Raymond Chandler und die "hard-boiled school" dargestellt an der Kriminalerzählung "Gefahr ist mein Geschäft"


Hausarbeit, 2003

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Leben Raymond Thornton Chandlers

3. Die „hard-boiled school“ und die Rolle ihrer Detektive

4. Zusammenfassung von „Gefahr ist mein Geschäft“

5. Narratologische Untersuchung der Kurzgeschichte
5.1 Erzählverfahren
5.2 Zeit und Raum der Handlungsorte
5.3 Zeitlicher Ablauf
5.4 Der Einsatz der Sprache in „hard-boiled“-Erzählungen

6. Die Personen und ihre Rolle im Rahmen der „hard-boiled“-Klischees
6.1 Der Detektiv, hier: John Dalmas
6.2 Die Gangsterbraut, hier: Harriet Huntress
6.3 Der Unternehmer, hier: Jeeter senior
6.4 Der Gangsterboss, hier: Marty Estel

7. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Ich brauche einen Mann, der gut aussieht, um eine Dame, die Sinn für Klasse hat, nicht gleichgültig zu lassen, aber er muß zäh genug sein, um einen Schlagabtausch mit einem Schaufelbagger auszuhalten“[1]. So beginnt die Beschreibung des Detektivs, der die Hauptrolle in Raymond Chandlers Kurzgeschichte „Gefahr ist mein Geschäft“[2] spielen wird. Bereits dieser Satz macht deutlich, dass die Anforderungen einen Detektiv verlangen, der in gleicher Weise galant, aber auch für das etwas Gröbere einsetzbar sein muss. Gefordert wird hier also ein typischer „Hard-boiled-Detektiv“, wie Chandler ihn in seinen Werken eingesetzt hat.

In meiner Hausarbeit werde ich im Folgenden eine Biografie über Raymond Chandler geben, denn gerade in Bezug auf Chandlers persönliche und berufliche Entwicklung und Erfahrung lassen sich Rückschlüsse auf das Personal seiner Werke ziehen. Danach werde ich die Handlung von „Gefahr ist mein Geschäft“ zusammenfassen, und eine kurze narratologische Analyse versuchen. Mit einer Charakterisierung der Hauptfiguren in Anlehnung an die Erwartungen, die der Leser einer „hard-boiled“-Geschichte mit ihnen verbindet, werde ich dann fortfahren. Abschließend soll die Frage gestellt werden, ob der Fall vollständig aufgeklärt werden konnte, ob der Leser durch die Lektüre auf die Lösung kommen konnte, und ob eventuell offene Fragen bleiben.

2. Das Leben Raymond Thornton Chandlers

Raymond Chandler wird am 23. Juli 1888 als Sohn des Tiefbauingenieurs Maurice Benjamin und Florence Dart in Chicago geboren. Seine Kindheit ist geprägt durch eine enge Bindung zu seiner Mutter. Seinen Vater, der in Alkohol- und Gewaltdelikte verwickelt ist, sieht er kaum. Mit sieben Jahren ziehen Chandler und seine Mutter nach England zu Verwandten. In Dulwich erhält er eine umfassende humanistische und naturwissenschaftliche Schulausbildung. Es wird schnell deutlich, dass Raymond ein sehr begabtes und intelligentes Kind ist, das in „von intellektueller Frühreife zeugender Eile“[3] seine Schulzeit hinter sich bringt. Seinem Wunsch, nach Beendigung des Dulwich Colleges ein Universitätsstudium als Strafverteidiger zu beginnen, kann aus finanziellen Gründen nicht stattgegeben werden. Dafür schickt man den Siebzehnjährigen für sechs Monate nach Paris und München, um dort seine Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern.

Mit 18 Jahren wächst in Chandler das erste Mal der Wunsch, Schriftsteller zu werden. Weil sein Onkel, der seine Ausbildung finanziert, ihn hierbei nicht unterstützen würde, meldet er sich zur Prüfung bei der britischen Admiralität an. „[...] und so dachte ich, daß die geruhsamen Stunden im Staatsdienst mir ja vielleicht die Möglichkeit lassen könnten, nebenbei zu schreiben. Ich bestand als dritter in einem Haufen von ungefähr sechshundert“[4]. Aber den Posten bei der Marine gibt Chandler nach einem halben Jahr wieder auf, um als freier Autor und Reporter zu arbeiten. Allerdings bringt ihm das nicht genug Geld für seinen Lebensunterhalt ein, sodass er 1912 alleine zurück nach Amerika fährt.

In den USA absolviert Chandler eine auf drei Jahre angelegte Buchhalterausbildung in sechs Wochen. Er holt seine Mutter und Großmutter zu sich nach Los Angeles. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges verpflichtet Chandler sich bei der kanadischen Armee. Er wird nach Frankreich geschickt und überlebt dort als einziger seiner Einheit einen Angriff. Nach dem Ende des Krieges wird er 1919 aus dem Militärdienst entlassen.

Chandler erhält nach einigen unsicheren beruflichen Jahren eine Anstellung als Buchhalter bei einem Ölfirmenkonsortium, wo er, bedingt durch sein Talent, eine beachtliche Karriere startet. Er schafft es in der Zeit von 1922 bis 1932 bis zum Vizepräsidenten der South Basin Oil Company und zum Direktor etlicher Erdölgesellschaften, wobei der Wunsch als Autor zu arbeiten, nie ganz zum Erliegen kommt.

Was seine Manager-Position anlangt, so interessiert ihn an ihr ohnehin bloß die abstrakte Genugtuung, sich mit seiner Zähigkeit erkämpft zu haben und ihren Anforderungen souverän zu genügen, wobei ihm der konkrete Inhalt der von ihm verwalteten Geschäfte gleichgültig, ja widerwärtig ist.[5]

1924 heiratet er die 18 Jahre ältere Pianistin Cissy Pascal. Mit ihr ist Chandler bis zu ihrem Tod über 30 Jahre lang verheiratet. Man kann davon ausgehen, dass sie eine äußerst glückliche Ehe geführt haben, denn Chandler schreibt in einem Brief an seine Agentin Helga Greene:

[...]ich war meiner Frau nicht aus Prinzip treu, sondern weil sie vollkommen anbetungswürdig war, und der Drang zum Streunen, der in einem gewissen Alter über so viele Männer kommt, weil sie glauben, es wären ihnen zu viele schöne Mädchen entgangen, hat mich nie befallen. Ich hatte bereits die Vollkommenheit[6].

1932 wird Chandler entlassen. Über den genauen Grund für sein Ausscheiden aus dem Ölgeschäft gibt es unterschiedliche Meinungen: Sicherlich ist die schlechte wirtschaftliche Lage zur Zeit der „Great Depression“ ein sicheres Argument, allerdings gibt es Meinungen, die Chandlers Alkoholprobleme für den Verlust des Arbeitsplatzes verantwortlich machen.[7] Allerdings bietet diese Situation für Chandler nun endlich die Chance, das zu tun, wovon er immer geträumt hat, und so beginnt er im folgenden Jahr erneut mit dem Schreiben. Wie während der Schulzeit, seiner Buchhalterausbildung und seiner Managerkarriere beginnt er ganz von vorne und arbeitet sich durch seinen unbändigen Ehrgeiz in die Materie ein. Gestärkt durch Freunde und seine Frau Cissy „hörte er sofort auf zu trinken und bewies eine Widerstandskraft, die stets die Kehrseite seiner gefährdeten, krisenanfälligen Sensibilität war“[8].

Chandler beginnt nun seinen Schreibstil zu entdecken und zu verfeinern. Seine Vorbilder hierbei sind Ernest Hemingway und Dashiell Hammett. Zufällig stößt Chandler auf das „Black Mask“ -Magazin, in dem bevorzugt „hard-boiled“-Erzählungen abgedruckt werden. Er findet Gefallen an dem Stil, und so gelingt es Chandler – weil der Herausgeber Joseph T. Shaw von seinem Talent überzeugt ist – nach fünf Monaten Arbeitszeit, seine erste Kriminalstory „ Blackmailers don’t shoot“ (Erpresser schießen nicht) in „Black Mask“ zu veröffentlichen.

Chandler scheint nun endlich seine Berufung gefunden zu haben. In den folgenden Jahren schreibt er mehrere Kurzgeschichten für die Magazine „ Black Mask“ und „ Dime Detective“, wo 1939 auch „ Trouble is my business“ erscheint. Im gleichen Jahr veröffentlicht er seinen ersten Roman „ The Big Sleep“, in dem Philip Marlowe die Hauptfigur ist. Marlowe wird Chandlers Markenzeichen, das in all seinen sieben Romanen und auch in einigen kürzeren Erzählungen auftritt. Außerdem verfasst er Aufsätze, Essays und Drehbücher. Damit ist Chandler zu einem anerkannten amerikanischem Schriftsteller geworden und auch dort angelangt, wo er immer hinwollte.

Der Tod seiner Frau Cissy 1954 wirft ihn allerdings aus der Bahn; er verfällt in Depressionen und versucht sich das Leben zu nehmen. Chandler kommt in eine psychiatrische Klinik und anschließend in ein Privatsanatorium, wo er aber auf eigenen Wunsch wieder entlassen wird. Er zieht aus dem gemeinsamen Haus in La Jolla, Kalifornien, aus und geht nach London. Seine schriftstellerische Kraft lässt aufgrund seines exzessiven Alkoholmissbrauchs deutlich nach. Durch die Unterstützung langjähriger und neuer Freunde kehrt er nach La Jolla zurück und nimmt die Arbeit wieder auf; allerdings erreicht er nicht mehr die Ausdauer und Form der vorangegangenen Jahre. Raymond Chandler stirbt am 26. März 1959 einsam in La Jolla.

3. Die „hard-boiled school“ und die Rolle ihrer Detektive

Kennzeichen eines Detektivromans sind im Allgemeinen, dass am Anfang ein scheinbar unerklärliches Verbrechen steht, dessen Aufklärung ein Detektiv vornehmen soll. Im Laufe der Handlung fügen sich durch Aneinanderreihung von Indizien und Fakten, die der Detektiv ermittelt, die einzelnen Teile zu einem Gesamtbild der Tat zusammen. Auf dem Weg dorthin verraten sich Verdächtige durch ihre Handlungen, wobei gleichzeitig Unschuldige verdächtig agieren, und so der Protagonist und der Leser in die Irre geführt werden. In der Regel steht dann am Ende die Aufklärung des Falls, zu der der Ermittler durch logisches und analytisches Rekonstruieren gelangt. Im Fall von „Gefahr ist mein Geschäft“ kann man allerdings formal eher von einer Detektiverzählung sprechen. Die Handlung ist als Kurzgeschichte aufgebaut und auch das Niveau ist tendenziell eher abgesenkt.

Die „hard-boiled school“ steht für ein Genre der Kriminalerzählungen, das in den zwanziger Jahren in Amerika entstanden ist. Vorreiter sind die Pulp-Magazine „Black Mask“ und „Dime Detective Magazine“. Die „Groschenhefte“ wollen ein neues Publikum ansprechen, das die Handlung durch die eigenen Erfahrungen dieser Zeit verstehen kann.

Während im Detektivroman die Gesellschaft als eine im wesentlichen „heile“ Welt erscheint, vor der sich das Verbrechen als Ausnahmefall sensationell abhebt, ist das Verbrechen im Kriminalroman der „hard-boiled school“ zumindest der Tendenz nach der Gesellschaft immanent[9].

Wichtige Motive der „hard-boiled stories“, mit denen der Leser konfrontiert wird, sind Korruption, Gewalt, Erpressung, Mord und sittlicher Verfall. Dadurch, dass sie fast immer in der Ich-Form aus der Sicht des Detektivs erzählt werden, wird der Leser Zeuge der Geschehnisse. Dies ist wichtig, denn so weiß er in der Regel immer nur das, was der Detektiv auch wissen kann. Die rationale Analyse des Verbrechens wird dabei fast vollständig zurückgedrängt. Die Lösung des Falls ergibt sich durch Ereignisse, die sich für den Detektiv ergeben. Der Detektiv der „hart-gesottenen“ Schule ist kein forensischer Ermittler, er ist ein „Schnüffler“, der in einer aktionsgeladenen Geschichte agiert.

Diese Schule verwarf den traditionellen Detektivroman als zu artifiziell und zu zimperlich und unternahm es, ihm durch handgreiflichen Kontakt mit dem „wirklichen Leben“ neues Blut zuzuführen. Sie stattete ihre Detektive statt mit Herz und Hirn mit Faust und Colt aus, glich ihre Sprache und ihre Umgangsformen denen ihrer Gegenspieler an, versetzte sie in die rauhe Wirklichkeit der Unter- und Halbwelt und rückte sie den Mördern physisch auf den Leib. Als Täter aber wählte sie wirkliche Gangster[10].

Dadurch wird deutlich, dass der Detektiv zwar für das Gute in der Erzählung steht, sich aber unter Umständen die Methoden der „Bösen“ zu eigen machen muss, um an sein Ziel zu gelangen. Die Lösung des Falls ist folglich für ihn ein Abenteuer, das er häufig unter Lebensgefahr bestehen muss.

4. Zusammenfassung von „Gefahr ist mein Geschäft“

Über Anna Halsey, die Chefin einer Detektivagentur, erhält der Privatdetektiv John Dalmas einen neuen Auftrag. Er soll die Verbindung zwischen Gerald Jeeter, dem adoptierten Stiefsohn eines reichen Unternehmers, und Harriet Huntress lösen. Harriet ist eine Freundin des Gangsterbosses Marty Estel, bei dem Gerald Jeeter Schuldscheine über 50.000 Dollar unterschrieben hat. Mit diesen Schuldscheinen versucht Estel nun den Stiefvater Mr. Jeeter zu erpressen. Denn Gerald kann die Schulden erst begleichen, wenn er 28 Jahre alt wird, und Zugang zu einem Treuhandkonto erhält.

[...]


[1] Raymond Chandler: Gefahr ist mein Geschäft. Zürich 1980, S. 73.

[2] Raymond Chandler: Gefahr ist mein Geschäft. Zürich 1980, S. 73-152.

[3] Thomas Degering: Raymond Chandler. Reinbek 1989, S. 21.

[4] Raymond Chandler: Die simple Kunst des Mordes. Zürich 1975, S. 19.

[5] Thomas Degering: a.a.O., S. 37.

[6] Raymond Chandler: Die simple Kunst des Mordes. Zürich 1975, S. 36.

[7] Thomas Degering: a.a.O., S 39.

[8] Thomas Degering: a.a.O., S. 40.

[9] Peter Nusser: Der Detektivroman. Stuttgart 1980, S. 131.

[10] Jochen Vogt: Der Kriminalroman II. München 1971, S. 398.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Raymond Chandler und die "hard-boiled school" dargestellt an der Kriminalerzählung "Gefahr ist mein Geschäft"
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Institut für Literaturwissenschaften)
Veranstaltung
Poetik der Kriminlaerzählungen
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V12884
ISBN (eBook)
9783638186735
ISBN (Buch)
9783638836753
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Raymond Chandler, hard-boiled, Detektivroman, Kriminalerzählung
Arbeit zitieren
M.A. Florian Schneider (Autor:in), 2003, Raymond Chandler und die "hard-boiled school" dargestellt an der Kriminalerzählung "Gefahr ist mein Geschäft", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12884

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