehung zwischen dem Wort und dem ausgedrückten Ge­genstand zufällig oder auch unwillkürlich gewählt. Es besteht eine semantische Übereinstimmung zwischen Gegenstand und Wort - ähnlich wie bei der Digitalisie­rung eines Computers. Dahingegen drückt die analoge Kommunikation immer auch die Beziehung zum Objekt aus. Sie hat ihre Wurzeln in archaischen Entwicklungspe­rioden und besitzt damit eine allgemeinere Gültigkeit. Sie ist nonverbal, nutzt Gestik, Mimik, Stimmmodulation, Rhythmus u. a. und ist unverfälscht.

Menschen benutzen beide Kommunikationsarten parallel, wobei der Schwerpunkt auf der digitalen Form, der Wissensvermittlung liegt. Die analoge Kommunikation haben wir trotz aller Veränderung im Verlauf der Phylogenese von unseren tierischen Vorfahren behalten und nutzen sie vor allem im weiten Bereich der (sozialen) Bezie­hungen (vgl. Watzlawick/ Beavin/Jackson 1969, S. 62 f.). Sie verläuft immer noch auf gleiche Art und Weise wie bei unseren Vorfahren und ist ein zentrales Moment, welches Kultur und vermutlich auch Spezies übergreifend existiert. Wir benötigen die analoge Kommunikation um Empathie auszudrücken. Es ist nicht der bloße Be­sitz des Tieres, welcher empathisch macht, „sondern es ist die durch Interaktion an­geregte Fähigkeit zum Mitschwingen, aber auch zum Mitleiden mit anderen Lebewe­sen, die Fähigkeit, zum leidenschaftlich miteinander - Leben“ (Olbrich 1998, S. 119).

Mitschwingen und Mitleiden sind emotionale Formen des Lebens. Sie laufen primär in tieferen emotionalen Schichten der Person[4] ab. Es besteht keine Abhängigkeit von der kognitiven Schicht der Kontrolle (Olbrich 1998, S. 119).

Die analoge Kommunikation ist auch die frühe Sprache von Beziehungen. Ein Säug­ling kann in den ersten Entwicklungsstadien nur auf analoger Ebene mit seinen Be­zugspersonen kommunizieren (vgl. Olbrich 2003, S. 85). Er teilt ihnen nicht nur mit, wann er Hunger oder Durst hat und wie er sich fühlt, sondern vor allem drückt er seinen Wunsch nach Beziehung aus. Somit stellt die analoge Kommunikation die Voraussetzung für den Bindungsaufbau der Mutter–Kind-Beziehung dar.

Watzlawick unterscheidet den Inhalts- und den Beziehungsaspekt von Nachrichten. Dabei ist der Inhaltsaspekt gleichbedeutend mit der Information, dem Sachinhalt der Nachricht, welcher wahr oder falsch sein kann.

Der Beziehungsaspekt der Nachricht wird gleichzeitig mit dem Inhaltsaspekt an den Empfänger gesendet. Er sagt etwas über die Beziehung zwischen dem Sender und dem Empfänger aus. Der Sender gibt damit eine persönliche Stellungnahme an die Adresse des Empfängers ab. Der Beziehungsaspekt wird im Gegensatz zum Inhalts­aspekt analog übermittelt (Watzlawick/Beavin/Jackson 1969, S. 53). Daraus ist zu folgern, dass eine nonverbal-analoge Kommunikation auch ohne die gleichzeitige verbal-digitale Form stattfinden kann. Umgekehrt ist dies bei einem direkten Kontakt zwischen Sender und Empfänger nicht möglich!

Bei Begegnungen zwischen Mensch und Tier treffen verschiedene Spezies mit Un­terschieden in Kommunikation und Verhalten aufeinander. Sie können jedoch nach Watzlawick ‘nicht nicht’ miteinander kommunizieren, denn sobald zwei Lebewesen aufeinandertreffen, treten sie miteinander in Beziehung (vgl. Watzla­wick/Beavin/Jackson 1969, S. 51).

In der Tierwelt wird über drei wichtige Kanäle kommuniziert: visuell, olfaktorisch und akustisch. Diese werden auch im Dialog mit dem Menschen eingesetzt. Das Tier kombiniert die Signale zu komplexen Botschaften. Der Mensch reagiert bei der Kontaktaufnahme durch ein Tier emotional und antwortet auf die Signale des Tieres. Beide verstehen die Signale des anderen, sie können sich miteinander verständigen (vgl. Otterstedt 2001, S. 170 ff.).

Haustiere lernen sehr schnell die Gestik und Mimik des Menschen zu deuten. Sie reagieren sensibel auf die Körperhaltung ihres Gegenübers. Daneben gibt es ein ge­meinsames Repertoire körpersprachlicher Ausdrucksweisen im Sozialkontakt zwi­schen Mensch und Tier (vgl. Otterstedt 2001, S. 179). Hunde verstehen auch ohne Dressur das Ausdrucksverhalten des Menschen - besser als Wölfe oder andere Tiere. Sie sind dadurch die „geborenen“ Haustiere und vermutlich deshalb auch am besten geeignet als therapeutische und pädagogische Helfer des Menschen (vgl. Heidenber­ger 2004, S. 90).

In der Kommunikation mit dem Tier ist der Mensch gezwungen, analoge Nachrich­ten zu senden. So kommt er an die tieferen Schichten seiner Persönlichkeit, an seine innere Realität heran. Das Tier antwortet auf die analogen Anteile und verlangt von der Person eine „stimmige Bezogenheit“. Dadurch wird die Wahrnehmung des Sub­jekts gesteigert, die verschiedenen Ebenen in sich selbst bewusst wahrzunehmen und zu integrieren. Indem paradoxe Kommunikation vermieden wird, wird die Kongru­enz zwischen den Kommunikationspartnern verbessert (vgl. Olbrich 2003, S. 87).

So kann die Begegnung zwischen Mensch und Tier für die Person hilfreich sein, die verschiedenen Ebenen der Kommunikation stimmig zu integrieren und dies auch auf Begegnungen mit anderen Menschen zu übertragen. „Das Verhalten des Empfängers zeigt nicht nur den Erfolg des Mensch-Tier-Dialoges, es läßt auch Rückschlüsse auf die Qualität von Ausdruck und Appell und damit die Kommunikationsfähigkeit im Sinne des pädagogischen bzw. therapeutischen Konzepts zu“ (Otterstedt 2003, S. 93). Das Tier gibt eine Rückmeldung des Zwiegesprächs zwischen ihm selbst und dem Menschen in Form einer Gegenübertragung[5].

Bezogenheit wird durch analoge Kommunikation ausgedrückt. Sie tritt in der Ver­ständigung mit kleinen Kindern, dementen alten Menschen, manchen psychiatrischen Patienten, vielen Menschen mit Behinderung und zwischen Liebenden zu Tage. Auch in der Kommunikation zwischen Menschen und Tieren wird sie ausgedrückt oder durch die bloße Anwesenheit von Tieren angeregt (vgl. Olbrich 2003, S. 86).

Die Bezogenheit zu Mitmenschen, Mitlebewesen und der Umwelt ist eine Vorausset­zung für die menschliche Entwicklung, wie Wilson in seiner Biophilie-Hypothese betont.

Diese Bezogenheit ist die Fähigkeit des Menschen, zu seinen Mitmenschen in Bezie­hung zu stehen – von Anfang an. Bereits in seiner ersten Lebensphase findet eine entscheidende Prägung der Beziehung des Individuums zu seiner Umwelt statt. Für die Entwicklung von Kongruenz und für den Aufbau von sozialen Beziehungen ist demnach die Qualität der frühen Bindung zwischen Mutter und Kind ausschlagge­bend. Hierauf werde ich anhand der Bindungstheorie im Folgenden eingehen.

1.5 Die Bindungstheorie

In den letzten Jahrzehnten wurde erkannt, dass Bindungen an andere Personen eine entscheidende Rolle für die physische Gesundheit spielen. Vermutlich bieten frühe Bindungserfahrungen eine Grundlage für die Regulation von Emotionen, für emotio­nale Intelligenz[6], Empathie und soziale Kompetenzen[7]. Da Menschen aber nicht nur zu anderen Menschen, sondern auch zu Tieren eine tiefe Beziehung eingehen kön­nen, die eine positive Wirkung auf ihre emotionalen und sozialen Bedürfnisse haben kann, stellt sich mir die Frage, inwiefern eine solche Beziehung der Bindung zwi­schen zwei Menschen ähnelt. So definieren z. B. Ainsworth und Bell Bindung „als das gefühlsmäßige Band, welches eine Person oder ein Tier zwischen sich selbst und einem bestimmten anderen knüpft – ein Band, das sie räumlich verbindet und das zeitlich andauert“ (Ainsworth/Bell, zit. n. Fonagy 2003, S. 26). Die beiden beziehen sich in ihrer Definition nicht nur auf Beziehungen zwischen Menschen, sondern auch auf Beziehungen zwischen Menschen und Tieren.

In den nächsten Abschnitten werde ich die Beziehung zwischen Menschen und Tie­ren untersuchen und hierzu der Frage nachgehen, ob die Verbundenheit zwischen Mensch und Tier auf Bindungsprozesse zwischen diesen zurückzuführen ist und ob Aspekte der innerartliche Bindung auf eine Bindung zwischen Mensch und Tier übertragbar sind.

Nach einer kurzen Darstellung über die zentralen Aussagen, Erhebungsmethoden und Ergebnisse der Bindungstheorie werde ich auf die Psychobiologie der Bindung von Mensch und Tier eingehen und diese in einem späteren Punkt vergleichend ana­lysieren.

1.5.1 Darstellung der Bindungstheorie

Die Entwicklung des Bindungsverhaltens in den ersten Lebensmonaten ist von gro­ßer Bedeutung für die weiteren Lebensphasen. Sie durchzieht das ganze Leben eines Individuums und bestimmt dabei maßgeblich die Bindungsqualität zu anderen Perso­nen .

Die Bindungstheorie beschäftigt sich mit der Mutter-Kind-Beziehung sowie deren Bedeutung für die spätere Entwicklung. Dabei werden das tatsächliche Interaktions­verhalten zwischen Mutter[8] und Kind und dessen Auswirkungen auf die Ausformung der inneren Repräsentanzen beim Kind untersucht, was sich im späteren Sozial- und Bindungsverhalten zeigt. Des Weiteren wird das Interaktionsverhalten in Abhängig­keit von den bereits bestehenden Repräsentanzen bei der Mutter erforscht, die mit eigenen früheren Erfahrungen und damit verbundenen Erwartungen und Fantasien verknüpft sind (vgl. Stemmer-Lück 2004, S. 111).

Bowlby, der als Begründer der Bindungstheorie gilt, definiert die Bindungstheorie „als die Konzeptualisierung der Neigung des Menschen, intensive affektive Bindun­gen an bestimmte Personen zu entwickeln (Stemmer-Lück, 2004, S. 112).

Nach seiner Definition hat jeder Mensch die Neigung sich zu binden. Gleichzeitig beschreibt er aber auch was passiert, wenn Bindung nicht gelingt. So ist „die Gefahr des Verlustes (...) mit Angst verbunden, der tatsächliche Verlust mit Verzweiflung. Verzweiflung und Angst zusammen lösen immer auch Wut aus“ (Stemmer-Lück 2004, S. 112).

Bei der Beschreibung und Untersuchung der Bindungsqualität ist zwischen der Seite des Kindes und der Seite der Bezugsperson zu unterscheiden. Für den Nachweis des Bindungsverhaltens von einjährigen Kleinkindern wurde das standardisierte Verfah­ren der „Fremden Situation“ von Mary Ainsworth konzipiert. Bei Erwachsenen wurde zum Nachweis der Bindungssprache das Erwachsenen-Bindungsinterview (AAI) entwickelt (vgl. Grossmann, 2000, S. 38).

Beide Methoden werde ich im nächsten Schritt kurz vorstellen und dabei auch auf das Konzept der Feinfühligkeit eingehen.

1.5.2 Die Fremden Situation und das Erwachsenen–Bindungsinterview (AAI)

Bei der „Fremden Situation“ handelt es sich um ein Setting, in welchem die Art der Bindung des Kindes an die Bezugspersonen untersucht wird. Die Qualität der Bin­dung kann dabei an den Reaktionen des Kindes auf die kurze Trennung von der Mutter abgelesen werden.

Sicher gebunden zeigen die Kinder Kummer, sobald die Mutter den Raum verlässt, sie suchen aktiv nach ihr und lassen sich nur schwer von der fremden Person zum Spiel motivieren. Bei der Rückkehr der Mutter begrüßen sie diese freudig und suchen Körperkontakt zu ihr. Danach beginnen sie recht schnell wieder Explorationsverhal­tensweisen zu zeigen. Kinder, die unsicher-vermeidend-gebunden sind, ignorieren den Weggang der Mutter und spielen weiter, ohne Trauer zu zeigen. Auch bei ihrer Rückkehr zeigen sie keine deutlichen Reaktionen der Freude, vermeiden Blickkon­takt und suchen nur selten Körperkontakt zu ihr. Mit der fremden Person spielen sie oft fröhlicher als mit der Mutter. Die Kinder wirken ruhig und gelassen, allerdings ist bei ihnen physiologisch nachweisbar der Cortisolspiegel[9] erhöht, was auf eine Stressreaktion des Körpers hinweist.

Dagegen zeigen sich unsicher-ambivalent gebundene Kinder sehr unruhig und trau­rig, wenn die Mutter den Raum verlässt. Bei ihrer Rückkehr sind sie einerseits erfreut und suchen Körperkontakt, andererseits reagieren sie mit Verärgerung. Sie klammern sich an die Mutter, wollen im gleichen Moment wieder losgelassen werden und las­sen sich nicht wirklich beruhigen. Es dauert lange, bis sie wieder Explorationsver­halten in Form von Erkundung und Spiel zeigen. Der fremden Person gelingt es in den meisten Fällen nicht sie zu trösten.

Als desorganisiert/desorientiert gebunden gelten Kinder, wenn sie zwar Verhaltens­weisen zeigen, die eine Zuordnung zu einer der ersten drei Gruppen zulassen würde, die sich aber aufgrund ambivalenter Verhaltensweisen nicht genau klassifizieren lassen. Häufig offenbaren die Kinder ein starkes Konfliktverhalten, dass meistens mit Angst vor den Bezugspersonen verbunden ist. Vielfach handelt es sich um misshan­delte, vernachlässigte oder missbrauchte Kinder, die dieses Bindungsmuster aufzei­gen (vgl. Dornes 2000, S. 28 f.).

Zur Erhebung des elterlichen Bindungsverhaltens wird das von George, Main und Kaplan entwickelte Bindungsinterview Adult Attachment Interview verwendet, in welchem die Bindungsmuster und das Beziehungsverhalten Erwachsener mit ihren Eltern während der Kindheit analysiert wird. Der Betroffene wird in einem narrati­ven Interview gebeten, über seine Beziehung zu seinen Eltern in verschiedenen Si­tuationen in seiner Kindheit zu sprechen. Ausgewertet wird weniger der Inhalt des Interviews, sondern die Art und Weise wie die Person über ihre Beziehung zu ihrer Bezugsperson aus ihrer Kindheit spricht. Dabei können vier Kategorien unterschie­den werden – sicher / autonom, abwehrend / abwertend, verwickelt / verstrickt und unverarbeitet /desorganisiert. Sie können zu den vier Bindungsklassifikationen des Kleinkindalters in Verbindung gesetzt werden (vgl. Jacobvitz/Hazen/Thalhuber 2001, S. 134). Es zeichnet sich die Tendenz ab, dass als autonom eingestufte Mütter häufiger sicher-gebundene Kinder haben als abwehrende / abwertende Mütter. Diese haben eher unsicher-vermeidend gebundene Kinder. Als verwickelt / verstrickt klas­sifizierte Mütter haben oft ambivalent-unsicher gebundene Kinder. Desorgani­siert/desorientiert gebundene Kinder haben vermehrt Eltern mit einem unbewältigten Trauma oder unabgeschlossener Trauer (vgl. Stemmer-Lück 2004, S. 120).

Die Reaktionen der Bezugsperson auf die Signale des Bindungsverhaltens des Kin­des beschreiben Ainsworth et. al. (1978) als das „Konzept der mütterlichen Feinfüh­ligkeit“, welches mit dem Setting der Fremden Situation überprüfbar ist.

Es ist die Grundlage für die Entwicklung der Bindungsqualität des Kindes. Das be­deutet, wenn die Bezugsperson feinfühlig, also angemessenen, prompt und mit der richtigen Interpretation auf die Signale des Kindes reagiert, so wird das Kind mit einem Jahr vermutlich sicher gebunden sein. Reagiert die Mutter unangemessen auf die Signale des Kindes, d. h. in Form von zurückweisendem Verhalten, so entwickelt sich eher ein unsicher-vermeidender Bindungsstil beim Kind. Zeigt sie dagegen dem Kind gegenüber inkonsistente und unvorhersagbare Reaktionen auf sein Bindungs­verhalten, so resultiert meistens daraus eine unsicher-ambivalente Bindung (vgl. Dornes 2000, S. 23 f.). Die väterliche Feinfühligkeit hat Auswirkungen auf den späte­ren Umgang des Kindes mit negativen Gefühlen sowie auf die sprachliche Darstel­lung von Liebesbeziehungen im Alter von ca. 22 Jahren. Die Bindungsqualität des Kindes zum Vater kann nicht mit dem Verfahren der Fremden Situation nachgewie­sen werden. Beide Elternteile haben also eine unterschiedliche Rolle in der Bin­dungs-Explorationsbalance ihres Kindes (vgl. Stemmer-Lück 2004, S. 117).

An den beschriebenen Ausprägungen von Bindung wird deutlich, dass das Auftreten verschiedener Bindungsformen beim Kind von der „mütterlichen Feinfühligkeit“ abhängt. Gleichzeitig kann mit den AAI´s die Stabilität der Bindungsformen bis ins Erwachsenenalter nachgewiesen werden. Bei den unsicher-gebundenen Formen han­delt es sich nicht um eine Störung. Es kann aber durch das Auftreten weiterer Fakto­ren zu einem Problemverhalten des Kindes kommen. Dies äußert sich im Laufe der weiteren Entwicklung mit Problemen im Sozialverhalten. Insofern wirkt sich die Ausformung der Bindungsqualität zukunftsweisend für ein jedes Individuum aus.

Betrachtet man Bindung von der psychobiologischen Seite, so zeigt sich, dass sie evolutionär entstanden ist und auch bei anderen Lebewesen vergleichbare

Steuerungsmechanismen vorhanden sind.

1.5.3 Die Entstehung von Bindungsqualität

In diesem Abschnitt werde ich auf die phylogenetische Entwicklung von Bindungen eingehen und zum besseren Verständnis eine Darstellung des internalen (inneren) Arbeitsmodells geben. Des Weiteren werde ich das Bindungsverhalten von Mensch und Tier vergleichen, indem ich Untersuchungergebnisse zum Bindungsverhalten von Primaten darstelle.

Das Bindungssystem ist evolutionär entstanden und scheint bei allen sozial lebenden Säugern in verschiedenen Ausprägungen vorhanden zu sein. Es stellt ein eigenstän­diges Motivationssystem dar, welches mit den anderen Motivationssystemen inter­agiert, aber nicht aus diesen abgeleitet werden kann. (vgl. Grossmann 2000, S. 54 f.).

Die Aktivität beginnt mit dem Zeitpunkt der Geburt und spezifiziert sich beim menschlichen Säugling innerhalb des ersten halben Lebensjahres zielgerichtet auf die Hauptbezugspersonen. Die zu erreichenden Ziele für den Säugling sind hierbei zum einen die räumliche Nähe zu der Bezugsperson und zum anderen ein Gefühl von Sicherheit. Nach Grossmann ist „das Grundprinzip von Bindung (...) die Rolle, die eine mehr oder weniger feinfühlige Bindungsperson als Sicherheitsbasis für das Kind übernimmt“ (zit. n. Foppa 1995, S. 149). Zu einer Aktivierung des Bindungsverhal­tens kommt es bei Angst oder Kummer. Das Kind zeigt Verhaltensweisen wie Schreien, Lächeln, Nachfolgen und Anklammern seiner Bezugsperson gegenüber. Durch den Kontakt zur Mutter kann es sich emotional restabilisieren. Aus diesen interaktiven Erfahrungen innerhalb des ersten Lebensjahres entwickelt sich dann das Gefühl der Bindung, welches verschiedene Abstufungen haben kann, die als unter­schiedliche Bindungsqualitäten angesehen werden können (vgl. Dornes 2000, S. 23).

Die Bindungsqualität entsteht durch das Bindungsstreben des Kindes und das Bin­dungsverhalten des Erwachsenen, welche zueinander komplementär sind. Die gene­relle Neigung zu Bindung ist universell, aber kulturell unterschiedlich (vgl. Stem­mer-Lück 2004, S. 113).

Erstmals aktiv wird das Bindungssystem beim Neugeborenen. Primär kann das ak­tive Bindungsverhalten noch unmittelbar und personenunspezifisch ausgelöst wer­den. Es arbeitet auf der Ebene von Reflexen[10].

Erst danach, auf der Grundlage des primären Bindungssystems und in Verbindung mit der sozialen Umwelt entwickelt das Kind spezifische Bindungsbeziehungen, de­ren Qualität sich in verschiedenen Bindungsstrategien festigt. Es entwickelt innere Arbeitsmodelle - von Bowlby „inner working model“ genannt - von sich und seinen Bezugspersonen. In den Arbeitsmodellen schlagen sich die gemachten Erfahrungen als Erwartungshaltungen nieder, d. h. das Kind baut spezifische Erwartungen an das Verhalten seiner primären Bezugspersonen auf, welche es basierend auf den vorheri­gen Erfahrungen mit ihnen erworben hat. In diesem Stadium ist das Bindungssystem auf der prozeduralen (verhaltens-) Ebene organisiert. Für die Funktion des zur Zeit vorhandenen impliziten affektiven Arbeitsmodells sind keine „evaluativ kognitiven Prozesse auf repräsentativer Ebene“ (Spangler 2001, S. 161) nötig. Auf der nächsten Stufe wird das „episodische Wissen generalisiert und auf deklarativer Ebene“ (Spangler 2001, S. 162) organisiert. Dies geschieht mit der fortschreitenden kogniti­ven und sprachlichen Entwicklung des Kindes. Es ist die Ebene der kognitiven Re­präsentation, die das kognitive Wissen und eine genaue Repräsentation von Bindung, Bindungsfiguren, von deren Verfügbarkeit und von sich selbst erfasst (vgl. Spangler 2001, S. 161 f.).

Das internale Arbeitsmodell ist auf unterschiedlichen Ebenen organisiert. Diese un­terscheiden sich in ihrer Komplexität und entstehen bei der Ontogenese aufeinander­folgend. Der Entwicklungsverlauf erfolgt von einem niedrigen Organisationsniveau auf ein zunehmend höher entwickeltes Niveau. Da auf jeder Repräsentationsebene die Funktion des Arbeitsmodells in der Verhaltens- und Emotionsregulation liegt, zeigt sich die Qualität des inneren Arbeitsmodells im Bindungsverhalten.

Internale Arbeitsmodelle sind also Organisationsstrukturen von Gedanken, Gefühlen, Verhaltensweisen und Vorstellungen, die mit mehr oder weniger gelungenen psy­chologischen Anpassungen in Zusammenhang stehen. Sie entwickeln sich in einer ständigen Rückkopplung mit aktuellen Beziehungsprozessen weiter und sind prinzi­piell veränderbar. Durch Fantasien und Idealisierungen kommt es zu Verzerrungen, so dass die intrapsychische Welt mit der Realität nicht deckungsgleich ist. In jede Interaktion spielen immer auch verschiedene Affekte mit hinein. Folglich sind Erfah­rungen zu jeder Zeit affektiv getönt.

Es handelt sich um ein Modell, das eine abnehmende Sensitivität gegenüber Erfah­rungen vom Kleinkind- bis zum Jugendalter hat. Bowlby hat dadurch sowohl das Überdauernde der frühkindlichen Bindung, wie auch die Offenheit für Veränderung dargelegt (vgl. Suess/Zimmermann 2001, S. 258). Infolge der Stabilität der in der Frühkindheit gebildeten Arbeitsmodelle können diese im Erwachsenenalter Einfluss auf die Beziehung zu den eigenen Kindern und die Bindung zum Partner haben.

Bowlby setzt sie mit den inneren Selbst- und Objektrepräsentanzen gleich. Hierbei handelt es sich um die Bildung von unbewussten Vorstellungen, die das Kind in­traspychisch von sich selbst und seinen Bezugsobjekten entwickelt. Sie sind verbun­den mit Fantasien, Wünschen und Affekten. Die Arbeitsmodelle haben langfristige Wirkungen auf die Gestaltung und das Erleben von Objektbeziehungen[11] und die eng damit verbundene Selbstwahrnehmung.

Durch unterschiedliche Erfahrungen mit einer Person können sich verschiedene Ar­beitsmodelle beim Kind ausbilden, auch kann es aus sich selbst verschiedene Mo­delle bilden. Bewusst vorhanden ist nur ein Arbeitsmodell, die anderen existieren unbewusst, werden also kognitiv abgetrennt, sind aber im Affekterleben beständig vorhanden (vgl. Fonagy 2003, S. 33 f.).

Durch die langfristige Beständigkeit der inneren Arbeitsmodelle werden zunehmend auch die Auswirkungen der kindlichen Bindungserfahrungen und die daraus resultie­renden Bindungsmuster in den späteren Lebensphasen in den Fokus der Forschung gerückt. Dabei wurde festgestellt, dass das elterliche Bindungsverhalten transgenera­tional weitergegeben werden kann. Das bedeutet, dass das Grundmuster des Bin­dungsverhaltens der Eltern oft in den Bindungsstilen zwischen ihnen und ihren Kin­dern wiederzufinden ist.

Trotz der großen Beständigkeit, handelt es sich beim Bindungsverhalten um einen lebenslangen und sich ständig modifizierenden Prozess. Infolgedessen besteht die Möglichkeit der Veränderung im Jugend- oder Erwachsenenalter. Durch therapeuti­sche Hilfe oder andere korrigierende Erfahrungen wie z. B. andere zwischenmensch­liche Beziehungen kommt es zu einer Veränderung der den Bindungsmustern zugrunde liegenden inneren Arbeitsmodelle (vgl. Fonagy 2003, S. 34). Die Modifi­kation der Bindungsrepräsentation der Bezugsperson kann eine transgenerationale Weitergabe von unsicheren oder desorganisierten/desorientierten Bindungsstilen an die Kinder unterbrechen.

Im Hinblick auf die Einsatzmöglichkeiten der tiergestützten Therapie und Pädagogik stellt sich mir an dieser Stelle die Frage, ob dies auch durch positive Bindungserfah­rungen mit einem Tier geschehen kann und ob die Möglichkeit einer Übertragung[12] der guten Bindungserfahrung zu einem Tier auf Menschen besteht.

Um einer Antwort näher zu kommen, werde ich im nächsten Punkt zunächst die Psy­chobiologie des Bindungsverhaltens von Menschen und von Tieren erläutern, um diese dann vergleichend zu analysieren.

1.5.4 Die Psychobiologie des Bindungsverhaltens bei Mensch und Tier

„Beziehung als Basis für Vertrauensaufbau und Bindung läuft über Gefühl und nicht über Worte“ (Tschochner 2000, S. 23).

Der zentrale Begriff der Bindung (Attachment) hat in der Bindungstheorie vor allem die Bedeutung des aktiven (Sich-) Anheftens, (Sich-) Festmachens. Sowohl bei Säug­lingen als auch bei Primatenbabys ist dieser aktive Vorgang zu sehen. Insbesondere bei Primaten sind ähnliche Bindungsverhaltensweisen wie beim Menschen beobach­tet worden. Diese beruhen auf drei Mechanismen. 1. dem Interesse der Mutter, die Versorgung ihres Kindes zu übernehmen, 2. der Ausstattung des Babys mit Bin­dungssignalen, die es für die Bezugspersonen und Gruppenmitglieder attraktiv zum Pflegen machen und 3. der Fähigkeit des Säuglings, sich aktiv an die Mutter anzu­heften (vgl. Todt 1995, S. 105). So klammern sich Affenbabys an ihre Mutter, wenn sie vor etwas oder jemanden Angst haben. Das Muttertier reagiert auf das Verhalten ihres Kindes damit, dass sie den Angreifer bedroht oder den bedrohlich erscheinen­den Gegenstand aus der Nähe des Babys entfernt. Sie zeigt sich also „feinfühlig“ im Umgang mit ihrem Kind (vgl. Grossmann 2000, S. 56).

Auch bei den Bindungsmustern zeigen sich Ähnlichkeiten. So wurden im Rahmen einer Laboruntersuchung von Harlow (1959) Rhesusaffenbabys anstelle der Mutter mit Stoffattrappen aufgezogen. Die Säuglinge entwickelten eine Bindung zu der At­trappe, was sich dadurch zeigte, dass sie bei Gefahr zu ihr liefen und das, obwohl von der Attrappe keine Nahrung ausging und sie nicht auf das Bindungsverhalten des Babys reagierte.

Bei einem anderen Versuch wurde die physiologische Reaktion der Affensäuglinge auf die Trennung der Bindungsfigur untersucht. So zeigten sie bei einer Trennung von ihrer Mutter zunächst erhöhte Aktivität und aktives Bindungsverhalten in Form von Rufen und Suchen. Dauerte die Trennung länger an, so ließ die Aktivität nach dem zweiten Tag nach, am dritten Tag erstarben die Rufe, die Suche ließ nach, die Tiere wurden passiv. Mit Beginn der Passivität kam es zu einer extremen Erhöhung des Cortisolspiegels der Babys (vgl. Grossmann 2000, S. 57). Auch bei menschlichen Babys kann ein vergleichbares Phänomen bei Trennung nachgewiesen werden (vgl. Kapitel 1.5.2). Dies lässt darauf schließen, dass bei Mensch und Tier ähnliche psy­chologische und physiologische Prozesse in Trennungssituationen ablaufen.

Belegt wurde dies auch bei Untersuchungen über die Sozialisierung von Affenkin­dern. So führten Störungen bei der Sozialisierung zu extremen Ausprägungen von Fehlentwicklungen (vgl. Todt 1995, S. 106).

Bisher wurde in diesem Zusammenhang nur von Primaten gesprochen, vermutlich spielt das Bindungsverhalten aber auch bei anderen sozialen Säugern eine große Rolle für deren Entwicklung. So senden z. B. Hundewelpen bei einer Trennung von der Hündin aktiv Signale aus, um so die Aufmerksamkeit dieser (wieder) auf sich zu lenken und Pflegeverhalten auszulösen. Ist das Jungtier wieder mit der Mutter zu­sammen, hören die Aktivitäten auf. In der ersten Zeit erfolgen die Signale vor allem akustisch und taktil, was wahrscheinlich auf die relative Bewegungsunfähigkeit und Blindheit der Welpen zurückzuführen ist. Die Berührung vermittelt den Welpen so­ziale Sicherheit und verstärkt so die Bindung zwischen den Individuen (vgl. Fedder­sen-Petersen 2003, S. 357). Alles, was in dieser Zeit die enge Bindung zwischen Hündin und Welpe unterbricht, kann sich negativ auf das künftige Lernen und die Wesensentwicklung des Welpen auswirken (vgl. Goddard 1993, S. 75).

Vergleicht man die genannten Beispiele von „tierischen“ Verhaltensweisen mit dem Bindungsverhalten beim Menschen, so lassen sich etliche Übereinstimmungen er­kennen. Denkbar ist, dass aus diesen Gründen eine enge Beziehung zwischen Men­schen und sozialen Tieren überhaupt erst möglich wird. So besagt die Hauptthese zur Erklärung moderner Tierhaltungspraktiken, „dass das Verhalten moderner Tierbesit­zer ihren Haustieren gegenüber dem menschlichen Elternverhalten nicht nur ähnelt, sondern in der Tat Elternverhalten darstellt“ (Askew 1997, S. 8). Es handelt sich hierbei aber eindeutig um modifiziertes Elternverhalten. So würden Eltern norma­lerweise ihr Leben wie auch ihr ganzes Hab und Gut für das Leben ihres Kindes ris­kieren, die wenigsten würden dieses aber für ihr Haustier tun (vgl. Askew 1997, S. 10).

In dem vorangegangenen Kapitel habe ich die Aspekte der Mensch–Tier Beziehung dargestellt und den evolutionären Ursprung und die grundlegenden Mechanismen der Bindungstheorie von Mensch und Tier beschrieben. Im nächsten Kapitel werde ich mich mit der tiergestützten Therapie und Pädagogik, ihren Auswirkungen und den Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Tiere beschäftigen.

2 Tiergestützte Therapie und Pädagogik

„Tiergestütztes Helfen und Heilen bedeutet eine neue und vermutlich die intensivste Stufe tierischer Domestikation: Tiere sollen nicht nur für diese oder jene Funktion im Dienste des Menschen abgerichtet werden, sondern durch ihre bloße Existenz selbst hilfreich sein“ (Greiffenhagen 1993, S. 22).

Die tiergestützte Therapie und Pädagogik setzt auf die Integration von bewussten und unbewussten Prozessen. Doch was bewirkt sie wirklich? Diese Arbeit will überprü­fen, ob sich ihre Erfolge belegen lassen und erläutert die Einsatzmöglichkeiten unter­schiedlicher Tierarten.

Dazu werde ich im Folgenden zuerst auf die Historie der tiergestützten Arbeit einge­hen und danach die Begriffe der tiergestützten Aktivitäten, Pädagogik und Therapie definieren. Des Weiteren werde ich die Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes verschiedener Tierarten erläutern und zuletzt die physiologische, psychologische und soziale Wirkung von Tieren auf den Menschen anhand unterschiedlicher Studien belegen.

2.1 Die Historie der tiergestützten Arbeit

Seit Jahrhunderten gibt es Berichte über hilfreiche Kontakte und die Verbundenheit zwischen Mensch und Tier. Die Mitwirkung von Tieren in einfachen Formen der Therapie mit behinderten Menschen werden bereits im 8. Jahrhundert erwähnt. Im 9. Jahrhundert wurde in Gheel (Belgien) eine „therapie naturelle“ durchgeführt, bei der sozio-ökonomisch benachteiligte Menschen durch die Landarbeit mit Tieren eine bessere Lebensbasis und mehr Lebenszufriedenheit erlangen sollten (vgl. Olbrich 2001, S. 26). Zur selben Zeit wurden in belgischen Klöstern geistig behinderte Wai­senkinder unter zur Hilfenahme von Hunden erfolgreich therapiert (vgl. Röger-La­kenbring 2006, S. 13).

Auf der Suche nach einem humaneren Umgang mit emotional gestörten und geistig behinderten Menschen kam es im 18. Jahrhundert zur Gründung des York Retreat, einer „Anstalt für Geisteskranke“ in England (1792). In dieser wurden die bisher strafähnlichen Methoden im Umgang mit den Patienten durch die Möglichkeit eines einfachen Zusammenlebens von Menschen und Tieren - ähnlich dem Leben auf ei­nem Bauerhof - verbessert. Dazu wurden die Patienten gezielt in die Betreuung und Versorgung der Tiere mit einbezogen. Oftmals kam es zum Aufbau einer emotiona­len Beziehung zwischen Mensch und Tier. Die Tiere gaben den Menschen das Ge­fühl gebraucht zu werden und vermittelten ihnen gleichzeitig die Bestätigung über Kompetenzen zu verfügen (vgl. Olbrich 2001, S. 26).

Im 19. Jahrhundert wurde der therapeutische Nutzen von Tieren für den Heilungs­prozess insbesondere von Florence Nightingale hervorgehoben.

In Deutschland wurde erstmals 1867 in den Krankenanstalten von Bethel mit dem therapeutischen Einsatz von Tieren gearbeitet. Bei den Krankenanstalten handelt es sich um eine „Institution ohne Mauern“ in Bielefeld für Menschen mit neurologi­schen und psychischen Erkrankung. Es begann mit der unterstützenden Therapie mittels unterschiedlicher Tierarten bei Epileptikern bis hin zum Einsatz einer Reit­therapie (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 13). Auch heute noch sind die Bielefelder Einrichtungen bekannt für den Einsatz und die Erforschung tiergestützter Arbeit.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden bei den in Folge des ersten Weltkrieges er­blindeten Menschen erstmals zu Blindenführhunden ausgebildete Hunde eingesetzt. In den 1980er Jahren folgten dann Ausbildungen von Hunden zu Behindertenhunden für Hörgeschädigte (hearing-dogs) und für körperlich Behinderte (service-dogs) (vgl. Heidenberger 2004, S. 109). Aber erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts kam es zu einer Verbreitung der tiergestützten Arbeit und dem Ansatz einer wissenschaftlichen Begleitung.

In den USA errichtete das Army Air Corps in Pawling ein Convalescent Hospital, in dem sich Soldaten des 2. Weltkrieges von ihren Kriegsverletzungen und Traumata erholen konnten. In einem Teil der Therapien wurde mit dem Einsatz von Nutz- und Wildtieren gearbeitet (vgl. Olbrich 2001, S. 27).

In den 1960er Jahren begann die Dokumentation des gezielten Einsatzes von Hunden als therapeutische Helfer und Begleiter. Vor allem in England, Amerika und Austra­lien kam es zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit dem Thema des Hundes als „Co-Therapeut“ zwischen Psychologen, Ärzten und Therapeuten. Insbesondere der Kinderpsychologe Boris Levinson aus New York gab einen Anstoß zur Systematisie­rung und Untersuchung der hilfreichen Einflüsse von Tieren auf den Menschen. Er selbst hatte durch einen Zufall festgestellt, welchen Einfluss sein eigener Hund „Jingle“ auf den Behandlungs- und Heilungsprozess seiner kleinen Patienten hatte und begann daraufhin, „Jingle“ gezielt in seiner Praxis einzusetzen. 1969 erschien sein richtungsweisendes Werk „Pet oriented Child-Psychiatry“, in welchem er den therapeutischen Einsatz von Hunden im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Psychotherapie beschrieb. In den 1970er Jahren entstand dann in Amerika eine Vereinigung, in der sich Angehörige unterschiedlicher Professionen aus Eng­land und den Vereinigten Staaten mit der wissenschaftlichen Erforschung von positi­ven Effekten der Mensch-Tier-Beziehung befassten. Von diesem Zeitpunkt an ent­wickelte sich langsam ein neuer Wissenschaftszweig: die Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung. Damit stieg auch die Anzahl der aus unterschiedlichen Bereichen kommenden angelsächsischen Wissenschaftler, welche sich mit den Einflüssen und Auswirkungen tiergestützter Arbeit beschäftigten. Als Folge der zahlreichen Veröf­fentlichungen kam es zu den ersten überregionalen Seminaren und Symposien (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 92).

In England kam es vor der Einführung eines ähnlichen Systems zu massivem Wider­stand, welcher v. a.hygienische Bedenken bei dem Einsatz von Tieren z. B. in Kran­kenhäusern betraf. Nachdem dieser ausgeräumt war, gründete sich 1983 die Wohl­fahrtsorganisation „Pets as Therapy“, welche auch wissenschaftliche Studien zu den positiven Effekten tiergestützter Arbeit durchführte (vgl. Hornsby 2000, S. 79)

Ferner kam es 1989 in Portland/Oregon zur Gründung der Stiftung „Delta Society“, die mit ihrem „Pet-Partner-Program“ die „pet-facilitated-therapy“ flächendeckend in den USA einführte. Seitdem werden Programme der Animal-Assisted-Activities und der Animal-Assisted-Therapy ausgearbeitet und zum Teil auch evaluiert. Heute ist die Organisation im ganzen Land anerkannt, insbesondere durch die fortwährende Arbeit der wissenschaftlichen Forscherteams und die kontinuierlichen Fortbildungen der Mitarbeiter (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 14).

Der erste „internationale Dachverband für die Erforschung der Mensch-Tier- Bezie­hung“ die IAHAIO (International Association of Human Animal Interaction Organi­sations) mit Sitz bei der „Delta Society“ wurde im Jahr 1990 gegründet. Seine Auf­gaben bestehen in der Förderung des Austausches wissenschaftlicher Erkenntnisse zwischen den Beteiligten sowie der wissenschaftlichen Weiterentwicklung, der re­gelmäßigen Durchführung interdisziplinärer wissenschaftlicher Kongresse u. a.

Zeitgleich entwickelte sich in der Bundesrepublik Deutschland der Würzburger Ver­ein „Tiere helfen Menschen e. V.“ (1987) und der Berliner Verein „Leben mit Tie­ren“ (1988) (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 14 f.). Im selben Jahr wurde auch der „Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft“ unter dem Vorsitz von Prof. Dr. phil. Bergler gegründet. Er befasst sich vor allem mit der Erforschung der sozialen Beziehungen zwischen Menschen und Heimtieren. In regelmäßigen Vortragsveran­staltungen werden die Ergebnisse vorgestellt (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 93).

Vergleichbare Entwicklungen fanden auch in Österreich mit der Entstehung des Ver­eins „Tiere als Therapie“ (TAT) im Jahre 1991 und 1994 in der Schweiz mit der Gründung des „Verein Therapiehunde Schweiz“ (VTHS) statt.

Seit dem Jahr 2000 sind in Deutschland eine vermehrte Anzahl von Vereinen, Ver­bänden und Instituten entstanden, die sich bemühen, Standards, Kriterien und Richt­linien für die Ausbildung zu erarbeiten. Leider kam es bisher zu keiner Einigung und damit auch zu keinen einheitlichen Standards (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 16).

2.2 Erklärung verschiedener Begriffe der tiergestützten Arbeit

In der ursprünglichen englischen Definition wurde von „pet-facilitated“ oder „animal-facilitated-therapy“ gesprochen. Also von Aktivitäten und Therapien mit Haus- und anderen Tieren.

Als „tierische“ Co-Therapeuten werden oft Hunde, aber auch Lamas, Alpakas, Schildkröten, Katzen, Kaninchen, Pferde u. a. eingesetzt werden. Aus diesem Grund wird im Allgemeinen von einer tiergestützten Arbeit gesprochen (vgl. Röger-Laken­bring 2006, S. 25).

Auch ich werde im Rahmen meiner Arbeit der Einfachheitshalber mit diesem Begriff arbeiten und bei Bedarf auf genauere Definitionen zurückgreifen.

Zunächst werde ich jedoch die Begriffe Tiergestützte Aktivität, Tiergestützte Erzie­hung/Pädagogik und Tiergestützte Therapie definieren und anschließend kurz die Unterschiede von Partner-, Sozial- und Behindertenbegleithunden erläutern.

2.2.1 Tiergestützte Aktivitäten (AAA, Animal-Assisted-Activities)

Als AAA’s werden hilfreiche Kontakte und Interaktionen zwischen Menschen be­zeichnet, die Tiere einbeziehen. Es sind Programme, bei denen Menschen von Tieren und deren Haltern besucht werden. Die Aktivitäten sind nicht auf eine bestimmte Person ausgerichtet und können beliebig oft wiederholt werden.Vor den Besuchen werden keine Ziele festgelegt und es werden auch keine genauen Aufzeichnungen über den Verlauf gemacht (vgl. Bauer o. J., S. 4). Tiergestützte Aktivitäten werden größtenteils von Ehrenamtlichen durchgeführt und setzten demgemäß keine spezielle Ausbildung für Mensch und Tier voraus. Unterschieden werden kann zwischen akti­ven und passiven Tiergestützten Aktivitäten. Bei ersteren handelt es sich um Interak­tionen, bei denen der direkte Kontakt zwischen Tier und Mensch im Vordergrund steht. Es kommt zu Berührungen, gemeinsamem Spiel usw. Bei den passiven AAA findet keine Interaktion statt. Der Kontakt zwischen Mensch und Tier beschränkt sich auf die reine Beobachtung – wie etwa von Fischen im Aquarium, Vögeln in der Voliere u. ä. (vgl. Olbrich 2001, S. 23).

2.2.2 Tiergestützte Erziehung/Pädagogik
(AAE, Animal-Assisted-Education/AAP, Animal-Assisted-Pedagogy)

AAE bzw. AAP ist zwischen den Tiergestützten Aktivitäten und der Tiergestützten Therapie anzusiedeln. In der Regel läuft Erziehung auf den Versuch einer Beeinflus­sung hinaus, „durch den man eine Verbesserung, Vervollkommnung oder Wertstei­gerung der Persönlichkeit des Erzogenen erreichen will“ (Brezinka, zit. n. Olbrich, 2001, S. 23). Dabei orientiert sich der Versuch an den gesellschaftlichen Werthaltun­gen und soll durch die Tiergestützte Pädagogik ergänzt werden (vgl. Olbrich, 2001, S. 23). Die Tiergestützte Pädagogik wird demnach als eine pädagogische Förder­maßnahme verstanden, bei der Kinder und Jugendliche mit leichten Handicaps oder Verhaltensauffälligkeiten durch das Medium „Tier“ positiv in ihrer Entwicklung gefördert werden sollen. Hierzu setzen Erzieher, Sozialarbeiter, Pädagogen, Heilpäd­agogen und Lehrer gezielt ihre (leider nur selten, Schöll) ausgebildeten Tiere - über­wiegend Hunde – in Kindergärten, Freizeiteinrichtungen und Schulen ein (vgl. Rö­ger-Lakenbrink 2006, S. 28).

Da die Erziehungskonzepte oft theoretisch weniger stringent formuliert sind als The­rapiekonzepte, hat die Tiergestützte Erziehung eine geringere Intensität als die Tier­gestützte Therapie. Realisiert wird sie in Vernetzung mit einer Vielzahl von kulturell und gesellschaftlich bestimmten Einwirkungen. Zumeist findet sie mit einer Mehr­zahl von Personen und/oder auch Institutionen der Pädagogik statt. Auch bei der Tiergestützten Pädagogik kann zwischen aktiver und passiver AAE/AAP unterschie­den werden (vgl. Olbrich 2001, S. 23).

2.2.3 Tiergestützte Therapie (AAT, Animal-Assisted-Therapy)

Nach Gatterer versteht man unter Tiergestützter Therapie die zielgerichtete Einbe­ziehung von Tieren in den therapeutischen Prozess und die Dokumentation von des­sen Verlauf (vgl. Röger-Lagenbrink 2006, S. 30). Dies gilt sowohl für somatische, soziale wie auch Psychotherapien. Dabei ist das Tier in Erweiterung der jeweiligen Therapieform ein Bestandteil des therapeutischen Konzeptes als auch des therapeuti­schen Arbeitens und muss in die Ausübung der therapeutischen Tätigkeit mit einbe­zogen sein. Voraussetzung ist eine therapeutische Ausbildung des Behandelnden sowie möglichst eine Zusatzausbildung in Bezug auf die Theorien und Methoden des professionellen Einsatzes von Tieren in der Therapie. Die AAT sollte aus diesen Gründen nur von professionellen Therapeuten/Pädagogen bzw. von Laien unter pro­fessioneller Anleitung durchgeführt werden (vgl. Röger-Lakenbrink 2006, S. 27).

Bei allen drei Formen der tiergestützten Arbeit werden die Tiere auf unterschiedliche Art und Weise miteinbezogen. Das reicht von der weitgehenden Kontrolle des Tieres durch den Menschen, der sie durch das Trainieren von besonderen Fähigkeiten für bestimmte Aktivitäten nutzt, bis zum Aufbau und zur Förderung von sozio-emotio­nalen Beziehungen zum Tier, die vom Tier normalerweise gern erbracht werden, aber in erster Linie für den Menschen hilfreich sind. Hierzu zählen Partnerhunde (Blindenführ-, Hör-, Signal- und Epilepsiehunde) und Behindertenbegleithunde (Assistenz- und Servicehunde). Partner- und Behindertenbegleithunde erhalten vor ihrem Einsatz eine spezielle Ausbildung, werden danach an die betroffenen Men­schen abgeben und verbringen ihr Leben als Helfer und Partner an der Seite des Hil­febedürftigen (vgl. Olbrich 2001, S. 25). Für diese Arbeit ist nicht jeder Hund glei­chermaßen eignet. Die Selektion erfolgt nach der Grundausbildung im Alter von ca. einem Jahr. Die für die spezielle Ausbildung ungeeigneten Hunde werden in Fami­lien vermittelt.

Zu den sogenannten Sozialhunden zählen die Therapiehunde, welche in der AAT eingesetzt werden, sowie auch die Besuchshunde, die in der AAA eingesetzt werden. Das Tier ist dem Menschen ein nahestehender Gefährte einer anderen Spezies, mit dem Kommunikation und Interaktion auf einer tiefen Schicht der Verbundenheit stattfindet. Diese (zumindest größtenteils) für die Tiergestützte Therapie ausgebilde­ten Hunde, verbleiben bei ihren ebenfalls geschulten Haltern und arbeiten mit ihnen als „Team“ an wechselnden Einsatzorten und mit unterschiedlicher Klientel (vgl. Röger-Lakenbring 2006, S. 24).

Die Ausbildung von Therapie- und Besuchshunden sowie ihren Haltern zum „The­rapiehunde-Team“ ist leider noch keine Pflicht-Voraussetzung für einen Einsatz. In Deutschland gibt es, im Gegensatz zu Österreich und der Schweiz, leider noch keine einheitliche Absicherung der Qualitätsstandards, so dass auch ungeprüfte „Therapie­hunde-Teams“ ihre zum Teil unprofessionelle Arbeit anbieten können (vgl. Röger-Lakenbring 2006, S. 20).

2.3 Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes verschiedener Spezies in der tiergestützten Arbeit

Als „tierische“ Co-Therapeuten werden Hunde, Katzen, Kaninchen und Nutztiere wie Ziegen, Schafe, Pferde, Esel und Rinder eingesetzt. Aber auch Wildtiere wie Delfine, Lamas und Alpakas sind im Einsatz bei der tiergestützten Arbeit. Jede dieser Spezies hat ihre Vor- und Nachteile. Erfahrungsgemäß ist nicht jede Tierart und auch nicht jedes Individuum einer Art für jeden Menschen geeignet.

Die heilsame Mensch-Tier-Begegnung erhält ihre Impulse vor allem durch die ‘freie’ Begegnung[13] und den Dialog zwischen den verschiedenen Spezies. Hierfür ist daher eine Auswahl von Tieren mit ausgeprägten körpersprachlichen Kommunikations­möglichkeiten und/oder differenzierter Lautgebung förderlich.

Im Folgenden werde ich einen allgemeingültigen Überblick über die Kriterien geben, nach denen Tiere für einen Einsatz in der tiergestützten Arbeit ausgewählt werden (sollten) und dann auf die unterschiedlichen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen eines Einsatzes der verschiedenen Spezies eingehen.

2.3.1 Allgemeine Auswahlkriterien der Tiere

Im Allgemeinen sollte bei der Wahl der Tierart darauf geachtet werden, dass es sich um eine wie der Mensch sozial lebende Spezies handelt. Denn nur Lebewesen, die in ähnlich organisierten Verbänden wie der Mensch leben, haben das Bedürfnis nach emotionaler und sozialer Nähe und infolgedessen das Interesse, von sich aus Kontakt zum Menschen aufzunehmen. Tiere sind dann gute ‘therapeutische Begleiter’, wenn sie ein geeignetes soziales Verhalten zeigen. Hierzu gehört in erster Linie verträgli­ches Benehmen wie die freundliche Kontaktaufnahme zu Menschen und anderen Tieren (vgl. Otterstedt 2001, S. 117 ff.). Voraussetzung ist auch eine gute Sozialisa­tion. Tiere mit mangelnder Sozialisation zeigen oft ängstliche Verhaltensweisen in Anwesenheit von Menschen, die sich in aggressives Verhalten verändern können, sobald die für das Tier individuelle Fluchtdistanz unterschritten wird. Problematisch ist hierbei, dass die Tiere für den Menschen bei Unterschreitung der Distanz „unbe­rechenbar“ reagieren können und insofern eine Gefahr für die Betroffenen darstellen.

Hiervon sind Tiere wie Vögel, Fische u. a., die nur in Volieren oder anderen ge­schlossenen Behältnissen gehalten werden und die mit den Menschen nicht in Kör­perkontakt treten können, natürlich ausgenommen.

Grundvoraussetzung für den Einsatz eines Tieres jeglicher Spezies ist, dass es ge­pflegt und gesund ist (vgl. Otterstedt 2001, S. 117).

Auf die Übertragung von Krankheiten zwischen Mensch und Tier werde ich nicht weiter eingehen, da nur wenige Erkrankungen übertragbar sind und die Gefahr der Ansteckung eher gering ist. Eine Voraussetzung für die Vermeidung von Infektions­krankheiten durch Tiere ist die Einhaltung einfacher Hygienemaßnahmen wie Hän­dewaschen nach dem Kontakt u. ä. Besondere Vorsichtsmaßnahmen müssen nur bei infektanfälligen Menschen ergriffen werden (vgl. Schwarzkopf 2003, S. 115). In diesen Fällen sollte die Sicherheit des Patienten immer im Vordergrund stehen und eine sorgfältige Risiko-Nutzen Abwägung des Einsatzes erfolgen.

Die Auswahlkriterien für die Tiere richten sich nach der therapeutischen Zielsetzung. Für einen lebhaften Menschen kann der Einsatz eines aktiven verspielten Tieres, z. B. eines jungen Hundes durch das gemeinsame Spiel einen körperlichen Ausgleich schaffen und gleichzeitig die soziale Anpassungsfähigkeit fördern, da der Mensch sich auf das Verhalten des Tieres einlassen muss.

Für einen älteren Menschen wäre ein so lebhaftes Tier vermutlich eher eine Überfor­derung. In diesem Fall sollte darauf geschaut werden, dass das Tier ein ähnliches Bewegungstempo wie der menschliche Dialogpartner besitzt.

Andererseits kann ein agiles Tier auch dazu einladen, selbst (wieder) aktiv zu wer­den.

Mit Hilfe von jungen Tieren lassen sich besonders gut Kontakte zu zurückgezogenen und schüchternen Menschen aufnehmen. Durch das Kindchen-Schema, der damit verbundenen Physiognomie wie große Augen und hohe Stirn und durch die tollpat­schigen Bewegungen löst das Tier Zuneigung und Schutzbedürfnis aus.

Wird der Körperkontakt zum Tier gewünscht, so sollte dieses langes wuscheliges Fell haben, da das zum Streicheln einlädt und von den meisten Menschen bevorzugt wird (vgl. Otterstedt 2001, S. 117 ff.).

2.3.2 Hunde

Hunde sind die beliebtesten Begleiter des Menschen. Sie eignen sich aufgrund ihrer Lebensweise in sozialen Verbänden und den damit verbundenen sozialen Bindungs­möglichkeiten, sowohl inner- als auch zwischenartlich, hervorragend für das Zu­sammenleben mit dem Menschen. Dies bietet eine gute Voraussetzung für einen Ein­satz in der tiergestützten Arbeit.

Der Mensch wird von ihnen üblicherweise als Leittier akzeptiert. Hunde sind sehr anpassungsfähig, ihre Kommunikationsfähigkeit mit dem Menschen ist gut ausge­prägt und sie können innerhalb kürzester Zeit die individuelle Körpersprache eines Menschen erlernen. Der Mensch fühlt sich dadurch vom Hund verstanden und durch die Befolgung seiner Kommandos anerkannt.

Hunde haben viele Vorteile und die große Zahl an Ausbildungsmöglichkeiten - u. a. bedingt durch die große Rassenvielfalt- zu Partner-, Behinderten-, Rettungs- und Sozialhunden, aber auch Drogen-, Schutz- und Wachhunden usw. ermöglicht ihren Einsatz als Helfer des Menschen in vielen verschiedenen Arbeitsfeldern (vgl. Otter­stedt 2001, S. 138 ff.).

2.3.3 Katzen

Katzen sind gerne unabhängig, können aber eine innige Beziehung zum Menschen entwickeln. Sie bestimmen selbst den Zeitpunkt und die Dauer des Kontaktes und sind daher besonders für Menschen geeignet, die eine Beziehung zu einem Tier schätzen, diese aber nicht ständig einfordern. Ihr Schnurren ist mit einer Vibration des Körpers verbunden, was sie für den Einsatz bei Gehörlosen auszeichnet. Durch die taktilen Kontakte, verbunden mit der Vibration, welche sich beim Schnurren auf den menschlichen Körper überträgt, entsteht ein ganz besonderer Dialog zwischen Mensch und Tier.

Katzen benötigen ein festes Revier in Form eines stabilen Zuhauses. Deshalb eignen sie sich gut als Haustier für Alten-, Behinderten- oder Kinderheime und andere Ein­richtungen. Aus dem gleichen Grund sind sie aber für Besuchsdienste nicht geeignet (vgl. Otterstedt 2001, S. 147 f.).

2.3.4 Nagetiere

Kaninchen, Meerschweinchen, Chinchillas und andere Nagetiere eignen sich auf­grund ihrer handlichen Körpergröße für die tiergestützte Arbeit. Es besteht die Mög­lichkeit, sie auf den Arm zu nehmen. Da es unter den Nagern viele verschiedene Spezies und Rassen mit unterschiedlichem Fell und in unterschiedlicher Größe gibt, bieten diese Tiere viele verschiedene taktile Reize.

Ein weiterer Vorteil ist der geringe Aufwand ihrer Versorgung bzgl. Platzangebot, Futtermenge, Pflege und Kosten.

Die Körpergröße der Tiere kann sich aber auch nachteilig auswirken, da sie für Men­schen mit bestimmten motorischen und psychischen Behinderungen und auch kleine Kinder nicht robust genug sind und so der Gefahr von Verletzungen ausgesetzt sind. Des Weiteren haben einige Nager einen anderen circadianen Rhythmus[14] als der Mensch und werden in den meisten Fällen auch nicht stubenrein. Dies sollte vor dem Einsatz der Tiere bedacht werden (vgl. Otterstedt 2001, S. 150 f.).

2.3.5 Vögel und Fische

Vögel und Fische stellen eine Erweiterung im Dialogangebote von verschiedenen Einrichtungen dar. Durch ihre Beobachtung fördern sie das Gedächtnis der Men­schen. Dies geschieht sowohl durch den Dialog mit anderen Personen über die Tiere wie auch durch das Wiedererkennen einzelner Tiere und durch Namensgebung. Die Pflege der Tiere durch die Bewohner der Einrichtungen gibt diesen die Möglichkeit, Verantwortung für andere Lebewesen zu übernehmen. Dadurch fühlen sich die Men­schen oft wieder nützlich. Bemängelt wird von ihnen allerdings häufig, dass sie die Tiere nicht anfassen können, also keine Möglichkeit besteht, ihr Bedürfnis nach tak­tilen Reizen auszuleben (vgl. Otterstedt 2001, S. 148 f.).

2.3.6 Pferdeartige

Pferde, Esel und Ponys sind sehr soziale Tiere, die in Herden zusammenleben. Dabei nimmt jedes Tier innerhalb der Herde seinen fest definierten Platz ein. Pferde haben wie der Mensch auch ein Bedürfnis nach Gemeinschaft und emotionaler Nähe und können sich infolgedessen nach erfolgreicher Sozialisation eng an den Menschen binden (vgl. Förster 2005, S. 63). Ihr Einsatzfeld sehr vielfältig.

Durch die Fütterung und Pflege der Tiere werden verschiedene Sinne des Menschen angesprochen, vergleichbar der Situation mit den vorher genannten Tieren. Die Be­sonderheit bei den Pferdeartigen liegt in der Möglichkeit des Reitens, eines sehr in­tensiven körperlichen Kontaktes mit dem Tier. Beim Reiten in den drei Grundgang­arten des Pferdes erfolgt eine Bewegungsstimulation des Menschen im beidseitigen Rhythmus. Dies spricht beide Gehirn- und damit verbunden auch beide Körperhälf­ten an. Gleichzeitig erfordert die Bewegung des Pferdes eine ständige Anpassung des eigenen Schwerpunktes an den des Tieres. Dadurch wird der Gleichgewichtssinn geschult. Aber auch muskuläre Verkrampfungen können durch die Bewegungen des Pferdes beim Reiten gelöst werden (vgl. Schönwälder 2003, S. 334).

Ein weiterer Vorteil des Pferdes ist seine Größe. Gerade für Kinder mit aggressiv gefärbten Störungen des Sozialverhaltens stellt diese eine Hemmschwelle dar, das Tier zu „misshandeln“.

Im Gegensatz dazu kann das Durchsetzungsvermögen von unsicheren Personen im Umgang mit den „großen“ Tieren trainiert werden. Es kommt zu einer Verstärkung des Selbstbewusstseins, wenn sich das Pferd von der Person, in die von ihm vorge­gebene Richtung lenken lässt (vgl. Förster 2005, S. 88).

Im therapeutischen Bereich werden die Hippotherapie und das heiltherapeutische Reiten und Voltigieren unterschieden. Die Hippotherapie wird ärztlich verordnet und von ausgebildeten Physiotherapeuten mit dem Patienten am oder auf dem Pferd durchgeführt. Sie ist besonders induziert für neurologische Krankheitsbilder und or­thopädische Syndrome.

Beim heiltherapeutischen Voltigieren wird das Tier an einer Longe in unterschiedli­chen Gangarten geführt, während der Patient, meist ein Kind auf ihm sitzt oder liegt. Das sorgt für eine Verbesserung der Wahrnehmung durch die körperliche und gei­stige Verarbeitung der Sinneseindrücke sowie deren Umsetzung. Die Fähigkeit, sich selbst intensiv wahrzunehmen, wird gefördert. Insbesondere verhaltensauffällige und lern- oder geistig behinderte Kinder sprechen positiv auf diese Therapie an (vgl. Otterstedt 2001, S. 151 f.).

In den USA und Südfrankreich werden seit einigen Jahren auch Miniatur-Pferde er­folgreich in der Begleitung von Kindern sowie körperlich und geistig Behinderten eingesetzt. Zum Reiten sind sie nicht geeignet, dafür können sie bei Tierbesuchsdien­sten auch in Innenräumen eingesetzt werden (vgl. Otterstedt 2001, S. 156). Vermut­lich wäre der Einsatz anderer Tierarten in solchen Fällen weniger aufwendig und auch tiergerechter.

So vielfältige Möglichkeiten der Einsatz von Pferdeartigen in der tiergestützten Ar­beit auch bietet, finanziell und zeitlich ist er sehr aufwendig. Es werden Stallungen und Weiden benötigt. Die Tiere müssen täglich versorgt und bewegt sowie die Stal­lungen „gemistet“ werden.

2.3.7 Nutztiere

Bei der Auswahl von Nutztieren für den tiergestützten Arbeitsbereich sind generell alle landwirtschaftlichen Nutztiere geeignet, die interessant zu beobachten sind und von selbst auf den Menschen zugehen. Als geeignet gezeigt haben sich Schafe, Zie­gen, Schweine, Geflügel und Rinder, also Tierarten, die sozial in Gruppen leben. Bei der individuellen Auswahl sollten Tiere bevorzugt werden, die gut handhabbar sind und nicht gefährlich werden können (vgl. Simantke/Stephan 2003, S. 300). Einge­setzt werden können sie im Streichelgehege, im Rahmen eines pädagogischen Lern­felds auf Schulbauernhöfen, in Werkstätten für Behinderte, in Altenheimen, im Voll­zug und in anderen Institutionen. Landwirtschaftliche Nutztiere werden zu pädagogi­schen Zwecken eingesetzt. Sie fördern die Nähe zur Umwelt und durch ihr Bedürfnis nach regelmäßiger Versorgung unterstützen sie die Tagesstruktur der sie pflegenden Menschen (vgl. Simantke/Stephan 2003, S. 298). Die Nachteile des Einsatzes von Nutztieren sind vergleichbar mit denen von Pferden, Ponys und Eseln.

2.3.8 Kameliden

Lamas und Alpakas sind domestizierte südamerikanische Kameltiere. Durch gezielte Zucht kam es zur Ausbildung einer artübergreifenden Sozialisation gegenüber ande­ren Tierarten und Menschen. Diese zwischenartliche Toleranz und Akzeptanz ist die Voraussetzung für ihren Einsatz in der tiergestützten Arbeit (vgl. Gunsser 2003, S. 404).

Ihr Einsatz erfolgt v. a.in sozialpädagogischen Projekten, z. B. im Rahmen der Ar­beitstherapie für suchtmittelabhängige Menschen, aber auch in therapeutischen Ein­richtungen zur Begleitung von Menschen mit autistischen Verhaltensweisen, psycho­somatischen oder psychiatrischen Symptomen und in Wohngruppen für körperlich behinderte Menschen. Das Besondere an den Tieren ist ihr feinfühliges Wesen. Sie sind neugierig, aber zurückhaltend und stürmen dadurch nicht auf den Menschen zu, sondern lassen diesem die Zeit sich ihnen zu nähern (vgl. Otterstedt 2001, S. 165). Weitere Vorteile des Einsatzes dieser Spezies sind ihre Größe - sie befinden sich ungefähr auf Augenhöhe mit dem Menschen - ihre Ruhe und ihr weiches Fell, wel­ches zum Streicheln einlädt (vgl. Gunsser 2003, S. 408).

Kritisch betrachtet werden sollte der mit dem Einsatz verbundene Aufwand der Hal­tung und Versorgung der Tiere. Es sind ähnliche Bedingungen wie jene für die Nutztierhaltung, allerdings benötigen Kameliden größere Weideflächen und in der Haltung der Tiere erfahrene Menschen. Daneben ist die Ausbildung der Tiere sehr aufwendig. Sie müssen auf den Menschen geprägt und von diesem erzogen werden (vgl. Gunsser 2003, S. 406). Gleiches gilt zwar auch für die oben genannten anderen Spezies die in der tiergestützten Arbeit eingesetzt werden. Allerdings handelt es sich bei diesen um Tiere, die schon seit Jahrtausenden domestiziert sind und in Deutsch­land gehalten werden. Infolgedessen kann ein Hintergrundwissen über die Haltung der Tiere und ihre Versorgung vorausgesetzt werden. Bei den Lamas und Alpakas muss die Aufzucht hingegen von erfahrenden Züchtern und Ausbildern durchgeführt werden, was wiederum mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden ist. Mir stellt sich die Frage, ob der Aufwand den Einsatz dieser eher exotischen Tiere recht­fertigt und ob eine artgerechte Haltung unter den gegebenen Bedingungen überhaupt möglich ist.

2.3.9 Delfine

In Florida, Israel, Australien, auf den Bahamas und Hawai werden Begegnungen von Menschen mit frei lebenden, an den Menschen gewöhnten oder mit trainierten, in Delfinarien gehaltenen Delfinen arrangiert.

Delfine zeichnen sich durch ihr ausgeprägtes Sozialverhalten und ihren Spieltrieb aus. In Gegenwart von behinderten oder kranken Menschen verhalten sich die Tiere von sich aus besonders vorsichtig und unterstützend. Durch ihre Kommunikation mittels Ultraschall haben sie eine besondere Wahrnehmungsfähigkeit. Sie begegnen dem Menschen mit Neugierde und Vertrautheit. Speziell der freiwillige Kontakt des Tieres zum Menschen wirkt sich positiv auf den heilenden Prozess aus (vgl. Otter­stedt 2001, S. 157 f.).

Die Delfintherapie umfasst die Förderung von körperlich, geistig und emotional be­hinderten Menschen bezüglich ihrer möglichen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Studien von Dave Nathanson ergaben eine deutliche und schnelle Verbesserung der kogniti­ven Fähigkeiten und Fertigkeiten behinderter Kinder in der Delfintherapie.

Aber auch das Wasser, die Sonne und die Besonderheit der Situation haben vermut­lich einen positiven Einfluss auf die therapeutische Wirkung (vgl. Kulkies 2000, S. 50 f.).

Diskutiert wird die Therapie trotz der Erfolge sehr kontrovers, da mit ihr ein überaus hoher Kostenaufwand verbunden ist. Des Weiteren sollte bedacht werden, dass die Tiere in den Delfinarien auf sehr beengtem Raum gehalten werden (vgl. Otterstedt 2001, S. 163). Dies entspricht nicht ihrem natürlichen Lebensraum, ist demzufolge nicht artgerecht und sollte aus Gründen des Tierschutzes abgelehnt werden. Anders ist es bei den Mensch-Tier-Begegnungen mit freilebenden, an den Menschen ge­wöhnten Delfinen.

2.4 (Aus-) Wirkungen der tiergestützten Arbeit

Dass Tiere eine Wirkung auf Menschen haben ist unbestritten. Dabei ist es weniger das Tier an sich, sondern viel mehr die „freie , gelungene Begegnung“ (Otterstedt 2000, S. 2) und der Dialog zwischen Mensch und Tier, die die gewichtigen Impulse setzten, welche sich positiv auf die Heilung auswirken.[15]

Unter dem Begriff der Heilung ist weniger die traditionelle Bedeutung der „Wieder­herstellung eines körperlichen Schadens“ (Otterstedt 2000, S. 2) zu verstehen, als vielmehr im ganzheitlichen Sinne ein „in sich heil werden“ (Otterstedt 2000, S. 2), unter Einbeziehung der körperlichen, geistigen, seelischen, spirituellen und sozialen Kräfte. Der Mensch ist im Heilungsprozess auf eine Kooperation mit seinem „Inne­ren Heiler“ angewiesen.

Um diese inneren Kräfte im Patienten zu motivieren werden aber vom medizinischen Personal ausgeprägte soziale Kompetenzen, kommunikative Fähigkeiten und ange­messene Dialogangebote an den Patienten benötigt. „Der Innere Heiler muss mit dem äußeren Heiler (Ärzte, Therapeuten, Pfleger, Seelsorger) in Kontakt kommen, damit Heilung geschehen kann“ (vgl. Otterstedt 2003, S. 60). Dies kann durch den Einsatz eines Tieres als Medium geschehen. Eine Voraussetzung für die Entwicklung der heilenden Wirkung ist, dass die Begegnung zwischen Mensch und Tier ein An­gebot und keine Notwendigkeit für den Betroffenen darstellt (vgl. Otterstedt 2000, S. 2 ff.).

Bei der freien Begegnung ist das Zusammenwirken von Therapeut und Klient mit Hilfe eines „therapeutischen Mittels“ (Otterstedt 2003, S. 63) auf das Ziel der The­rapie gerichtet. Das Tier ist ein Teil des therapeutischen Konzepts und wird zielori­entiert eingesetzt. Dabei kann die freie Begegnung durch die Ausbildung des Thera­peuten und des Tieres in eine spezielle Form des Tiereinsatzes umgewandelt werden (vgl. Otterstedt 2003, S. 63)

Der Umgang mit Tieren wirkt sich also auf verschiedenen Ebenen positiv aus. Tiere können Menschen in physiologischer, psychischer und sozialer Hinsicht helfen, mit ihrem inneren Heiler in Verbindung zu kommen. Dabei ergänzen sich die Funktionen immer gegenseitig bzw. stehen miteinander in Wechselwirkung. Oder wie es in dem Fazit einer Studie des psychologischen Instituts der Universität Bonn lautet: „Die präventive Wirkung von Heimtieren beruht auf der Vielfalt und Gleichzeitigkeit einer großen Zahl von Wirkungsfaktoren und deren starker emotionaler Verankerung: Es wird nicht ein bestimmtes Organ angesprochen, sondern der ganzheitliche Lebensstil und damit die Gesundheit eines Menschen.“ (vgl. Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft, S. 6)

Im Folgenden werde ich die physischen, psychischen und sozialen Auswirkungen von Tieren auf den Menschen vorstellen und dazu auf wissenschaftliche Studien ver­schiedener Fachrichtungen zurückgreifen. Zur Erklärung werde ich teilweise auch auf die Bindungstheorie zurückkommen.

Eine genaue Trennung von körperlichen, seelischen und sozialen Auswirkungen ist dabei nicht möglich, da kein Verhalten isoliert auftritt, sondern immer im Zusam­menwirken mit anderen Komponenten.

2.4.1 Physische Auswirkungen

Seit längerem ist bekannt, dass sich Kontakte mit Tieren blutdrucksenkend und kreislaufstabilisierend auswirken. Dies belegten bereits Friedmann u. a. (1982) in der ersten und wohl bekanntesten Studie zu diesem Thema. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Haltung von Haustieren bei Patienten mit Herzinfarkt zu einer Le­bensverlängerung führte. Für die Studie wurden 96 Patienten, davon 53 Tierhalter, nach einem überstandenem Herzinfarkt zu ihrem sozialen Umfeld und ihrer psychi­schen Verfassung befragt. Im ersten Jahr nach dem Infarkt waren 14 Patienten ver­storben. Dabei stellte sich heraus, dass aus der Gruppe der Tierhalter nur 6% starben, bei den Patienten ohne Heimtiere waren es 28%. Verschiedene Variablen wie Rau­chen, Blutfette, Ernährungsgewohnheiten u. ä. wurden berücksichtigt.

In weiteren Arbeiten konnte Friedmann nachweisen, dass für Hundebesitzer das Überleben nach einem Herzinfarkt wahrscheinlicher ist als für andere Heimtierbesit­zer. Im Gegensatz dazu konnten Anderson, Reid und Jennings (1992) in einer ande­ren Untersuchung über den Zusammenhang zwischen bestimmten Risikofaktoren[16] für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und der Haltung von Haustieren herausfinden, dass bei der Messung des Blutdrucks und der Blutfettwerte (Plasmacholesterol und Tri­glyceride) kein Unterschied zwischen Hundehaltern und Aquarienbesitzern bestand. Doch bestand auch bei dieser Studie wieder eine Differenz zwischen Haustier- und Nicht-Haustierhaltern Bei Letzteren waren der Blutdruck und die Blutfettwerte eher erhöht. Auch hier konnte das Ergebnis nicht auf das Gewicht, die Körpergröße oder andere somatische Daten der Patienten zurückgeführt werden. Die Haustierhalter gaben sogar an, dass sie mehr rauchten, mehr Fleisch aßen und mehr „take away food“ konsumierten, aber auch, dass sie sich mehr bewegten. Demzufolge könnten die besseren Messwerte auch auf die körperliche Aktivität zurückgeführt werden.

In New York wurden im Rahmen einer 1/2jährigen Studie 48 männliche und weibli­che Börsenmakler medizinisch untersucht, die von zu Hause aus arbeiteten und be­reits wegen stressbedingtem Bluthochdruck in Behandlung waren. Sie bekamen die Möglichkeit, sich einen Hund oder eine Katze anzuschaffen. Nach einem halben Jahr war bei den Teilnehmern der Studie, die sich für ein Haustier entschieden hatten, der Blutdruck gesunken. Bei der anderen Gruppe ohne Heimtier waren kaum Verände­rungen des Blutdrucks erkennbar (vgl. Otterstedt 2001, S. 28).

Inzwischen hat sich infolge weiterer Arbeiten herausgestellt, dass bereits die Anwe­senheit eines Tieres beruhigend und blutdrucksenkend auf Menschen wirkt.

Das Beobachten oder auch Streicheln von Tieren hat eine beruhigende und blut­drucksenkende Wirkung auf den Organismus. Es wirkt sich positiv auf den menschlichen und tierischen Körper und seine Funktionen aus. So kommt es bei beiden zu einer Ausschüttung von Endorphinen, die Pulsfrequenz verringert sich, der Muskeltonus wird gesenkt und es kommt zu einer Entspannung des Körpers. Eine Steigerung der Wirkung kann durch die gefühlte Bewegung und den ruhigen Atem des anderen Lebewesens und durch eine enge Beziehung zwischen Mensch und Tier erreicht werden (Otterstedt 2001, S. 31).

[...]


[1] Anmerkung der Verfasserin: Weil der parallele Gebrauch der männlichen und weiblichen Schreibweisen wie Klient/Innen auf Dauer zu einer schwierigeren Lesbarkeit des Textes führen würde, habe ich darauf verzichtet. Sofern sich eine Aussage explizit auf Frauen bezieht, werde ich die weibliche Form verwenden.

[2] Die Unterscheidung zwischen Haus- und Nutztier besteht darin, dass das Nutztier neben dem Menschen lebt und das Haustier mit dem Menschen und dass zwischen ihm und dem Menschen eine Beziehung besteht (vgl. Otterstedt 2001, S. 16).

[3] Double-Bind-Botschaften sind inkongruente Nachrichten, welche eine „widersprüchliche Handlungsaufforderung“ enthalten und dadurch eine „verrückt machende Doppelbindung“ schaffen. Sie werden mit der Entstehung von schizophrenem Verhalten beim Empfänger in Verbindung

gebracht (vgl. Schulz von Thun 2003, S. 38).

[4] Vgl. auch die Schichtenlehre von Rothacker (1938), die evolutionär begründet wird und inzwischen neuropsychologisch nachgewiesen werden konnte. Er sieht eine Aufschichtung von drei Hauptschichten der Persönlichkeit (Emotionalität, „beseelte Tiefenperson“, Kognition). Dabei sind die höheren Prozesse auf die niedrigen Prozesse angewiesen, während niedrige Prozesse weiterhin alleine ablaufen können. Die Verbundenheit mit anderen Lebewesen verläuft in den tieferen Schichten, welche durch die tiergestützte Arbeit angeregt werden. Insofern besteht die Möglichkeit auch Menschen mit schweren kognitiven Behinderungen, Koma-Patienten, kleine Kinder u. a. Personen mit dem Einsatz eines Tieres zu erreichen.

[5] Unter Gegenübertragung wird hier die emotionale Antwort verstanden, die (in diesem Fall) das Tier dem Menschen auf seine Übertragung, spezifisch durch seine Reaktionen, rückmeldet (vgl. Stemmer-Lück 2004, S. 98). Dabei reagiert das Tier auf die analogen Anteile der Kommunikation seines Gegenübers und kann somit nicht durch „verbale Lügen“ getäuscht werden.

[6] Es handelt sich um intuitive Fähigkeiten, das Erkennen von Gefühlen Anderer und emphatische Reaktion darauf, die Fähigkeit, auch unter Emotionen Sachverhalte zu verstehen und die Regulation der eigenen Emotionen (vgl. Beetz 2003, S. 79).

[7] Soziale Kompetenz ist auf die Fähigkeit bezogen, soziale Ziele weitgehend nicht auf Kosten Anderer zu erreichen. Die Motivation erfolgt intrinsisch (vgl. Vaughn/Heller/Bost 2001, S. 64).

Anmerkung der Verfasserin: im Text wurde immer auf die Mutter Bezug genommen, weil es sich bei ihr meistens um die Hauptbindungsperson handelt. Sollte die Bindungsperson davon abweichen, so ist natürlich auch diese gemeint.

[8] Anmerkung der Verfasserin: im Text wurde immer auf die Mutter Bezug genommen, weil es sich bei ihr meistens um die Hauptbindungsperson handelt. Sollte die Bindungsperson davon abweichen, so ist natürlich auch diese gemeint.

[9] Cortisol (Steroidhormon) ist ein Glucocorticoid, welches in der Nebennierenrinde gebildet wird. Bei längerfristigem Stress wird seine Synthese durch die vorherige Ausschüttung von Adrenalin induziert. Es handelt sich um eine physiologische Coping-Strategie des Körpers um mit langandauerndem Stress adäquat umzugehen (vgl. Müller, 1998, S. 225).

[10] Unter einem Reflex versteht man die unwillkürliche Reaktion Körpers (sekretorisch, motorisch) auf einen wahrgenommenen Reiz. Reflexe laufen auf stereotype Weise über den sogenannten Reflexbogen ab. Daran sind das Reiz aufnehmende Sinnesorgan, das Rückenmark und das Reflex ausführende Organ beteiligt (vgl. Schrader 2005, S. 291 f.).

[11] siehe dazu auch die Objektbeziehungstheorie, z. b. Spitz (1969), Stierling (1970), Kernberg (2002)

[12] Unter Übertragung wird in der modernen Psychoanalyse im Allgemeinen die Wiederholung von erworbenen und verinnerlichten Beziehungsmustern in aktueller Interaktion oder Situationen verstanden. Es geht also um die Übertragung von Beziehungsmustern (vgl. Stemmer-Lück 2004, S. 97), die sich in dieser Arbeit v. a.auf die Möglichkeit der Übertragung der Mensch-Tier-Beziehung/Bindung auf die Mensch-Mensch-Beziehung/Bindung bezieht.

[13] Definition siehe Kapitel 2.5

[14] Circadiane Rhythmen sind periodische Biorhythmen, also „innere Uhren“. Sie geben u. a. die Tag- und die Nachtaktivität eines Lebewesens vor (vgl. Müller 1998, S. 251).

[15] Die genannten Wirkungen der tiergestützten Arbeit auf den Menschen treten natürlich nicht bei jedem Individuum in Erscheinung, auch wenn sie im Rahmen der Arbeit teilweise generalisiert dargestellt werden. Vgl. auch Kapitel 3.6.3 und 3.6.4.

[16] Zu den Risikofaktoren für cardiovaskuläre Erkrankungen gehören Bluthochdruck und eine Erhöhung der Blutfette (Cholesterol und Triglyceride).

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Canis Lupus Therapeuticus und anderes Getier
Untertitel
Möglichkeiten und Grenzen tiergestützter Therapie und Pädagogik auf der Basis bindungstheoretischer Erkenntnisse
Hochschule
Hochschule Fresenius; Darmstadt
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
80
Katalognummer
V83978
ISBN (eBook)
9783638877305
ISBN (Buch)
9783638879026
Dateigröße
2414 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Canis, Lupus, Therapeuticus, Getier, Hund, Hunde, Therapie, Pädagogik, Bindungsängste
Arbeit zitieren
Christiane Schöll (Autor:in), 2007, Canis Lupus Therapeuticus und anderes Getier, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83978

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