Ursachen und Faktorenanalyse des Deutschen Bauernkrieges 1525


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

26 Seiten, Note: sehr gut (1-2)


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Thesen

3. Langfristige Strukturveränderungen
3.1 Bevölkerungszunahme, Urbanisierung und Sozialstruktur
3.2 Änderung der Agrarstruktur

4. Sozioökonomische Lage der Bauern
4.1 Belastungen
4.2 Leibeigenschaft

5. Relevante Katalysatoren
5.1 Entwicklung des frühmodernen Territorialstaates
5.2 Krise des Feudalismus
5.3 Reformation und religiöse Ursachen
5.4 Neue Kommunikationswege
5.5 Wirkung einzelner Agitatoren, Pfarrer und Bauernführer

6. Überprüfung der Thesen: Revolution, Revolte oder gesellschaftliche Systemkrise

7. Literatur

8. Anhang: Thesenpapier des Referats

1. Einleitung

Das Thema dieser Hausarbeit lautet „Ursachen- und Faktorenanalyse des deutschen Bauernkrieges 1525“. Ziel ist es, aus der aktuellen Sekundärliteratur die wichtigsten Ursachen, Katalysatoren und das komplexe Bedingungsgefüge des Bauernkrieges herauszuarbeiten.

Die Ergebnisse dieser Arbeit werden mit Thesen verglichen, die im zweiten Kapitel formuliert werden. Dies geschieht mit der Absicht, generelle Aussagen über Zahl (Monokausalität oder Faktorenbündel) und Gewichtung der Ursachen des Bauernkrieges zu machen.

Die Untersuchung hält sich strikt an die neuere Literatur, denn es soll der letzte Stand der Forschung erarbeitet werden. Auf ältere Forschungsansätze oder gar ideologisch geprägte Forschungsarbeiten (z. B. der marxistischen Geschichtswissenschaft) wird in dieser Hausarbeit nicht eingegangen.

Um allen Ursachen und ihren verschiedenen gesellschaftlichen Herkunftsbereichen gerecht zu werden, reicht ein geschichtswissenschaftlicher Untersuchungsansatz nicht aus. Deshalb werden in dieser Hausarbeit mehrere unterschiedliche Ansätze berücksichtigt. Zu ihnen zählen: Politikgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Sozialgeschichte, Verfassungs- und Rechtsgeschichte, Religionsgeschichte und Migrationsgeschichte.

Zum Abschluss der Hausarbeit soll, ausgehend von den Ursachen und Faktoren, eine Position zu der Historiker-Kontroverse entwickelt werden, ob der Bauernkrieg als Revolution, als Revolte oder als gesellschaftliche Systemkrise einzustufen ist.

2. Thesen

Vier Thesen sollen durch die Hausarbeit belegt oder wiederlegt werden. Sie lauten:

1. Es gibt keine einzelne, isolierte Ursache, die den Bauernkrieg ausgelöst hat. Erklärungen, die auf Monokausalität verweisen, greifen zu kurz. Es ist vielmehr von einem sehr komplexen Ursachen- und Faktorenbündel auszugehen.
2. Die Ursachen und Konfliktfelder variieren vor allem lokal, von Region zu Region. Nicht umsonst werden in der Literatur Regionen wie Franken, Schwaben und Thüringen weitgehend getrennt von einander behandelt.[1]
3. Der Bauernkrieg entstand durch das Zusammenlaufen und die Kulmination mehrerer paralleler gesellschaftlicher, sozialer, ökonomischer, politischer, rechtlicher und religiöser Prozesse. Viele der Faktoren entfalteten ihre volle Kraft erst durch Wechselwirkungen mit anderen Ursachen oder gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Es lassen sich verschiedene relevante Katalysatoren ausmachen, die den Beginn des Bauernkrieges mit bewirkt haben.
4. Neben den objektiven historischen Gegebenheiten müssen bei der Analyse der Aufstandsursachen subjektive Einschätzungen der Bauern berücksichtigt werden. Mehrfach finden sich in der Literatur Differenzen zwischen gefühltem Leid, gefühlter Ungerechtigkeit und realer Not.

Diese vier Thesen sollten bei der Lektüre der Hausarbeit im Hinterkopf behalten werden. Explizit wird auf sie noch einmal im vorletzten Kapitel eingegangen. Sie werden dann bestätigt oder revidiert.

Um die Thesen zu belegen, wird nun auf die wesentlichen einzelnen Faktoren eingegangen, die zum Bauernkrieg geführt haben. Da diese Faktoren, wie schon angedeutet, sehr komplex miteinander verwoben sind, ist es notwendig, eine Systematisierung zu wählen. Ein sinnvolles Konzept hierfür hat Rudolf Endres vorgeschlagen. Er ordnet die Faktoren drei Bereichen zu: „Langfristige Strukturveränderungen“, „Sozioökonomische Lage der Bauern“ und „Relevante Katalysatoren“. Die Hausarbeit wird sich dieser Systematisierung bedienen.[2]

3. Langfristige Strukturveränderungen

Zunächst sollen Strukturveränderungen von längerer Dauer betrachtet werden, die zumindest indirekt zum Ausbruch des Bauernkrieges beigetragen haben. Zu ihnen gehören soziale und ökonomische Entwicklungen, präziser: die Urbanisierung und die Veränderungen in der Struktur der Landwirtschaft.

3.1 Bevölkerungszunahme, Urbanisierung und Sozialstruktur

Mitte des 15. Jahrhunderts entvölkerte die Pestwelle weite Teile des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Etwa ein Drittel der Bevölkerung ließ sein Leben. Ab 1470 gab es ein erneutes Bevölkerungswachstum, das von Historikern mit der Überwindung der spätmittelalterlichen Agrardepression und einem wirtschaftlichen Aufschwung begründet wird. Vor allem im Süden und Südwesten des Reiches stieg die Zahl der Einwohner, in Oberschwaben und im Bodenseegebiet um 1 bis 1,5 Prozent im Jahr, in Sachsen und den habsburgischen Landen zwischen 0,5 und 1 Prozent im Jahr.[3]

Das Bevölkerungswachstum führte vor allem in den Städten zu sprunghaft steigenden Einwohnerzahlen. Immerhin waren sie durch die Pestwellen besonders betroffen gewesen und konnten den Zuzug vom Lande gut verkraften. Im Bürgerbuch der Stadt Straßburg stehen zum Beispiel zahlreiche Namen von Bauernsöhnen und älteren Leuten, die den Pflug ihren Erben übergeben hatten und innerhalb der Stadtmauern sesshaft wurden.[4]

In den attraktiven Städten im Südwesten des Reiches entstand ein Bevölkerungsdruck. Um ihm entgegenzuwirken, versuchten die Städte die Zuwanderung speziell der ländlichen Armut durch Aufnahmegebühren, Armenordnungen und Bettelverordnungen zu regulieren. Die Bevölkerungsbewegung vom Land in die Stadt dünnte ländliche Regionen aus, so dass im Südwesten des Reiches Leibherren durch die Ausbildung der Institution Leibeigenschaft und das damit verbundene Verbot der Verbürgerung versuchten, die Landbevölkerung fester an sich zu binden.[5]

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Städte im Bauernkrieg eine wichtige Rolle spielten. Die wichtigsten Gebiete des Konflikts waren durch einen hohen Urbanisierungsgrad gekennzeichnet. Dabei war jedoch weniger die Zahl der Großstädte von Bedeutung. Ein dichtes Netz von Mittel- und Kleinstädten dominierte die Krisenregionen, diese Städte wurden, da sie noch stark agrarisch geprägt waren - ein Großteil der Bewohner war in der Landwirtschaft tätig -, zu wichtigen Trägern und Zentren des Aufstandes.[6]

Hinzu kommt, dass die Hauptgebiete des Bauernkrieges in auffallender Weise durch eine besondere Gemengelage gekennzeichnet waren. Kleinräumige Herrschaftsstrukturen prägten diese Regionen. Auf diesen Aspekt wird im Abschnitt 5.1 der Hausarbeit im Zusammenhang mit der Entwicklung des frühmodernen Territorialstaates ausführlich eingegangen.

Die Änderung der Sozialstruktur auf dem Lande ist eng verbunden mit der demographischen Entwicklung und Veränderungen im Erbrecht, die sich direkt auf die Agrarstruktur auswirkten (siehe 3.2), allerdings mit vielen regionalen Unterschieden.

Herauszustellen ist zunächst, dass sich die klein- und unterbäuerliche Schicht mit dem Bevölkerungszuwachs ebenfalls vergrößerte. Die Flucht in die Städte, die schon erwähnt wurde, konnte natürlich nicht das Bevölkerungswachstum ausgleichen. Um dem Bevölkerungsdruck zu begegnen, wurden die Höfe geteilt. Es gab Halb-, Viertel-, Achtel- oder sogar Sechzehntelhöfe. Es entstanden Güter mit wenig Grundbesitz oder nur Garten. Die Bauern dieser Güter waren verstärkt auf die Nutzung der dörflichen Allmende angewiesen. Die Wirtschaftlichkeit der Höfe nahm stark ab.

Das erregte den Unwillen der Grundherren. Vor allem im Elsass und in Oberschwaben forderten sie das Lehen nach dem Tod des Lehennehmers zurück, um eine Aufsplitterung durch den Erbfall zu vermeiden. Sie setzten nur ein Familienmitglied als Erben des Hofes ein. Der Rest der Familie fiel in den sozialen Status von Landarbeitern. Innerfamiliäre Spannungen und Unzufriedenheit waren die Folge. Die unterbäurische Schicht bestehend aus Gärtnern, Tagelöhnern, Dorfhandwerkern, Dorfarmen und Dienstboten erreichte in Württemberg, Oberschwaben, Thüringen, Sachsen und Franken bald 40 bis 50 Prozent der ländlichen Bevölkerung.

In Oberschwaben reichten in einem normalen Erntejahr die Erträge von 30 Prozent der Bauern nicht zur Versorgung der eigenen Familie aus. Sie waren auf einen Nebenerwerb angewiesen. So arbeiteten fast 30 Prozent zusätzlich in der Leinen- und Barchentproduktion. Das Überangebot von Arbeitskräften führte zusätzlich zu sinkenden Löhnen, während gleichzeitig die Getreidepreise anstiegen.[7]

Die wirtschaftliche Lage der Tagelöhner und Lehenbauern hat David Warren Sabean untersucht. Er kommt zu dem Ergebnis, „dass die Kaufkraft der Löhne für Tagelöhner vor dem Bauernkrieg im großen und ganzen zwar nicht fiel, dass es aber nach 1500 einige Perioden von zwei- bis dreijähriger Dauer gab, in denen sich die Verhältnisse für die Tagelöhner deutlich verschlechterten. Das Hauptproblem war, dass die Zahl dieser Leute ständig stieg.“[8]

3.2 Änderung der Agrarstruktur

Auch wenn am Anfang des 16. Jahrhunderts die spätmittelalterliche Agrarkrise überwunden war, so blieb die Landwirtschaft weiterhin labil und anfällig. Krisenjahre, in denen „das Gespenst des Hungers“ erschien, verzeichnet Rapp zum Beispiel vier Mal im Elsass für das halbe Jahrhundert vor dem Bauernkrieg: 1480 bis 1483, 1490 bis 1492, 1500 bis 1503 und 1516 bis 1519.[9] In Franken kam es in den Jahren 1501 bis 1503, 1505, 1517 und 1523-25 zu Missernten und Hungersnot. Am Oberrhein war das in den Jahren 1489-1491, 1501/1502, 1511 bis 1515 und 1516/17 der Fall.[10]

Generell konnten sich Bauern mit kleinem Besitz kaum selbst versorgen. In diesem Zusammenhang ist die Teilung der Höfe mit den Konsequenzen für die Erben zu sehen (siehe 3.1). Die Eigenversorgung durch die Allmende und den eigenen Garten spielte für die Bauern eine immer größere Rolle. Das galt besonders für Gemüse, Obst, Waldfrüchte, Bau- und Brennholz, Fleisch und Fisch. Einschränkungen dieser Versorgungsmöglichkeiten (Bann der Wälder und Bäche, siehe 4.1) durch den Adel trafen die Bauern hart.

Endres hat in seinen Untersuchungen festgestellt: „Dabei reichte der Kleinbesitz bei zusätzlicher Allmendennutzung zwar zur Eigenversorgung, kaum aber zur Erzielung einer Marktquote. Nur bei Marktnähe und vor allem beim Anbau von Sonderkulturen war der kleinbäuerliche Besitz noch lebensfähig.“[11]

Die ländliche Bevölkerung begann sich zu spezialisieren. Zu den erwähnten Sonderkulturen gehörten der Wein-, Obst- und Gemüseanbau. Diese Sonderkulturen waren aber stark krisengefährdet. Insbesondere der Weinbau, der weitgehend in Monokultur betrieben wurde, war marktorientiert und marktabhängig und damit sehr krisenempfindlich.[12]

Wein ließ sich im allgemeinen schlecht einlagern. Er verlor schnell an Qualität, faulte oder zersetzte sich. Winzer konnten daher Preisschwankungen kaum durch Einkellerung abschwächen.

[...]


[1] vgl. Buszello, Blickle, Endres (Hrsg.) (1995): Der deutsche Bauernkrieg. S. 61 ff.

Die Kapiteleinteilung im regional-chronologischen Buchteil trennt nach Oberrheinlande, Oberschwaben und Württemberg, Franken, Thüringen, Mittelrhein und Alpenländer.

[2] vgl. ebenda, S. 217 ff.

[3] vgl. Buszello, Blickle, Endres (Hrsg.) (1995): Der deutsche Bauernkrieg. S. 220.

[4] vgl. Rapp: Die soziale und wirtschaftliche Vorgeschichte des Bauernkriegs im Unterelsass. In: Moeller (Hrsg.) (1975): Bauernkriegsstudien. S. 31.

[5] vgl. Buszello, Blickle, Endres (Hrsg.) (1995): Der deutsche Bauernkrieg. S. 221.

[6] vgl. ebenda, S. 219.

[7] vgl. Buszello, Blickle, Endres (Hrsg.) (1995): Der deutsche Bauernkrieg. S. 221 f.

[8] Sabean: Landbesitz und Gesellschaft am Vorabend des Bauernkrieges. In: Blickle (Hrsg.) (1985): Der deutsche Bauernkrieg von 1525. S. 117.

[9] vgl. Rapp: Die soziale und wirtschaftliche Vorgeschichte des Bauernkriegs im Unterelsass. In: Moeller (Hrsg.) (1975): Bauernkriegsstudien. S. 39 f.

[10] vgl. Buszello, Blickle, Endres (Hrsg.) (1995): Der deutsche Bauernkrieg. S. 227 f.

[11] ebenda, S. 223.

[12] vgl. ebenda, S. 224.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Ursachen und Faktorenanalyse des Deutschen Bauernkrieges 1525
Hochschule
Universität Leipzig  (Historisches Seminar, Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit)
Veranstaltung
Der Deutsche Bauernkrieg 1525
Note
sehr gut (1-2)
Autor
Jahr
2002
Seiten
26
Katalognummer
V8194
ISBN (eBook)
9783638152358
ISBN (Buch)
9783638826662
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit befasst sich mit dem aktuellen Forschungsstand (Blickle, Endres, Rapp, Sabean) zu den Ursachen und den Faktoren des Deutschen Bauernkrieges von 1525. Da mittlerweile die Monokausalität von den meisten Forschern ausgeschlossen wird, untersucht die Hausarbeit systematisch die einzelenen Faktoren (des Faktorenbündels) die in Wechelwirkung den Krieg auslösten. Aus sich der Ursachen wird dann eine Stellungnahme zur Historikerkontroverse entwickelt, ob der Bauernkrieg als Revolte, Revolution oder gesellschaftliche Systemkrise einzustufen ist. 196 KB
Schlagworte
1525, Bauernkrieg, Müntzer, Blickle, Ursachen, Faktoren, Bauern, Aufstand, Revolte, Systemkrise, Reformation, Adel, Kirche, Bundschuh, Fritz
Arbeit zitieren
Lars-Marten Nagel (Autor:in), 2002, Ursachen und Faktorenanalyse des Deutschen Bauernkrieges 1525, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8194

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