Une famille en pierre - Zu "L'Amant" von Marguerite Duras


Hausarbeit, 2004

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Mutter, die Tochter und das Geld

3. Der ältere Bruder

4. Eine Familie aus Stein

5. Der kleine Bruder

6. Der Abschied von Indochina

7. Schlussbemerkung

8. Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Als 1984 L’Amant in Frankreich veröffentlicht wurde, waren sich die Kritiker und die Presse einig, mit diesem Werk einen Schlüssel zu den früheren Romanen[1] von Duras, wie beispielsweise „Un barrage contre le Pacifique“, gefunden zu haben:

In diesem Buch, das gleichzeitig fiktionales Werk und Autobiographie ist, zerreißt M. Duras einen Schleier: den, der ihre Jugend verdeckte, der mehrere ihrer Werke verdunkelte.“

„Duras ist hier zu ihren Ursprüngen, zu ihrer Urszene zurückgegangen.“[2]

Kurz nach der Veröffentlichung von L’Amant wehrte sich Duras noch dagegen, dass es sich um ein autobiographisches Werk handele, betonte, es gehe dabei um eine fiktive Geschichte und verwies auf den Romancharakter.[3]

Schließlich äußerte sich die Autorin in ihrem Buch selbst dazu:

L’histoire de ma vie n’existe pas. Ca n’existe pas. Il n’y a jamais de centre. Pas de chemin, pas de ligne. Il y a de vastes endroits où l’on fait croire qu’il y avait quelqu’un, ce n’est pas vrai il n’y avait personne.[4]

Marguerite Duras legt in ihren Werken Spuren von sich und ihrem Leben, die entziffert und gleichsam übersetzt werden wollen und deren Bedeutung keinesfalls immer evident sind.[5]

Duras schafft es, den Mythos, der sich um ihre Person und ihre Lebensgeschichte gebildet hat, aufrecht zu erhalten, indem sie immer wieder die Spuren ihrer Kindheit verwischt und in immer neue Masken schlüpft.

Zudem betont ein autobiographischer Roman neben dem Bezug auf „wirklich Erlebtes“ die grundsätzliche Fiktionalität des Erzählten.[6] Auch wenn sich die Romanfiguren direkt auf lebende Vorbilder beziehen, geht ein autobiographischer Roman frei mit den Elementen des gelebten Lebens um und kombiniert diese Elemente neu, ergänzt sie und schafft somit eine fiktionale Welt.[7]

Daher ist es problematisch, die Familie, die in dem Roman L’Amant geschildert wird, mit der tatsächlichen Familie Donnadieu, in der Marguerite Duras aufgewachsen ist, gleichzusetzen, auch wenn die Autorin sich als Protagonistin zu erkennen gibt und diesen Eindruck durch das Fehlen eines fiktiven Namens und die Erzählweise in der ersten Person auch noch bestärkt.[8]

2. Die Mutter, die Tochter und das Geld

Das in L’Amant geschilderte Verhältnis zwischen der Mutter und ihrer Tochter ist ein zum Teil sehr widersprüchliches.

Die Mutter, die wegen des Kaufs einer unbebaubaren Konzession in Geldnot geraten ist, kleidet ihre Tochter sehr aufreizend, um die Blicke der Männer auf sie zu lenken. Insgeheim verspricht sie sich davon, dass ihre Tochter durch die Liaison mit einem reichen Mann wieder Geld ins Haus bringen wird.

Le lien avec la misère est là aussi dans le chapeau d’homme car il faudra bien que l’argent arrive dans la maison, d’une façon ou d’une autre il le faudra. Autour d’elle c’est les déserts, les fils c’est les déserts, ils feront rien, les terres salées aussi, l’argent restera perdu, c’est bien fini. Reste cette petite-là qui grandit et qui, elle, saura peut-être un jour comment on fait venir l’argent dans cette maison. C’est pour cette raison, elle ne le sait pas, que la mère permet à son enfant de sortir dans cette tenue d’enfant prostituée. […] Ca fait sourire la mère.[9]

Allerdings muss man hinzufügen, dass „die Kleine“, wie sie häufig in L’Amant genannt wird, eindeutig eine exhibitionistische Ader besitzt und die musternden Blicke der Männer genießt, was den Vorwurf der Prostitution abschwächt.

Als die Mutter von dem Verhältnis ihrer Tochter zu dem reichen Chinesen erfährt, zeigt sie sich schockiert, macht ihrer Tochter große Vorwürfe und verprügelt sie schließlich. Im Saigon der 20er Jahre wurde es als eine Schande angesehen, wenn sich ein weißes Mädchen mit einem Chinesen einließ. Kein Mann würde ein auf diese Weise entehrtes Mädchen mehr heiraten.

Dans des crises ma mère se jette sur moi, elle m’enferme dans la chambre, elle me bat à coups de poing, elle me gifle, mon corps, mon linge, elle dit qu’elle trouve le parfum de l’homme chinois, elle va plus avant, elle regarde s’il y a des taches suspectes sur le linge et elle hurle, la ville à l’entendre, que sa fille est une prostituée, qu’elle va la jeter dehors, qu’elle désire la voir crever et que personne ne voudra plus d’elle, qu’elle est déshonorée, une chienne vaut davantage.[10]

Geld spielt in der Beziehung Mutter-Tochter in vielen Romanen von Marguerite Duras eine große Rolle. In L’Amant wird jedoch im Vergleich zu Un Barrage contre le Pacifique eine abgeschwächte Version geliefert. In L’Amant sind es die Leidenschaft und die Neugier, die die Kleine in die Arme des Liebhabers treiben, wohingegen in Un Barrage contre le Pacifique das Geld die einzige Verbindung zu dem Liebhaber Monsieur Jo, der im übrigen als langweilig und obszön beschrieben wird, darstellt.[11] Darüber hinaus handelt es sich bei Monsieur Jo um einen weißen Europäer und nicht um einen Chinesen. Schließlich entstand der Roman 1950 - acht Jahre vor dem Tod der Mutter - , weshalb Un Barrage contre le Pacifique eher skizzenhafte Elemente von L’Amant und der Biographie von Marguerite Duras enthält.[12]

Schließlich äußert sich Duras in ihrem Werk L’Amant darüber, dass sie zu Lebzeiten ihrer Mutter nicht in der Lage war, eine autobiographische Erzählung zu verfassen:

«J’ai beaucoup écrit de ces gens de ma famille, mais tandis que je le faisais ils vivaient encore, la mère et les frères, et j’ai écrit autour d’eux autour de ces choses sans aller jusqu’à elles.»[13]

[...]


[1] Allein der belgische Schriftsteller Pierre Mertens spricht dem Roman jeglichen autobiographischen Wert ab: „Marguerite Duras muss trinken, um zu lügen, um Masken zu finden, die sie noch nicht gefunden hat. Sie geht von Maske zu Maske, und ich glaube, dass sie immer raffinierter suchen muss. Ganz offensichtlich ist die schönste Maske die, die sich der Realität am besten anpasst, deren Umrisse hauchdünn sind.“ In: Marcelle Marini, Eine Frau, die nichts zu gestehen hat. In: Ilma Rakusa (Hrsg.): Marguerite Duras, Frankfurt am Main, 1988, S. 173

[2] Marcelle Marini: Eine Frau, die nichts zu gestehen hat. In: Ilma Rakusa (Hrsg.): Marguerite Duras, Frankfurt am Main, 1988, S.170

[3] Laure Adler: Marguerite Duras, Frankfurt am Main 1998, S.547

[4] Marguerite Duras: L’Amant, Paris 1984, S. 14

[5] Doris Kolesch, Gertrud Lehnert: Marguerite Duras, München 1996, S. 32

[6] ebd. S. 31

[7] ebd. S. 31

[8] Marcelle Marini: Eine Frau, die nichts zu gestehen hat. In: Ilma Rakusa (Hrsg.): Marguerite Duras, Frankfurt am Main 1988, S.171

[9] Marguerite Duras: L’Amant, Paris 1984, S. 33

[10] ebd. S. 73

[11] Laure Adler: Marguerite Duras. Frankfurt am Main 1998, S. 88

[12] Duras spricht in L’Amant den Leser in Bezug auf Un Barrage contre le Pacifique direkt an und korrigiert sich: C’est n’est donc pas à la cantine de Réam, vous voyez, comme je l’avais écrit, que je rencontre l’homme riche à la limousine noire, c’est après l’abandon de la concession, deux ou trois ans après, sur le bac, ce jour que je raconte, dans cette lumière de brume et de chaleur. (Marguerite Duras: L’Amant, Paris 1984, S. 36)

[13] Marguerite Duras: L’Amant, Paris 1984, S. 14

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Une famille en pierre - Zu "L'Amant" von Marguerite Duras
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
12
Katalognummer
V34523
ISBN (eBook)
9783638347204
ISBN (Buch)
9783638811729
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Amant, Marguerite, Duras
Arbeit zitieren
Cornelia Laufer (Autor:in), 2004, Une famille en pierre - Zu "L'Amant" von Marguerite Duras, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/34523

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