Zivilcourage fördern - aber wie?

Definition und Bedeutung des Begriffs sowie Darstellung der Voraussetzungen und Beweggründe der Zivilcourage


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Zivilcourage
2.1 Was ist Zivilcourage?
2.2 Was heißt mit Zivilcourage handeln?

3 Theoretische Aspekte
3.1 Handlungsmodelle
3.2 Ansätze zur Förderung von Zivilcourage in der Schule

4 Beispielprojekt: „Für Zivilcourage – Herne zeigt Gesicht“
4.1 Beispielprojekt: Freiherr-vom-Stein Schule
4.2 Auswertung

5 Resümee

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Zivilcourage sei eine kleine Tat von wenigen, die viel bewirken kann.[1] Gegenstand dieser Arbeit ist das Thema Zivilcourage. Zunächst wird der Begriff Zivilcourage definiert und im Folgenden erläutert, was es bedeutet, zivilcouragiert zu handeln. Infolgedessen werden die theoretischen Aspekte des Themas Zivilcourage beleuchtet. Diese Aspekte lassen sich in zwei Kategorien einteilen: zum einen die Theorien auf der Basis von altruistischem Verhalten und zum anderen die auf der Basis von egoistischem Verhalten. Zu den Theorien auf der Grundlage des Altruismus zählt die Theorie der altruistischen Persönlichkeit, die Empathie-Altruismus-Hypothese und die Theorie der Empathie-bezogenen-Reaktion. Die Kosten-Nutzen-Analyse und die Theorie der sozialen Hemmung sind Bestandteile der Theorien mit egoistischen Tendenzen. Im Weiteren werden Ansätze zur Förderung von Zivilcourage im schulischen Kontext dargelegt. Die Theorien und Förderungsansätze werden anhand eines Beispielprojektes konkretisiert und veranschaulicht, welches die Stadt Herne im Rahmen des Xenos Programms in den Jahren 2003 und 2004 veranstaltete. Das Projekt bestand aus vielen Einzelprojekten von Schulen und Jugendeinrichtungen. Es schloss mit dem ‚Tag der Zivilcourage’ am 16. Juli 2004 ab, an dem die einzelnen Arbeiten präsentiert und prämiert wurden. Das Theaterstück „Abzocke ist geil“ der Hauptschule Freiherr-vom-Stein ist eines der Einzelprojekte und wird im weiteren Verlauf erläutert und ausgewertet.

2 Zivilcourage

2.1 Was ist Zivilcourage?

Der Begriff „Zivilcourage“ stamme aus der frühen Neuzeit und der Modernen. Das Wort an sich wurde erstmals 1835 im Französischen als courage civil, den Mut des Einzelnen zum eigenen Urteil und als courage civique, dem reinen staatsbürgerlichen Mut nachgewiesen. Die Vokabel Zivilcourage vereine somit diese beiden Arten von Mut. Der erste Deutsche, der den Begriff Zivilcourage verwendete, war der junge Bismarck im Jahre 1847, aber spätestens seit den letzten zwei Jahrzehnten habe der Ausdruck Zivilcourage in unseren alltäglichen Sprachgebrauch Einzug gehalten. Aufrufe gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt und für Toleranz und Zivilcourage verschafften dem Wort eine unheimliche Konjunktur.[2]

Der Duden definiert Zivilcourage wie folgt: mutiges Verhalten, mit dem jemand seinen Unmut über etwas ohne Rücksicht auf Nachteile gegenüber Obrigkeiten, Vorgesetzten oder Anderen zum Ausdruck bringt.[3] Hermann und Meyer erklären Zivilcourage als „eine von Subjekten bewusst oder unbewusst mit Sinn erfüllte Handlungsweise, als Interaktion und Konflikt von Personen in bestimmten Situationen“.[4] Zivilcourage dürfe dabei nicht als Persönlichkeitsmerkmal angesehen werden, sondern als Handlungstypus einer Person.[5] Ebenso wie Meyer ist auch Singer der Meinung, dass Zivilcourage keine Eigenschaft sei, sondern eher eine Gesinnung bzw. Tugend, welche darauf gerichtet sei, moralische Werte zu verwirklichen.[6] Aus diesem Grund sei Zivilcourage nicht nur in der politischen Öffentlichkeit gefragt, sondern in allen sozialen Bereichen.[7]

Es gebe allerdings keine maßgebliche Definition von Zivilcourage, daher müsse der Terminus Zivilcourage von Begriffen wie Tapferkeit, Altruismus, Solidarität, zivilem Gehorsam oder Widerstand abgegrenzt werden.[8] Darüber hinaus sei Zivilcourage auch nicht mit Helfen, prosozialem Handeln, Altruismus oder Solidarität gleichzusetzen. Zwar sei in allen Begriffen sozialer Mut enthalten, allerdings setzte keine der erwähnten Verhaltensweisen begrifflich oder real einen Konflikt, Risiken oder mögliche Nachteile sowie ein Machtungleichgewicht in Gruppen oder Hierarchien voraus.[9] Unter prosozialem Verhalten verstehe man „eine Handlung mit der Absicht, einer konkreten Person eine Wohltat zu erweisen, und zwar freiwillig, das heißt ohne äußeren Zwang und somit intrinsisch motiviert.“[10] Meyer stellt den Unterschied zwischen Zivilcourage und prosozialem Handeln wie folgt dar: Zivilcourage finde nur in bestimmten Situationen, die von Konflikten, Machtungleichgewichten und Risiken geprägt seien, statt. Außerdem sei Zivilcourage im Gegensatz zum prosozialen Handeln immer öffentlich.[11] Zivilcourage beziehe sich somit auf das Handeln des Einzelnen in der Gesellschaft und sei ein wichtiges Element in einer demokratischen und politischen Kultur.[12]

Das Ziel von Zivilcourage sei es, mehr Humanität in der Gesellschaft zu verankern, frei nach dem Motto „Hinschauen statt Wegschauen“.[13]

2.2 Was heißt mit Zivilcourage handeln?

Zivilcourage sei ein wachsames Aufdecken, ein Wider-Stehen, ein Sich-Entgegen-Stellen, Für-Etwas-Eintreten, so Singer. Daher werden beim zivilcouragierten Handeln persönliche Nachteile bewusst in Kauf genommen bzw. riskiert. Zivilcourage beginne folglich damit, genau hinzusehen und äußere sich im Eingreifen, Sich-Wehren oder im Sich-Einsetzen: Eingreifen in unvorhersehbare Situationen, Sich-Wehren, wenn humane Werte verletzt werden oder Sich-Einsetzen für demokratische Werte, für das Recht oder die berechtigten Interessen anderer. [14] Diese drei Handlungsmuster könne man allerdings nicht klar unterscheiden, da die Übergänge oft ineinander fließen. Sowohl beim Eingreifen als auch beim Sich-Wehren liegen oft Situationen vor, welche schnelles und spontanes Handeln erfordern, während beim Sich- Einsetzen Handlungsmuster und Konfliktpotenziale sich längere Zeit entwickeln können und dann zivilcouragiertes Handeln für das Allgemeinwohl erforderlich sei.[15]

Um zivilcouragiert Handeln zu können solle eine Situation gegeben sein und diese vom Akteur auch wahrgenommen werden. Der Akteur müsse die Situation dann wiederum so verstehen, dass eine Reaktion von ihm gefordert werde. Ob der Handelnde nun Zivilcourage zeigt, hänge von Faktoren ab, wie z.B. inwieweit er sich verantwortlich fühle oder ob er bereit und überhaupt in der Lage sei zu agieren, so Meyer. Oft handele es sich bei solchen Situationen um Täter-Opfer-Konstellationen, in denen bei den Handelnden ein stark subjektiv empfundener, nicht aber primär rechtlich definierter oder von anderen ausgeübter Handlungsdruck entstehe. Dieser unmittelbare Handlungsdruck überschreite bei den Akteuren die Grenzen des subjektiv Erträglichen und somit handle er zivilcouragiert.[16] Menschen verhalten sich vor allem dann zivilcouragiert, wenn eine gewisse Nähe zur Person vorhanden sei, das heißt Menschen aus einer sehr nahen Bezugsgruppe bedroht oder in Not sind, so Hermann und Meyer. Des Weiteren sei das Handlungspotenzial der Akteure höher, wenn das Opfer für unschuldig an seiner Lage gehalten werde, als wenn es die Gegebenheiten selbst verschuldet habe.[17]

Jedem aktiven und sichtbaren zivilcouragiertem Handeln gehen innere Prozesse und Entscheidungen voraus: Greife ich ein, sage ich etwas oder tue ich nichts und wende mich ab. Da diese Entscheidungen oft innerhalb weniger Minuten gefällt werden, gehe Spontaneität oft mit Zivilcourage einher.[18] Aber auch „Selbstachtung und Sorge um sich selbst spielen in fast allen zivilcouragierten Handlungen eine Rolle“[19]. Personale, soziale und biographische Faktoren seien bei den Optionen des Individuums von großer Bedeutung. Zu personalen Einflussfaktoren zählen moralische Überzeugungen, die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen und ähnliche soziale Kompetenzen. Die sozialen Faktoren sind gekennzeichnet durch die sozialen Orte an denen zivilcouragiertes Handeln stattfindet, Öffentlichkeiten und die eigenen Position innerhalb des sozialen Systems sowie gesamtgesellschaftlich vermittelte Faktoren. Biographische Einflüsse stellen u. a. die Sozialisation und die erlebten Autoritätsbeziehungen sowie die Erfahrungen mit ungerechter, benachteiligter und abwertender Behandlung dar, so Hermann und Meyer.[20] Der öffentliche Ort habe insofern großen Einfluss, da zivilcouragiertes Handeln in großen Öffentlichkeiten selten beobachtet werde. Die Anonymität sei in großen Gesamtheiten wesentlich größer und somit sinke die Wahrscheinlichkeit von Zivilcourage. Allerdings steige sie wiederum, wenn zu dem Unrecht an einem öffentlichen Ort ein persönlicher Bezug bestehe.[21] Ein großes Publikum stelle für den Couragierten geradezu eine Bedrohung dar und biete nur in bestimmten Fällen einen gewissen, aber noch unsicheren Schutz.[22] Aus diesem Grund sei es wichtig, die eigene Zivilcourage herauszufordern und ausweichende Denkmuster zu vermeiden, so Bierhoff.[23] Wer Zivilcourage zeige, trete heraus aus der Anonymität und mache sein Anliegen deutlich, dies könne aber auch heißen, dass der Agierende alleine dasteht, denn zivilcouragiert Handeln heiße unabhängig vom Erfolg handeln.[24]

Bevor der Couragierte handele, müsse er selbst eine oder mehrere Schwellen überwinden und seine Angst und Unsicherheit emotional sensibel und vernünftig abwägen.[25] Außerdem werde Zivilcourage von dem jeweiligen spezifischen Kontexten beeinflusst. Sowohl der soziale Ort, als auch die jeweiligen Personen und deren Interaktionen seien in Untersuchungen zum Thema Zivilcourage zu berücksichtigen.[26] Sich verantwortlich fühlen und vor allem Verantwortung übernehmen sind Kennzeichen von zivilcouragiertem Handeln, so Singer.[27]

[...]


[1] Vgl. Lünse, D.: Zivilcourage – Lernaspekte einer viel beschworenen Tugend. In: Meyer, G.; Dovermann, U.; Frech, S.; Gugel, G.: Zivilcourage lernen: Analysen-Modelle-Arbeitshilfen. Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V. 2004. S. 204

[2] Vgl. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? In: Meyer, G.; Dovermann, U.; Frech, S.;
Gugel, G.: Zivilcourage lernen: Analysen-Modelle-Arbeitshilfen. Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V. 2004. S. 22

[3] Vgl. Bierhoff, W.-H.: Handlungsmodelle für die Analyse von Zivilcourage. In: Meyer, G.; Dovermann, U.; Frech, S.; Gugel, G.: Zivilcourage lernen: Analysen-Modelle-Arbeitshilfen. Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V. 2004. S. 60

[4] Hermann, A.; Meyer, G.: Was fördert, was hindert Zivilcourage? In: Meyer, G.; Dovermann, U.; Frech, S.; Gugel, G.: Zivilcourage lernen: Analysen-Modelle-Arbeitshilfen. Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V. 2004. S. 72

[5] Vgl. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 23

[6] Vgl. Singer, K.: Zivilcourage in der Schule-Eine demokratische Tugend lernen. In: Meyer, G.; Dovermann, U.; Frech, S.; Gugel, G.: Zivilcourage lernen: Analysen-Modelle-Arbeitshilfen. Institut für Friedenspädagogik Tübingen e.V. 2004. S. 141

[7] Vgl. a.a.O. Hermann, A.; Meyer, G.: Was fördert, was hindert Zivilcourage? S. 72

[8] Vgl. a.a.O. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 23

[9] Vgl. ebd. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 38

[10] Vgl. a.a.O. Bierhoff, W.-H.: Handlungsmodelle für die Analyse von Zivilcourage. S. 60

[11] Vgl. a.a.O. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 37

[12] Vgl. ebd. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 31f

[13] Vgl. a.a.O. Bierhoff, W.-H.: Handlungsmodelle für die Analyse von Zivilcourage. S. 60

[14] Vgl. a.a.O. Singer, K.: Zivilcourage wagen - wie man lernt sich einzumischen. S. 31

[15] Vgl. a.a.O. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 28

[16] Vgl. ebd. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 24f

[17] Vgl. a.a.O. Hermann, A.; Meyer, G.: Was fördert, was hindert Zivilcourage? S. 78f

[18] Vgl. a.a.O. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 27

[19] Ebd. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 30

[20] Vgl. a.a.O. Hermann, A.; Meyer, G.: Was fördert, was hindert Zivilcourage? S. 71

[21] Vgl. ebd. Hermann, A.; Meyer, G.: Was fördert, was hindert Zivilcourage? S. 81

[22] Vgl. a.a.O. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 26

[23] Vgl. a.a.O. Bierhoff, W.-H.: Handlungsmodelle für die Analyse von Zivilcourage. S. 67

[24] Vgl. a.a.O. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 26f

[25] Vgl. ebd. Meyer, G.: Was heißt mit Zivilcourage handeln? S. 31

[26] Vgl. a.a.O. Hermann, A.; Meyer, G.: Was fördert, was hindert Zivilcourage? S. 80

[27] Vgl. a.a.O. Singer, K.: Zivilcourage wagen - wie man lernt sich einzumischen. S. 32

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Zivilcourage fördern - aber wie?
Untertitel
Definition und Bedeutung des Begriffs sowie Darstellung der Voraussetzungen und Beweggründe der Zivilcourage
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Institut für Pädagogik)
Veranstaltung
Interkulturelle Erziehung
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V41870
ISBN (eBook)
9783638400466
ISBN (Buch)
9783638843140
Dateigröße
1754 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ich habe mich in meiner Arbeit - neben dem Versuch, den Begriff Zivilcourage definitorisch zu fassen - darauf konzentriert, folgende Fragestellungen zu klären: Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit jemand zivilcouragiert handelt? Welche Beweggründe fördern, und welche verhindern Zivilcourage? Es werden sowohl altruistische als auch egoistische Theorien angesprochen. Darüber hinaus wird ein Projekt analysiert.
Schlagworte
Zivilcourage, Interkulturelle, Erziehung
Arbeit zitieren
Britta Wertenbruch (Autor:in), 2005, Zivilcourage fördern - aber wie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41870

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