Was macht eine Nachricht zur Nachricht? - Die Nachrichtenwert-Theorie am Beispiel ausgewählter Meldungen einer Sendewoche des Radiosenders ANTENNE THÜRINGEN


Hausarbeit, 2001

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Nachrichtenwert-Theorie
2.1 Grundlagen und Entstehung nach Walter Lippmann
2.2 Verbreitung in Europa durch Einar Östgaard
2.3 Weiterentwicklung durch Joan Galtung und Marie Holomboe Ruge
2.4 Die Nachrichten-Faktoren nach Winfried Schulz
2.5 Kritik am theoretischen Fundament des Nachrichtenwert-Modells und weiterführende Entwicklungen

3. Beispiel Radio: Relevanz der Nachrichtenfaktoren bei Antenne Thüringen
3.1 Profil und Nachrichten des Radiosenders Antenne Thüringen
3.2 Grundlage für die Untersuchung
3.3 Auswertung

4. Resümee

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Was ist eine Nachricht?“

Mit dieser Frage befassen sich täglich Journalisten auf der ganzen Welt; Journalisten, die zu entscheiden haben, welche Informationen relevant sind und an ihr Publikum weitergegeben werden sollten.

Letztendlich legen sie damit auch fest, über welche Themen die Empfänger der Nachricht, also die Rezipienten, nachdenken werden. Sie bestimmen zu einem bestimmten Grade die Tagesordnung der Rezipienten, sie „setzen die Themen auf die Agenda“.

Dass es sich bei der Informationsauswahl also um eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe handelt, welche durchaus oft weitreichende Konsequenzen zur Folge hat, dürfte somit für jeden erkennbar sein.

Die Entscheidung, welche Information zur Nachricht wird, wird in der Regel von mehreren Instanzen getroffen. Demnach sind mehrere Personen für eventuelle Konsequenzen verantwortlich. Der Reporter vor Ort, der das Ereignis aufschnappt und an die Nachrichtenagenturen weitermeldet, die Mitarbeiter der Nachrichtenagenturen, die die Information redigieren und entscheiden, in welcher Form bzw. in welches Ressort sie die Meldung in ihren Dienst setzen, die Redakteure in Presse-, Funk-, Fernsehen- und Online-Medien, die sich ihre Nachrichten aus dem riesigen Fundus der Agenturmeldungen heraussuchen und dann noch die leitenden Redakteure, die eine Endauswahl treffen bzw. generelle Richtlinien der Nachrichtenauswahl vorgeben.

Sie alle spielen eine Rolle im Prozess der Nachrichtenauswahl, wobei die Redakteure in den Massenmedien in besonderem Maße die Rolle eines „Schleusenwärters“, eines „Gatekeepers“, einnehmen, da sie den größten Teil an Informationen aus den Agenturen ausschließen. Nur ein verschwindend geringer Teil an Informationen wird tatsächlich weiterverbreitet.

Welche Meldungen an die Öffentlichkeit gelangen, hängt nicht nur davon ab, was die Redakteure für wichtig halten, sondern auch davon, was sie glauben, was die Rezipienten für wichtig und interessant halten. Da in allen privatwirtschaftlich organisierten Massenmedien Auflagen- bzw. Reichweitenstärke zwecks Aquirierung von Werbekunden und der damit verbundenen Ertragsoptimierung immer wichtiger wird, hält man sich auch in den Nachrichtenabteilungen immer häufiger an den statistisch nachweisbaren und teilweise auch an den vermuteten Massengeschmack.

Zusätzlich sind die Redakteure durch ihre politische Einstellung, persönliche Vorlieben, die Einbindung in die Organisationsstruktur des jeweiligen Mediums sowie redaktionelle Grundprinzipien in ihrer Entscheidung beeinflusst, sowohl bewusst als auch unbewusst.

Es gibt aber auch eine Reihe von bewusst anwendbaren Kriterien, nach denen Nachrichten ausgewählt werden. Diese Kriterien sind die Nachrichtenfaktoren.

Ich werde im Folgenden erläutern, wie diese Faktoren entstanden sind, wie sie definiert und weiterentwickelt wurden, und ich werde anhand ausgewählter Meldungen einer Sendewoche des Radiosenders Antenne Thüringen zeigen, welche Schwerpunkte hier bei der Nachrichtenauswahl gesetzt worden sind.

2. Die Nachrichtenwert-Theorie

2.1 Grundlagen und Entstehung nach Walter Lippmann

Die Nachrichtenwert-Theorie hat ihren wissenschaftlichen Ursprung im Buch „Public Opinion“ (1922) des Amerikaners Walter Lippmann, in welchem erstmals von einem „news value“, einem Nachrichtenwert, die Rede ist. Unter dem Begriff „Nachrichtenwert“ versteht Lippmann die Publikationswürdigkeit von Ereignissen, resultierend aus dem Vorhandensein verschiedener Ereignisaspekte[1]. Er beschäftigt sich in seinem Buch mit der Unmöglichkeit einer vollständigen Erfassung der Wirklichkeit. Die Realität werde deshalb auf Stereotype reduziert wahrgenommen, was gleichfalls für die Medien gelte. Er kommt zu der These, dass die Wahrscheinlichkeit der Publikation eines Ereignisses erhöht würde, wenn es bestimmte Merkmale aufweise, welche das Interesse und die Emotionen der Rezipienten zu wecken imstande sind. Als einige dieser Merkmale führt er z.B. lokale Nähe, Prominenz der Beteiligten und Ungewöhnlichkeit des Ereignisses auf.

Die Nachrichtenwert-Theorie wurde nach Lippmann in Amerika und Europa voneinander unabhängig weitererforscht, wobei beide Forschungstraditionen auf einem Kausalmodell der Nachrichtenauswahl basieren, in dem bestimmte Eigenschaften von Ereignissen als Ursache journalistischer Selektionsentscheidungen angesehen werden[2].

2.2 Verbreitung in Europa durch Einar Östgaard

In Europa wurde die Nachrichtenwert-Theorie durch den norwegischen Forscher Einar Östgaard erstmals publik gemacht. Östgaard erkannte im Nachrichtenangebot eine Verzerrung, die er durch externe Faktoren, wie z.B. direkte oder indirekte Einflussnahme durch Regierungen, Nachrichtenagenturen und Medieneigentümer sowie interne Faktoren erklärte. Diese internen Faktoren fasste er zu drei Komplexen zusammen:

1. Simplifikation: Die Medien neigen dazu, Meldungen mit einfacheren Sachverhalten zu bevorzugen und komplexe Vorgänge vereinfacht darzustellen.
2. Identifikation: Es wird versucht, Aufmerkamkeit zu erreichen, indem über Ereignisse berichtet wird, die bereits bekannt sind. Natürlich wird hier dem bereits Bekannten eine Neuigkeit hinzugefügt, welche die Nachricht ja erst zur Nachricht macht.
3. Sensationalismus: Dramatische Sachverhalte wie Krieg, Krisen und Kriminalität sind Garanten für hohe Aufmerksamkeit bei den Rezipienten.

Desweiteren führt Östgaard noch die Dauer und die Etablierung des Ereignisses bzw. Themas als die Selektion beeinflussende Faktoren an.

2.3 Weiterentwicklung durch Joan Galtung und Marie Holomboe Ruge

Östgaards Ansatz wurde durch Joan Galtung und Marie Holomboe Ruge weiter ausdifferenziert; beide waren - wie Östgaard - ebenfalls Forscher am norwegischen Friedensforschungsinstitut in Oslo.

Ihre Grundthese ist, dass die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen durch das Nachrichtensystem prinzipiell der individuellen menschlichen Wahrnehmung ähnelt und im Wesentlichen auch deren Gesetzen unterliegt.

Sie betrachteten die Nachrichtenfaktoren als Eigenschaften von Ereignissen, die den Grund dafür bilden, diese Ereignisse zu publizieren. Daher spricht man auch von „Kausalmodell“.

Galtung und Ruge verfassten mit ihrem 1965 entworfenen Katalog von 12 Nachrichtenfaktoren[3] den ersten umfassenden Theorieentwurf zur Nachrichtenauswahl, welcher die Basis für zahlreiche weitere Untersuchungen bildete.

Diese Faktoren bezeichneten sie mit „Bedeutsamkeit“, „Frequenz“, „Schwellenfaktor“, „Eindeutigkeit“, „Konsonanz“, „Überraschung“, „Negativismus“, „Personalisierung“, „Variation“, „Kontinuität“, „Bezug auf Elite-Nationen“ sowie „Bezug auf Elite-Personen“.

[...]


[1] vgl. Staab, Joachim Friedrich, Nachrichtenwert-Theorie. Formale Struktur und empirischer Gehalt, Freiburg 1990, S. 41.

[2] vgl. Staab, Joachim Friedrich, Entwicklung der Nachrichtenwert-Theorie, in: Wilke, Jürgen (Hrsg.), Fortschritte der Publizistikwissenschaft, Freiburg / München ²1993, S. 171.

[3] vgl. Galtung, Joan und Ruge, Marie Holomboe (1965), The Structure of Foreign News. The Presentation of the Congo, Cuba an Cyprus Crisis in Four Norwegian Newspapers, in: Journal of Peace Research 2/1965/, S. 64-91, gekürzt wiederabgedruckt in: Gottschlich, Maximilian (Hrsg.), Massenkommunikationsforschung. Theorieentwicklung und Problemperspektiven, Wien 1987, S. 129-137.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Was macht eine Nachricht zur Nachricht? - Die Nachrichtenwert-Theorie am Beispiel ausgewählter Meldungen einer Sendewoche des Radiosenders ANTENNE THÜRINGEN
Hochschule
Universität Erfurt  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Vorlesung: 'Einführung in die Kommunikationswissenschaft'
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V44111
ISBN (eBook)
9783638417655
ISBN (Buch)
9783638750301
Dateigröße
650 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit erläutert die Nachrichtenwerttheorie am praktischen Beispiel der Nachrichten einer Sendewoche des privaten Radiosenders "Antenne Thüringen".
Schlagworte
Nachricht, Nachrichtenwert-Theorie, Beispiel, Meldungen, Sendewoche, Radiosenders, ANTENNE, THÜRINGEN, Vorlesung, Kommunikationswissenschaft“
Arbeit zitieren
B.A. Mario Müller (Autor:in), 2001, Was macht eine Nachricht zur Nachricht? - Die Nachrichtenwert-Theorie am Beispiel ausgewählter Meldungen einer Sendewoche des Radiosenders ANTENNE THÜRINGEN, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/44111

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Was macht eine Nachricht zur Nachricht? - Die Nachrichtenwert-Theorie am Beispiel ausgewählter Meldungen einer Sendewoche des Radiosenders ANTENNE THÜRINGEN



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden