Zu: Carl Zuckmayers Drama "Des Teufels General"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

18 Seiten, Note: 3+


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

General Harras und die „ewige Verdammnis“

Oderbruch, der Widerstand

Hartmann, Hoffnungsträger und Zukunft

Literaturverzeichnis

Einleitung:

Anders als viele literarische Werke der unmittelbaren Nachkriegszeit ist Carl Zuckmayers Drama „Des Teufels General“ längst nicht in Vergessenheit geraten[1]. Allein im Fischer Taschenbuch Verlag sind bis Juni 2001 insgesamt 32 Auflagen erschienen. Der anhaltend hohe Erfolg des Stückes, das Zuckmayer nach eigenen Angaben ursprünglich „für die Schublade“ schrieb, weil er 1941 nicht damit rechnete, daß es jemals in Deutschland aufgeführt werden könnte, hat vielerlei Gründe. Einen Teil trägt dazu sicherlich die gelungene Verfilmung von Helmut Käutner mit Curd Jürgens in der Hauptrolle als General Harras bei.

Den eigentlichen Grund für die andauernde Aktualität sehe ich jedoch mehr in der Problematik, die Zuckmayer in seinem Stück behandelt. Er stellt weder die Opfer des Nationalsozialismus – auch wenn ihr Schicksal im Hintergrund durch alle drei Akte immer präsent bleibt[2] – noch die höchsten Funktionäre des verbrecherischen Regimes wie Hitler, Goebbels usw. in den zentralen Blickpunkt seines Dramas. Sie bleiben lediglich im Hintergrund erwähnt. So finden sich im Zenit von Zuckmayers Bühnenstück einzelne unterschiedliche Figuren, die jeweils mögliche Verhaltensalternativen repräsentieren. Sie verkörpern sowohl Widerstand und Flucht als auch verblendete Überzeugung und Mitläufertum aus unterschiedlichsten Gründen.

Die zwei hervorstechendsten dieser Alternativen möchte ich im folgenden anhand der sie repräsentierenden Figuren analysieren und interpretieren. Auf der einen Seite steht „des Teufels General“ in der Figur Harras und auf der anderen der Widerstandskämpfer in der Figur Oderbruch. Zum Schluß der Arbeit möchte ich dann an der Figur Hartmann erörtern, wie die Frage nach einem „moralisch richtigen Verhalten“ und die Frage nach der Zukunft vom Autor beantwortet wird.

General Harras und die „ewige Verdammnis“

Harras ist unbestreitbar die Hauptfigur des Dramas, wie es schon durch den Titel ersichtlich ist. Während des Handlungsverlaufs des Dramas vollzieht er in der Konfrontation mit anderen Figuren einen inneren Erkenntnisprozeß seiner persönlichen Mitschuld, der ihn, ein anfangs aktiv leitender General des nationalsozialistischen Deutschland, in hohem Maße wandelt. Zum Schluß deckt er sogar den antifaschistischen Widerstand.

Der erste Akt, den Zuckmayer in nur drei Wochen schrieb[3], dient in bezug auf Harras hauptsächlich dazu, ihn in seiner Menschlichkeit und Lebensbejahung zu zeigen. Die Regieanweisung für das erste Auftreten Harras ist eindeutig:

Er ist in großer Galauniform, aber in Haltung und Benehmen leger, eher etwas salopp. Das geleerte Glas hält er noch in der Hand, eine Zigarette hängt im Mundwinkel. Sein kluges, trotz gelichteter Haare noch jugendliches, ja jungenhaftes Gesicht (...), das von Natur aus heiter ist, freimütig, liebenswürdig und ein wenig verschmitzt (...)“

Harras soll dem Leser als sympathischer Haudegen erscheinen; das geschieht jedoch auf Kosten der anderen Rollen. So ist Pützchen wie ein Klischeebild des weiblichen oberflächlichen „Dummchen“ gezeichnet und Schmidt-Lausitz tritt lediglich als Karikatur dessen auf, was er eigentlich ist, nämlich die symbolisierte menschenverachtende Staatsmacht, dessen Gefährlichkeit im ersten Akt zu gering dargestellt ist. Die Figuren Eilers, seine Frau Anne, Pflungk und Mohrungen erscheinen auch nur wie grobe Umrisse, Charaktere und Motivationen bleiben zu farblos.[4] Besonders die Figur Mohrungen hätte meiner Meinung nach deutlicher und differenzierter ausgeformt werden sollen, da er symbolisch für jene Großindustriellen steht, die Hitlers Machtergreifung finanziell erst möglich gemacht haben. Doch dieser Aspekt von Schuld droht durch die unbedeutende Rolle Mohrungens ins Nebensächliche zu geraten.

Der Grund für die Überbetonung der Hauptfigur hängt wahrscheinlich mit der Entstehungszeit des ersten Aktes unmittelbar zusammen. Als Zuckmayer von dem Freitod seines Freundes Ernst Udet erfuhr, begann er die Arbeit an dem Drama[5].

Der reale Udet diente ihm als Schreibimpuls und nach seinen eigenen Angaben als Figurenvorlage, wodurch seine Erinnerungen an Udet stark in die Figur Harras mit einflossen[6]. Man darf jedoch Harras nicht mit Udet gleichsetzen, wie es leider in einigen biografischen Lexikonartikeln suggeriert wird[7]. Während Harras sich innerlich seiner Schuld bewußt wird und mit seinem Tod letztlich büßt, ist eine solche Entwicklung bei Udet nicht erkennbar. Vielleicht hätte sich Zuckmayer dies von seinem Freund gewünscht. Udet war zwar kein überzeugter Nazi, hat sich aber auch nie gegen sie gewandt. Seine Selbsttötung hatte andere Gründe. Er hatte die Luftwaffe vorwiegend mit Jagdflugzeugen und Jagdbombern ausgerüstet und die Produktion von Langstreckenbombern mit großer Tragfähigkeit abgelehnt. Seine Strategie beruhte auf der direkten Unterstützung der Bodentruppen aus der Luft durch punktuelle Angriffe, was gegen Polen und Frankreich zu schnellen Siegen führte[8]. Für einen Luftkrieg gegen England war Udets Luftwaffe nicht geeignet. Die zwangsläufige Niederlage wurde ihm zu Lasten gelegt. Nach weiteren persönlichen Mißerfolgen nahm er sich das Leben, bevor er aus dem Amt gedrängt werden konnte. Sein Tod hat also nichts mit einer bewußten politischen Distanzierung zu den Nationalsozialisten zu tun, sondern eher mit dem Versuch, die Ehre und das Image eines Helden zu wahren.

Dessen muß sich auch Zuckmayer bewußt gewesen sein, als er sein Drama schrieb. Schließlich wird Udet nicht in seiner Widmung genannt, sie gilt vorerst „dem unbekannten Kämpfer“ und später dann Theodor Haubach, Wilhelm Leuschner und Graf Hellmuth von Moltke.[9]

Betrachtet man den ersten Akt etwas näher, finden sich auch schon Hinweise auf eine Ambivalenz, in der sich Harras befindet. Diese beschränken sich auf seine Aussagen wie zum Beispiel: „Wer mit dem Schwein aus einem Trog frißt, ist selbst ein Schwein.“[10]

Ganz deutlich wirkt in dieser Hinsicht sein Eingeständnis: „Ich bin ganz kalt in die Sache hineingestiegen, und ohne Illusionen. [...] Als die im Jahre 33 drankamen – da wußte ich genau, daß ´n kleiner Weltkrieg angerichtet wird.“[11] Er erkennt sogar, daß er auf der falschen Seite steht, indem er fragt, ob er „nicht ein besseres Gefühl im Leibe [hätte], wenn (...) [er] die Reichskanzlei bombardieren würde – statt den Kreml, oder den Buckingham-Palace“.[12] Daß er sich menschlich in seiner Rolle als General nicht wohlfühlt, zeigt sich auch daran, daß er von Diddo, in die er sich verliebt hat, nicht „Herr General“ genannt werden möchte. „Aus deinem süßen Munde. Kann ich gar nicht hören. Macht mich – direkt melancholisch macht mich das.“[13] Bei ihr möchte er also nur der „Mensch Harras“ sein und seine andere Seite am liebsten ausblenden.

Als er von Mohrungen im Gespräch direkt nach einer „Entschuldigung vor sich selbst“ gefragt wird, erwidert er: „Entschuldigung – gibt es keine“.[14] Dennoch verdrängt er diese Einsicht innerlich genauso, wie er jeden äußerlichen Zweifel mit „Schnauze“ unterbricht, nämlich teils im Alkohol, andernteils verharmlost er Tatsachen, die seine Zweifel nähren könnten, durch ironische Scherzhaftigkeit. So stilisiert er die Vernichtung Guernicas zu einem „kleinen Brechreiz“ herunter.[15] Er versucht, seine eigene Verantwortung herunterzuspielen, indem er sich als „halber Abenteurer und Luftikus“[16] darstellt, der seine Schuld hinter seiner Liebe zur Fliegerei versteckt.

[...]


[1] Einige Werke, die in ihrer Zeit ein breites Publikum fanden, sind heute nur noch einem erlesenen Kreis von Fachleuten bekannt.

[2] So zum Beispiel „Buchenwald“ und „Litzmannstadt“ (S.48)

[3] Carl Zuckmayer, Als wär’s ein Stück von mir, S.52

[4] Vgl. auch: Wehdeking S.88

[5] Vgl. auch Zuckmayer, Als wär’s ein Stück von mir, S.242. Hier beschreibt Zuckmayer seine intensive Freundschaft mit Udet.

[6] Wehdeking S.94

[7] Brockhaus, Meyers, Deutsche Biografische Enzyklopädie etc.

[8] Ich beziehe mich hier auf Kenntnisse, die ich während meiner Offizierausbildung an der Offizierschule der Luftwaffe im Fach „Luftkriegsführung“ erworben habe.

[9] Zuckmayer, Carl: Des Teufels General, 32. Auflage, Frankfurt a.M. 2001, S.5, im folgenden nenne ich nur die Seitenzahlen.

[10] S.55

[11] S. 37

[12] Ebd.

[13] S.46

[14] S.37

[15] S.38

[16] Wehdeking S.89

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Zu: Carl Zuckmayers Drama "Des Teufels General"
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn  (Germanistisches Seminar)
Veranstaltung
Hauptseminar "Nachkriegsliteratur": Literatur der ‚Stunde Null’
Note
3+
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V19335
ISBN (eBook)
9783638234825
ISBN (Buch)
9783638758987
Dateigröße
493 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Carl, Zuckmayers, Drama, Teufels, General, Hauptseminar, Nachkriegsliteratur, Literatur, Null’
Arbeit zitieren
Tobias Lingen (Autor:in), 2003, Zu: Carl Zuckmayers Drama "Des Teufels General", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19335

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Zu: Carl Zuckmayers Drama "Des Teufels General"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden