Rechtliche Aspekte der Leistungsdifferenzierung in den Kursen der Gesamtschule


Seminararbeit, 2002

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einführung

Gesamtschulenversuch des Bildungsrates

Differenzierungsproblematik
- Schulgewalt oder Elternrecht?
- Das Recht der Kinder
- Zusammenfassung

Bewertung in Kursen verschiedener Leistung
- Tabelle 1: Notenstufen leistungsdifferenzierter Kurse

Literatur

Einführung

In dem dreigliedrigen Schulsystem ist der Lehrplan für alle Schüler weitgehend fixiert und verbindlich. In dem entsprechenden Schulzweig wird immer noch an einem geordneten Fächerkanon festgehalten, so dass einige Fächerkombinationen nicht möglich sind, die den Individualinteressen der Schüler entsprechen könnten. Das Kurssystem einer Gesamtschule ist in dem Punkt sehr flexibel: Es erlaubt einem Schüler eine individuelle Zusammenstellung von Kursen, bei der er pädagogisch beraten wird. Natürlich bleiben einige Fächer für alle Schüler obligatorisch, aber auch die werden auf unterschiedlichem Niveau unterrichtet (in Berlin das FEGA-System). In dieser Weise kann die Gesamtschule einem Schüler eine Ausbildung bieten, die dem Niveau des dreigliederigen Schulsystems entspricht, aber auf die jeweiligen Interessen eines Schülers eingeht und diesen auf seine spätere Laufbahn vorbereitet.

Die Gefahr bei der freien Wahl der Kurse besteht darin, dass der Schüler die Kurse wählen kann, die ihm zusagen und leicht fallen, ohne einen konsequenten Bildungsgang zu vollziehen. Es kann zu einem bewussten Ausweichen vor Leistungsanforderungen und der Selbsterprobung kommen.

Die fachübergreifende Leistungsdifferenzierung im traditionellen Schulwesen wird durch eine Differenzierung Fach für Fach ersetzt. Dafür sprechen die unterschiedlichen Leistungen ein und des selben Schülers in verschiedenen Fächern. Dies führt zu einer besseren Förderung des Einzelnen. Eine Förderung, die den Individualinteressen und geistigen Möglichkeiten gerecht wird. Indem die Leistungsdifferenzierung nicht fachübergreifend durchgesetzt wird, verringert sich auch das Problem des Sitzenbleibens, welches zu Belastungen und Demotivation der Schüler und zum vorzeitigen Abgang von der Schule führt.

Das Argument das gegen die fachübergreifende Leistungsdifferenzierung vorgebracht wird, ist die Gefahr, einen Schüler zu erziehen, der in einigen Fächern zu sehr differenzierten Leistungen fähig ist und in anderen auf dem Niveau eines unfähigen Laien verbleibt.

Gesamtschulenversuch des Bildungsrates

Da die Schulart „Gesamtschule“ eine vergleichsweise kurze Geschichte hat (erst 30 Jahre existiert diese erst) und als ein Versuch eingeführt worden ist, wurde das Problem der Differenzierung unter rechtlichen Gesichtspunkten von Bedeutung. Vor allem die Leistungsdifferenzierung in verschiedenen Kursen und die Wahl solcher Kurse fand keine Analogie in dem bis dato bestehenden dreigliedrigen Schulsystem. Es war also notwendig, die Probleme der Differenzierung auf der Grundlage allgemeiner schulrechtlicher und verfassungsrechtlicher Prinzipien an Gesamtschulen zu beurteilen.

Das Regelschulwesen kennt ausschließlich eine Differenzierung, die nach der Grundschule (bzw. Grundstufe – vom Bundesland zu Bundesland verschieden) einsetzt und den Schüler, aufgrund einer einmaligen Entscheidung, einem der drei existierenden Schulzweige zuweist. Die Möglichkeiten eines späteren Schulwechsels, um die Korrektur einer solchen Entscheidung vorzunehmen, sind ziemlich gering und haben praktisch keine Bedeutung. Anders verhält es sich da mit der, 1969 vom Bildungsrat vorgeschlagenen Gesamtschule. In diesem Modell findet, dem dreigliedrigen Schulsystem gegenüber, eine Differenzierung der Schüler nach Leistungen und Interessen statt. Diese Differenzierungen haben in der Mittelstufe noch keine Auswirkungen auf die allgemeine Rechtsstellung des Schülers. Der Lehrplan soll so durchlässig wie möglich gehalten werden, dass die Mobilität der Schüler zwischen den Kursen gewährleistet ist. Lebenswegbestimmendende Entscheidungen werden hier nicht mehr getroffen. Mit dem Zeugnis erhält der Schüler lediglich eine Berechtigung für den Besuch verschiedener Leistungsniveaus. Insgesamt erfolgt die Differenzierung in der Gesamtschule, die sich auf die Berechtigungen auswirkt, teilweise durch die Schule (durch eine Zuordnung zu Leistungsniveaus in der Mittelstufe) und durch den Schüler selbst ( durch die Wahl von Kursen bzw. ihrer Intensität).

Das einzige rechtliche Problem was aufgetaucht ist war die Frage nach dem Träger der Entscheidung bei solchen Zuordnungsprozessen.

Differenzierungsproblematik

Schulgewalt oder Elternrecht?

Diese Frage ist für das Regelschulwesen fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von staatlicher Schulgewalt und Elternrecht diskutiert worden. „Auf der Grundlage dieser Fragestellung hat sich eine, soweit ersichtlich, bisher unbestrittene Auffassung durchgesetzt, nach der eine negative Auslese durch die Schule zulässig, eine positive aber verfassungswidrig ist.“[1] Diese Auffassung wird damit begründet, dass das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz und die staatliche Schulhoheit gemäß Art. 7 Abs. 1 Grundgesetz in einem komplementären Verhältnis stehen: Sowohl die Schule als auch Eltern haben eigene Zuständigkeitsbereiche. In dem Bereich der lebenswegbestimmenden Entscheidung überschneiden sich diese Bereiche allerdings. Es komme hier dem Erziehungsrecht der Eltern ein Vorrang vor der Schule zu.

Wenn man jedoch den Wortlaut des Grundgesetzes näher betrachtet, so stellt man fest, dass dieser nichts aussagt, was diese Auffassung unterstützen würde. Insbesondere kann man aus der Formulierung des Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes, nach dem die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht sind, nichts über einen Vorrang des Elternrechts bei Entscheidungen über den jeweiligen Schulweg entnehmen. Der Art. 7 Abs. 1 des Grundgesetzes begründet nämlich die staatliche Schulaufsicht, ohne auf das Recht der Eltern in irgendeiner Weise Bezug zu nehmen, und damit unabhängig, bzw. gleichberechtigt mit diesem. Wenn aber (laut Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes) die Pflege und Erziehung der Kinder den Eltern als die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht gesehen wird, so impliziert diese Wendung automatisch, dass es neben den Eltern auch noch andere Erziehungsträger geben kann. Die grundsätzliche Trennung von Schule und Elternhaus in verschiedenen Lebensbereichen eines Kindes / Schülers hat ihre soziale Entsprechung in den Funktionen dieser beiden „Institutionen“. In den Bereichen, in denen es (im Normalfall) den Eltern nicht möglich ist, die Ausbildung ihres Kindes mündig zu übernehmen, wird der Schule diese Aufgabe zugewiesen. Neben dieser Dienstleistungsfunktion hat die Schule zugleich die Aufgabe einer Ausleseinstitution, welche die Schüler nach ihren Fähigkeiten und Motivation für bestimmte Berufs- und Sozialbereiche ausbildet, zuweist und selektiert. Obwohl die Schule diese Aufgabe (um nicht zu sagen Pflicht) hat, bleibt die entscheidende rechtliche Frage, von wem und nach welchen Kriterien solche Zuweisungsentscheidungen getroffen werden sollen. Die Kriterien hängen in diesem Falle natürlich von den Entscheidungsträgern ab. Die Eltern werden versuchen, die Kriterien für ihre Entscheidung so zu setzen, dass das Kind die gewünschte soziale Stellung behält, bzw. erreicht; Die Schule wird sich hingegen überwiegend an den Leistungen des Jugendlichen orientieren. Hier wäre also das Leistungskriterium für die Auslese entscheidend.

In dem dreigliedrigen Schulwesen hat sich, vornehmlich in den 70er Jahren, gezeigt, dass die Übergänge zu den weiterführenden Schulen zu einer Auslese führen, die höchst geschlechts- und schichtspezifisch sind. Die Ursache dafür liegt darin, dass der Elternwunsch für eine solche Entscheidung von größter Bedeutung ist. So sind (bzw. waren) bei dem Übergang von der Grundschule zum Gymnasium und zur Realschulen die Arbeiterkinder und auch Mädchen stark unterrepräsentiert[2]. Die Wahl der Schule wird aber, auch heute noch, von verschiedenen Bevölkerungsgruppen als Spiegel der sozialen Wirklichkeit empfunden, dementsprechend wird auch die Schullaufbahnentscheidung von den Eltern getroffen. Als Folge diesen Zustands erfolgt die Auslesen keinesfalls nach dem Prinzip der Leistung, sondern vielmehr aufgrund des sozialen Status und der Vorstellung von den verschiedenen Schulzweigen. Dies ist ein gesellschaftliches Problem: Soll die Struktur der sozialen Schichten weitgehend das Gesellschaftsbild bestimmen, oder sollte sie von der Leistung des Einzelnen (unabhängig seines sozialen Status) geprägt werden? Auf diese gesellschaftspolitische Frage gibt das Grundgesetz aber keine Antwort, oder besser gesagt, es lässt alle Antworten zu.

[...]


[1] Deutscher Bildungsrat, Gutachten und Studien der Bildungsratkommission, 13: Rechtsfragen der Gesamtschule

[2] Anweiler Fuchs, Dorner Petermann; Bildungspolitik in Deutschland 1945 – 1990 Ein historisch – vergleichender Quellenband, 1992 Opladen

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Rechtliche Aspekte der Leistungsdifferenzierung in den Kursen der Gesamtschule
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
15
Katalognummer
V52753
ISBN (eBook)
9783638483797
ISBN (Buch)
9783638765220
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rechtliche, Aspekte, Leistungsdifferenzierung, Kursen, Gesamtschule
Arbeit zitieren
Bartosz Nowak (Autor:in), 2002, Rechtliche Aspekte der Leistungsdifferenzierung in den Kursen der Gesamtschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52753

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Rechtliche Aspekte der Leistungsdifferenzierung in den Kursen der Gesamtschule



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden