Geldpolitische Regeln im Vergleich

Eine kritische Analyse


Seminararbeit, 2007

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geldmengenstrategie
2.1 Modellbeschreibung
2.2 Die Bedeutung der Geldnachfrage
2.3 Wahl des richtigen Geldaggregats
2.4 Geldmengenstrategie der EZB als Teil der Zwei-Säulen-Strategie
2.5 Vor- und Nachteile der Geldmengenstrategie

3. Die Taylor-Regel
3.1 Modellbeschreibung
3.2 Anwendung in der Praxis
3.3 Vorteile und Kritik

4. Kurze Beschreibung anderer geldpolitischer Regeln

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit den neunziger Jahren haben sich die meisten Zentralbanken auf die Gewährleistung der Preisstabilität als primäres Ziel der Geldpolitik festgelegt.[1] Selbstverständlich ist es nicht zwingend notwendig, dass eine Zentralbank ausschließlich dieses Ziel verfolgt. Da die Preisniveaustabilität sehr häufig von den Notenbanken als Endziel festgelegt wird, ist im Rahmen dieser Arbeit unter dem Endziel aus Vereinfachungsgründen die Preisniveaustabilität gemeint. Jedoch kann dies in einem Zielskanon als Endziel aufgefasst werden. Daher wird auch diese Arbeit das Endziel der Geldpolitik als Preisniveaustabilität definieren. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) verfolgt dieses Ziel.[2] Dabei können die Notenbanken die Preise nicht direkt kontrollieren. Stattdessen versuchen sie das besagte Oberziel über eine angemessene geldpolitische Strategie zu erreichen, die ein Grundgerüst für die Ausrichtung der Geldpolitik bildet.[3]

Zwei Arten geldpolitischer Strategien werden unterschieden: ein- und zweistufige. Bei einer einstufigen Strategie wird das Endziel der Preisstabilität direkt angesteuert. Bei einer zweistufigen Strategie dagegen setzt sich die Zentralbank ein Zwischenziel als Mittel zur Erreichung des Endziels. Das Zwischenziel muss einen engen und stabilen Zusammenhang mit dem Endziel haben und soll kurzfristig beobachtbar sowie von der Zentralbank kontrollierbar sein.[4] Die meisten geldpolitischen Regeln arbeiten auf die Erreichung eines Zwischenziels hin. Ob beide Strategieausrichtungen für geldpolitische Zwecke gleichermaßen geeignet sind, ist fraglich. Da dies aber nicht der Gegenstand dieser Arbeit ist, wird es an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt.

Die Notenbank kann die Geldpolitik entweder mit relativ viel Entscheidungsspielraum durchführen („Discretion“) oder sich an festgelegte Verfassungsvorschriften, also Regeln binden („Rules“). Dabei kann sich die Regel auf jede Ebene des Transmissionsprozesses beziehen.[5] Das wohl bekannteste Beispiel für die Regelbindung ist die so genannte k-Prozent-Regel von Milton Friedman. Diese besagt, dass die Geldmenge jährlich mit einer konstanten Rate wachsen soll.[6] Die Friedman’sche Regel ist eine sehr starre Regel, weil sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht berücksichtigt. Da die Prognose der Zukunft aber niemals vollkommen fehlerfrei erfolgen kann und daher die Regeln nicht alle zukünftige Situationen berücksichtigen können, ist es anzustreben derartige Regeln flexibler zu formulieren. So können sich die Zentralbanken z.B. an Regeln mit Bandbreiten statt absoluten Vorgaben, oder an Regeln mit Ausnahmevorbehalt binden.[7]

Die Vorteile einer regelgebundenen Geldpolitik überwiegen die Nachteile und sind zahlreich. Diese zu diskutieren gehört nicht zu den Aufgaben dieser Arbeit. Aber der meines Erachtens wichtigste Vorteil einer Regelbindung sollte trotzdem erwähnt werden: Hauptsächlich führt eine Regelbindung zu einer Umgehung des Zeitinkonsistenzproblems und damit zu einem Glaubwürdigkeitszugewinn der Geldpolitik der Notenbanken.

Die Theorie der Zeitinkonsistenz besagt, dass eine Notenbank daran interessiert sein kann, einen Politik-Plan anzukündigen, um diesen, nachdem der private Sektor sich daran orientiert hat, später zu revidieren.[8] Gemäß dem Modell von Barro und Gordon erreicht die Notenbank durch den Überraschungseffekt kurzfristig eine Beschäftigungssteigerung. Langfristig wird allerdings nur eine erhöhte Inflationsrate verursacht.[9]

Die Aufgabe dieser Arbeit ist es, die existierenden Strategien bzw. Zwischenziele der Geldpolitik im Hinblick auf die oben genannten Probleme und Kriterien hin zu untersuchen. Im Hauptteil wird erläutert, inwiefern die diskutierten Strategien Probleme wie z.B. time-lags oder Glaubwürdigkeit vermeiden und zu einer effektiven Geldpolitik führen können. Die geldpolitischen Regeln sind allerdings zahlreich. Eine detaillierte Ausführung und Diskussion aller Strategien ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Daher beschränke ich mich auf die Darstellung und Analyse zweier Maßnahmen, der Geldmengenstrategie und der Taylor-Regel. Die Geldmengenstrategie ist eine sehr wichtige Strategie der Geldpolitik. Der Grund dafür ist die große Relevanz der Geldmenge für die Inflation. Auch die Europäische Zentralbank hat sich im Rahmen ihrer Zwei-Säulen-Strategie für diese Regel entschieden, was die Bedeutung der Geldmengenstrategie in der Praxis noch mehr steigert. Die Taylor-Regel erklärt die Realität phasenweise sehr gut und wird in der Praxis häufig angewandt. Andere wichtige Strategien werden im Kapitel 4 kurz beschrieben.

2. Geldmengenstrategie

2.1 Modellbeschreibung

Das Konzept der Geldmengensteuerung gewann ab Mitte 70er Jahre immer mehr an Beliebtheit und Bedeutung.[10] Dabei strebt die Geldmengensteuerung die Erreichung der Preisniveaustabilität über die Kontrolle der Geldmenge an. Die deutsche Bundesbank war die erste Notenbank, die 1974 mit dem Ziel verbesserter Geldwertstabilität zur Geldmengenstrategie überging.[11]

Unter Ökonomen ist unbestritten, dass die Inflation auf längerer Sicht ein monetäres Phänomen ist.[12] Milton Friedmans Aussage aus dem Jahr 1963 „Inflation is always and everywhere a monetary phenomenon“[13] ist die zentrale Erkenntnis der Geldpolitik. Kurzfristig wird die Inflation auch von relativen Preisänderungen beeinflusst. Dies ist aber nur ein Zeichen eines funktionierenden Preissystems und nicht einer schwachen Geldpolitik.[14] Da aber zumindest langfristig der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation eindeutig vorhanden ist, erscheint es sinnvoll, zur Gewährleistung des Endziels der Preisniveaustabilität, das Zwischenziel Geldmengensteuerung zu wählen. Die Abbildung 1 bestätigt diesen Zusammenhang. Die Grafik zeigt für ausgewählte Industrieländer den Zusammenhang von Inflationsrate und Geldwachstum (M3-Wachstum) an.

Das Konzept der Geldmengensteuerung baut auf den Zusammenhängen der Quantitätstheorie auf:[15]

Mt * Vt = Pt * Y t

Dabei bezeichnet P das Preisniveau, M die Geldmenge, V die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und Y das reale Sozialprodukt. Durch Auflösen der Gleichung nach P kann gezeigt werden, dass das Preisniveau durch die Geldmenge beeinflusst wird.

Pt = (Mt * Vt) / Yt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Gischer, Herz, Menkhoff, 2004, S. 302

Bei gegebener Umlaufgeschwindigkeit und gegebenem Sozialprodukt steigt bei einer Expansion der Geldmenge das Preisniveau. Die zur Erreichung eines bestimmten vorgegebenen Preisniveaus notwendige Geldmenge kann durch Auflösen des Formelzusammenhangs nach der Geldmenge bestimmt werden:[16]

Mt = (Pt * Yt) / Vt

Um das gewünschte Geldmengenwachstum abzuleiten wird die Quantitätsgleichung in Veränderungsraten umformuliert und nach der Geldmenge aufgelöst:

∆mt = ∆pt + ∆yt - ∆vt

Nach dieser Gleichung benötigen Wirtschaftssubjekte umso mehr Geld je größer die Preissteigerung ist, das Sozialprodukt wächst und die Umlaufgeschwindigkeit sinkt. Entsprechend wird die Notenbank bei Änderungen der drei Variablen auf der rechten Seite der Gleichung die Geldmenge durch Variation des Leitzinses anpassen.

2.2 Die Bedeutung der Geldnachfrage

Für die praktische Anwendung der Geldmengensteuerung ist die Stabilität der Umlaufgeschwindigkeit von besonderer Bedeutung.[17] Steigt nämlich die Umlaufgeschwindigkeit V, wird weniger Geld gebraucht um das gewünschte Preisniveau zu erreichen. V wird dabei durch die Geldnachfrage bestimmt. Eine instabile Entwicklung der Umlaufgeschwindigkeit ist somit mit einer instabilen Geldnachfrage gleichzusetzen.[18]

Die Geldnachfrage stellt den Zusammenhang von Geldmenge, Preisniveau, Output und Zinsen dar. Die Stabilität der Geldnachfrage wird durch empirische Untersuchungen ermittelt. Ist die Geldnachfrage stabil, so kann prognostiziert werden, dass ein zu hohes (kleines) Geldangebot nach einer bestimmten Zeitverzögerung zu steigender (sinkender) Inflation führt.[19] Ist die Geldnachfrage dagegen instabil, gilt dieser Zusammenhang nicht, da die Änderung der Inflation nicht mehr allein von der Geldmenge beeinflusst wird, sondern auch von der Schwankung der Geldnachfrage. Deswegen ist die Geldnachfragestabilität primäre Voraussetzung der Geldmengenstrategie.

Stabilität bedeutet hierbei nicht die Konstanz, sondern lediglich eine stabile Entwicklungstendenz der Geldnachfrage. So ging z.B. die Bundesbank meist von einem Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit von 0,5% pro Jahr aus.[20]

2.3 Wahl des richtigen Geldaggregats

Die Wahl des richtigen Geldmengenaggregats ist schwierig.[21] Studien haben gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen einem harmonisiertem Verbraucherpreisindex und dem Geldmengenaggregat M3 am stärksten ausgeprägt ist.[22] (Auf eine Beschreibung von Geldmengenaggregaten wird verzichtet, da diese nicht die Aufgabe dieser Arbeit ist). Die Wahl dieses Aggregats als Zwischengröße hat den Vorteil, dass es vom zinsbedingten Geldfluss relativ unabhängig ist. Der Nachteil dabei ist, dass M3 auch finanzielle Aktiva enthält, die mit Anlagemotiven erworben werden und daher wenig über das Ausgabeverhalten aussagen.[23]

2.4 Geldmengenstrategie der EZB als Teil der Zwei-Säulen-Strategie

Die Europäische Zentralbank verfolgt, sowie zahlreiche Notenbanken, das Endziel der Preisniveaustabilität.[24] Um dieses Ziel gewährleisten zu können, hat sich die EZB für eine Zwei-Säulen-Strategie entschieden.[25] Die erste Säule dieser Strategie bildet die Geldmengensteuerung. Dabei hat sich die EZB auf das Aggregat M3 festgelegt, dessen Richtwert Ende 1998 erstmal auf 4,5% bestimmt wurde.[26]

Die EZB musste sich von Anfang an als effiziente Institution bewähren. Deswegen war sie darauf angewiesen, der Öffentlichkeit einen verlässlichen Maßstab für ihre Verantwortung bieten zu können. Aus diesem Grund war die Wahl der Geldmengen-strategie sehr günstig, da diese als Maßstab für die Glaubwürdigkeit am ehesten geeignet ist. Schließlich kann die Geldmenge von der Zentralbank zumindest mittelfristig kontrolliert werden.[27] Für eine Zweisäulen-Strategie sprach jedoch die Ungewissheit über die Stabilität der Umlaufgeschwindigkeit nach dem Übergang zu einer einheitlichen europäischen Geldpolitik. Daher entschied sich die EZB für eine Zweisäulenstrategie. Die zweite Säule ist dabei die direkte Inflationssteuerung (Inflation Targeting).

[...]


[1] Vgl. Bofinger, Reischle, Schächter 1996, S. 11.

[2] Vgl. http://www.ecb.int/ecb/orga/tasks/html/index.de.html

[3] Siehe Fußnote 1

[4] Vgl. Görgens, Ruckriegel, Seitz, 2004, S.105.

[5] Vgl. Duwendag, Ketterer, Kösters, Pohl, Simmert, 1998, S. 322

[6] Vgl. Michler, 2006, S. 826

[7] Vgl. Gischer, Herz, Menkhoff, 2005, S.289.

[8] Vgl. Bofinger, Reischle, Schächter, 1996, S. 138 ff.

[9] Vgl. Duwendag, Ketterer, Kösters, Pohl, Simmert, 1998, S. 320 ff.

[10] Vgl. Gischer, Herz, Menkhoff, 2005, S. 300 f

[11] Vgl. Heise, 2007, S. 8

[12] Vgl. Ruckriegel, Seitz, 2007, S. 15

[13] Vgl. Hayo, 2007, S. 10

[14] Eben da

[15] Folgende Modellbeschreibung basiert auf Gischer, Herz, Menkhoff, 2005, S. 301

[16] Vgl. Görgens, Ruckriegel, Seitz, 2004, S. 137

[17] Vgl. Gischer, Herz, Menkhoff, 2005, S. 304

[18] Vgl. Görgens, Ruckriegel, Seitz, 2004, S. 143

[19] Vgl. Leschke, Polleit, 2007, S. 20

[20] Siehe Fußnote 19

[21] Vgl. Francke, 1998, S. 17

[22] Vgl. Hayo, 2007, S. 11

[23] Vgl. Issing, 1996, S. 184 f

[24] Vgl. http://www.ecb.int/ecb/orga/tasks/html/index.de.html

[25] Vgl. The two pillars of the ECB’s monetary policy strategy; in EZB monthly bulletin, November 2000

[26] Vgl. Heise, 2007, S. 8 f , auch für weiteren Teil bis zum Ende dieses Kapitels, falls keine andere Literaturquelle angegeben wird

[27] Vgl. Francke, 1998, S. 17

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Geldpolitische Regeln im Vergleich
Untertitel
Eine kritische Analyse
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V81663
ISBN (eBook)
9783638875455
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geldpolitische, Regeln, Vergleich
Arbeit zitieren
Nino Maisuradze (Autor:in), 2007, Geldpolitische Regeln im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/81663

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