Das Bild der "Nordmenschen" bei Tacitus aus moderner Perspektive - Kultur und Religion der Germanen


Hausarbeit, 2004

17 Seiten, Note: noch gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitende Betrachtungen

II. Zur Person Tacitus
1. Lebenslauf
2. Werke des Tacitus/ Germania allg.

III. Kultur und Religion der Germanen
1. Der Name der Germanen
2. Das Erscheinungsbild der Germanen
3. Die Kleidung der Germanen
4. Haus und Hof der Germanen
5. Der Alltag der Germanen
6. Die Nahrung der Germanen
7. Die Gesellschaft der Germanen
8. Die Sippe der Germanen
9. Die Religion der Germanen
10. Die Schriftzeichen der Germanen
11. Das Rechtssystem der Germanen
12. Die Frauen der Germanen

IV. Schlusswort

Literaturverzeichnis

I. Einleitende Betrachtungen

Die Germania des Geschichtsschreibers Tacitus ist das wichtigste Zeugnis schriftlicher Art über Altgermanien. Mit der Bezeichnung "Germanien“ meint Tacitus das freie Germanien rechtsrheinisch, also nicht die unter römischer Oberhoheit stehenden Provinzen Germania superior und Germania inferior linksseitig des Rheins. Die Menschen aus dem Norden traten erstmals unter die Augen der römischen Weltmacht, als 113 v.Chr. der Wanderzug der germanischen Kimbern und Teutonen mit römischen Legionen an einem Alpenpass zusammenstieß. Die Römer wollten dieses Volk daran hindern, Land in Italien zu besiedeln, den Germanen allerdings gelang es, die Legionen aufzureiben. Die folgenden Kontakte zwischen Römern und Germanen waren durch den römischen Expansionsdrang nach Norden durch kriegerische Auseinandersetzungen geprägt, in denen die „Nordleute“ für ihre Freiheit und Unabhängigkeit kämpften. Nachdem 9 n.Chr. drei römische Legionen im heutigen Osnabrücker Land von den Germanen unter Führung des Fürsten Arminius geschlagen werden konnten („Schlacht im Teutoburger Wald“), blieb die endgültige Grenze zwischen freiem Germanien und römischem Imperium immer der Rhein.

Mit dem Begriff „Germanen“ prägten die Römer eine Bezeichnung für ein ethnisches Kollektiv, bei dem es sich in Wirklichkeit um eine Vielzahl von verschiedenen Stämmen mit eigener politischer Führung, eigenen Bräuchen und eigener Sachkultur handelte. In den meisten Fällen aber sprachen die Römer ganz einfach von „Barbaren“. Barbaren waren für sie alle Völker, die nicht ihrer Zivilisationsstufe entsprachen und fremdartige Sitten hatten, eigentlich alle Nicht-Römer, die Griechen ausgenommen. Solche Barbaren waren in den Augen eines Römers Menschen zweiter Klasse.

Tacitus ist selbst nie in Germanien gewesen. Er verdankt seine Quellen den Berichten von Offizieren und Kaufleuten, die Kontakt mit Germanen hatten. Die Hauptintention, die er mit der Germania verfolgte, war wohl, der eigenen römischen Gesellschaft ihren sittlichen Verfall und ihre Dekadenz vorzuhalten, sowie mit der Darstellung der (in den Augen der Römer) simplen Lebensformen der Germanen an tugendhaftere und moralischere Zeiten in Rom zu erinnern. Mit diesem Wissen über die subjektiven Beweggründe des Autors sollte man an diese antike Ethnographie herangehen, wenn man sich ein Bild von den „Germanen“ machen möchte.[1] Die Germanen hinterließen der Nachwelt keine schriftlichen Aufzeichnungen. Alle Schriftstücke, die über die Germanen existieren, sind Berichte antiker Autoren.

In dieser Hausarbeit möchte ich den Versuch wagen, einen Vergleich zwischen den historischen Beschreibungen des Tacitus und den modernen Erkenntnissen von Forschern aus den Bereichen Archäologie, Alter Geschichte, Sprach- und Religionswissenschaft zu ziehen. Meine Absicht ist hierbei, mich der Fragestellung zu nähern, wer unsere germanischen Vorfahren wirklich waren und wie sie wirklich lebten. In vielen Köpfen kreisen immer noch klischeebehaftete Vorstellungen – von rauschbärtigen Trunkenbolden mit Fellen und zwei Hörnern einerseits oder von der „arischen Herrenrasse“ aus der NS-Ideologie andererseits. Das Konzept dieser Arbeit erscheint mir daher als eine lohnende Betrachtung.

II. Zur Person Tacitus

1. Lebenslauf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Werke des Tacitus

a) De vita Julii Agricolae (Das Leben des Julius Agricola), eine Biographie über seinen Schwiegervater aus dem Jahre 99.
b) Dialogus de oratoribus (Dialog über die Redner). In diesem Werk begründet Tacitus den Verfall der Redekunst mit dem Wandel von der Republik zur Monarchie.
c) Historien Hier schildert Tacitus die von ihm selbst erlebte Zeit der Flavierkaiser (Vespasian, Titus, Domitian), die aus guten Anfängen zur Willkürherrschaft ausartete.
d) Annalen Sie umfassen die Jahre 14-68 (die Regierungszeiten von Tiberius, Caligula, Claudius und Nero), vollständig erhalten sind nur die Bücher über die Zeit von 47-66. Die Annalen sind geprägt von der Resignation Tacitus über den Untergang der Republik zugunsten des Prinzipats mit all seinen Schattenseiten, in erster Linie beklagt er die Kaiser und Rom selbst, weniger das gesamte Imperium.
e) De origine et situ Germanorum, kurz Germania wurde 98 veröffentlicht und war sogar ein bescheidener literarischer Erfolg in Rom.

Die bis heute einzigartige handschriftliche Abschrift des Originalwerks wurde in der Mitte des 15 Jhdts. im Kloster Hersfeld in Hessen gefunden.

Die Kapitel 1- 27 berichten allgemein über Leben, Sitten und Einrichtungen der Germanen

Im Kapitel 28 behandelt Tacitus die Frage, ob Germanen nach Gallien eingewandert sind, oder ob auch eine Wanderung im umgekehrten Sinne erfolgt sein könnte. Er stützt sich auf die Behauptung Cäsars, dass einst die Gallier stärker gewesen seien als die Germanen und Kolonien auf rechtsrheinisches Gebiet geschickt hätten. Diese Annahme hat sich allerdings als falsch erwiesen, da die Kelten in vorgeschichtlicher Zeit in Süd- und Mitteldeutschland ansässig waren und erst den andrängenden Germanen über den Rhein nach Gallien auswichen.

Die Kapitel 29- 30 h andeln von den verschiedenen Germanenstämmen und ihren Eigenarten , u. a. die Bataver, Mattiaker, Chatten, Usipeter, Tenkterer, Brukterer, Friesen, Chauken, Cherusker, Foser, Sueben, Semnonen, Kimbern, Hermunduren.

III. Kultur und Religion der Germanen

1. Der Name der Germanen

die jetzigen Tungrer, hätten damals Germanen geheißen: der Name eines einzelnen Stammes, nicht des Gesamtvolkes habe sich allmählich in der Weise durchgesetzt, dass zunächst die Gesamtheit der Germanen wegen des Schreckens, der dem Namen anhaftete, von dem Sieger so genannt wurde, sich dann aber auch selbst so bezeichnete, nachdem der Name einmal aufgekommen war.“

Tacitus, Germania (Kapitel 2)

Über Bedeutung, Herkunft und Etymologie des Wortes „Germane“ wurde bereits viel geforscht und viel spekuliert. Eine Interpretation, die sich durchgesetzt hat, ist die Ableitung Ger-Mann, also der Mann, der den Ger, eine germanische Form des Speeres, trägt.[2] Eine andere denkbare Ableitung kommt von „germana“ aus dem altenglischen und bedeutet soviel wie „groß“ oder „hervorragend“. Tacitus selbst schreibt, die Germanen seien den Römern vom Körperwuchs überlegen gewesen. Die Römer könnten die Hünen in den germanischen Wäldern auch als „Grimmige“ oder „furchtbaren Angreifer“ mit Germanen bezeichnet haben. Vermutlich wurde ein bestimmter Volksstamm von den benachbarten Kelten, den Galliern, als Germanen bezeichnet. Später übernahmen die Römer den Namen als Bezeichnung für alle Stämme östlich des Rheins. Auf die gleiche Art und Weise bekamen die Deutschen später von den Franzosen den Namen „Allemands“, nach dem ihnen benachbarten Stamm der „Allemannen“. Es wurde also lediglich der Name eines Teils auf die Gesamtheit übertragen.

Heutzutage verstehen wir unter „Germanen“ streng wissenschaftlich Sprecher germanischer Sprache und unter „germanischer Sprache“ diejenige Gruppe von Sprachen, die sich durch die sogenannte „Lautverschiebung“ (eine Verschiebung bestimmter Konsonaten) von verwandten Sprachen im indogermanischen Bereich unterscheidet.[3] Dazu zählen die Skandinavier, die Engländer, die Holländer und die Deutschen.

2. Das Erscheinungsbild der Germanen

„...alle haben trotzige, blaue Augen, rotblondes Haar und hünenhafte Leiber, die freilich nur zum Angriff taugen“

Tacitus, Germania (Kapitel 4)

Neben dem hohen Wuchs und der Körperkraft der Germanen war es das blonde Haar, das die Römer faszinierte. Sie sprachen von „Greisenhaar“, um das für sie völlig unbekannte Weißblond, das besonders die Kinder hatten, beschreiben zu können.

Der Import von Blondhaar in allen Schattierungen, Flachsblond, Weizenblond, Goldblond, Rotblond, Dunkelblond, war in Rom nicht nur bei den Frauen beliebt, sogar der berühmt berüchtigte Kaiser Caracalla setzte sich blonde Perücken auf.

Die archäologischen Funde belegen die Begeisterung der Römer. Eine Moorleiche, das Mädchen von Windeby, hatte sehr feines blondes Haar; auch Tote, die in Baumsärgen der germanischen Bronzezeit gefunden wurden, wiesen Reste von Blondhaar auf.

Jedoch waren wohl nicht alle Germanen blond. Dafür spricht die sprachliche Vielfalt für die Bezeichnung von „Braunhaarigen“ oder „Brünetten“. Viele schienen Haarbleichmittel zu benutzen, z.B. aus Ziegenfett, Hammeltalg oder Ätztalk, um den populären Blondton zu erzielen.

Funde von Grabbeigaben sagen uns, dass die Germanen einen regelrechten Haarkult betrieben haben. Seife und Haarbürste gelten als germanische Erfindungen. Das gepflegte Haar wurde gerne langwallend und in der Mitte gescheitelt getragen. Auch bei Männern galten lange Haare als Zeichen von Freiheit und Männlichkeit. Beim Stamm der Sueben war eine weitere Besonderheit üblich:

„...Es ist ein besonderes Kennzeichen des Stammes, das Haar schräg nach hinten zu kämmen und in einem Knoten hochzubinden: darin unterscheiden sich die Sueben von den übrigen Germanen, darin die freien Sueben von den Sklaven...“

Tacitus, Germania ( Kapitel 38)

Die „trotzigen“, „funkelnden“ blauen Augen der Germanen lassen sich rein physiologisch erklären: Die Bindehaut und die Regebogenhaut unterscheiden sich in ihrem Farbwert bei veschiedenen ethnischen Gruppen.. Bei den Germanen reicht das Farbspektrum von weiß über hellgrau bis blaugrau oder blau. Der Gegensatz zur schwarzen Pupille schafft einen krassen Kontrast. Bei seelischer Erregung wie Wut oder Zorn (und die Römer erlebten die Germanen meistens in diesem Gefühlszustand) weitet sich die Sehöffnung und das Auge bekommt das beschriebene „Funkeln“, das was die Römer als „furchteinflößend“ empfunden haben.[4]

„sobald sie herangewachsen sind, lassen sie Haupt- und Barthaar wachsen und entledigen sich erst nach der Tötung eines Feindes der Haartracht...“

Tacitus, Germania, Kapitel 31

Gegen den Rauschebart-Germanen aus der Wagner-Oper sprechen die zahlreichen Funde von Rasiermessern und Bartzangen. Auf antiken Bildwerken werden die Germanen zwar meistens bärtig dargestellt, da in den Gräbern Rasiermesser, Kämme und Scheren gefunden wurden und die Moorleichen ebenfalls rasiert sind, ist allerdings anzunehmen, dass der Bart den antiken Künstlern nur zur Kennzeichnung der „Barbaren“ diente. Da die Germanen viel Wert auf ihr Äußeres und ihre Hygiene legten, spricht nichts dafür, dass die Bärte allzu lang gerauscht haben. Der Name der Langobarden – also „ der Langbärtigen“- lässt jedoch darauf schließen, dass zumindest bei diesem germanischem Stamm auf eine Barttracht schließen. Außerdem war es bei den Germanen, wie uns auch Tacitus sagt, in Kriegszeiten Sitte, den Bart so lange wachsen zu lassen, bis sie einen Feind getötet hatten.

[...]


[1] Auf Bedeutung und Herkunft dieses Namens werde ich in Kapitel III, Abschnitt 1 zu sprechen kommen.

[2] Sprachwissenschaftler lehnen diese Interpretation allerdings ab, da das germanische Wort für Speer „gaisaz“ und nicht „ger“ gelautet haben muss.

[3] Siehe Hasenfratz, Hans – Peter: Die religiöse Welt der Germanen. Freiburg i. Br.: Herder Verlag1992, Sprache und Name, S. 26-27.

[4] Siehe Fischer –Fabian, S.: Die ersten Deutschen. Locarno: Droemer Knaur Verlag Schoeller & Co 2000, S. 189

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Das Bild der "Nordmenschen" bei Tacitus aus moderner Perspektive - Kultur und Religion der Germanen
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Germanistisches Seminar, Abteilung für Skandinavistik)
Veranstaltung
Einführung in die Skandinavistik 1 (Übung)
Note
noch gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V28886
ISBN (eBook)
9783638305419
ISBN (Buch)
9783638789288
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dichter Text - einzeiliger Zeilenabstand
Schlagworte
Bild, Nordmenschen, Tacitus, Perspektive, Kultur, Religion, Germanen, Einführung, Skandinavistik
Arbeit zitieren
Miriam Blümel (Autor:in), 2004, Das Bild der "Nordmenschen" bei Tacitus aus moderner Perspektive - Kultur und Religion der Germanen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28886

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