Das Problem der Doppelbestrafung (BDG, StGB)


Hausarbeit, 2003

12 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Art. 103 III GG

2. Die Tatbestandsmerkmale des Art. 103 III GG

3. Folgen für das Strafvefahrensrecht

II. Das Verhältnis zwischen Straf- und Disziplinarrecht, dargestellt

anhand ausgewählter Rechtsprechung

I.1. Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Art. 103 III GG

Durch Art. 103 III GG ist es den Strafverfolgungsbehörden untersagt, denselben Täter wegen derselben Tat mehrfach zu bestrafen[1]. Damit folgt das Grundgesetz dem Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung[2], der zwar seit der Antike bekannt ist, als Verfassungsprinzip aber erstmals in der Weimarer Verfassung verankert wurde[3]. Art. 103 III GG ist Ausfluss und Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips[4]. Obgleich es an einer abstrakten Definition mangelt[5], sieht ihn die h.M. als rechtliche Bindung und Beschränkung der staatlichen Herrschaftsausübung, damit die Freiheit des Einzelnen gewahrt bleibt[6]. Dazu gehören die Gewährleistung von Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit[7]. So soll eine begangene Straftat tat- und schuldgerecht bestraft werden. Dieser staatliche Strafanspruch erlischt mit Beendigung des Strafverfahrens und schliesst damit eine zweite Bestrafung in einem weiteren Verfahren aus[8]. Damit wird dem Grundsatz der Rechtssicherheit Rechnung getragen. Die Forderung nach materieller Gerechtigkeit leitet sich zudem aus dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz ab, welcher zwar nicht expressis verbis im Grundgesetz steht, aber unter Zugrundelegung des § 9 II VWVG als Verfassungsbestandteil im materiellen Sinne anzusehen ist[9] und jede neue staatlich verhängte Strafe begrenzt[10]. Der Bürger soll nicht ständig unter der Gefahr leben, erneut angeklagt zu werden. Eine Verletzung liefe überdies dem Vertrauensschutzgedanken und der in Art. 1 II 1 GG als Grundrecht normierten Freiheit und Würde des Menschen zuwider[11]. Damit steht Art. 103 III GG eng in Verbindung mit diesem Auffanggrundrecht und stellt als Verfahrens- und Justizgrundrecht selbst ein gegen den Staat gerichtetes Abwehrrecht dar[12], so dass der bereits Verurteilte vor einem erneuten Eingriff durch die Strafverfolgungsbehörden geschützt ist.

Ausserhalb des Geltungsbereichs der Bundesrepublik Deutschland findet der Grundsatz des ne bis in idem seine Schranken, da eine Veruteilung im Ausland bisher keine Auswirkung auf eine Strafanklage wegen derselben Straftat im Inland hat[13]. Dies könnte sich bereits in naher Zukunft ändern. Falls eine gemeinsame europäische Verfassung in der Form, die vom dazu beauftragten Konvent am 20. Juni 2003 in Thessaloniki vorgelegt wurde, in kraft treten sollte[14], wäre jede zweimalige Strafverfolgung aufgrund derselben Straftat innerhalb der Europäischen Union durch Art. II-50 des Verfassungsentwurfs untersagt[15].

Entscheidungen durch Gerichte der ehemaligen DDR vor Inkrafttreten des Grundgesetzes bleiben indes gem. Art. 18 I EinigungsV wirksam[16].

I.2. Die Tatbestandsmerkmale des Art. 103 III GG

Gem. Art. 103 III GG darf niemand „wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden“.

Was unter dem Begriff „dieselbe Tat“ zu verstehen ist, bedarf nach h. M. einer weiten Auslegung[17]., da es keine verfassungsmässige Definition gibt und Unterschiede zum Tatbegriff des materiellen Strafrechts bestehen[18]. Während Art. 103 III GG an den prozessrechtlichen Tatbegriff i.S.d. §§ 155, 264 StPO anknüpft[19], richtet sich die Strafgerichtsbarkeit bei Strafzumessungen nach den §§ 52 I, 53 I StGB[20]. Jemand, der durch dieselbe Handlung mehrere voneinander unabhängige Strafgesetze bricht oder denselben Straftatbestand mehrmals verwirklicht (§ 52 I StGB), kann nur einmal bestraft werden. Jemand, der dagegen mehrere Straftatbestände erfüllt und deshalb in einem Strafverfahren angeklagt ist (§ 53 I StGB), begeht auch dann nur eine Tat i.S.d. Art. 103 III GG, wenn die materiell-rechtlich unterschiedlichen Straftaten zu einem „einheitlichen Lebensvorgang“[21] gehören. Abweichend davon kann der verfassungsrechtliche Tatbegriff hinter dem materiell-rechtlichen zurückbleiben, wenn in besonderem Masse unterschiedliche Sachverhalte vorliegen[22]. Die Abgrenzung solcher Sachverhalte wird durch Prüfung, ob für die Begehung der Tat ein neuer Willensentschluss vonnöten war, vorgenommen[23]. Der in Umrissen dargestellte materiell-rechtliche Tatbegriff der §§ 52, 53 StGB wird durch Art. 103 III GG um den prozessrechtlichen Tatbegriff (§§ 155, 264 StPO) erweitert[24], so dass die Rechtskraft des Urteils überprüft werden kann.

„Dieselbe Tat“ umfasst mithin den gesamten Ablauf des Strafverfahrens sowie jede strafrechtlich relevante Handlung, auf Grund dessen die Strafverfolgungsbehörden hätten anklagen können[25]. Somit wird der gesamte Geschehenskomplex erfasst, der mit einer oder mehreren strafrechtlichen Handlungen i.S.d. §§ 52, 53 StGB verknüpft ist[26].

[...]


[1] vgl . Behnke, Strafe und Massnahme im Disziplinarrecht, Müchen 1972, S.49

[2] Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, 30.LfG, Dezember 1992, Rdn. 257

[3] vgl. Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 257

[4] vgl. Behnke, aaO., S.52; Nolte in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Bd.3, 4.Aufl., München 2001, Rdn. 200; Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 274

[5] BverfGE 74, 129 (152): der Begriff bedarf vielmehr der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten

[6] Statt Vieler: Hendler, Staatsorganisationsrecht, Rdn. 48

[7] vgl. Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 260

[8] vgl. Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 260

[9] vgl. Wortlaut des § 9 II VWVG

[10] vgl. Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 261; Hendler, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Stuttgart 2001, Rdn. 226 ff.

[11] vgl. Kunig in : von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd.3, 2. Aufl., München 1983, Rdn. 39; Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 260 f.

[12] vgl Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 271: eine Verfassungsbeschwerde ist bei Verletzung des Art. 103 III GG über Art. 93 I Nr. 4a GG möglich

[13] vgl. Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 303

[14] vgl. Vorwort zum EU-Verfassungsentwurf in : EuGRZ 2003, Heft 11, S. 357

[15] EuGRZ 2003, Heft 11, S, 373; bestehende völkerrechtliche Regelungen finden auf die Bundesrepublik Deutschland bisher keine Anwendung vgl. dazu Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 309 ff.; Degenhart in: Sachs, Grundgesetz-Kommentar, 2.Aufl., München 1999

[16] vgl. Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 304

[17] vgl. Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl., Neuwied 1999, Rdn. 39; Wassermann, Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 2.Aufl., Darmstadt 1989, Rdn. 56

[18] vgl. Kunig in: von Münch, aaO., Rdn. 39

[19] vgl. Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 282

[20] vgl. Degenhart, aaO., Rdn. 80

[21] BVerfGE 45, 434 (437), Kunig, aaO., Rdn. 39

[22] BverfGE 56, 22 (32 f.); Schmidt-Aßmann, aaO., Rdn. 282

[23] vgl. Nolte, aaO., Rdn. 208

[24] vgl. Nolte, aaO, Rdn. 203

[25] vgl. Behnke, aaO., S.64; Kunig, aaO., Rdn. 39

[26] vgl. Nolte, aaO., Rdn. 201

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Das Problem der Doppelbestrafung (BDG, StGB)
Hochschule
Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Brühl - Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung  (Fachbereich Sozialversicherung)
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2003
Seiten
12
Katalognummer
V18689
ISBN (eBook)
9783638229760
ISBN (Buch)
9783638758833
Dateigröße
654 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Problem der Doppelbestrafung (BDG, StGB), 1. Der Grundsatz des ne bis in idem in der deutschen Verfassung und seine Bedeutung aus disziplinarrechtlicher Sicht, 2. Das Verhältnis zwischen Straf- und Disziplinarrecht
Schlagworte
Problem, Doppelbestrafung, StGB)
Arbeit zitieren
Diplom-Verwaltungswirt (FH) Markus Grünewald (Autor:in), 2003, Das Problem der Doppelbestrafung (BDG, StGB), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18689

Kommentare

  • Gast am 23.3.2005

    Beitrag zur Hausarbeit von Markus Grünewald.

    Eine für die Fachhochschule des Bundes erstaunliche Hausarbeit, die aufgrund der Breite der Recherchen und aufgrund der handwerklichen Beherrschung des juristischen ABC
    einen Vergleich mit anderen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen
    nicht zu scheuen braucht.

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