Das Management von Instabilität - eine Bestandsaufnahme


Seminararbeit, 2006

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Unternehmen als System – die Balance zwischen Stabilität und Instabilität
2.1 Instabilität vs. Stabilität
2.1.1 Rahmenbedingungen
2.1.2 Intervention
2.1.3 Organisationsstruktur
2.2 Funktionsmusterwechsel vs. Prozessmusterwechsel
2.3 Vom Team zum Netzwerk

3 Alter Wein in neuen Schläuchen – die Herausforderungen einer neuen Führungsphilosophie

4 Kritik

5 Kultur des Wandels und Strategische Frühaufklärung

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Fraktale geometrische Figur nach Mandelbrot

Abbildung 2: Ablauf der Systemveränderung

1 Einleitung

Die Welt verändert sich. In immer schnelleren Zyklen entwickeln sich Technologien und Produkte weiter, verändern sich politische Landschaften und wandeln sich die Bedürfnisse der Kunden. Durch Szenarien der unterschiedlichsten Typen und Zeithorizonte wollen sich Unternehmen auf die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorbereiten. Mit großem Aufwand werden Chancen und Risiken identifiziert, Deskriptoren gesucht und bewertet und Strategien entwickelt, wie sich das Unternehmen am besten auf diese Herausforderungen oder auch Gefahren vorbereiten kann. Doch was passiert danach? Üblicherweise landen die mit so großem Aufwand erstellten Konzepte in der Registratur, um einige Jahre später erneut entwickelt zu werden, oder bis zum Eintritt der prognostizierten Ereignisse. Bei einer aufgeschlossenen Geschäftsführung werden vorgeblich Änderungen der Geschäftsprozesse vorgenommen, diese sind jedoch nur oberflächlich und kurzfristig. Natürlich müssen nicht alle entwickelten Szenarien eine Veränderung der Unternehmensstruktur nahe legen, jedoch müssen die unternehmensinternen Strukturen im Eintrittsfall des Szenarios flexibel und zeitnah reagieren können – eine Voraussetzung, die in den wenigsten Fällen zutrifft. Auch, wenn durch die strategische Frühaufklärung eine grundlegende Neuorientierung eines Geschäftsfelds, der internen Struktur, oder sogar die Aufgabe bestimmter Produktbereiche empfohlen wird, sind die Erfolgsaussichten mehr als zweifelhaft.

Doch welche Schritte müssen im Unternehmen unternommen werden, um das „neue Selbstverständnis“ zu kommunizieren und dauerhaft zu integrieren? Wie schafft man es, in dem stabilen Unternehmenssystem Änderungen anzuregen? Durch die metaphorische Beschreibung des Unternehmens als Tanker, der durch die Weltmeere pflügt und sich nur schwer von seinem Kurs abbringen lässt, lässt sich dieses Problem am besten verdeutlichen. Der Unternehmenslenker ist, analog zu dem Kapitän der Titanic, Edward John Smith, so überzeugt von sich und seinen Kenntnissen, dass er nie den Kurs ändern würde – das Schiff fährt weiter, auch bei einigen unangenehmen Vorzeichen der Wetteränderung. Bis es dann zur Katastrophe, dem „Eisberg“, kommt, und panikartig Maßnahmen zur Veränderung des vorher als so bequem empfundenen Status quo ergriffen werden müssen (vgl. Lotter, 2006: 53).

Die vorliegende Hausarbeit soll, ausgehend von einer systemtheoretischen Sicht des Unternehmens, die möglichen nötigen Veränderungsprozesse beleuchten. Wie kann man organisationstheoretisch Veränderungen im Unternehmen anregen und steuern, und diese langfristig und nachhaltig im Unternehmen verankern? Welche Tools können Manager verwenden, um die in Szenarios identifizierten Gefahren und Unsicherheiten durch Veränderungen im Unternehmen abzufedern? Auswirkungen von Szenarios in ihrem Unternehmen abzubilden und zu verankern? Kann das Unternehmen so verändert werden, dass es selbstständig Änderungen der Umwelt antizipiert und darauf reagiert? Welche Rolle spielt die Führungsebene bei diesen Prozessen?

2 Das Unternehmen als System – die Balance zwischen Stabilität und Instabilität

Systeme existieren überall – in der Natur, in der Gesellschaft, oder auch in der Wirtschaft. Die Nestoren der Systemtheorie, Niklas Luhmann und Talcott Parsons, beschreiben Systemverbünde, die selbstorganisierend sind und sich im ständigen Wechsel zwischen Chaos und Ordnung, oder Stabilität und Instabilität befinden. Ein Unternehmen ist in diesem Kontext „a set of interacting elements that acquires inputs from the environment, transforms them and discharges outputs to the external environment“ (Daft (2001): 14). Ausgehend von dieser Sichtweise ist ein Unternehmen als ein komplexes Gebilde zu verstehen, das sich flexibel an seine Umwelt anpasst (vgl. Cheese (2004): 34). Ein ständiger Anpassungsprozess auf allen Hierarchieebenen, die daraus folgende Reorganisation der Strukturen, die Implementierung von neuen Prozessen und eine darauf folgende neue Phase der Stabilität sind seine Merkmale (vgl. Kruse (2004): 50ff.). Es existiert eine überraschende Vielfalt von natürlichen Selbstorganisationsprozessen, in der Physik, Chemie und Biologie. Beispielsweise verschmelzen bestimmte Amöben überraschend zu sehr viel komplexeren Struktur eines Schleimpilzes bei einem unzureichendem Nahrungsangebot in ihrer Umgebung. Die vormals unabhängigen Amöben mutieren zu spezialisierten Strukturen wie Kopf, Füssen oder Körper des Pilzes, bis zur Entstehung eines neuen Organismus. Diese Transformation ist nicht mehr umkehrbar, also stabil (vgl. Kruse (2004): 51ff.).

Genauso müssen sich auch Unternehmen, angeregt durch vielfältigste externe Reize, immer wieder dynamisch reorganisieren. Doch dies ist nicht so einfach, wie schon der britische Premierminister Harold Macmillan wusste, der auf die Frage, was seinen Job am kompliziertesten mache, antwortete: „Events, dear boy, events“ (Cheese (2004): 35).

2.1 Instabilität vs. Stabilität

Voraussetzung für ein selbstorganisierendes System ist ein gewisser Anteil von Instabilität im Unternehmen. Stabile Unternehmen sind gekennzeichnet durch Rituale, also Kulturmuster, denen die Mitarbeiter unbewusst oder bewusst folgen. Die offenen und verdeckten Regeln einer [Unternehmens]kultur stabilisieren wie ein soziales Gedächtnis die Wirklichkeit und begrenzen dadurch das prinzipiell mögliche Veränderungspotenzial, solange sie nicht hinterfragt werden (Kruse (2004): 106). Doch wie verbreiten sich in einem stabilen System diese Kulturmuster? Der französische Mathematiker Benoît Mandelbrot nutzte für seine mathematische Theorie der fraktalen Geometrie das Prinzip der Iteration. Iteration bezeichnet „den kreisförmigen Prozess des Wiedereinspeisens einer Regelanwendung in die Regel“ (Kruse (2004): 93).

In Organisationen kann man diesen Prozess an der Weitergabe von den „ungeschriebenen Regeln“ verfolgen. Ein neuer Mitarbeiter bekommt automatisch die Rituale und Kulturmuster des Unternehmens gelehrt und passt sich ihnen schnellstmöglich an. Diese müssen nicht der allgemeinen Corporate Identity die durch das Management kommuniziert wird, entsprechen. „Kultur ist die Summe des Selbstverständlichen“ (Kruse (2004): 109), die wirkliche Unternehmenskultur ist in den alltäglichen Ritualen zu finden. Durch Iteration, die dynamische Weitergabe der jeweiligen Kulturmuster an die Mitarbeiter, stabilisiert sich ein System automatisch und wird unflexibel und wenig innovativ. Denn „Habitualisierung und Institutionalisierung schränken als solche den Spielraum menschlichen Handelns ein“ (Berger & Luckmann (2003: 126). Veränderungen werden nur akzeptiert, wenn sie in einem konstruktivistischen Sinn „richtig im Sinne der absoluten Bestimmung von Wirklichkeiten sind“( Berger & Luckmann (2003: 126), Menschen wollen nur das rezipieren, was sowieso schon positiv zu ihrer Lebenswelt passt. Unstimmigkeiten werden verdrängt oder unterbewusst gar nicht erst rezipiert. Über lange Sicht gesehen, entfernt sich so ein Unternehmen von den Bedürfnissen des Marktes, dessen Merkmal es ja gerade ist, dass er sich ständig ändert, und verliert seine Innovationskraft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Fraktale geometrische Figur nach Mandelbrot (www.schloesinger.de)

Bei einer kontrollierten, beabsichtigten Erzeugung von Instabilität muss also die Wirklichkeit oder das „Regelwerk“ des Unternehmens bekannt sein und in die Veränderungsstrategie mit einbezogen werden. Einfacher gesagt: die Manager müssen ihr Unternehmen kennen, mit seinen ungeschriebenen Gesetzen und Ritualen, die automatisch durch die Interaktion der Gemeinschaft entstehen.

Doch wie kann ein Zustand der Instabilität im Unternehmen hervorgerufen werden, wenn sich durch die eigendynamische Weitergabe von Regeln das System immer wieder selbst stabilisiert?

Eine Kultur des Wandels ist nur möglich, wenn eine immer wiederkehrende aktive Destabilisierung stattfindet. Hier ist das Management gefragt, das anstatt einer Betonung hierarchischer Strukturen immer wieder aktiv Regelbrüche begehen muss, um so Raum für andere Perspektiven, Lösungsansätze und Produktideen zu schaffen (vgl. Cheese (2004): 35). Die Ergebnisse des Instabilitätsprozesses sind aber nicht vorhersagbar: man kann das System nur stören, der darauf folgende kreative Prozess ist jedoch nicht kontrollierbar. Das kreative Potential des Unternehmens wird freigesetzt, jedoch auf Kosten der Leistungsfähigkeit – das System muss erst neue Kulturmuster, oder Regeln, entwickeln, um danach die alte oder eine höhere Produktivität zu erreichen. Kurzfristig gesehen verliert die Organisation an Leistungsfähigkeit, ausgehend von einer langfristigen Perspektive gewinnt sie jedoch: durch regelmässige Phasen der Instabilität kann das Unternehmen immer wieder auf die Bedürfnisse des Marktes eingehen, reagiert flexibel auf Veränderungen und bleibt innovativ.

Kruse unterscheidet verschiedene Interventionsansätze, um Instabilität in Unternehmen zu erzeugen oder langfristig zu erhalten: man kann durch direkte Interventionen die Abläufe stören oder organisationell in Strukturen eingreifen, bei Rahmenbedingungen, die konstant gehalten werden müssen. (vgl. Kruse (2004): 111ff.).

2.1.1 Rahmenbedingungen

Um eine Kultur des Wandels herzustellen, ist es nötig, bestimmte Rahmenbedingungen für eine höhere Instabilitätstoleranz der Mitarbeiter herzustellen. Das Management muss die Eigendynamik von Veränderungsprozessen verstehen und den Beschäftigten genügend Freiraum einräumen, um auf die von der Führungsebene induzierten Störereignisse reagieren zu können. Doch es muss gewisse Stützen im Unternehmen geben, die eine stabile Konstante bei der Destabilisierung bilden. Es muss eine tragfähige, gut kommunizierbare Vision des Unternehmens existieren, die auch nach dem Veränderungsprozess anwendbar ist. Auch muss ein stabiler, belastbarer Rahmen aus Regeln und Werten für die Kommunikation und das Verhalten untereinander vorhanden sein.

2.1.2 Intervention

Interventionen stellen die direkte „Waffe“ des Managements dar, um Störereignisse auszulösen. „Da Regeln das Gedächtnis einer Kultur sind, ist jeder Regelbruch ein unmittelbarer Eingriff in die Stabilität des zugehörigen sozialen Systems. “ (Kruse (2004): 112). Jedoch wird oft unterschätzt, wie stabil die Regel- und Verhaltensstrukturen sind, und wie sehr sich Mitarbeiter gegen die Aufgabe von „liebgewonnenen“ Ritualen wehren (vgl. Kotter (1995): 60). Ist die Intervention jedoch erfolgreich, öffnet sich der Weg für Kursänderungen, Innovation und neue Entwicklungswege. Wie weit diese gehen, kann im Moment der Intervention noch nicht abgesehen werden. Ein Beispiel für Interventionen kann die Irritation der Mitarbeiter bei wöchentlichen Meetings sein, die ohne Ablaufplan abgehalten werden, und bei der die Führungskraft eine passive Rolle einnimmt. In diesem Moment müssen die Mitarbeiter selbst Initiative zeigen, und aus ihrem eigenen Rollenverständnis heraustreten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Management von Instabilität - eine Bestandsaufnahme
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Veranstaltung
Strategische Frühaufklärung
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V78660
ISBN (eBook)
9783638846561
ISBN (Buch)
9783638845434
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Management, Instabilität, Bestandsaufnahme, Strategische, Frühaufklärung
Arbeit zitieren
Henning Klein (Autor:in), 2006, Das Management von Instabilität - eine Bestandsaufnahme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/78660

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