C.G. Jung und das System der analytischen Psychologie


Seminararbeit, 2006

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Angaben zur Biografie

2. Das System der analytischen Psychologie
2.1 Die psychische Energie
2.2 Das kollektive Unbewussten und die Archetypen
2.3 Die Struktur der menschlichen Seele
2.4 Die Individuation

3. Die Reise ins Unbewusste als Therapiemodell
3.1 Die Rolle der Traumdeutung in der synthetisch-hermeneutischen Therapie
3.2 Das Beispiel einer Traumdeutung

Schlussbetrachtungen

Quellennachweis

Einleitung

Individuation, Archetypus und kollektives Unbewusstes sind Begriffe, die die meisten Menschen wahrscheinlich schon einmal gehört haben. Jedoch wird den wenigsten bekannt sein, dass diese Begriffe aus der Psychologie des Schweizer Psychiaters und Psychologen Carl Gustav Jung stammen. Er war der Jüngste unter den Vorkämpfern der neuen dynamischen Psychiatrie, die von Pierre Janet gegründet wurde, und gilt neben Sigmund Freud und Alfred Adler als Begründer der Tiefenpsychologie. Dabei ist dies die zusammenfassende Bezeichnung für psychologische und psychotherapeutische Ansätze, die unbewussten – im Volksmund häufig auch ‚unterbewussten’ – seelischen Vorgängen einen zentralen Stellenwert für die Erklärung menschlichen Verhaltens und Erlebens beimessen. Freud war der erste, der diese Annahme mit wissenschaftlichen Methoden untersuchte und aus seinen Entdeckungen weitreichende Schlüsse für die Funktionsweise des menschlichen Seelenlebens zog. Er nannte seine Schule Psychoanalyse.

C.G. Jung, der einst ein Schüler Freuds war, wich bald von dessen Vorstellungen ab und schuf allmählich seine eigene Theorie – die analytische Psychologie. Auch sie basiert auf einem tiefenpsychologisch orientierten Modell der Zusammenhänge zwischen Bewusstsein und Unbewusstem, jedoch sollte man Jungs Theorie „[…] ebenso wenig mit dem Maß der freudianischen Psychoanalyse messen, wie man die Psychoanalyse nach dem Maßstab der analytischen Psychologie beurteilen sollte.“[1]

Das Konzept der Analytischen Psychotherapie Jungs hat nicht nur die Bedeutung einer psychologischen Theorie, sondern dient außerdem einerseits als Behandlungsmethode für seelische Störungen sowie psychische und psychosomatische Krankheiten, und andererseits als Weg zur Selbsterkenntnis und Entwicklung der Persönlichkeit.
Sie beschäftigt sich auch mit archetypischen Grundlagen der Mythen und Märchen, ihren Motiven, Bildern und Symbolen, daher hat die Analytische Psychologie Jungs auch über das Gebiet der Psychologie hinaus einen großen Einfluss auf die Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts gehabt. Im Folgenden werden die zentralen Aspekte Jungs Theorie erläutert, wobei das Hauptaugenmerk auf die Besonderheiten seiner Überlegungen gerichtet ist, welche – vor allem im Vergleich zu einzelnen Ansätzen Freuds – verdeutlicht werden.

1. Angaben zur Biografie

Carl Gustav Jung wurde am 26. Juli 1875 in Kesswil, einem kleinen Dorf am Bodensee im schweizerischen Kanton Thurgau, als Sohn einer Pfarrersfamilie geboren.[2] Vier Jahre später zog er zusammen mit seiner Schwester und den Eltern nach Klein-Hüningen, einer damaligen Industrievorstadt zu Basel. Dort begann Jung im Alter von elf Jahren seine höhere Schulbildung am Gymnasium, welche er im Frühling 1895 mit der Matura, dem Schlussexamen, beendete.

Ellenberger erläutert, dass der junge Carl Gustav schon von Kindheit an viel gelesen habe – im Jugendalter besonders Schopenhauer und Goethe, „[…] in dessen Faust er eine Deutung des Problems des Bösen sah.“[3] Zwischen dem 15. und dem 18. Lebensjahr – so Ellenberger – befand sich Jung in einer religiösen Krise und achtete infolgedessen verstärkt auf die „[…] Erlebnisse seines inneren Lebens: Träume, Tagträume, Phantasien und Intuitionen.“[4] So soll ihn etwa nach dem Anblick einer Kutsche aus dem 18. Jahrhundert ein Gefühl überkommen haben, als habe er in dieser Zeit schon einmal gelebt und könne sich plötzlich daran erinnern. „Es kam ihm vor, als habe er zwei Persönlichkeiten: die eines nervösen und schwierigen Jungen, wie er seiner Umwelt erschien, und außerdem, ohne daß irgendwer davon wußte, die eines prominenten Mannes aus dem 18. Jahrhundert.“[5]

Gleich nach Beendigung seiner Schulzeit begann Jung ein Medizinstudium an der Universität Basel. In dieser Zeit starb sein Vater nach langer Krankheit und obwohl Jung von nun an als Familienoberhaupt etliche Pflichten übernehmen musste, beteiligte er sich auch an studentischen Aktivitäten. Sein hauptsächliches Interesse galt dabei den allwöchentlichen Diskussionsabenden, die er mit Vorträgen bereicherte, „[…] besonders wenn es um Themen aus der Philosophie, Psychologie und den Okkultismus ging.“[6] Gegen Ende des Studiums, welches Jung im Winter 1899 erfolgreich abschloss, richtete er sein Hauptaugenmerk allerdings auf das Gebiet der Psychiatrie und nahm nach dem Militärdienst seine Arbeit als Assistent am psychiatrischen Krankenhaus Burghölzli in Zürich auf. Seine dortige Tätigkeit unterbrach er jedoch im Winter 1902/03 für einen längeren Paris-Aufenthalt, um bei Pierre Janet, dem Begründer der modernen dynamischen Psychiatrie, zu studieren. Nach seiner Rückkehr nach Zürich und der Heirat mit Emma Rauschenbach nahm C.G. Jung seine Arbeit am Burghölzli wieder auf und begann, mit dem Wort-Assoziationstest zu experimentieren, „[…] eine Forschungsarbeit, in der Jung sich in der Folge als sehr erfolgreich zeigte.“[7] Daraufhin wurde Jung 1905 im Burghölzli zum Ersten Oberarzt ernannt und erwarb des weiteren den Titel eines Privatdozenten an der Universität, wo er Vorlesungen zu den Themen Psychiatrie und Psychotherapie hielt.

Zusammen mit Eugen Bleuler begann C.G. Jung die Psychoanalyse Freuds in die Psychiatrie einzuführen. „1906 veröffentlichte Jung den ersten Band der Studien, die er mit einigen Mitarbeitern über den Wort-Assoziationstest durchgeführt hatte. Er wechselte die ersten Briefe mit Freud und verschrieb sich von da an ganz der Sache der Psychoanalyse.“[8] Bereits ein Jahr später erschien Jungs Werk Über die Psychologie der Dementia Praecox, „[…] die erste der ‚tiefenpsychologischen’ Untersuchung eines psychotischen Patienten gewidmete Monographie.“[9] Daraufhin wurde ihm nationale sowie internationale Anerkennung zuteil und Jung wurde, häufig mit Freud zusammen, zu Gastvorträgen an renommierten Universitäten geladen. Etwa um 1909 verließ Jung das Burghölzli und zog in sein Haus in Küsnacht am Zürichsee. Er widmete sich seiner stetig wachsenden Privatpraxis und „[…] spielte von 1910 bis 1913 eine hervorragende Rolle in der psychoanalytischen Bewegung. Er war der erste Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung und der leitende Herausgeber des Jahrbuchs, der ersten psychoanalytischen Zeitschrift […]“.[10]

Obwohl Jung und Freud zunächst Bewunderung füreinander hegten und miteinander arbeiteten, traten bereits 1911 mit dem Erscheinen Jungs Wandlungen und Symbole der Libido „[…] die ersten ernsthaften Divergenzen zwischen den beiden zutage. Zwar schlug Jung nur Alternativen zu bestimmten Ideen Freuds vor, jedoch wurden diese Abweichungen für Freud bald unannehmbar.“[11] Als Jung im November 1912 eingeladen wurde, in New York Vorlesungen über Psychoanalyse zu halten, trug er dort seine eigene Version der Psychoanalyse vor, welche eine Weiterentwicklung der Grundideen Freuds war. Dieser wurde immer misstrauischer gegen die Ungleichheiten ihrer Theorien, so dass sich der Konflikt zwischen Jung und der Gruppe der Psychoanalytiker verschärfte. „Im Oktober 1913 trat Jung aus der Psychoanalytischen Vereinigung aus und gab die Funktion des Herausgebers des Jahrbuchs auf.“[12] Ebenso trat er von seinem Posten als Privatdozent an der Universität Zürich zurück.

Während des Ersten Weltkrieges leistete C.G. Jung jedes Jahr einige Monate Militärdienst und veröffentlichte von 1914 bis 1919 nur wenig. Indessen zog er sich zurück und trat im Dezember 1913 ein Selbstexperiment an, dem er sich in der nachfolgenden Lebensperiode gänzlich verschrieb: Die Reise ins eigene Unbewusste, welche er – in Anlehnung an den Mythos von Odysseus’ Reise ins Totenreich – Nekyia nannte. Ganze sechs Jahre soll Jung mit diesem Experiment verbracht haben und nutzte die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg vor allem mit der Anwendung und Verbreitung seiner Entdeckungen. Er nahm seine Tätigkeit als Privatdozent wieder auf und hielt etliche Gastvorträge an internationalen Universitäten, war Begründer seiner eigenen psychologischen Schule und außerdem ein gesuchter Psychotherapeut, der „[…] viele Patienten aus England und Amerika anzog.“[13] In den folgenden Jahren stellte Jung sein Wissen und seine Ideen in zahlreichen Büchern dar. Das wohl bekannteste unter ihnen ist seine Abhandlung über Psychologische Typen, welches 1921 erschien und einen Überblick über Jungs Theorien vom Unbewussten gibt. Wie Ellenberger meint, seien viele „[…] der späteren Werke […] nur Ausarbeitungen der in diesem Buch schon skizzierten Gedanken […]“.[14]

Jung versuchte sein Wissen vom Unbewussten stets zu erweitern und unternahm aus diesem Grund etliche Reisen, beispielsweise nach Tunesien, Algerien, Kenia, Neumexiko, sowie Indien und Ceylon, um Menschen indigener Gesellschaften zu beobachten. Neben der Psychologie galten Jungs Interessen vorwiegend der Archäologie, den Mythen und Religionen und der Erforschung von Symbolen. Weiterhin beschäftigte er sich mit den Philosophien Indiens, Tibets und Chinas, stieß auf die chinesische Orakel-Methode I-Ging und studierte die Schriften der Alchimisten und Gnostiker.

Seit den Dreißiger Jahren nahm der Ruhm Jungs beachtlich zu. Er avancierte 1930 zum Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie und erhielt 1932 den Literaturpreis der Stadt Zürich. Außerdem wurde er an vielen hochgeschätzten Universitäten, darunter Zürich (1932), Harvard (1932), Oxford (1938), Basel (1943) und Genf (1945), zum Ehrenprofessor ernannt. Darüber hinaus wurde 1948 aufgrund der Initiative eines Ausschusses aus Schweizern, Engländern und Amerikanern das C.G. Jung-Institut in Zürich eröffnet. Es dient vor allem der Unterweisung in den Theorien Jungs und in den Methoden der analytischen Psychologie, bietet aber auch Therapieplätze an und fördert Forschungsvorhaben, die durch Jungsche Theorien angeregt worden sind.[15]

An seinem 85. Geburtstag wurde Jung zum Ehrenbürger der Stadt Küsnacht ernannt. „Für Jung, der sehr an Schweizer Bräuchen und Überlieferungen hing, bedeutete dies sehr viel, um so mehr, als die Ehrenbürgerschaft in der Schweiz sehr selten verliehen wird.“[16] Jedoch sei Jung in den letzten Lebensjahren recht einsam gewesen, seine Frau hatte er im Jahr 1955 verloren und auch viele seiner Freunde waren bereits gestorben. Er schrieb die ersten Kapitel seiner Autobiographie und diktierte den Rest seiner Privatsekretärin Aniela Jaffè, außerdem schrieb er zusammen mit einigen seiner Schüler an dem Buch Der Mensch und seine Symbole, welches sein letztes Werk werden sollte.[17] Am 6. Juni 1961 starb Carl Gustav Jung in seinem Haus in Küsnacht.

2. Jungs System der analytischen Psychologie

Wie im vorhergehenden Teil bereits andeutet, war die Psychoanalyse in ihren frühen Jahren keineswegs die einheitliche Lehre, die sie später werden sollte. Nach dem endgültigen Bruch mit Freud nannte Jung sich nicht mehr Psychoanalytiker und wurde auch von der psychoanalytischen Bewegung nicht mehr als solcher anerkannt. Stattdessen entwickelte Jung in der nachfolgenden Zeit eine eigene Theorie und nannte diese System der Komplexpsychologie bzw. analytische Psychologie. Ursprung dieser Theorie bildete Jungs Nekyia, das Experiment seiner Reise ins eigene Unbewusste. Im Allgemeinen soll dieser Versuch der Selbstanalyse Freuds entsprochen haben, „[…] wenn auch die Methode ganz anders war.“[18] Während Freud für das Freisetzen unbewusster Inhalte die Methode der freien Assoziation verwendet hatte, wusste Jung das Aufsteigen unbewusster Bilder und deren Einfließen ins Bewusstsein durch andere Hilfsmittel hervorzurufen, nämlich „[…] indem er jeden Morgen seine Träume aufschrieb und zeichnete und […] indem er sich selbst Geschichten erzählte und sich zwang, […] daß er alles niederschrieb, was ihm seine entfesselte Phantasie diktierte.“[19] Dies entsprach der Methode der aktiven Imagination und Jung analysierte die in ihm aufsteigenden Symbole und deutete sie mit Hilfe der vergleichenden Mythologie.

Als C.G. Jung seinen Selbstversuch Anfang 1919 beendete, habe er erkannt, dass der Prozess, den er durchlebt hatte, ihn zur Entdeckung der innersten Elemente seiner Persönlichkeit führte. Mit „[…] einer verstärkten Neigung zu intuitiven Ideen, übersinnlichen Erlebnissen und bedeutungsvollen Träumen […]“[20] soll er aus seiner Nekyia aufgetaucht sein und hätte außerdem eine solche Fülle von „[…] Symbolen mitgebracht, daß er nun etwa zwanzig Jahre damit verbringen konnte, dieses Material zu bearbeiten; er verwendete es in der Therapie und in ganzen Serien von Seminaren […]“[21]. Darüber hinaus bestimmte das Experiment der eigenen Reise ins Unbewusste Jungs weitere grundlegende Theorie, innerhalb derer er einige wichtige Neuerungen vertrat: Erstens gab er die Vorstellung des Freudschen Libido-Konzepts auf und setzte an dessen Stelle die Idee der psychischen Energie. Zweitens erweiterte er das bloß persönliche um ein kollektives Unbewusstes und betont Legenden, Mythen und archaische Bilder als Grundlage einer kollektiven Seelenstruktur des Menschen. Im folgenden Teil meiner Arbeit möchte ich diese Überlegungen Carl Gustav Jungs schildern, wobei ich auf die Schlüsselbegriffe der analytischen Psychologie etwas ausführlicher eingehen möchte.

[...]


[1] Ellenberger, Henry F.: Die Entdeckung des Unbewussten. Geschichte und Entwicklung der dynamischen Psychiatrie von den Anfängen bis zu Janet, Freud, Adler und Jung. Bern: Verlag Hans Huber, 1996. S. 879.

[2] Vgl.: Ellenberger, 1996, S. 888f.

[3] Ellenberger, 1996, S. 890.

[4] Ellenberger, 1996, S. 889.

[5] Ellenberger, 1996, S. 889.

[6] Ellenberger, 1996, S. 891.

[7] Ellenberger, 1996, S. 894.

[8] Ellenberger, 1996, S. 894.

[9] Ellenberger, 1996, S. 895.

[10] Ellenberger, 1996, S. 895.

[11] Ellenberger, 1996, S. 932.

[12] Ellenberger, 1996, S. 897.

[13] Ellenberger, 1996, S. 901.

[14] Ellenberger, 1996, S. 902.

[15] Siehe: http://www.junginstitut.ch

[16] Ellenberger, 1996, S. 909.

[17] Vgl.: Ellenberger, 1996, S. 909.

[18] Ellenberger, 1996, S. 898.

[19] Ellenberger, 1996, S. 898.

[20] Ellenberger, 1996, S. 901.

[21] Ellenberger, 1996, S. 902.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
C.G. Jung und das System der analytischen Psychologie
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Theaterwissenschaft)
Veranstaltung
Mythentheorien
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
27
Katalognummer
V79975
ISBN (eBook)
9783638857611
ISBN (Buch)
9783638854238
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jung, System, Psychologie, Mythentheorien
Arbeit zitieren
Diana Bryg (Autor:in), 2006, C.G. Jung und das System der analytischen Psychologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/79975

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